Anweisungen wie wir leben sollen
Kurze Anweisungen, um nach dem Geiste Christi fromm zu leben
und glücklich zu sterben
Beherzige oft Folgendes:
1. Christus ist Mensch geworden, um bezüglich der Erlösung den Willen seines Vaters zu erfüllen.
2. Dieser göttliche Wille bestand darin, dass der Sohn Gottes ein armes, leidenvolles Leben der Selbstverleugnung führe, den blutigen Tod am Kreuze sterbe und so für die Sünden der Menschen genugtue.
3. Durch dieses arme Leben, Leiden und Sterben sollte dem Vater die von seiner Gerechtigkeit geforderte Genugtuung geleistet und die durch die Sünde ihm geraubte Ehre wiederhergestellt und ersetzt werden.
4. Der Gottmensch Jesus machte diesen göttlichen Willen zu dem seinigen; all sein Denken und Tun war darauf gerichtet, diesen Erlösungsplan aufs freudigste und bereitwilligste auszuführen und in dieser Hinsicht alles zu tun, was im Willen seines Vaters lag, und dadurch die Ehre desselben am meisten befördert wurde.
5. Dieses eifervolles Streben Christi, alles zur Erlösung zu vollziehen, und alle die hierzu notwendigen Mühen und Arbeiten, Leiden und Verdemütigungen, denen er sich unterzog, und zuletzt die bereitwilligste Übernahme des blutigen Todes am Kreuze, verbunden mit der heiligsten und reinsten Absicht, nur Gottes Ehre und Verherrlichung zu erwirken, ist der Geist Christi, den auch wir unserseits uns von Gott erlangen und erflehen sollen.
6. Denn er ist uns notwendig, weil wir ohne diesen Geist der Gnaden, die Christus uns durch die Erlösung erworben, nicht teilhaftig werden und die Seligkeit nicht erlangen können. Wir müssen mit Christus leiden und Kreuz tragen, um mit ihm im Himmel erhöht und verherrlicht zu werden.
7. Wir müssen also von demselben Geiste Christi erfüllt sein, von ihm geleitet und beherrscht werden, so dass wir nach Leib und Seele Christus gleichförmig werden, d.h. leben, denken, urteilen, streben und handeln wie Christus selbst.
8. Dies ist möglich, und jeder kann diese Nachfolge und Nachahmung Christi in seinen wie immer gearteten Verhältnissen und in seinem Stande ausführen.
9. Es ist nichts weiter erforderlich, als dass der Christ die Sünde meidet, jede schwere Sünde meidet und flieht. Diese Flucht, dieser Hass und Abscheu der Sünde, die mit der Gnade Gottes jedem Menschen möglich ist, ist das erste Erfordernis, um ein Leben nach dem Geiste Christi zu führen. Je größer dieser Hass der Sünde in einem Menschen ist, um so näher und wohlgefälliger ist er Gott, um so größer ist seine Gerechtigkeit und Heiligkeit, um so größer seine Gottähnlichkeit. Der Mensch, in dem dieser Hass und Abscheu recht stark und mächtig ist, ist ein Heiliger. Danach kann jeder bemessen, in welchem Grade der Geist Christi in ihm wohnt und wirkt. Dieser Sündenhass ist ein sicheres Zeichen und ein untrüglicher Beweis dafür, dass jemend im Stande der Gnade und ein Kind Gottes ist.
10. Wenn er dann, was mit diesem Sündenhass verbunden ist, Eifer hat, seine christlichen Pflichten zu erfüllen, seine Pflichten der Gottesverehrung im eifrigen Gebete und Sakramentenempfang, seine Pflichten der Nächstenliebe, seine Standespflichten treu ausübt, den Kindes-und Elternpflichten nachkommt und dem irdischen Berufe mit Gewissenhaftigkeit obliegt, dann lebt er nach dem Geiste Christi und dann ist er ein überaus guter und vollkommener Christ, hat wahrhaft den Geist Christi und geht geradewegs dem Himmel zu.
11. Dies alles ist nicht schwer, jeder kann es mit der Gnade Gottes, die ihm nie fehlen wird, vollbringen; es kann keinen sittlich guten Stand geben, in dem die Ausführung dessen, was der Geist Christi verlangt, nicht möglich wäre.
12. Ein solch einfaches, nach den Grundsätzen Christi und seines Evangeliums geführtes Leben ist ein überaus göttliches Leben, bewahrt vor der Sünde und Hölle, vor den Schrecken des bösen Gewissens schon während des Lebens und noch mehr im Tode. "Wer mir nachfolgt, der wandelt nicht in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben." (Jo. 8,12). Ein solcher ist wahrhaft erleuchtet und aufgeklärt und von Gott gesegnet und geliebt und hat nichts zu fürchten, was auch kommen oder Gott ihm schicken mag, etwa zu seiner Läuterung und Prüfung, sieht ruhig, ja freudig dem Tode entgegen mit der sichern und tröstlichen Hoffnung, in das jenseitige Leben einzugehen, um bei Gott ewig selig zu sein.
13. Um nach dem Geiste Christi zu leben, beobachte dann noch im einzelnen folgendes: Der Psalmist (33,15) sagt: "Weiche vom Bösen und tu das Gute."
a) Weiche vom Bösen. Fliehe vor allem die Todsünde wie tödliches Gift. Sie ist das größte Übel in der Welt, und der Hass derselben ist, wie schon gesagt worden, Grundlage eines Lebens nach dem Geiste Christi. Meide also alle schweren Sünden, als Un-, Irr- und Aberglauben, schweres Fluchen und Verfluchen, Gotteslästerung, Sonntagsarbeiten, Ungehorsam und Unehrerbietigkeit gegen die Eltern und Vorgesetzten; Hass und Feindschaft gegen den Nächsten, Äregernis und Verführung desselben; Unkeuschheit; Unehrlichkeit im Verkehr mit dem Nächsten; Verleumdung, Ehrabschneidung, Ehrenkränkung; Hoffart und Selbstüberhebung; Geiz und Habsucht; Neid, Missgunst, Unmässigkeit; Trägheit und Verabsäumung der zeitlichen und religiösen Pflichten.
b) Tue das Gute. Erfülle vor allem deine religiösen Pflichten. Verrichte deine täglichen Gebete in der Familie gemeinsam; durchs Gebet muss man den Himmel an sich reißen. Man kommt nur durch viel Gebet in den Himmel; übe eifrig die Andacht zur allerseligsten Jungfrau und verehre sie täglich durch irgend eine fromme Übung; empfielt dich täglich dem heiligsten Herzen Jesu und empfange des öfteren würdig die heiligen Sakramente, wenigstens alle Monate oder alle Sonn- und Festtage oder noch besser täglich, beobachte genau die Gebote der Kirche, den Besuch des sonntäglichen Gottesdienstes, das Fastengebot. Halte fest an deinem Glauben; er allein schließt dir den Himmel auf; tritt für denselben ein und verteidige ihn, wenn es dir möglich ist, wann immer er angegriffen wird; liebe die heilige Kirche und schätze dich glücklich, ein Kind derselben zu sein, und wahre überall ihre Interessen, wie du kannst. Übe überaus eifrig die Nächstenliebe in Erweisung von Liebestaten, Gefälligkeiten, materiellen Hilfeleistungen, Almosen, soweit es deine Verhältnisse gestatten. Die Nächstenliebe ist besonders sicheres Kennzeichen eines guten gottgefälligen Christen und Dieners Gottes. Sie wirkt Herzensfrieden und einen guten seligen Tod. In deiner Lebensweise sei einfach und bescheiden; mache keinen Aufwand, der deine Kräfte übersteigt und über deinen Stand hinausgeht; fliehe das sündhafte Wohlleben und jede verderbliche Vergnügungssucht. Erfülle treu deine Standespflichten. Wenn du verheiratet bist, dann führe eine christliche Ehe in treuer Liebe und Eintracht mit dem andern Teil. Erziehe deine Kinder in der Furcht des Herrn und im Glauben und bewahre sie vor dem Bösen, namentlich vor schlechter Lektüre und Gesellschaft, vor Ansteckung und Verführung, die heute so viel junge Leute ins Verderben stürzen. Eine gute Erziehung ist das größte Gut, das die Eltern ihren Kindern geben können, daher mehr wert als das größte zeitliche Vermögen.
"Tu das, so wirst du leben." (Lk.10,28). Das ist das einfache Leben nach dem Geiste Christi: Außerordentliches wird zunächst nicht gefordert. Alles ist leicht möglich, was der Geist Christi von dir verlangt, wie er selbst sagt: "Mein Joch ist süß und meine Bürde ist leicht." (Mt. 11,30).
( entnommen aus: Das dreifache Reich Gottes, von Joseph Reiter, Pfarrer, Inhaber des päpstlichen Kreuzes "Pro Ecclesia et Pontifice", 1911)