- Gottes enge Pforte -

Die soziale Bedeutung der Beichte

 
O Gott, von Herzen lieb ich dich,
Nicht, dass du gnädig rettest mich,
Noch weil du, die nicht lieben dich,
Mit Feuer strafest ewiglich.
 
O Jesus, du hast gänzlich mich
Am Kreuz umschlungen inniglich,
Du trugst die Nägel, trugst den Speer
Und viele Schmach und Leiden schwer.
 
Und Schmerzen ohne Zahlen
Und blut´gen Schweiß und Qualen
Und Tod. Dies trugst du all für mich,
Für mich, den Sünder gnädiglich.
 
Wie sollt ich denn nicht lieben dich,
Dich, Jesus, der so liebte mich? -
Nicht, dass du einst beseligst mich
Und ewiger Pein entreißest mich.
 
Nein, so wie du geliebet mich,
So lieb und will ich lieben dich,
Allein, weil du mein König bist,
Allein nur, weil mein Gott du bist.
 
Was die Wirksamkeit der Beichte auf sozialem Gebiet angeht, so ist deren unermessliche Tragweite noch nie in Abrede gestellt worden. Da hat denn auch der Höchste einen Richter gefunden, da ist kein Frevler gegen die ewige Ordnung und Gottes Gesetz, gleichviel ob im Purpur oder im dürftigen Gewand des Taglöhners, für den der Priester im Beichtstuhl nicht eine erschütternde Sprache hätte. 
Reue und Buße, als Bedingung aller Versöhnung und alles Sündenerlasses, das ist die Sanktion, die das Priestertum hat zur Aufrechterhaltung seiner ewigen Gesetze, die es ohne Unterlass unverfälscht der Welt verkündet.
Da sind alle wieder gleich, wenn auch äusserlich noch so verschieden durch Beruf und Lebenslage. Bekenntnis der Sünde, Sühnung des geschehenen Unrechts, Verzeihung aller Unbilden, das feierliche Versprechen, um die ewigen Gesetze der Gerechtigkeit und Liebe die Richtschnur unserer Handlungen werden zu lassen - das alles fordert der Priester von allen, und die Erfüllung dieser Forderung wird die Bedingung unserer Seligkeit. Da wird alles ungesetzliche Streben verfolgt bis in seine geheimsten Gänge, da muss alle Selbstsucht unterworfen werden den ewigen Gesetzen der Gerechtigkeit und der Liebe. 
Wo wäre noch eine Anstalt auf Erden, die solche Bürgschaft gewährte für die Erfüllung aller sozialen Pflichten als die Beichte, abgelegt vor dem Priester an Gottes Statt?
Wo wird so jener Sünde gewehrt, die wie ein Krebsgeschwür am besten Mark der Gesellschaft frisst; wo die Unbeflecktheit der Ehe, dieser Quell des Lebens und der Völkerwohlfahrt, so wahrgenommen; wo Eigentum und Besitz so geschirmt, Elternpflicht und Kindesliebe so ans Herz gelegt, wie hier?
Wo wird die Armut getröstet, dass sie statt voll grimmigen Hasses und beutegierig sich auf die Besitzenden zu stürzen, wie ein Lamm sich schmiegt unter ihr schweres Kreuz; wo Not und Elend so gestärkt und gelabt, dass sie Ergebung lernt statt der Verzweiflung? 
Wer anders mahnt den Reichen so eindringlich an Barmherzigkeit, den Hohen an Demut, den Mächtigen an Milde als das Priestertum hier im Sakrament? 
Und wieviele sind hinweggegangen von hier, geläutert und tief erschüttert, dass sie von sich legten alle Ungerechtigkeit, allem bösen Beginnen entsagten!
Wo ist ein Gericht von solchem Einfluss, das so die verborgene Tat erreicht, mit solcher Gewalt die Gewissen lenkt?
Gewaltsame Ereignisse, verheerende Stürme in der Natur, zählen und berechnen wir; aber das Leben, das jeden Tag um uns her aufblüht und heranreift, beachten wir nicht, nur der aufmerksame Forscher steht staunend still.
So hat auch die Geschichte die grossen Bewegungen in der Menschenwelt uns aufbewahrt, aber den Segen, der da ausgeossen ward in die Gemüter der einzelnen, der sich verbreitet in die stillen Kreise der Familie, den kennt sie nicht. Was geworden ist, erzählt sie uns; aber sie weiß nicht, wer den Samen gestreut, sie ahnt nicht, dass die Hand des Priesters zu so vielem den Keim gelegt in der verborgenen Stille des Bußsakraments.
"Die Beichte", sagt deshalb selbst Voltaire, "ist ein mächtiger Zügel, der vom Laster zurückhält. Sie ist ganz besonders geeignet, Herzen, die der Hass verzehrt, zur Verzeihung zu stimmen. Man kann die Beichte als den mächtigsten Zügel betrachten, der von geheimen Lastern zurückhält".
"Es gibt kein besseres Mittel", sagt Marmontel, "die Sittenreinheit unter der Jugend zu erhalten, als die Beichte".
Was hat nicht alles die Beichte bei den Katholiken gewirkt, sagt Rousseau (Emile III) zur Ersatzleistung für geschehenes Unrecht und Beraubung? Ebenso sieht auch Raynal (hist. phil. du commerce des Indes, II, 250) in der Beichte das beste Mittel zur Reinerhaltung der Sitten.
Die Beichte ist auch eine Stütze der staatlichen Ordnung. Um nämlich die äusserliche Sittlichkeit, Gerechtigkeit, Treue und Redlichkeit zu erhalten, muss sie von innen heraus kommen. Nun aber ist es gerade die Beichte, die den inneren Menschen zur Gottesfurcht anhält, und die Religion auf das Leben anzuwenden lehrt, die Menschen auf dem Weg der Gebote Gottes hütet und mit aller Kraft zum Teil vor Lastern bewahrt, zum Teil die vom Laster Angesteckten heilt. Dadurch gewinnt aber auch das äussere Verhalten in der menschlichen Gesellschaft das Bild der Ruhe und Sicherheit, der Ehrbarkeit und des Anstandes, der Treue und Redlichkeit, des Friedens und der Eintracht. Dass vielfach durch die Beichte fremdes Gut wieder zurückgestellt wird, ist das Wenigste im Vergleich zu den höchsten Gütern, welche der menschlichen Gesellschaft durch dieselbe gewährt werden. Dieser Einfluss der Beichte auf den inneren Menschen und durch diesen auf das öffentliche Leben ist in ganz wunderbarer Weise bei den von den Patres Jesuiten gegründeten Ansiedlungen in Paraquay hervorgetreten. Dort ersetzten die christlichen Tugenden nicht bloß umfangreiche Gesetzbücher, sondern auch Beamte und Polizeimannschaft; es war nicht einmal nötig, in den Kaufläden jemand zur Aufsicht zurückzulassen, sondern es genügte, auf den einzelnen Waren den Preis anzumerken, und man fand stets für die indessen abgenommene Ware den entsprechenden Preis zur Seite gelegt.
Diese Leute gingen aber sehr oft und mit Eifer zur Beichte. Nehmt hingegen die Beichte fort und es beginnt die Verrohung der Menschen; es ist den Leidenschaften der Zügel entrissen, das Gewissen wird missachtet und es steht ein lasterhaftes, gefährliches Geschlecht auf. So ist es Tatsache, dass in Deutschland, nachdem durch den Protestantismus die Beichte abgeschafft wurde, eine greuliche Sittenlosigkeit eingerissen hat, über die Luther selbst nicht genug klagen konnte. Dass die Aufhebung der Beichte daran hauptsächlich Schuld trage, erkannte sogar der Rat von Nürnberg, welcher an Kaiser Karl V. das Ansuchen stellte, die Beichte wieder herzustellen, da nach ihrer Abschaffung die Stadt in die grössten Laster versunken sei. Dieser aber erwiderte: "Wenn sie die Beichte nicht aus der Hand Gottes annehmen, so werden sie dieselbe noch weniger aus meiner Hand annehmen."
Noch eine Seite aber verdient hervorgehoben zu werden. Indem der Katholik im Richterstuhl der Buße sich in den allerwichtigsten Angelegenheiten seiner Person dem Urteil eines anderen unterzieht, übt er den umfassendsten Akt der Unterwürfigkeit gegen die Autorität aus: er übt Gehorsam. Der Gehorsam ist aber eine Grundbedingung der Gesellschaft. Diesen aber wird derjenige am meisten zu üben bereit sein, der auch in andern und ungleich wichtigeren Verhältnissen ihn zu betätigen gelernt hat.
Insbesondere beruht grösstenteils auf der Beichte das Wohl der Familie. Eine merkwürdige Erscheinung ist es, dass da, wo sie beseitigt wurde, gar bald auch die Unauflösbarkeit der Ehe preisgegeben ward. Nur die katholische Kirche hielt fest an letzterer, und sie konnte es, weil gerade sie in der Beichte das Mittel besaß, auch den ersten Keim der Untreue, den ersten Funken einer unrechtmäßigen Leidenschaft ersticken. Es ist ja bekannt, welch mächtigen Damm gerade die heftigste aller Leidenschaften in der Beichte findet, weil sie vor nichts mehr als vor der Beschämung zurückbebt.
Wieviel haben Eltern oft der Beichte zu verdanken, ohne es nur zu ahnen! Denn die Wachsamkeit und kluge Strenge des Beichtvaters wusste dem Kinde die Gelegenheit abzuschneiden, die der Familie zuletzt Schimpf und Schande würde bereitet haben.
 
Segnungen der Beichte
Der beliebte italienische Dichter Silvio Pellico van Saluzzo, der wegen politischer Vergehen in den Kerkern zu Mailand, unter den Bleidächern von Venedig, zuletzt in den Kasematten auf dem Spiegelberge eine lange, leidensvolle Gefangenschaft bestanden hat, bekennt, dass ihm während dieser trüben Zeit in seinem Beichtvater ein barmherziger Engel gesendet ward. Sein Bekenntnis lautet also: "Jeden Monat, wo ich in meinem Gefängnis die zarten Vorwürfe, die herrlichen Ermahnungen meines Beichtvaters vernahm, brannte ich vor Liebe für die Tugend, hasste ich niemand, pries ich Gott!"
Ach, der Unglückliche, der die Erhabenheit der Beichte nicht kennt! In dem Beichtvater, dem Bruder, der spricht, ist ein Leben, ein Inhalt, den man oft vergebens in den Büchern und in seinen eigenen Gedanken sucht.
Der berühmte Schriftsteller Coppé sagt, dass er durch die Beichte den langvermissten Trost und Frieden des Herzens wiedergefunden und nicht ohne Tränen der Freude und des Glücks sich von jenem Platz erhoben habe, wo er sich seiner Sündenschuld entledigt hatte.
Die Beichte regelt und schärft auch das Gewissen und erzieht zu Selbsterkenntnis, ohne die eine wahre Besserung des Lebens unmöglich ist. Und wenn du Gewissenszweifel hast, so löst sie dir ein erfahrener Priester im Beichtstuhl und er schenkt dir den Herzensfrieden. Sogar Goethe gibt der Beichte (in Wahrheit und Dichtung) das Zeugnis, "dass sie ein herrliches Auskunftsmittel sei".
Die Beichte bewahrt sodann die Seele vor mannigfachen Übeln. Vor allem ist sie für die Versuchten eine mächtige Stütze. Möchten nur die versuchten Seelen, namentlich die jungen Leute, in denen die Leidenschaften so mächtig toben, zum Gnadenmittel der Beichte ihre Zuflucht nehmen, damit sie in der Jugend nicht dem Laster anheimfallen und vor inneren Versuchungen und äusserer Verführungen bewahrt bleiben.
Ein Vorteil der Beichte ist es auch, dass die Scham, Sünden beichten zu müssen, der leidenschaftlichen Unbändigkeit Zügel anlegt und die Lasterhaftigkeit unterdrückt.
Freilich ist dieser Beweggrund nicht der edelste, denn wir sollen die Sünde vor allem meiden, Gott zuliebe; aber dennoch unterbleibt manche Sünde.
(entnommen aus: Empor die Herzen, von Pfarrer Anton Steeger, Imprimi permittitur, Rottenburgi die 1. Maji 1921, Monachii, 1. Mai 1922)
 
 

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