- Gottes enge Pforte -


   
   
   Des Christen Schmuck und Ordensband
   Das ist das Kreuz des Herrn,
   Und wer erst seinen Wert erkannt,
   Der trägt es froh und gern.
   
   Der nimmt´s mit Demut, trägt´s mit Lust
   Und achtet´s für Gewinn;
   Doch trägt man es nicht auf der Brust,
   O nein, man trägt es drin.
   
   Und wenn´s auch schmerzt und wenn´s auch drückt,
   Bleibt man doch glaubensvoll,
   Man weiß ja wohl, wer´s uns geschickt,
   Und was es wirken soll.
   
   Man trägt es auch nur kurze Zeit,
   Bloß als ein Unterpfand
   Für das zukünftige Ehrenkleid
   Im lieben Vaterland.
   
   Des Kreuzes Harmonie
   Tausenderlei Dinge kommen uns im Laufe des Lebens unter, das eine nach dem anderen; was sollen wir von ihnen denken? Welche Farbe ihnen geben? Sollen wir alle Dinge von der traurigen oder von der freudigen und heiteren Seite ansehen? Sollen wir es leicht nehmen mit dem ganzen Leben oder seinen Ernst hervorkehren? Sollen wir, was vorüber ist, im Gedächtnis bewahren, oder sollen wir den Blick auf die Zukunft richten oder ausschließlich der Gegenwart angehören? - Wie müssen wir die Dinge ansehen? Welches ist der richtige Schlüssel? Welchen Massstab gibt uns die Offenbarung, um an ihm die Welt zu messen? -
   Das Kreuz gibt allem, was wir sehen, seinen richtigen Wert, allen Glücksgütern, Vorteilen, Rangstufen, Würden, Vergnügungen. Es hat Verständnis in die verschiedenen Wechselfälle gebracht, in die Prüfungen, Versuchungen, Leiden der irdischen Pilgerfahrt! Es hat in Einklang und Zusammenhang gebracht, was planlos und widerstreitend schien. Es hat uns gelehrt, wie wir leben und diese Welt gebrauchen sollen, was wir zu erwarten, zu wünschen und zu hoffen haben. Es ist der reine Dreiklang, in den alle Misstöne dieser Welt schließlich aufgelöst werden.
   Vor Wenigen werfen sich die Vielen nieder; nichts als Formalitäten und Zermonien, Pomp, Prunk, eitle Ehre! Was ist alles wert? Schau auf das Kreuz Christi! Die Nationen stehen einander eifersüchtig und kriegführend gegenüber. Um was dreht sich im Grunde alles? Um Ehre und Land bei den einen. Der Ehrgeiz ringt rastlos, der Mächtigen Ränke erdrosseln sich im wilden Streit. Und das Ende dieser Unrast? Das Grab. Und unser Massstab? Das Kreuz. Die Welt des Geistes und der Wissenschaft, der Forschungen und Entdeckungen, die stolz machen, das Versenkt- und Versunkensein in vergängliche Dinge stößt immer auf das Kreuz, das ihnen Halt gebietet. Und das Elend und die Krankheiten? Im Kreuz und in ihm, der am Kreuz hängt, begegnen sich alle Dinge, alles hat ihm zu dienen, alles bedarf seiner. Es ist allen Dingen Mittelpunkt und Erklärung; denn er ward am Kreuze erhöht, um alles, alle Menschen und Dinge an sich zu ziehen.
   (Kardinal Newman)
   
   Im Kreuz allein ist Heil
   
   
   In ihm liegt auch ein grosses - Aber. Scheint nämlich nicht das Kreuz zwei Teile eines Ganzen zu trennen, die füreinander geschaffen sind, denn es trennt die Welt, die nur für die Menschen gemacht erscheint, um ihren Glanz und ihre Wonnen zu genießen, von dem, der sie haben, die Frucht von dem, der sie essen, die Freude von dem, den sie erfreuen sollte. Ist das die Lösung eines Rätsels oder nicht vielmehr ein neues Rätsel?
   Die Welt erscheint wohl auf den ersten Blick zum Vergnügen geschaffen zu sein, und die Erscheinung des Kreuzes ist ein ernster und traurigstimmender Anblick, der diese schöne Täuschung stört. Mag dem so sein! Aber die Welt ist doch nur für die Lippen, aber bitter für den Gaumen. Sie gefällt zuerst, aber nicht bis zum Ende. Sie zeigt eine heitere Außenseite, aber sie verhüllt Übel und Elend, Eitelkeit "der Eitelkeiten"... Gottes Gericht über die Sünde ist in ihr verborgen und zwingt dem Menschen zum Gram, er mag wollen oder nicht. Und das Kreuz verkündet uns das gleiche, nur früher, jene später. Das Kreuz scheint voll Trauer, die Oberfläche der Dinge aber glänzend, seine Lehre ist verboten, sie liegt unter einem Schleier, der uns auf den ersten Augenblick befremdet wie den hl. Petrus: "Das sei ferne von dir, das soll dir nicht widerfahren, o Herr." Die Wahrheit liegt in der Tiefe. Das Herz ist der geheime Sitz des Lebens, der Ursprung der Bewegung, Wärme, Tätigkeit, seiner Kraft und Fähigkeiten. Wird er verletzt, stirbt der Mensch. Der Opfertod des Herrn ist nicht eine Lehre, von der wir viel reden, sondern der wir nachleben sollen, eine Lehre, nicht leichtfertig zu enthüllen, sondern im Innersten anzubeten, nicht dazu da, als Instrument zu dienen, zur Bekehrung der Gottlosen oder um den Zweiflern der Welt zu erwidern, sondern vorzutragen den gelehrigen und den trauernden Seelen, die einer Tröstung bedürfen, den Sündern und Bekehrten, die eine Lebensregel, den Unschuldigen, die eine Warnung brauchen, den Vollendeten, die in ihre Tiefen eingedrungen sind.
   Das Christentum ist keine Religion der Traurigkeit. Es verbietet uns nur, mit der Freude den Anfang zu machen; es sagt uns nur: wenn ihr mit Freuden beginnt, so werdet ihr mit Schmerzen enden. Im Kreuz werden wir zuerst Trauer finden, aber aus ihr werden Friede und Trost erblühen. So verwundet uns das Kreuz Christi, indem es uns von unserer Erlösung und den Leiden des Herrn erzählt, aber diese Verwundung ist gleichzeitig auch Heilung. Was auf der Oberfläche dieser Welt glänzend und schön erscheint, obwohl es keinen Gehalt besitzt, ist gleichwohl ein Vorbild und eine Verheißung jener wahren Freude, die der Sühne entspringt. Es ist ein Schatten, der Hoffnung weckt. Der unter dem Jubel der Bevölkerung erfolgte Einzug in Jerusalem war dem allwissenden Herrn ein Schatten, der nicht standhielt, sondern entschwand. Sein Leiden, durch das er erst den wahren Triumph sich erstreiten sollte, hatte noch nicht begonnen. Er konnte keine Freude an diesem Bilde haben, da er wusste, dass ihm die Wirklichkeit fehle. Und doch war dieser erste Schatten eines Triumphes das Vorbild und der Vorläufer des künftigen wahren Sieges, wann er den Stachel des Todes würde gebrochen haben.
   (Kardinal Newman)
   
   Jesus am Ölberg
   
   
   Die Geschichte des Ölbergkampfes ist in der ganzen Geschichte eine der ergreifendsten. Nirgends tritt uns das Wesen Jesu so menschlich nahe und nirgends wird es deswegen so fruchtbar für die eigene Seele als in den Leidensstunden am Ölberg. Niemals kann es ohne tiefe Wirkung bleiben, Jesus in den bitteren Stunden seiner letzten Nacht leiden und kämpfen und beten zu sehen. Leiden, kämpfen und beten so wie wir!
   Aus seinem Munde hören wir das Bekenntnis: "Meine Seele ist betrübt bis in den Tod!" Ja, er fordert seine Jünger auf, mit ihm zu wachen und zu beten.
   Jesus betet in einer sehr trüben Gemütsstimmung, wo er geängstigt war bis zum Tode. Hier ist uns der Herr zum Vorbild dessen geworden, was auch wir tun sollen in Stunden herber Prüfungen, wenn Angst und Kummer uns niederbeugen. Jesus betet in der grössten Angst und Traurigkeit, wo wir oft am wenigsten zum Gebet gestimmt sind, sein Beispiel zeigt uns somit anschaulich, dass auch wir besonders dann beten sollen, wenn es uns schwer fällt unsern Geist zu sammeln, wo wir eher geneigt wären, uns durch Zerstreuungen im bunten Gewirre der Welt aufzurichten. Wie viele überlassen sich, wenn sie verstimmt, wenn sie traurig sind, den Zerstreuungen, dem Vergnügen, um ihren Gram, ihre Trostlosigkeit zu beschwichtigen. Sinnliche Ergötzungen können zwar auf einige Augenblicke Kummer und Gram vergessen, aber sie gewähren keine bleibende Ruhe. Wahre Christen suchen in Leidensstunden ihre Linderung nur im Schoße Gottes, im Gebet.
   Der hl. Apostel Jakobus ruft den Gläubigen zu: "Ist jemand traurig unter euch, so bete er" (Jak. 5,13). Besonders soll es geschehen, wenn wir in schlaflosen Nächten daliegen auf schmerzhaftem Krankenlager, wenn das Gewissen in der Nacht laut zu sprechen anfängt. Da liegt der Mensch so recht da auf dem Ölberg. Angst und Beklommenheit bemächtigen sich seiner, da zwingt es ihn zu Gott zu rufen: "Erbarme dich meiner, o Gott, nach deiner grossen Barmherzigkeit" (Psalm 50,1).
   Der Herr kämpft und ringt in Todeskampf bis zum blutigen Schweiß, aber in seiner grossen Bedrängnis gibt er sich ganz hin in den Willen seines himmlischen Vaters. "Mein Vater ist´s möglich, so lass diesen Kelch an mir vorübergehen -, doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!" (Matth. 26,39.)
   Wie wenige beten in unsern Tagen also. Sie sprechen zwar den einen Teil des Gebetes, das der göttliche Mittler am Ölberge sprach, sie sagen mit ihm: Dieser Kelch gehe von mir hinweg! Allein die Worte: Vater, nicht mein, sondern dein Wille geschehe, die scheint man nicht zu kennen, die hört man äußerst selten.
   Prüfe dich, o Christ, ob du in der Schule Jesu Christi, deines himmlischen Lehrmeisters, gelernt hast, dich ganz ohne Vorbehalt hinzugeben in den Willen des himmlischen Vaters.
   Nur dann, dann allein wirst du aus den Leiden geläutert hervorgehen und der göttliche Heiland wird dich mit seinem inneren Frieden beseligen.
   
   Selig sind die Weinenden - Die Frauen auf dem Kreuzweg
   Die Rolle, die die Frauen in der Passion Jesu Christi gespielt haben, ist überaus würdig und rühmlich. Die Männer verleugnen, verraten, verspotten, verurteilen ihn, Männer aller Stände, Hohepriester, Jünger, Soldaten, Landpfleger -, alle. Unter dem Kreuze steht nur einer. Die andern alle sind geflohen.
   Aber die Frauen halten stand. Voran die Mutter der Schmerzen, die starkmütige Frau.
   Veronika reicht dem göttlichen Heiland das Schweißtuch. Ihre Begegnung mit dem Heiland ist ein glänzender Lichtpunkt auf seinem Leidenswege. Und wiederum schenkten Frauen von Jerusalem dem göttlichen Dulder Tränen des Mitleids. Ihnen allein geht sein Anblick tief zu Herzen. Sie allein fühlen die Bitterkeit seines Leidens mit, ihre Augen fließen von Tränen über, sie weinen und schluchzen, während die andern lachen und lärmen und Mutwillen treiben.
   "Selig sind die Weinenden, denn sie werden getröstet werden," sagt der Herr. (Matth. 5,5.)
   So steht das Frauengeschlecht im Glanze edler Gesinnungen in der Erlösungsgeschichte. Christus hat es ihnen allen gedankt. Zu niemandem sonst hat er auf seinem Kreuzwege gesprochen als zu den Frauen.
   Die Frauenwelt ist heutzutage vielfach entartet, schamlos geworden. Aber - Gott sei Dank! - gibt es noch zahlreiche Frauen, die ihren Erlöser lieben, trösten, erfreuen und ihm dienen. Wenn die Männer ihm und der Religion den Rücken kehren, so bleiben ihm die Frauen treu. Sie hangen ihm an, sind Maria und Martha zu gleicher Zeit, in der Kirche und in der Familie, Hüterinnen des heiligen Feuers drinnen und draußen. Sie sehen und pflegen ihn in den Armen und Kranken, die am Wegesrand des Lebens ihnen begegnen und nach ihrer Hilfe flehend ausschauen.
   Frauenschultern haben oft schwer zu tragen. Da müssen sie das Kreuz und den göttlichen Kreuzträger kennen, ehren und lieben. Sonst halten und harren sie nicht aus.
   
   Paulus der Leidensheld
   Wer hat die Passion des Herrn großzügiger und tiefsinniger erfasst, wer plastischer und meisterlicher beleuchtet, wer hat sie aber auch durchgreifender an seinem Selbst erlebt, durchlebt als der, welcher sich nur rühmen will im Kreuze des Herrn - Paulus.
   Paulus ist der große Leidensheld, der uns ein Vorbild sein soll gerade in der heutigen ernsten Zeit voll Wehmut und Leiden.
   Dass es eine Lust zu leben sei, das mögen die Kleinen glauben bei Spiel und Reigen. Das mögen junge Leute sagen in den Flitterwochen, wo "das Augen sieht den Himmel offen". Das mögen die Dichter in ihrer Poesie deklamieren.
   Aber die Reifen, die Tiefen, die Ehrlichen werden bekennen: Menschenleben ist zu dreiviertel eine Tragödie. Mensch sein heißt Leidträger sein. Und je größer der Mensch, desto schwerer das Kreuz. Es ist ein durchaus richtiges Wort, das von einem sehr Modernen stammt: Die Rangordnung unter den Menschen bestimmt sich danach, wie tief einer leidet. Darum gehörte Paulus nicht zu den Großen der Menschheit, wenn er nicht seinen Löwenanteil an Leiden abbekommen hätte.
   Pauli Leiden, wo anfangen, wo enden?
   "Mein Anteil ist ein Kreuz," hätte er über sein Leben als Motto setzen können. Er hat die Geißeln der Menschheit ausprobiert. Blöße und Kälte, den Dämon Hunger und den Schrecken der Schrecken, den Durst.
   Er hat die Wut der Elemente ausgekostet, von denen es heißt: Wehe, wenn sie losgelassen. Dreimal hat er schreckliche Seestürme mitgemacht.
   Und einmal hat Paulus infolge eines Schiffbruches einen Tag und eine Nacht auf elendem Wrack auf dem "großen Mörder Ozean" herumgetrieben, krankhaft sich anklammernd, von Schüttelfrost durchschauert, von tausend Ängsten gefoltert - mutterseelenallein auf hoher See. - Wer malt es aus? Er hat die Tücken der Elemente erprobt.
   Aber die herbsten Leiden haben die Menschen ihm bereitet. Was haben sie an Nadelstichen, an Giftpfeilen der Verdächtigungen gegen ihn gerichtet. Der Volksverhetzung, der Religionsstörung, des Majestätsverbrechens haben sie ihn geziehen. Eine "Pest" haben sie ihn gescholten, einen "Irrsinnigen", den, mit dessen Geisteshoheit sich kein Gegner messen konnte. Ihn, den Mann mit der empfindsamen Seele, der alles doppelt und dreifach schwer empfand. Die Gehässigkeiten verdichteten sich zu Brutalitäten, Gewaltakten. Wiederholt gingen diese in förmliche Attentate über, denen er nur mit knapper Not entging.
   Einmal wurde er vom Mob mit Steinwürfen bedacht zu Lystra, wo sie ihn zur Stadt hinausschleiften und für tot am Anger liegen ließen. Dreimal hat er die staatliche Züchtigung durch Rutenhiebe erhalten. Fünfmal hat er von der jüdischen Gerichtsbarkeit die gestzliche Strafe der 39 Geißelhiebe erlitten. Nicht jeder Sträfling besaß die physische Kraft, die 39 zu ertragen. Viele starben unter den Händen des Wärters. Schon nach dem 20. Schlag war der Rücken eine zerfetzte, blutige Masse.
   Fünfmal gegeißelt - welche Summe von Schmerz und Pein! Dazu noch das Martyrium häufiger, etwa- bis siebenmaliger Gefangenschaften, wo Paulus einem Schwerverbrecher gleich erachtet und behandelt, in Ketten und Bande geschlagen wurde.
   Aber Paulus überwand alle Leiden mit seelischer Stärke, und von ihm galt auch in dieser Beziehung: "Ich kann alles in dem, der mich stärkt."
   Lernen wir von Paulus, diesem allgewaltigen Leidenshelden, unsere Leiden geduldig, mit Starkmut, mit goldener Gottesliebe ertragen!
   (entnommen aus: Empor die Herzen! von Anton Steeger, Imprimatur 1922)
   
   Es zieht ein stiller Engel
   Durch dieses Erdenland,
   Zum Trost für Erdenmängel
   Hat ihn der Herr gesandt.
   In seinem Blick ist Frieden
   Und milde, sanfte Huld,
   O folg ihm stets hienieden,
   Dem Engel der Geduld!
   
   Er führt dich immer treulich
   Durch alles Erdenleid
   Und redet so erfreulich
   Von einer schönen Zeit.
   Und willst du ganz verzagen,
   Hat er doch guten Mut;
   Er hilft das Kreuz dir tragen
   Und macht doch alles gut.
   
   Er macht zur linden Wehmut
   Den herbsten Seelenschmerz
   Und taucht in stille Demut
   Das ungestüme Herz.
   Er macht die finstre Stunde
   Allmählich wieder hell,
   Er heilet jede Wunde
   Gewiss, wenn auch nicht schnell.
   
   Er zürnt nicht deinen Tränen,
   Wenn er dich trösten will;
   Er tadelt nicht dein Sehnen,
   Nur macht er´s fromm und still.
   Und wenn im Sturmestoben
   Du murmelnd fragst: Warum?
   So deutet er nach oben,
   Mild lächelnd, aber stumm.
   
   Er hat für jede Frage
   Nicht Antwort gleich bereit,
   Sein Wahlspruch heißt: Ertrage,
   Die Ruhstatt ist nicht weit!
   So geht er dir zur Seite
   Und redet gar nicht viel,
   Und denkt nur in die Weite,
   Ans große, schöne Ziel.
   
    

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