- Gottes enge Pforte -

Die Apokalypse des hl. Johannes

   
   
   Übersetzt und erklärt von Dr. Jakob Schäfer, Verlag Volksliturgisches Apostolat, Wien 26, Klosterneuburg;
   Mit Druckerlaubnis d. erzb. Ordinariates Wien vom 28. 3. 1938, Z. 2713 Kamprath, G. V.; Wagner, K. D.
   
   (Persönliche Anmerkung)
   Liebe Leser!
   In dieser Textseite möchte ich gerne die Erklärung der Offenbarung des hl. Johannes schreiben, und da ich alles von einem Buch abtippe, möchte ich Sie bitten, dass Sie die Schriftstellen aus der Heiligen Schrift lesen. Damit wäre mir viel geholfen. Vergelt´s Gott für Ihr Verständnis.
   
   Einführung
   Johannes, der Zebedäussohn, der Apostel und Liebesjünger, hat uns im vierten Evangelium Bilder und Blätter aus dem geschichtlichen Leben Jesu geschenkt. Wer dieses Evangelium nach dem Sinn und im Geiste des Evangelisten liest, wird gleich ihm bekennen: "Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, eine Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater, voll der Gnade und Wahrheit" (Joh 1,14). Diesen Jesus, dessen Herrlichkeit Johannes gesehen hat, den er selbst "mit Augen geschaut" und "Mit Händen betastet hat" (1Joh 1,1-3), an dessen Brust er beim letzten Abendmahl geruht hat (Joh 13,23), hat er als Apostel auch mündlich verkündet; für ihn hat er, wie er so gern ausgedrückt, "Zeugnis gegeben"; ihn hat er als den fleischgewordenen "Logos", "das Lamm Gottes", "das Brot des Lebens", "das Licht der Welt", "den Weg, die Wahrheit und das Leben", "die Auferstehung und das Leben" bekannt.
   Gerade wegen seines "Zeugnisses für Jesus" (Offb 1,9) wurde der "Donnersohn" (Mk 3,17) nach seiner eigenen Angabe (Offb 1,9) nach Patmos verbannt, einer Felseninsel im Ägäischen Meer. Die alte Überlieferung (vgl. z. B. Irenaeus, Adversus, haereses 5,30.3) setzt diese Verbannung in die Regierungszeit des römischen Kaisers Domitian (+96 n. Chr.). Wie manchmal mochte der von seiner Herde getrennte Hirte schwerbekümmert vom Ort seiner Verbannung im Geist hinübergeschaut haben nach der kleinasiatischen Küste, wo die ihm teueren christlichen Gemeinden in hartem Kampfe standen um ihre heiligsten Güter. Von außen waren diese Gemeinden bedrängt und verfolgt durch Heiden und Juden, von innen waren sie gefährdet durch Irrlehrer, wie die Nikolaiten und die Cerinthianer; da mochten vielleicht auch gutwillige zagen: Wie soll es denn möglich sein, daß die christliche Lehre die Welt erobere? Ist solches Glauben und solches Hoffen nicht eitel im Hinblick auf die gewaltigen Machtmittel, mit denen das heidnische römische Weltreich den Kampf gegen die Kirche führt; im Hinblick auf den Haß des Judentums und auf den Verrat der christlichen Lehre durch falsche Brüder, die, wie schon Paulus voraussah und voraussagte, gleich "reißenden Wölfen eindringen und die Herde nicht schonen" (Apg 20,23)? Was konnte der Apostel in der Herzenssorge um seine Gemeinden in seiner Verbannung anders tun, als in heißem Gebet mit seinem himmlischen Meister die Lage besprechen und seine Sorgen ausschütten in das Herz, an dem er beim letzten Abendmahl ruhte?
   Da - an einem "Tag des Herrn" (Offb 1,10), d. i. an einem Sonntag - würdigte der auferstandene und erhöhte Christus seinen Liebesjünger besonderer Offenbarung. Er ward "im Geiste entrückt" (Offb 1,10), und in seiner Ekstase ließ der Herr ihn "schauen", "was ist", das heißt den damals gegenwärtigen Zustand der sieben Offb. 1,11 genannten kleinasiatischen Gemeinden. Der Herr ließ ihn aber auch in gewaltigen, geheimnisvollen Bildern "schauen", "was danach sein soll" (Offb. 1,19) im Ablauf der messianischen oder christlichen Weltzeit, und was sich alsbald zu erfüllen beginnt: Die Gesichte von der Verfolgung der Kirche, von den Schreckenstaten und Freveln des "Drachen" und seiner Helfershelfer, aber auch die herrlichen Lichtvisionen von dem vollendeten Sieg des Lammes über alle seine Feinde, von den Triumphen der Getreuen, die ihr Gewand gewaschen haben im Blute des Lammes (Offb 7,14), von dem Endsieg des "Logos" (Offb 19,13), kurz, von der Entfaltung und der glorreichen Endvollendung des ganzen Erlösungswerkes Jesu.
   Dieses "Schauen" vollzog sich in Ekstase - "im Geiste entrückt" -; es war ein außerordentliches, gnadenreiches, mystisches, übernatürliches Erkennen. Aber auch solche mystisches Schauen knüpft, wie die Gnade überhaupt, an die Natur an. Die natürliche Umwelt des Sehers: die Schrecken der Insel, aber auch die Pracht des wunderbar leuchtenden, gestirnten Himmels darüber; die natürliche und übernatürliche Innenwelt des Sehers: sein natürliches Wissen und Erkennen und seine bis dahin gewonnenen Erkenntnisse und Erlebnisse - das alles mochte die Formen geben, in die der Geist Gottes nun ganz neuen übernatürlichen Inhalt goß. Daher die gewaltigen Naturbilder, daher auch viele Ähnlichkeiten mit den alten Propheten, besonders mit Ezechiel, Daniel, Isaias, Joel, wie mit den eschatologischen Reden Jesu, aber auch mit der einen oder anderen jüdischen Apokalypse. Der Geist Gottes hob den Seher weit und mächtig über sich selbst hinaus und zeigte ihm in gewaltigen Bildern, was er aus sich selbst nicht wissen und erkennen konnte.
   Die "Offenbarung" oder, wenn man das Wort "apokalypse" ganz genau wiedergibt, die "Enthüllung" geheimnisvoller Dinge, die der Seher wunderbar in der Erregung ekstatischen Schauens erlebte, hieß der Herr ihn "schreiben", zunächst für die 1,11 genannten sieben kleinasiatischen Gemeinden, aber ohne jeden Zweifel auch zu Nutz und Frommen der ganzen Kirche. Wann und wo erfolgte die Niederschrift? Wohl jeweils unmittelbar nach dem "Schauen" also noch in Patmos selbst. Das fordert der Wortlaut der Schreibbefehle (Offb 1,11 u. 19; 2,1. 8. 12. 18; 3,1. 7. 14; 14,13; 21,5; 22,10). Das ergibt sich auch aus der Natur der Sache: das in der Ekstase Geschaute läßt sich nicht beliebig neu hervorbringen, sondern muß unmittelbar nach der Rückkehr des natürlichen Bewußtseins festgestellt werden. In welch innerer Erregung sich der Seher noch bei der Niederschrift befand, zeigt der Stil des griechischen Originals. Gegen Ende der Regierungszeit Domitians - er starb 96 n. Chr. -, also etwas vor 96 n. Chr. hat Johannes (nach Irenäus, Adversus haereses 5, 30.3) seine Gesichte gehabt; um ebendiese Zeit ist die Apokalypse geschrieben.
   Was Johannes geoffenbart worden ist, und was er geschaut hat, hat er geschrieben. Was er also geschaut hat, sagt uns der Inhalt des Buches. Nach einer kurzen Vorrede des Sehers (1,1-8), in der besonders die Verse 5-8 den Grundgedanken der ganzen Schrift präludieren, zerfällt der Inhalt in zwei ungleich große Abschnitte: I 1,9-3,22 und II 4,1-22,5. Den Schluß gibt 22,6-21. Der erste, kleinere Teil 1,9-3,22 enthält das Geschaute über das, "was ist" (1,19), oder die sieben apokalyptischen Briefe über den Zustand von sieben kleinasiatischen Kirchen. Der zweite, viel umfangreichere Teil 4,1-22,5 enthält das in großartigen plastischen Bildern Geschaute über das, "was danach sein soll" (1,19). Besonders dieser Teil trägt prophetischen Charakter. Er stellt uns den gewaltigen Kampf vor Augen, der "danach", d. i. im Ablauf der ganzen messianischen oder christlichen Weltzeit in mannigfachen Erscheinungsformen zwischen Christus und seiner Kirche einerseits und den widerchristlichen und widergöttlichen Mächten andererseits sich abspielt. Christus, das "Lamm", und seine "Braut" oder "das Weib", seine Kirche, - "der Drache", die beiden "Tiere" und jene, die das Tier anbeten und sein Zeichen tragen, das ist die erschütternde Antithese, die sich durch die ganze Apokalypse hindurchzieht. Wohl werden die antichristlichen und antigöttlichen Mächte mannigfache, große Siege erringen über die Kirche in ihrem äußeren Leben; aber das innere Leben, das Wesen der Kirche, werden sie nicht bezwingen und nicht niederringen, ja nicht einmal irgendwie verändern können, und bei Jesu Kommen ist ihr Untergang besiegelt, und ihre Träger werden für ewig in den "Feuersee" geworfen. Wohl wird die Kirche hienieden in ihrem äußeren Leben, das "Weib" in seinen Kindern, gar manche Niederlagen erleiden, aber ihr und ihren getreuen Kindern gehört bei Jesu Kommen der gewaltige Endsieg, der ewige Triumph, die ewige Verklärung. Es wird sein, wie schon der Heiland gesagt hat: "Die Pforten der Hölle", die höllischen Mächte, werden gewaltig sein, aber sie werden nicht übergewaltig sein, sie werden die Kirche nicht überwältigen. Bei den fünf ersten Visionen steht das Kommen Jesu, das Endgericht, immer als Hauptgedanke im Hintergrund; diese Visionen führen bis zu diesem Ziele hin, ohne den Schlußakt selbst näher zu beschreiben. In den beiden letzten Visionen steht das Kommen Jesu im Vordergrund; Weltgericht und Welterneuerung führen den neuen Himmel und die neue Erde herbei; das himmlische Jerusalem, in dessen wundervollen Glanz wir staunende Blicke tun dürfen. Wir erleben da die schon 19, 7ff. angekündigte "Hochzeit des Lammes"; "Selig, die zum Hochzeitsmahle des Lammes geladen sind!" Die Apokalypse ist in der Tat ein herrliches Christkönigsbuch.
   Noch einmal sei hervorgehoben: die Zeit, in der das gewaltige Drama der Apokalypse sich abspielt, ist die ganze messianische oder christliche Weltperiode, in der Heiligen Schrift öfters auch "die letzte Zeit" genannt, weil auf ihren Ablauf keine andere Offenbarungszeit mehr folgt, sondern nur noch der Zustand, den die Endvollendung herbeiführt. Diese christliche Weltperiode oder "die letzte Zeit" hat begonnen, da Jesus Christus erschien als Welterlöser, und sie wird enden, wann Jesus wieder erscheint als Weltenrichter, um das Erlösungswerk endgültig abzuschließen. Zwischen Christi erstem und Christi zweitem Erscheinen vollzieht sich in immer neuen Akten der Kampf. Doch werden wir die einzelnen aufeinanderfolgenden Visionen oder Bilder schwerlich von zeitlich aufeinanderfolgenden kirchengeschichtlichen Zeitepochen verstehen dürfen; die nacheinander geschauten Bilder bieten vielmehr oft nur nebeneinander hergehende Ereignisse, und die einzelnen Visionen beleuchten unter immer neuen Gesichtspunkten den gewaltigen Kampf. Sobald man darangeht, "kirchengeschichtlich" zu deuten, verliert man den festen Boden; jeder deutet dann die Bilder auf andere Personen, andere Ereignisse, andere Epochen. Da müßte man sich aber billig fragen, wozu hätte Gott uns eine Offenbarung gegeben, die man weder vor noch nach den Ereignissen versteht. Man wird am besten bei der Auffassung bleiben, die der große heilige Augustinus in seinem "Gottesstaat" (20. Buch, 7.-17. Kap.) so klar auseinandersetzt und der wir im wesentlichen oben und in unserer Erklärung des Buches folgen.
   Die Apokalypse war geeignet, ihren ersten christlichen Lesern wie den christlichen Lesern aller Zeiten in schwerer Drangsal und Not, in harter Verfolgung und Bedrängnis der Kirche, eine unzweideutige, klare, göttlich verbürgte Antwort zu geben auf die bange Frage: Warum das alles, und wie wird es enden? Wie wird es der Kirche ergehen? Wie ihren Kindern? Die Antwort lautet, auf die kürzeste Formel gebracht: Gewiß, der Kampf ist heiß und schwer; aber Gott kennt ihn (vgl. das "Ich kenne" in jedem der sieben apokalyptischen Briefe), und der glorreiche Sieg der Kirche, der ewige Triumph ihrer Kinder, die ausharren bis ans Ende, ist unfehlbar gewiß. Diese Antwort war und ist zu allen Zeiten geeignet, Vertrauen und Mut, Trost und Freude auszulösen, wenn der Horizont noch so sehr durch unheilschwangere Wolken verdunkelt ist, wenn die Gewitter, die sich entladen, noch so schwer und heftig sind. Höhepunkte der Darstellung sind etwa die sieben Seligpreisungen: 1,3; 14,13; 16,15; 19,9; 20,6; 22,7; 22,14. Und das "Sei getreu bis in den Tod..." (2,10) und das "Halte fest, was du hast..." (3,11) wird der Christ, der "Ohren hat zu hören", nicht umsonst vernehmen. Diese Antwort wird aber auch dem frommen, gläubigen Christen voll und ganz genügen, und er wird nicht Antwort verlangen auf Fragen der Neugierse, auf eine Frage namentlich, die der Heiland selbst unzweideutig zurückgewiesen hat durch das Wort: "Von jenem Tag aber oder von jener Stunde hat niemand Kenntnis, auch nicht die Engel des Himmels, auch nicht der Sohn, nur der Vater allein" (Mk 13,32).
   Wir haben oben den Apostel Johannes den Verfasser der Apokalypse genannt, und das hat seinen Grund. Viermal (1,1. 4. 9; 22,8) bezeugt in dem Buche selbst ein Johannes, daß ihm die Offenbarung geworden sei, daß er also die Schrift geschrieben habe. So einfachhin "Johannes" konnte sich um Jahre 77 bis gegen 100 in den kleinasiatischen Gemeinden, in denen damals der Apostel Johannes lebte und lehrte, kein anderer, beliebiger Johannes nennen; nur der Apostel Johannes, dessen kirchliche Autorität und Persönlichkeit in diesen Gemeinden unbestritten war, konnte sich so ohne weiteres unter diesem Namen an kleinsaiatische Leser wenden. Daß aber der Apostel Johannes auch wirklich das Buch geschrieben hat, bezeugt eine ganze Reihe unverdächtiger Väterzeugnisse; so schon Justin um 150, Melito von Sardes um 190, Irenäus, Klemens von Alexandrien, Tertullian, Hippolyt u. a. Bedenken gegen die Echtheit des Buches wurden in kirchlichen Kreisen erst gegen die Mitte des 3. Jahrhunderts von Dionysius von Alexandrien (+265) geltend gemacht; was diesem Bischof zu seinen Bedenken Anlaß gab, war der Umstand, daß die Chiliasten vor allem aus der Apokalypse ihre verkehrte Lehre vom tausendjährigen Reiche zu begründen suchten. Das Urteil des Dionysius aber vermochte sich in der Kirche nicht durchzusetzen. Die Kirche betrachtet die Apokalypse auf Grund der einwandfreiesten geschichtlichen Zeugnisse und auf Grund des in dem Buche enthaltenen Selbstzeugnisses ihres Verfassers für ein Werk des Apostels Johannes.
   
   Vorrede des Sehers (1,1-8)
   Übersicht: Die Verse 1,1-8 bilden den allgemeinen Prolog. Er enthält 1-3 den Tiel des Buches; 4-5 den Segenswunsch und die Widmung des Verfassers an sieben kleinasiatische Kirchen; 6-7 eine Doxologie auf Christus, den Erlöser, der wiederkommen wird als Richter; V.8 eine Erklärung Gottes, daß er, der für die Wahrheit der Offenbarung bürgt, der Ewige und Allmächtige, der Schöpfer und das Ziel aller Geschöpfe ist. 
   
   Die Verse 1,1-3 geben eine Überschrift oder einen erweiterten Titel des ganzen Buches: "Apokalypse Jesu Christi", das heißt: Offenbarung oder Enthüllung geheimnisvoller göttlicher Heilsratschlüsse, die Jesus Christus gegeben hat. Christus selbst aber hat diese Offenbarung von seinem himmlischen Vater empfangen und hat sie "durch seinen Engel" (vgl. auch 22,6) dem Apostel Johannes gegeben, "seinem Knecht". Die Offenbarung betrifft die Endzeit, die letzte Zeit; das ist aber im biblischen Sinn die ganze Zeit von der ersten Ankunft Jesu zur Erlösung bis zu seiner Wiederkunft am "Jüngsten" (d.h. letzten) Tag, und zwar heißt diese ganze Zeit, wie lange sie auch dauern mag, im biblischen Sinn die "letzte", weil dieser Zeit keine andere Offenbarungszeit auf Erden mehr folgt, sondern nur noch die Endvollendung in der Ewigkeit.
   Christus hat aber diese Offenbarung dem Johannes durch seinen Engel gegeben, der ihn in geheimnisvollen, gewaltigen Bildern, in Visionen oder Gesichten, schauen ließ, "was alsbald geschehen muß" (1,1), "denn die Zeit ist nahe" (1,3), da sich alles Geoffenbarte zu erfüllen beginnt. Nach 1,9f. hatte Johannes diese Gesichte, als er als Verbannter auf der Insel Patmos sich aufhielt, und zwar an einem "Tag des Herrn".
   Alles aber, was Johannes in Visionen (vgl. auch 1,10: "im Geist entrückt") "schaute" (1,2), sollte er niederschreiben und hat er in diesem Buche niedergeschrieben, "damit Gott seinen Knechten zeige, was alsbald geschehen muß" (1,1), das heißt, was alsbald zu geschehen anfängt und sich fortsetzt bis zu dem von Gott bestimmten Ende. "Was alsbald geschehen muß", das ist der gewaltige Kampf zwischen dem von Christus gebrachten Gottesreich und zwischen dem Reich der Finsternis, des Satans; das ist der Kampf, in dem, wie schon Jesus (Mt 16,18) vorhergesagt hat, die Mächte der Hölle immer wieder aufs neue gegen die Kirche Christi anrennen, sie aber nicht niederzwingen können; der glorreiche Endsieg bleibt dem Reiche Christi und seinen Getreuen. Das ist der Grundinhalt der Apokalypse.
   Dieses prophetische Buch aber war bestimmt, beim Gottesdienst vorgelesen zu werden, und "selig" werden Vorleser und Hörer gepriesen, wenn sie dessen Inhalt bewahren, dessen Verheißungen und Mahnungen beherzigen und betätigen.
   
   Zu 1,4-8. Segensgruß und Widmung. Die Offb. ist auf Befehl des Herrn schriftlich niedergelegt und sieben kleinasiatischen Gemeinden oder Kirchen in Form eines Briefes zugeeignet (1,11). Nun gab es aber damals sicher schon mehr als sieben Kirchen im (westlichen) Kleinasien. Wir kennen z. B. Milet (Apg 20,15), Kolossä (Brief des Paulus an die Kolosser), Hierapolis. Wenn hier sieben Kirchen ausgewählt sind, so hat die Siebenzahl wohl auch symbolische Bedeutung; die sieben genannten kleinasiatischen Kirchen repräsentieren die Gesamtzahl aller Kirchen, die ganze Christenheit.
   Ganz wie die Briefe der Apostel (vgl. die Briefe des hl. Paulus und des hl. Petrus), so beginnt auch die Apokalypse mit dem Segenswunsch: "Gnade und Friede". Diese Gnade und dieser Friede, der ganze Gnadengehalt des Christentums, soll den Kirchen gegeben werden 1. von dem ewigen Gott, "der ist und der war und der kommt" (1,4), also über alle Zeit erhaben ist; 2. von "den sieben Geistern, die vor seinem Throne sind" (1,4), d. i. von dem einen Hl. Geist, der sich in seinen Gaben gewissermaßen vervielfältigt; 3. von Jesus Christus, der durch sein Leben, seine Lehre, sein Werk "treu" und zuverlässig Zeugnis gab von Gottes ewigen Heilsratschlüssen, der durch seine Auferstehung als "Erstgeborener von den Toten" (1,5) unsere Auferstehung verbürgt, der "der Herrscher über die Könige" ist (vgl. auch 17,4), der den Christen den höchsten Beweis seiner Liebe gab, indem er "uns von unseren Sünden erlöst hat in seinem Blut" (1,5), "der uns zu einem Reich", das heißt, zur Kirche, zu seinem messianischen Reich, vereinigt hat.
   Die beiden Reiche, das Reich der Anhänger Christi (1,5f.) und das Reich der Anhänger Satans (1,7) bilden die fundamentale Antithese des ganzen Buches. Gerade von den Kämpfen und Siegen, besonders von dem alles entscheidenden Endkampf und Endsieg des Reiches Christi gegenüber dem Reiche Satans und seines Anhanges ist in dem ganzen Buch die Rede. Wie ein Leitmotiv oder Motto des ganzen Buches steht Vers 1,7 da: "Siehe, er kommt aus den Wolken. Schauen wird ihn jedes Auge, auch alle, die ihn durchbohrt haben, und wehklagen werden über ihn alle Geschlechter der Erde." Er kommt zum Schrecken seiner Feinde, zum Trost der Seinen. Er kommt wieder und wieder in der ganzen messianischen Weltzeit, wie er verheißen hat: "Von nun an (da ihn der Hohe Rat zum Tode verurteilte) werdet ihr den Menschensohn sitzen sehen zur Rechten der Macht (teilhaben sehen an Gottes allmächtiger Weltregierung) und kommen auf den Wolken des Himmels" (Mt 26,64), und er wird persönlich wiederkommen in seiner Glorie am Ende der Tage zum Weltgericht: "Dann wird das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen, und wehklagen werden da alle Völker der Erde, und sie werden den Menschensohn kommen sehen in den Wolken des Himmels mit großer Macht und Herrlichkeit" (Mt 24,30).
   Durch den Triumph seines Christus aber finden in Gott, dem Schöpfer und Ziel aller Dinge, dem Ewigen, dem Allgewaltigen (1,8), alle Dinge ihre Vollendung.
   
   Die erste Vision
   Die Berufungsvision. Die sieben apokalyptischen Briefe (1,9 - 3,22)
   Übersicht: Die Eingangs- oder Berufungsvision (1,9-20) gibt kund, wie Jesus dem hl. Johannes sich offenbsrt, und was er ihm befiehlt. Johannes weilt auf der Insel Patmos, verbannt um des Evangeliums willen. Da, an einem "Tag des Herrn" (Sonntag), der für eine solche Offenbarung der Macht und Glorie Christi besonders paßt, ward er "im Geiste entrückt" (1,10). Er schaut Jesus "gleich einem Menschensohn". Die ganze Erscheinung Jesu trägt königlichen, priesterlichen, göttlichen Charakter. V 17b und 18 kennzeichnen kurz Christus in seinem vorweltlichen Leben, in seinem Tode als Welterlöser und in seiner Erhöhung als Weltenrichter und Weltbeherrscher (vgl. Phil 2,5-11).
   Jesus befiehlt dem Johannes, an die Kirchen von Ephesus, Smyrna, Pergamon, Thyatira, Sardes, Philadelphia, Laodizea zu schreiben. Diese sieben Kirchen waren kleinasiatische Gemeinden. Johannes soll schreiben 1, "was ist" (1,19), also gegenwärtige Dinge, über den Zustand der genannten Gemeinden; und 2. "was danach sein soll", also zukünftige Dinge, und zwar, wie der Inhalt des uns vorliegenden Buches beweist, den Verlauf und schließlichen Ausgang des Kampfes zwischen Gottesreich und Satansreich.
   Die sieben Briefe selbst, die der Herr dem Johannes zu schreiben befahl, folgen in Kap. 2 und 3. Sie sind zunächst gerichtet an die "Engel", d. i. die Bischöfe der Kirchen, gelten aber auch den Kindern selbst; diesen sollten sie vorgelesen werden (vgl. 1,3). Sie haben den Zweck, alle, die Empfänger und Leser, in die rechte innere Verfassung zu bringen, also zu läutern, zu klären, zu stärken, damit sie die in den Kap. 4-20 verkündeten äußeren Ereignisse und Gefahren richtig verstehen, würdigen und ausnützen.
   
   Zu 1,12-20. Durch alle die Attribute oder Eigenschaften, die hier Christus, dem erhöhten "Menschensohn", gegeben werden, erscheint er als König, als Priester und als Gott.
   Das lange, mit goldenem Gürtel umfaßte Gewand kennzeichnet ihn als Priester und als König. Das Haar, "weiß wie schneeweiße Wolle", kennzeichnet ihn als den "Alten der Tage" (Dan 7,9) oder den Ewigen. Die Augen "wie eine Feuerflamme" bezeichnen seine göttliche Allwissenheit, die alles durchblickt und die hineinleuchtet bis in die Tiefen der Seele. Die Füße, "gleich Golderz, wie es im Schmelzofen glüht", lassen an seine Allmacht denken, die alles niedertreten und vernichten kann, was sich ihm widersetzen will oder im Wege steht. Die Stimme, "gleich dem Rauschen vieler Wasser", bezeichnet das machtvolle Herrscherwort, das jeden Widerspruch kann verstummen machen (vgl. z. B. auch Ps 28). "Das scharfe, zweischneidige Schwert", das aus seinem Munde hervorgeht, bezeichnet die Schärfe seines Richterspruches gegen die böswillige Feinde (vgl. zu diesem Bilde Hebr 4,12f.). So war der Herr inmitten der "sieben goldenen Leuchter"; "die sieben Leuchter" aber sind, "die sieben Kirchen" oder Gemeinden (1,20), die Christus tragen sollen, "das Licht der Welt", und seine Wahrheit und seine Gnade. In seiner Rechten hielt er sieben "Sterne"; die sieben Sterne aber sind "die Engel der sieben Kirchen" (1,20), das heißt nicht die Schutzengel der Gemeinden, denn diese sind nicht verantwortlich für die Fehler ihrer Schutzbefohlenen, sondern die Bischöfe der Gemeinden, denn in ihnen verkörpert sich gewissermaßen der Geist der ganzen Gemeinde. Der Menschensohn hält sie in seiner Rechten, das heißt, sie sind gasnz und gar abhängig von ihm; er kann sie aber auch, wo es not tut, und wenn er will, mächtig schützen. Christus selbst sagt einmal (Jo 10,28f.): "Niemand wird sie (die Meinen) aus meiner Hand entreißen". Der Gesamteindruck der Person Jesu Christi aber, wie sie Johannes schaute, ist in den Worten ausgedrückt: "Anzuschauen war er wie die Sonne, wenn sie leuchtet in voller Kraft." Alle die hier genannten Eigenschaften Christi aber werden in den nun folgenden Visionen besonders bedeutungsvoll.
   Die Wirkung dieser Erscheinung war: Johannes fällt wie tot nieder; der arme Mensch in diesem sterblichen Leibe kann nicht in den Glanz der Herrlichkeit Gottes schauen. Der Herr aber legt Johannes seine Rechte auf und heißt ihn aufstehen. Er, der ewig Lebendige, der, menschgeworden, gestorben ist, aber vom Tode auferstanden und erhöht ist (mit 1,17 und 18 vgl. Phil 2,5-11), gibt dem Seher Kraft für die Aufgabe, für die er ihn beruft.
   Mit meisterhafter Gestaltung hat Albrecht Dürer diese Szene gezeichnet. 
   
   Zu 2,1 - 3,22. Die sieben apokalyptischen sind vollkommen ebenmäßig gebaut.
   Im Eingang jeden Briefes offenbart sich Jesus jedesmal in einer anderen der in 1,12-20 gezeichneten Eigenschaften, und zwar erscheint die Eigenschaft des Sprechenden hier jeweils gewählt zu sein mit Rücksicht auf das, was er gerade dieser oder jener Gemeinde zu sagen hat.
   Der Hauptinhalt jedes Briefes wird eingeleitet mit: "Ich kenne", nämlich was lobens- oder tadelnswert ist am Zustand des "Engels" der betreffenden Kirche oder am Zustand der betreffenden Kirche selbst. Das Wort: "Ich kenne" aber ist im absoluten, unbedingten Sinn zu nehmen, gleich: es ist nicht nötig, daß mich einer darüber belehre. Vgl. sachlich Jo 2,23: Jesus "durchschaute sie alle; er hatte ja nicht not, daß einer ihm Zeugnis gab über den Menschen; er wußte selber, was im Menschen war". - Der Erklärung über den Zustand des "Engels" und der Gemeinde ist jeweils eine ernste Mahnung beigefügt, festzuhalten, was als lobenswert bezeichnet wurde (z. B. 2,10; 3,11), oder zu ändern, was getadelt wurde; im letzteren Falle ist eine Drohung beigefügt (z. B. 2,5; 2,16). - Den meisten der sieben Kirchen war etwas Lobenswertes und etwas Tadelnswertes zu sagen. Da wird nun psychologisch und erzieherisch fein immer erst Lob gegeben, dann erst Tadel. Nur zwei Kirchen, Smyrna und Philadelphia empfangen lauteres Lob; 2,9 und 3,11f.
   Den Schluß jedes Briefes bildet eine Verheißung, die "der Geist", das heißt, der Hl. Geist (vgl. 5,6), von Christus geschickt, den Kirchen gibt. Die Verheißung richtet sich an den "Sieger", das ist allgemein an alle treuen Gläubigen, die im Kampfe mit dem Satan und seinen Helfershelfern standhalten und siegen. Alle Verheißungen haben zum Hauptgegenstand das ewige Leben, das hienieden als das Leben der Gnade beginnt und im Jenseits als das Leben der Glorie sich vollendet. Alle Verheißungen sind gleichsam unterstrichen durch den Anruf: "Wer Ohren hat, höre, was der Geist zu den Kirchen spricht." Doch ist zu beachten: in den ersten drei Briefen geht dieser Anruf der Verheißung voraus, in den vier letzten Briefen folgt er derselben. Dadurch werden die drei ersten Briefe zu einer Gruppe zusammengeschlossen und ebenso die vier letzten. Wir haben das oben im Text schon im Druck für das Auge sichtbar gemacht, indem wir zwischen dem dritten und vierten Brief mehr Zwischenraum ließen als bei allen übrigen Briefen.
   
   Nun zu den einzelnen Briefen:
   1. Der Kirche von Ephesus offenbart sich Jesus als der, "der die sieben Sterne in seiner Rechten hält, der wandelt inmitten der sieben goldenen Leuchter", das heißt, als den unbedingten und unumschränkten Herrn der einzelnen und der Gemeinden, der die "Leuchter" rücken kann, wann und wie er will. Der "Engel" oder Bischof von Ephesus - wer dieser damals war, ist unbekannt - wird gelobt ob seines geduldigen Leidens um des Evangeliums willen und ob seines energischen Auftretens gegen die Lügenpropheten (Nikolaiten). Getadelt aber wird, daß sein Liebeseifer nachgelassen hat, daß er nicht fortgeschritten, sondern zurückgegangen ist (das Gegenstück siehe 2,19). Doch wird er ermahnt, sich zu "bekehren" und "die ersten Werke wieder zu tun", sonst verspricht dem "Sieger", daß er essen dürfe "vom Baum des Lebens" das, was das übernatürliche Leben gibt, erhält, vollendet, also daß er sich sättigen dürfe al Gnade und Glorie. Siehe 22,2 und besonders auch Mt 5,6.
   
   2. Der Kirche von Smyrna offenbart sich der Herr als "der Erste und Letzte, der tot war und (wieder) lebendig wurde" (vgl. 1,17f.), das heißt, als der Urquell und das Endziel alles Lebens, oder auch als der, der litt und starb, "um so in seine Herrlichkeit einzugehn", und der die Seinen retten kann vom "zweiten Tod", dem Tod der Verdammnis, und beseligen kann mit dem ewigen Leben. Der Bischod dieser Kirche, ohne Zweifel der hl. Polykarp, wird durchaus gelobt; ihm und seiner Kirche wird eine "zehntägige", das heißt, kurze, blutige Verfolgung, hervorgerufen durch jüdische Verleumdung, vorhergesagt. "Der Sieger wird nicht geschädigt werden vom zweiten Tod." Der zweite Tod ist nach 20,14 "der Feuersee", die Hölle. Vgl. Mt 10,28: "Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können. Fürchtet vielmehr den, der Seele und Leib in der Hölle verderben kann."
   
   3. Der Kirche von Pergamon offenbart sich Jesus als der, "der das zweischneidige Schwert hat, das scharfe", das heißt, als der, dessen göttliches Wort eine Kraft hat, wie sie einmal der hl. Paulus (Hebr 4,12) beschreibt: "Lebendig ist das Wort Gottes und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert; es dringt durch, bis es Seele und Geist, Mark und Bein scheidet, und es ist ein Richter der Gedanken und Gesinnungen des Herzens." Das gerade sollte man in Pergamon beachten, "wo der Thron des Satans ist", "wo der Satan wohnt", das heißt, wo der Götzendienst, besonders die Verehrung des Äskulap, den die Heiden als Gott der Heilkunde verehrten, in höchster Blüte stand; wo der römische Kaiserkult besonders geübt wurde, und wo, wie es scheint, manche Christen vor dem "Schwertrecht" des Kaisers mehr Furcht hatten als vor dem "Schwerte Gottes". Gerade bei einem Fest zu Ehren des Äskulap oder zu Ehren des römischen Kaisers mochte es gewesen sein, daß man die Christen bedrängte und einen Christen namens Antipas, sogar ermordete. Der Bischof der Kirche Pergamon aber hat sich auch in diesen Tagen glaubenstreu und glaubensmutig gezeigt und wird dafür gelobt. Getadelt aber wird er, weil er der Irrlehre der Nikolaiten, die die "Freiheit" des Fleisches predigten, nicht kraftvoll genug entgegentrat. - Hier wird dem "Sieger", das heißt, dem, der sich durch die Lehre und das Leben dieser Irrlehrer nicht verwirren und beirren läßt, "verborgenes Manna" und ein "weißer Stein" versprochen, auf dem "ein neuer Name geschrieben ist, den niemand kennt als nur, wer ihn empfängt". Beides bezieht sich nicht auf eine Gabe, die dem Sieger erst das Jenseits, der Himmel, spendet; denn der geheime Charakter des Steines und des Manna kommen nur dem diesseitigen Leben, nicht dem Himmel zu, wo nach 1 Jo 3,2 und 1 Kor 13,9-12 alles in vollem Glanze offenbar wird. Das "verborgene Manna" ist im Sinne des hl. Johannes wohl die geistige Nahrung der hl. Eucharistie (vgl. dazu Jo 6,26-58, wonach Christus das wahre Manna ist), und der "weiße Stein", auf den Christus den neuen Namen des Siegers setzt, sinnbildet das freisprechende Urteil und das Werturteil, das Christus dem gibt, der die Erlösungsgnade festhält und bewahrt. Denn der Freisprechende gab im Gericht für den Angeklagten einen weißen Stein ab. Zur Sache vgl. auch etwa Röm 8,33f.: "Wer wird Anklage erheben gegen Gottes Auserwählte? Gott, der sie rechtfertigt? Wer ist es, der sie verurteilt? Christus Jesus, der gestorben oder vielmehr auferstanden ist, der zur Rechten Gottes sitzt und Fürsprache für uns einlegt?"
   
   4. Zur Kirche von Thyatira spricht Jesus als "der Sohn Gottes, der Augen hat wie Feuerflammen und dessen Füße Golderz gleichen". Seine Augen durchschauen in Thyatira das Treiben einer verschlagenen "Jezabel" und die sog. "Tiefen" des Satans, und in seiner unwiderstehlichen Macht (Füße wie Golderz) wird er das Ärgernis niedertreten und an der Ärgernisgeberin ein furchtbares Exempel statuieren. Der Name "Jezabel" ist hier offenbar Symbol oder bedeutungsvoller Deckname, hergenommen von jener Jezabel, die einst in Israel den Baalsdienst einführte (1 Kg 16,31-33; 21,25-26) und die Buhlerei begünstigte (2 Kg 9,22). Der Name wird hier beigelegt einer Frau oder vielleicht auch einer Partei, die in der Gemeinde eine verhängnisvolle Irrlehre vortrug und ein sittenloses Leben führte. Diese Irrlehrer meinten "die Tiefen" der Gottheit zu ergründen, in Wahrheit aber sind es die "Tiefen" des Satans. Der Bischof der Gemeinde, sonst trefflich und lobenswert, war dem Unfug dieser "Jezabel" gegenüber schwach und empfängt dafür eine Rüge. - Dem "Sieger" wird Anteil verheißen an der Sieger-, Richter- und Herrschermacht Jesu Christi, und er empfängt "den Morgenstern"; den "glänzenden Morgenstern" aber nennt sich Jesus selbst, unter 22,16. Vgl. auch 2 Petr 1,19.
   
   5. Der Kirche von Sardes stellt sich Jesus vor als der, "der die sieben Geister Gottes und die sieben Sterne hat". Auch Jesus gehören die siebenfältigen Gaben des einen lebenschaffenden Hl. Geistes, und er hat alle Macht im Himmel und auf Erden (vgl. Mt 28,18). Von ihm haben einst auch der Bischof von Sardes und seine Gemeinde das übernatürliche "Leben", das "weiße Gewand" der Gnade, empfangen. Nun aber hat der Bischof das "Leben" nicht bewahrt, und die Glieder der Gemeinde haben, mit Ausnahme einiger weniger, ihr "weißes Gewand" befleckt. Da gilt es, aufzuwachen und sich zu bekehren. - Der "Sieger", und nur dieser, wird mit den Gewändern des Sieges und Triumphes, der Gnade und der Glorie bekleidet; das "ewige Leben" ist sein Anteil, und Christus wird ihn vor seinem himmlischen Vater als seinen Jünger und Freund bekennen, getreu seinem Wort: "Wer immer mich bekennen wird vor den Menschen, den werde auch ich bekennen vor meinem himmlischen Vater" (Mt 10,32).
   
   6. Zu der Kirche von Philadelphia spricht Jesus als "der Heilige, der Wahrhaftige, der den Schlüssel Davids hat", das heißt, als der Nachkomme Davids, der Messias, der den Schlüssel zum Hause Davids, zum messianischen Reich der Kirche und des Himmels hat, und der darum allein öffnen und schließen kann. In den Abschiedsreden an seine Jünger drückt das Jesus einmal so aus: "Niemand kann zum Vater kommen außer durch mich" (Jo 14,6). Vor dem Bischof von Philadelphia hat Jesus "eine Tür aufgetan"; er hat ihm nämlich Gelegenheit gegeben, viele Juden zu bekehren, und dies zum Lohn dafür, daß er zuerst in der Bedrängnis von seiten eben dieser Juden geduldig ausgeharrt hat. Auch aus anderer Prüfung will Jesus den Bischof erretten und zum glorreichen Sieg führen, wenn er nur "festhält", was er "hat". Denn mit der Prüfung kommt (wie allemal) auch Jesus mit, um die Seinen zu stärken und zu schützen, zu trösten und zu erretten; darum "Siehe, ich komme bald!" - Der "Sieger" aber soll im geistigen Tempel Gottes für ewig eine unerschütterliche "Säule" sein, und daruf soll geschrieben sein, daß er Gott gehört, daß er Bürger der heiligen Gottesstadt ist, und daß er auf den Namen Jesu, des in den Himmel erhöhten Menschensohnes, getauft ist, oder mit anderen Worten, daß er Kind Gottes, Kind der Kirche und Jünger Jesu Christi ist.
   
   7. Zu der Kirche von Laodizea spricht Jesus als der, "der (das) Amen (ist), der treue und wahrhaftige Zeuge", als der unbedingt Wahrhaftige in allem, was er gesagt und verheißen, versprochen und angedroht hat. Vgl. auch 2 Kor 1,20: "Der Sohn Gottes, Jesus Christus,...war nicht Ja und Nein zugleich, sondern bei ihm gab es nur ein Ja. Alles, was Gott verheißen hat, ist in ihm erfüllt worden. Darum erklingt auch kraft seiner Gnade das Amen Gott zum Preise durch uns." - Ihm, dem Wahrhaftigen, aber widerstreitet ganz und gar jene Selbstüberschätzung und Selbstgenügsamkeit, jene religiöse Lauheit und Gleichgültigkeit, wie der Bischof von Laodizea und seine Gemeinde sie zeigten. Auch war dieser Zustand der Selbsttäuschung Befangenen über ihren wahren und wirklichen Zustand aufzuklären; auch gibt er dem Bischof den dringenden Rat, er solle sich "Gold" kaufen, aber jenes Gold heiliger Liebe, das allein die Seele reich macht vor Gott; ferner "weiße Gewänder", jene Gewänder, die die Seele schmücken, und die unter 19,8 bezeichnet werden als "gute Werke"; "Augensalbe", jene Salbe, die das Seelenauge schärft für das Übernatürliche und bleibend Wertvolle. Nur wenn der Angeredete diesem Rat folgt, ist es möglich, daß er gerettet wird. Denn alle Strenge Jesu geht aus wahrer Liebe hervor: wenn es nicht anders geht, will er durch Strenge die verhängnisvollen Illusionen zerstören. Ergreifend schön ist das Bild, in dem Jesus sich selbst zeichnet, zunächst nicht als Richter, sondern als Freund, der eben kommt, den Freund zu besuchen: "Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an", bald durch erfreuende, bald durch strafende, aber immer durch gnadenvolle Heimsuchungen. Öffnet der gnadenvoll Heimgesuchte guten Willens das Herz, so kehrt Jesus bei ihm ein und hält mit ihm das Mahl der Liebe und Gnade; dies also schon in dieser Zeit; in der Ewigkeit aber gibt er dem "Sieger" Anteil an seiner königlichen und göttlichen Macht und Herrlichkeit, in die er selbst als "Sieger" durch Kreuz und Leiden eingegangen ist (vgl. z. B. Lk 24,26; Phil 2,7-11).
   "Wer Ohren hat, höre, was der Geist zu den Kirchen spricht!"
   
   Die zweite Vision
   Die Vision von den sieben Siegeln (4,1 - 8,1). Die ganze Schöpfung huldigt (Kap.4) dem Gottkönig und (Kap.5) dem Christkönig. Die sieben Siegel der Buchrolle werden gelöst (Kap. 6 und 7)
   Übersicht: Dem Seher ward eine Tür aufgetan in den himmlischen Thronsaal. Es soll ihm in Bildern gezeigt werden, "was danach (das heißt im Ablauf der messianischen Weltzeit) geschehen muß". Er beschreibt zuerst, was er "im Geiste entrückt", im himmlischen Thronsaal schauen durfte, und die himmlische Liturgie, die er da erlebte: die vierundzwanzig "Ältesten" und "die vier Wesen" huldigten Gott als dem Schöpfer und Herrn alles Geschaffenen, als dem Gottkönig (4,1-11).
   Nun schaut Johannes in der Rechten des Thronenden eine mit sieben Siegeln verschlossene Buchrolle. Niemand ist fähig und würdig, die Siegel zu lösen und so den Inhalt des Buches zu enthüllen als nur das Lamm, der Erlöser Jesus Christus, der gestorben ist für unsere Sünden, nun aber, auferstanden, in den Himmel erhöht ist. Das Lamm nimmt denn auch die Buchrolle in Empfang, und "die vier Wesen" und "die Ältesten" jubeln dem Lamm-Erlöser zu wie vorher Gott dem Herrn. Dem Huldigungschor der vier Wesen und Ältesten aber schließt sich ein Massenchor von Myriaden von Engeln an, die die Größe der Opfertat preisen und dem Opferlamm die Ehre geben, die ihm gebührt. Und dieser Massenchor der Engel regt die ganze Schöpfung an, miteinzustimmen in den Jubelpreis auf das Lamm, den Erlöser der Welt, den Christkönig. Die vier Wesen schließen mit "Amen", die vierundzwanzig Ältesten mit wortloser Anbetung (5,1-14)
   Das Lamm löst die Siegel. Johannes schaut, in den Himmel entrückt, geistig und in Bildern die geheimnisvollen Ratschlüsse Gottes, die im Ablauf der ganzen messianischen Weltzeit bis zur Endvollendung sich erfüllen. So schaut er bei Lösung der vier ersten Siegel die vier apokalyptischen Reiter: Christus zieht aus mit seinem Evangelium, um zu siegen. Aber auch Krieg, Hunger und Tod ziehen aus, um die christusfeindliche Welt zu strafen (6,1-8)
   Märtyrerseelen flehen um das Endgericht (5. Siegel 6,9-11)
   Das Endgericht bereitet sich vor in schrecklichen Naturereignissen. Maßlos ist die Angst der Gottlosen. "Wer wird bestehen?" ist eine bange Frage (6,12-17). Das Gegenbild: Die Besiegelung der Gottesknechte und die endlose Prozession der "Sieger" zum Himmel gibt die Antwort (7,1-17)
   So sind wir unmittelbar bis vor das Endgericht hingeführt. Das 7. Siegel wird gelöst. Im Himmel herrscht eine halbe Stunde erwartungsvolles Schweigen. Was wird geschehen? (8,1)
   
   Zu 4,1-11. In dieser zweiten Vision darf der Seher in den himmlischen Thronsaal schauen und zunächst die Liturgie des himmlischen Hofes betrachten. Er schaut vor allem den Thron und den, "der darauf saß"; aber er beschreibt hier den Thronenden, die Gottheit, nicht wie ein menschenähnliches Wesen; nein, er deutet nur den Eindruck an, den Gottes Herrlichkeit auf ihn machte: "er war anzuschauen wie ein Jaspis- und Sardisstein". Der Regenbogen um den Thron kennzeichnet den Thronenden als den Allbarmherzigen (vgl. Gen 9,12ff.); der Fußboden, auf dem der Thron steht, oder der Fußboden des Thronsaales ist das Himmelsfirmament, vergleichbar dem kristallenen Glase (4,6); die "Blitze und Stimmen und Donner", die vom Throne ausgehen (4,5), kennzeichnen den Thronenden als den Allgewaltigen und Allmächtigen, auch als den ewigen Richter; die "sieben Fackeln" oder die "sieben Geister Gottes" (4,5) bezeichnen den siebenfältig, d. i. vielfältig wirkenden Gottesgeist oder "die sieben Gaben des Hl. Geistes", der den Seher über das Kommende erleuchtet.
   Im weiteren Umkreis um den Thron Gottes saßen auf Thronen "die vierundzwanzig Ältesten". Die "weißen Kleider" als Gewänder der Freude und die "Kronen kennzeichnen sie als "Sieger" (vgl. 3,5), als Himmelsfürsten, als himmlische Thronassistenten (4,4; 7,11; 19,4); aber auch zur erlösten Menschheit stehen sie in inniger Beziehung, z. B. einer der Ältesten tröstet und belehrt den Johannes über den, der das Sieben-Siegel-Buch zu öffnen fähig und würdig ist (5,5); ebenso fragt und belehrt einer der Ältesten den Johannes über die unermeßliche Schar, die vor Gottes Thron kommt (7,13ff.); überhaupt begleiten sie die Ereignisse auf Erden und die Siege des Reiches Gottes mit ihrem Gebet (11,16; 19,4). Mit den vier "Wesen" zusammen versehen sie vor dem Throne Gottes und vor dem Lamme den himmlischen Dienst (4,10; 5,8f.). Wie hier, so begenet uns die Huldigung der Ältesten wieder auf Höhepunkten der apokalyptischen Visionen, so 5,8. 14; 11,16; 19,4.
   Doch wer sind die "vier (lebenden) Wesen"? Wie es scheint, die Vertreter der gesamten irdischen Schöpfung; ihre Vierzahl erinnert an die vier Enden der Erde. Der Seher weiß diesen geheimnisvollen Wesen keinen bestimmten Namen zu geben als "(lebende) Wesen"; denn sie erschienen ihm wie Tiere und waren doch keine, sondern himmlische Wesen; bei Ezechiel 1,15. 18 waren es Cherubime. Sie sind "voll der Augen vorn und hinten", das heißt sie sind unermüdlich wachsam; die Schöpfung als solche schläft nicht und schlummert nicht. Die "sechs Flügel" der "Wesen" kennzeichnen ihre Dienstbereitschaft gegen Gottes Befehle; auf diese sind sie aufmerksam, und wo es diese zu vollführen gilt, kennen sie keine Ruhe. Sie singen unaufhörlich das "Dreimal-Heilig" dem allmächtigen und ewigen Gott. Ihnen schließt sich der Chor der Ältesten an: diese legen ihre Kronen nieder vor Gottes Thron, zum Zeichen, daß Gott allein alle Ehre gebührt, da sie alles nur durch ihn besitzen; und sie preisen Gott als den allmächtigen Schöpfer und Herrn. Vgl. etwa auch 1 Tim 1,17.
   Diese ganze Szene ist eine gewaltige Huldigung der Schöpfung vor ihrem Schöpfer und Herrn, dem ewigen, allmächtigen Gott. Und dies schaut der Seher  in der Zeit einer ganz verwirrenden Fülle von Religionen und Kulturen.
   
   Zu 5,1-14. Was der Seher bisher geschaut hat, war nur wie das Vorspiel dessen, was er jetzt schauen soll. "In der Rechten des, der auf dem Throne saß", schaute er eine Buchrolle, d. i. eine Pergament- oder eine Papyrusrolle, "innen und außen beschrieben", "mit sieben Siegeln versiegelt". Die Buchrolle ist das Sinnbild der geheimnisvollen Ratschlüsse Gottes über "das, was danach sein soll" (1,19) im Ablauf der messianischen Zeiten. Der Umstand, daß die Rolle "innen und außen beschrieben" war, kennzeichnet ihren Inhalt als überaus reich. Die Rolle war fest verschlossen "mit sieben Siegeln", das ist so, wie man damals ein Testament verschloß. Der Inhalt der Rolle also war gleichsam ein göttliches Testament, das noch seiner Ausführung harrte.
   Ein Engel erschien. Er ladet die ganze Schöpfung ein, Gottes geheimnisvolle Ratschlüsse der Welterlösung zu ergründen und auszuführen; aber er will durch seine Einladung nur zeigen, daß niemand im Himmel und auf Erden würdig und fähig ist, dies zu tun, das Innere des Buches zu betrachten, den Blick zu heften auf die entsiegelte Rolle.
   Johannes weint; er hat das glühende Verlangen, die göttlichen Pläne kennenzulernen; als Verbannter ist er ja unruhig über die Zukunft der einzelnen Kirchen und der ganzen verfolgten Kirche. Einer der "Ältesten" tröstet ihn und belehrt ihn: "Nur der Löwe aus dem Stamme Juda", also Jesus, "der Sohn Davids", der Messias oder Christus, sei würdig und imstande, das göttliche Testament zu eröffnen, das Erbe zugänglich zu machen, überhaupt alle geheimnisvollen Ratschlüsse Gottes zu enthüllen und zu erfüllen.
   Nun erscheint Jesus Christus vor dem Throne Gottes, um die Rolle aus der Hand Gottes zu empfangen, aber hier nicht als der eben angekündigte starke "Löwe", der er auch war, sondern psychologisch fein als das für unsere Sünden geschlachtete Osterlamm, wie ihn Isaias 53,7 vorausverkündet, und wie Johannes der Täufer (Jo 1,29) von Jesus bezeugt hat. Nicht tot ist er, nein, er lebt; aber er ist "wie geschlachtet", das heißt, noch ist sichtbar das Mal seiner Todeswunde, zum Zeichen, daß er des Sühnetodes für uns starb. Er hat "sieben Hörner" als Sinnbilder seiner allgewaltigen Stärke und Kraft; "sieben Augen" als Sinnbilder, daß ihm der Hl. Geist mit der ganzen Fülle seiner Gaben eignet, und daß er ihm darum (vgl. Apg 2,33; Jo 15,26; 20,22) ausschicken konnte in die ganze Welt.
   Und nun, da "das Lamm" Jesus Christus aus der Hand Gottes die Rolle empfängt, beginnen zunächst die himmlischen Wesen nebst den Ältesten Jesus zu huldigen als dem Welterlöser genau so, wie sie Gott dem Herrn gehuldigt haben als dem Schöpfer und Erhalter der Welt; das Lamm erscheint dem Vater vollkommen gleich; es ist Gott. Sie sprechen Jesus das Recht zu (in 5,9), die göttlichen Ratschlüsse selbst auszuführen; so nahm es ja auch Jesus selbst für sich in Anspruch, da er z. B. sagte: "Der Vater... hat das ganze Gericht dem Sohne gegeben" (Jo 5,22), "und Vollmacht gab er ihm, Gericht zu halten, weil er Menschensohn ist" (Jo 5,27).
   Diesem Huldigungschor der vier "Wesen", der "Ältesten" und der Erlösten, der die weltumspannende Wirkung der Opfertat des Lammes preist, schließt sich an ein Massenchor der Myriaden von Engeln, die die Größe der Opfertat preisen und dem Opferlamm die Ehrentitel geben, die ihm gebühren, und dieser Chor regt die ganze Schöpfung an, miteinzustimmen in den Jubelpreis auf das Lamm, den Erlöser, den Christkönig. Das Opfer des Lammes erscheint als das größte Ereignis der Weltgeschichte.
   
   Zu 6,1-8. Nun macht sich das Lamm daran, die Siegel zu lösen. Johannes schaut nun im Himmel geistig und in Bildern, was sich auf Erden wirklich ereignen wird, wenn die Buchrolle aufgerollt, das Testament eröffnet ist. Das sind die geheimnisvollen Ratschlüsse Gottes, die im Ablauf der ganzen messianischen Weltzeit bis zur Vollendung sich erfüllen. Die allmähliche Erfüllung ist in etwa angedeutet durch die allmähliche Siegellösung. Der Hauptsache nach handelt es sich um die schon von Jesus in seinen eschatologischen Reden (Mt 24,1-51; Mk 13,1-37; Lk 17,20 - 18,8 u. 21,5-36) vorausgesagten Ereignisse, um die messianischen Wehen, aber auch um die messianischen Siege.
   Als die vier ersten Siegel gelöst wurden, erschien jeweils auf den Ruf: "Komm!" aus dem Munde eines anderen der vier Wesen einer der vier "apokalyptischen Reiter".
   Beim Lösen des ersten Siegels schaute Johannes "ein weißes Roß, und der darauf saß, hatte einen Bogen; eine Krone (oder ein Siegeskranz) wurde ihm gegeben; als Sieger zog er aus und um zu siegen" (6,2). Wer ist dieser Reiter? Offenbar derjenige, von dem schon 3,21 gesagt ist, daß er sich (nach seinem "Es ist vollbracht") als Sieger mit seinem Vater auf seinen Thron gesetzt habe; derjenige, von dem oben 5,55 gesagt ist, daß er "gesiegt" habe gerade durch seinen Opfertod; derjenige, von dem auch unten 19,11-16 die Rede ist; der, dessen Name ist: "Das Wort Gottes" (19,13), und auf dessen Kleid geschrieben steht: "König der Könige und Herr der Herren!" (19,16.) Also Christus, genauer gesagt, sein heiliges Evangelium, das seine Kirche predigt, durchzieht siegreich die Welt und wird sie, soweit sie guten Willens ist, erobern. Es ist das, was Jesus (Mk 13,10) sagt: "Allen Völkern muß erst (ehe das Ende kommt) das Evangelium gepredigt werden" (vgl. auch Mt 24,14).
   Aber viele Menschen sind nicht guten Willens; ja, sie bekämpfen sogar das Evangelium und die Kirche, die es verkündet. Darum ziehen mit dem messianischen Sieger aus die messianischen Wehen und die göttlichen Strafgerichte: Krieg, Hunger und Tod. Das bedeuten die drei folgenden Reiter: der auf dem "feuerroten", blutfarbigen Roß stellt die Geißel des Krieges dar. Der Reiter auf schwarzem Roß, mit der Waage in der Hand, bedeutet die Hungersnot; das Brot wird nur noch kärglich jedem zugemessen; denn der ganze tägliche Arbeitslohn eines Mannes, ein Denar (vgl. Mt 20,2), für den man in normaler Zeit 12 Maß Weizen bekam und 24 Maß Gerste, geht drauf auf ein Maß (wenig mehr als ein Pfund) Weizen und drei Maß Gerste (6,6), und da hat der Mann nur Brot und sonst nichts, und nur für sich, nicht für die Familie. Öl und Wein, konkret für Genußmittel, sind vorhanden; aber sie helfen in einer Zeit der Hungersnot und Teuerung nur wenig und nur wenigen. Der letzte Reiter auf fahlem, leichenfarbigem Roß ist der Tod, aber wohl nicht der Tod im allgemeinen, sondern der Seuchentod, die Pest; er wirft dem Totenreich, das ihm folgt, seine Opfer in Fülle zu, damit es sie verschlinge und verwahre.
   Diesen drei furchtbaren Geißeln der Menschheit "ward Macht gegeben über den vierten Teil der Erde", d. i., plastisch und konkret gesagt, für: einen bedeutenden Bruchteil der Erdbewohner; und wo Krieg, Hunger und Seuchen vorkommen, treten auch zahlreicher auf "die (wilden und schädlichen) Tiere der Erde" (6,8).
   Damit man vergleichen könne, wie sehr das, was Johannes hier im Bilde geschaut hat, sich deckt mit dem, was der Heiland für den Ablauf der messianischen Zeiten vorausgesagt hat, setzen wir den betreffenden Abschnitt der eschatologischen Rede Jesu (nach Mt 24,4-14; doch vgl. auch die Paralellen bei Mk 13,5-13 u. Lk 21,8-11) hierher: Sehet zu, daß euch niemand verwirre! Denn viele werden mit meinem (Messias-) Namen kommen und sagen: 'Ich bin der Messias!', und sie werden viele irreführen. Ihr werdet von Kriegen und Kriegsgerüchten hören; da seht zu, daß ihr den Mut nicht verliert; denn das muß so kommen, aber es ist noch nicht das Ende. Denn Volk wird wider Volk sich erheben und Reich wider Reich; Hungersnöte (und Seuchen) und Erdbeben wird es geben von Ort zu Ort. Aber das ist alles nur ein Anfang der Wehen. Alsdann werden sie euch in Drangsal bringen und euch morden; und ihr werdet gehaßt sein von allen Völkern um meines Namens willen. Viele werden dann irre werden im Glauben und einander verraten und einander hassen. Und viele falsche Propheten werden aufstehen, und sie werden viele irreführen. Und weil die Schlechtigkeit überhand nimmt, wird die Liebe der meisten erkalten. Wer aber ausharrt bis ans Ende (in Glaube und Liebe), der wird gerettet werden. Und es wird gepredigt werden dieses Evangelium vom Reich auf der ganzen Welt allen Völkern zum Zeugnis, und dann - wird das Ende kommen." Vgl. auch Kor 15,24-28.
   
   Zu 6,9-11. Beim Lösen des fünften Siegels schaut Johannes "unter dem (himmlischen) Altare" die Seelen der Märtyrer. Das ist ein Bild, das diese Seelen kennzeichnet als die Seelen solcher, die für die Sache Gottes und Christi den Opfertod gestorben sind. Diese Märtyrerseelen beten, das Gericht Gottes möge über ihre Verfolger kommen; aber so beten sie gewiß nicht aus Rachedurst ob des ihnen zugefügten Unrechtes, sondern vielmehr aus dem Wunsche und Verlangen heraus, die Feinde Christi - das waren ja ihre Verfolger - möchten endgültig überwunden werden, und das Reich Christi möchte endgültig triumphieren. Doch bekommen diese Seelen zunächst das "weiße Kleid", das heißt die wesentliche Himmelsfreude, das wesentliche Himmelsglück; bezüglich des endgültigen Triumphes Christi aber und damit zugleich ihrer endgültigen Vollendung, d. i. der Auferstehung des Fleisches, der Verbindung der verklärten Seelen mit ihrem verklärten Leibe und somit des Fortlebens ihrer ganzen verklärten Persönlichkeit, werden sie vertröstet auf jenen Tag, an dem die nach Gottes Ratschluß bestimmte Zahl aller Märtyrer erreicht ist, und diese Zeit ist für die seligen Seelen eine nur "noch kurze Zeit", wenn diese Zeit gemessen wird an der dann folgenden nie endenden Ewigkeit.
   
   Zu 6,12 - 7,17. Als das Lamm das sechste Siegel öffnete, schaute der Seher ein gewaltiges Doppelbild: einerseits die namenlose Angst der Gottlosen, wenn der "Tag des Zornes" Gottes und des Lammes in naher Sicht ist; andererseits Gottes Barmherzigkeit, die die "Besiegelten" aus der "großen Drangsal" ins ewige Leben rettet.
   Also das erste Bild: Johannes schaut und erlebt in der Vision "ein großes Erdbeben", aber nicht mehr bloß ein solches, wie es im Ablauf der messianischen Zeit wieder und wieder vorkommt "von Ort zu Ort" (Mt 24,7), nein, jenes große, das die ganze Erde in ihren Fundamenten erschüttert und zusammenreißt (vgl. Mt 24,29). In wahrhaft ergreifenden plastischen Bildern beschreibt der Seher die Naturereignisse, die er schaute: die Sonne "wie ein härenes Bußkleid", also dunkel, ohne Schein; der Mond "ganz wie Blut"; die Sterne fallen vom Himmel, wie im Sturmwind vom Feigenbaum die unreifen Früchte abfallen; das Himmelsfirmament wird zusammengerollt wie eine Pergament- oder Papyrusrolle; kein Berg, keine Insel bleiben an ihrer Stelle. Es ist genau so, wie es auch Jesus vorhergesagt hat: "Alsbald nach der Drangsal jener Tage", das heißt wenn die Nöten der messianischen Zeit ihren Höhepunkt erreicht haben, "wird die Sonne verfinstert werden, der Mond keinen Schein mehr geben, die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden" (Mt 24,29) ... "So erkennt auch ihr, wenn ihr das alles seht, daß das Ende bevorsteht" (Mt 24,33)..."Von jenem Tag freilich und jener Stunde hat niemand Kenntnis, auch die Engel des Himmels nicht, nur der Vater allein" (Mt 24,36).
   Bei alledem kommt eine namenlose Angst über die Menschen, die es erleben; auch diese Angst wird hier in der Apokalypse wunderbar plastisch ausgedrückt: alle Unterschiede des Standes und Ranges spielen keine Rolle mehr; die gleiche namenlose Angst ergreift alle; sie suchen sich zu verbergen; sie sehen ein, daß niemand, der die Gnade Gottes und des Lammes zurückgestoßen und deren Freunde verfolgt hat, dem Zorne Gottes und des Lammes entrinnen kann "am Tag des Zornes". Da ist ja in Wahrheit "das Lamm" "der Löwe" geworden (5,5). Die bange Frage auf aller Munde ist: "Wer kann da bestehen?" (6,17)
   Die Antwort auf diese Frage gibt das Gegenbild zu dem ebengenannten; der Seher darf in die Zukunft schauen und sieht im Bilde die "Sieger" oder Überwinder, die triumphierende Kirche. Alle diese Seligen haben in der "großen Drangsal" (7,14) bestanden. Und das kam so: Vier Engel an den vier Enden der Erde (in Nord und Süd, in Ost und West) sind gerüstet, die vier Winde als Gottes Strafvollstrecker über die ganze Erde hin loszulassen. Doch da kommt von Osten her ein anderer Engel, der das Siegel Gottes hat, und er gebietet den Engeln der Winde, Ruhe zu halten, bis er mit seinen Gefährten die "Knechte Gottes", d. i. die wahrhaft Gläubigen mit dem Siegel Gottes bezeichnet, das heißt als Gotteseigentum, als Gotteskinder gekennzeichnet hat. Die werden nun zwar vor der "großen Drangsal" nicht bewahrt, aber in dieser und in allen Strafgerichten Gottes werden sie beschützt, vor dem geistigen Fall bewahrt und für die himmlische Glorie gerettet. Sie können und werden "bestehen" (vgl. 6,17). 
   Johannes hörte die Zahl der "Bezeichneten" aus Israel: 12 x 1000 x 12 = 144.000. Die Zahlen sind genau bestimmt, und die Gesamtzahl ist groß; das will sagen, daß Gott, der Herr, in seinem ewigen Ratschluß die Zahl der Auserwählten festgesetzt hat, und daß er sie ganz genau kennt; und die Frage: "Wer wird bestehen?" (6,17) beantwortet sich: "Viele, und der Herr kennt sie alle." (Die Frage, ob diese 144.000 dieselben sind wie die 144.000, "die dem Lamme folgen" (in 14,3f.), bleibt hier in Schwebe.)
   Dann schaute Johannes im Himmel eine für Menschen unzählbare Schar aus der ganzen großen Menschenwelt. "Sie standen vor dem Thron und vor dem Lamme"; ihre "weißen Gewänder" und die "Palmen in ihren Händen" kennzeichnen sie als "Sieger"; sie geben für den Sieg Gott und dem Lamme die Ehre, und die Engel, die Ältesten, die vier Wesen stimmen in den Sieges- und Dankesjubel ein: "Amen...Amen!"
   Nun tritt zu Johannes einer der Ältesten und zeigt ihm in herrlicher Antithese, was nun für diese unermeßliche Schar auf immer und ewig vorüber ist, und was jetzt ihr Erbteil ist immer und ewig: auf Erden hatten sie "große Drangsal", mußten hungern und dürsten, waren gequält und enterbt (vgl. z. B. auch Hebr 11,35-38); aber in allem Erdenelend, in all den Peinen und Ängsten dieser Welt haben sie ihre Seelen rein gewaschen "in dem Blut des Lammes", und - nun sind sie ewig und immer bei Gott, sind gleichsam Gottes Zeitgenossen, leiden, darben, weinen nicht mehr; das Leben der Mühsal und Drangsal hat ein Ende; denn das in den Himmel erhöhte "Lamm Gottes" wird auf ewig ihr "Guter Hirt" sein. Diese wundervolle Szene stellt uns die Kirche alljährlich am Allerheiligenfeste vor Augen.
   
   Zu 8,1. Das siebte Siegel wird gelöst. Das Buch ist nun geöffnet. Die Ausführung der geoffenbarten Ratschlüsse kann beginnen. Die Schöpfung harrt des Gerichtes. Selbst der Himmel hält sozusagen den Atem an: Schweigen für eine halbe Stunde.
   
   Die dritte Vision
   Die Vision von den sieben Posaunen. Das Wehe über die Welt und über die Menschen (8,2 - 11,18)
   Übersicht: In der Posaunenvision schaut Johannes in Bildern, wie sich die Ratschlüsse des Sieben-Siegel-Buches in der Welt verwirklichen, wie sich die Zukunft der Welt im Ablauf der ganzen messianischen Weltzeit, genauer: von Jesu Erhöhung (vgl. Mt 26,64) bis zur Endvollendung der Erlösung am Jüngsten Tage, gestaltet, und wie sich das Leben der Kirche inmitten der zeitlichen Plagen darstellt.
   Gewissermaßen ein Vorspiel im Himmel (8,2-6) leitet den Lauf der Ereignisse ein: die sieben Engel empfangen ihre Posaunen. Ein anderer Engel bringt die Gebete der Heiligen (Christen) vor Gottes Thron und wirft von den am himmlischen Altar entzündeten Kohlen auf die Erde. Dadurch werden die irdischen Plagen vorbereitet.
   Der Schall der vier ersten Posaunen (8,7-12) kündet schwere Erschütterungen im Weltall an. Davon werden berührt a) die Erde und ihre Vegetation (8,7), b) das Meer (8,8f.), c) die Süßwasser (8,10f.) und d) die Gestirne (8,12).
   8,13 verkündet der "Wehe-Adler" drei "Wehe!", die direkt über die Menschen selbst kommen beim Schall der drei letzten Posaunen. Sowenig wie bei den vier vorausgehenden Plagen, sowenig handelt es sich bei diesen "Wehe" um periodisch oder zeitlich aufeinanderfolgende Plagen, sondern um solche, die gleichzeitig im Ablauf der ganzen messianischen Weltzeit bald da, bald dort, bald mehr, bald minder hervortreten. Johannes schaut die Bilder der einzelnen Plagen nach und nach, damit jede deutlich gekennzeichnet wird.
   Die fünfte Posaune (9,1-12) kündet das "erste Wehe": Der Schacht des höllischen Abgrundes wird geöffnet. Diabolische Heuschreckenschwärme brechen hervor, geführt von dem Engel des Abgrundes. Diese Ungetüme quälen die Menschen, aber sie töten nicht. - Das ist das Bild der Sündenmasse mit all den moralischen und physischen Peinen, die ihr folgen, in der gottfeindlichen Menschheit. Darum bleiben auch die an der Stirne mit dem Gottessiegel Bezeichneten von dieser Qual verschont.
   Die sechste Posaune (9,13 - 11,14) kündet das "zweite Wehe": Die zeitlichen Übel erreichen den Höhepunkt; 20.000 mal 10.000 diabolische Reiter ziehen vom Euphrat her heran, geführt von den vier Engeln der Züchtigung. Ein Drittel der Menschen findet den Tod, aber der Rest - bekehrt sich dennoch nicht (9,13-21). - Das ist das Bild des Krieges (alle Kriege als eine ungeheure Einheit gedacht), den die Hölle erregt und dem ein überaus großer Bruchteil der Menschheit zum Opfer fällt. Was hier gesagt ist, entspricht dem, was wir schon über den zweiten, dritten und vierten apokalyptischen Reiter gehört haben, und dem, was wir noch hören werden über Babylons Fall, über die Kriege der Könige gegen das Lamm, über den Heereszug des Gog und Magog.
   Nun schaut Johannes in einer Art Zwischenspiel (10,1-7) einen Engel vom Himmel steigen, machtvoll und prachtvoll in seiner ganzen Erscheinung, gekennzeichnet als Bote der Gnade, aber auch der zermalmenden Macht. Er hat ein "geöffnetes Büchlein" in seiner Hand und verkündet, daß der endgültige, große Abschluß des ganzen Heilsratschlusses oder des "Mysteriums" Gottes kommen wird beim Schall der siebten Posaune. Aber ehe die siebte Posaune erschallt, muß sich noch abspielen, was wir in den Kapiteln 12-20 erfahren. Um das uns niederschreiben zu können, mußte Johannes das Büchlein "verschlingen".
   Aber wie verhält sich inmitten all den Plagen der messianischen Zeit die Kirche Gottes? Das schaut Johannes 11,1-12: Es wird ihm ein Maßstab gegeben und befohlen, den Tempel und dessen inneren Vorhof, das heißt das innere Leben der Kirche, ihre Lehre, Gnade und göttliche Verfassung abzumessen und durch dieses Abmessen zu einem Bereich zu machen, der nach göttlichem Ratschluß unantastbar und unverwüstbar ist durch Menschenhand oder Teufelstücke. Der "äußere Vorhof", das heißt die Kirche in ihrem äußeren Leben, ist den Verfolgungen des Satans und seiner Helfershelfer in der Welt ausgesetzt. Jerusalem ist hier das Bild der Welt, der Tempel das Bild der Kirche; der innere Vorhof das Bild ihres inneren Lebens, der äußere Vorhof das Bild ihres äußeren Lebens.
   Aber auch in den "42 Monaten oder 1260 Tagen", das will sagen, in der ganzen messianischen Zeit von Jesu erstem bis zu seinem zweiten Erscheinen, ist die Kirche nicht untätig. Durch ihre "beiden Zeugen", ihr Lehramt und ihr Priestertum, legt sie mächtiges Zeugnis ab. Wohl werden auch Lehramt und Priestertum in einzelnen herrlichen Vertretern zu Zeiten durch "das Tier", die antichristliche Weltmacht, getötet; für die ermorderten Vertreter bedeutet das nur glorreiche Auferstehung und Himmelfahrt; das Lehramt und Priestertum der Kirche selbst aber erheben sich immer wieder glorreich aus solcher Verfolgung, - ein Schauspiel, das viele Menschen, die selbst bei Gottes großen Strafgerichten verstockt geblieben sind, dahin führt, "die Ehre zu geben dem Gott des Himmels".
   Ohne daß das zweimal (8,13 u. 9,12) und nun 11,14 zum drittenmal angekündete "dritte Wehe" hier irgendwie näher beschrieben wird, wird 11,15-18 gesprochen vom Schall der siebten Posaune. Diese siebte Posaune führt nicht das "dritte Wehe" herbei; nein, in dem herrlichen Kantikum (Preisgesang) 11,15-18 wird dessen Ende, das vollendete Heil der Welt, besungen. Denn - um dies schon vorauszumerken - das "dritte Wehe" ist der in den folgenden Kapiteln 12-20 beschriebene Kampf des "Drachen" gegen das "Weib", und dieser furchtbare, an Wehen überreife Kampf endet mit dem definitiven glorreichen Abschluß des ganzen Erlösungswerkes, wie er in 11,15-18 angedeutet und in den Kapiteln 21 und 22 näher beschrieben wird.
   
   Zu 8,2-6. Das Lamm hat der vorausgehenden Vision zufolge die sieben Siegel der geheimnisvollen Buchrolle gelöst; ohne Bild gesprochen: Jeus Christus, der gottmenschliche Erlöser, hat die geheimnisvollen Ratschlüsse Gottes bezüglich der Welterlösung geoffenbart und angedeutet, wie sie von den Menschen aufgenommen, und wie sie in der Welt sich auswirken und durchsetzen werden. Nun schaut Johannes, im Geiste entrückt, in Bildern, was im Ablauf der messianischen Zeit, in der das Evangelium verkündet wird (vgl. 6,1), jeweils auf den Befehlsruf Gottes sich erfüllt und verwirklicht, wie das Gottesreich und das Satansreich einander gegenübertreten, aber letzten Endes Gottes Reich triumphiert. Die Bilder erscheinen vor dem geistigen Auge des hl. Johannes jeweils auf den Posaunenruf eines der sieben Engel, "die vor Gott standen" (8,2), das heißt, die sich besonderer Gotteshuld erfreuen und zu besonderen Diensten von Gott erkoren sind. Die erste der Posaunen hörte Johannes ertönen, nachdem er geschaut hatte, wie das in den Himmel erhöhte, von dem ganzen Himmel und von der ganzen Schöpfung als Erlöser begrüßte "Lamm" das siebte Siegel gelöst hatte und das darauf eingetretene ehrfurchtsvolle und erwartungsvolle, halbstündige Schweigen vorübergegangen war. Die letzte Posaune kündet das letzte "Wehe" an, das aber auch den Endsieg des Reiches Gottes im Gefolge hat. Was der Seher zwischen dem ersten und letzten Posaunenton in Bildern zu schauen bekommt, ereignet sich und wickelt sich ab im Ablauf der ganzen messianischen Zeit, wie das auch Jesus selbst - nur weniger ausführlich - in seiner eschatologischen Rede vorausverkündet hat. Dabei ist aber nicht anzunehmen, daß die einzelnen Posaunenstöße in Wirklichkeit zeitlich aufeinanderfolgende Perioden andeuten; vieles, was der Prophet nacheinander schaut, kann in Wirklichkeit neben- und miteinander hergehen, und was der Prophet für die ganze messianische Zeit im Gesamtbild schaut, kann sich bei der Verwirklichung in manche Teilakte zerlegen.
   Ehe Johannes den ersten Engel die Posaune erheben sieht, erlebte er im Geiste, in der Ekstase, ein Vorspiel, das die beiden entgegengesetzten Grundgedanken der ganzen Vision (die Strafe der Gottesfeinde, die Erlösung der Gottesfreunde) andeutet. "Ein Engel kam und trat an den Altar mit einem goldenen Rauchfaß." Viel Weihrauch tat er hinzu zu den Gebeten der "Heiligen" (frommen Christen), "aller", also nicht bloß der 6,10 genannten Märtyrer, und so wurden die Gebete der Heiligen alle wohlgefällig aufgenommen von Gott. Sollte der "goldenen Altar" ein Bild für Christus sein, so wäre hier etwa der Gedanke ausgesprochen, daß die Gebete der Heiligen mit der immerwährenden Fürbitte Christi (vgl. z. B. 7,25; Röm 8,34) verbunden würden.
   Derselbe Engel, der die Gebete der "Heiligen" (Christen) vor Gott brachte, füllte sein Rauchfaß mit feurigen Kohlen von dem Altar und warf sie auf die Erde. Dort wirkten sie Unheil. Wer möchte da zweifeln, daß dieses zweite Tun des Engels eine Folge des ersten ist, mit anderen Worten, daß das von Gott wohlgefällig aufgenommene Gebet der Heiligen dessen Strafgerichte über die gottlose Erde ausgelöst hat. Man erninnert sich da auch an den Schluß des Gleichnisses, in dem Jesus die Kirche mit einer bedrängten Witwe vergleicht, die den Richter so lange bestürmt, bis er ihr Recht verschaffte; es heißt da: "Habt ihr gehört, was der ungerechte Richter sagt? Sollte nun Gott (der unendlich gerecht ist) nicht (um so viel mehr) seinen Auserwählten ihr Recht verschaffen, wenn sie Tag und Nacht zu ihm rufen? Sollte er lange zögern? Ich sage euch: Gar bald wird er ihnen Recht verschaffen" (Lk 18,1-8).
   
   Zu 8,7-12. Auf den Schall der vier ersten Posaunen schaut Johannes, wie schreckenerregendes Unheil unsere Erde und unser Sonnensystem verwirrt. Dieses Unheil berührt 1. die Erde und ihre Vegetation (8,7); 2. das Meer (8,8f.); 3. die Süßwasser, die durch den "Absinth" oder "Wermut" genannten Stern in todbringende Bitterwasser verwandelt werden (8,10f.); 4. die Gestirne und das Himmelsgewölbe (8,12). Schreckenerregende, verderbenbringende Naturerscheinungen, oft seltsamer Art, suchen wieder und wieder die Menschheit heim. Sie zerstören die Erzeugnisse der Erde, die der Mensch zur Nahrung braucht (8,7). Unwetter des Meeres schädigen des Menschen Handel und Verkehr (8,8). Das so notwendige Trinkwasser wurde ungenießbar (8,10). Wärme und Licht scheinen bisweilen dahingeschwunden (8,12). Was sollen aber die grauenvolle Naturereignisse dem Menschen sagen? Sie wollen ihm offenbar zum Bewußtsein bringen, daß Gott, der Allmächtige (Apok 1,8), der absolute Herr aller Dinge, der Gottkönig seiner ganzen Schöpfung ist (vgl. Kap.4), und daß der Menschensohn, "das Lamm", der Erlöser der Menschheit und der Christkönig ist (Kap.5). Sie wollen ihm zum Bewußtsein bringen, daß nur dann Ordnung und Friede ist in der ganzen Natur- und Menschenwelt, wenn alles dem Gott- und Christkönig dient, nicht aber dem Satan und den beiden Tieren (vgl. Kap. 12ff.). Daß dies der letzte und tiefste Zweck all der grauenvollen Ereignisse ist, ersehe man auch z. B. aus 9,20f.; 16,9 u. 10; 16,21. Auch denke man an das paulinische Wort (Röm 8,19ff.): "Die Schöpfung ist der Nichtigkeit unterworfen, nicht nach eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat. Soll doch auch die Schöpfung der Hoffnung leben, daß sie (einst, und zwar am Jüngsten Tag) von der Knechtschaft (von dem Gesetz) der Vergänglichkeit erlöst und in die herrliche Freiheit der Kinder Gottes versetzt wird. Wir wissen ja, daß die ganze Schöpfung bis heran (mit der Menschheit) mitseufzt und in Wehen liegt." Also auch die Schöpfung harrt noch ihrer Verklärung, und darum "harrt sie (auch) mit Sehnsucht der (endlichen) Verklärung der Kinder Gottes", da dann auch ihre Verklärung kommen soll. Bis dahin aber "seufzt sie" und "liegt sie in Wehen". Mitunter geben dem Menschen grauenvolle Naturereignisse davon Zeugnis.
   
   Zu 8,13. Der dreimalige Weheschrei des Adlers, der mitten durch den Himmelsraum fliegt, um allen sichtbar und vernehmbar zu sein, an die seine Botschaft sich richtet, trennt die vier ebengenannten Heimsuchungen von den drei folgenden. Die vier genannten Heimsuchungen haben unmittelbar die Natur gestört und verwirrt; die Menschen haben sie nur mittelbar berührt. Jeder der drei Posaunenstöße aber kündet entsetzliches Unheil und "Wehe" an, das unmittelbar über die Menschen kommt.
   
   Zu 9,1-12. Als der fünfte Engel in die Posaune stieß, schaute Johannes im Bilde das erste der drei "Wehe", die der Adler ankündete. Ein "Stern, der aus dem Himmel auf die Erde gefallen war", d. i. ohne Zweifel einer der gefallenen Engel, öffnete mit einem Schlüssel "den Schacht des Abgrundes", der nach der Vorstellung des Sehers an der Erdoberfläche mündete und an der Mündung verschlossen war, wie man etwa noch heute in wasserarmen Gegenden des Orients Zisternen oder Brunnen verschließt. Der Schlüssel war dem gefallenen Stern von Gott gegeben, das heißt, Gott ließ zu, was hier geschah. Nun war es dem Johannes, als entstiege dem Abgrund der Hölle ein zahlloses "Heuschrecken"-heer, ein Heer heuschreckenähnlicher höllischer Geister, jener Geister, die, wie wir 9,11 erfahren, dem Engel des Abgrundes dienen, der hebräisch Abaddon, griechisch Apollyon heißt, das ist auf deutsch "Verderber". Ihre Gestalt erschien dem Seher häßlich und gräßlich, unwiderstehlich, stark und gefährlich. Ihr Wirken erschien ihm unsagbar qualvoll und schmerzlich: die von ihnen heimgesuchten Menschen sehnen sich danach zu sterben; aber sie sterben nicht; denn diese Wesen dürfen nicht töten, sollen nur quälen, "fünf Monate lang". "Fünf Monate lang" bedeute hier nur: "Eine für die durch eine solche Plage heimgesuchten Menschenkinder lange und bange, entsetzliche Zeit". Wie kann denn aber ein der Zahl nach so bestimmter Ausdruck eine so allgemeine Bedeutung bekommen? So: der Prophet schaute diese Plage der höllischen Geister einer Heuschreckenplage vergleichbar; eine Heuschreckenplage konnte bis zu fünf Monaten dauern, und wenn sie zu dieser Dauer kam, war das für die heimgesuchten Menschen eine ganz entsetzliche, lange und bange Zeit.
   Doch diese Plage kommt nur an die heran, "die das Siegel Gottes nicht haben an ihren Stirnen", also nur an die Gottesfeinde, nicht aber an die Kinder Gottes, an die "Bezeichneten". Gerade dieser Umstand gibt uns einen Fingerzeig für die Erklärung. Es können hier nicht Qualen verstanden sein, die nur von außen den Leib der Menschen treffen; denn Ereignisse, die solche Qualen schaffen, wirken auf Erden nicht anders als so, daß neben den Bösen auch die Guten ihren Anteil bekommen; das wird so sein, solange auf Gottes Welt die Guten und die Bösen nebeneinander leben, das heißt nach dem Wort des Herrn "bis zur Ernte" am Jüngsten Tag. Anders ist es mit inneren, geistigen Qualen, mit Seelenqualen, die aus Gewissensbissen, aus sittlicher Schuld, aus einem sittlich verfehlten Leben entspringen. Diese Qualen treffen den Menschen nicht selten bis zu dem Grade, daß er des Lebens überdrüssig ist, es verwünscht und verflucht. Aber sie treffen immer nur solche, "die das Siegel Gottes nicht haben auf ihren Stirnen" (9,4); jene, die das Siegel Gottes auf ihren Stirnen haben, die durch Glaube und Liebe mit Gott verbundenen Seelen treffen sie nicht. Es scheint, daß Johannes hier im Gesamtbild geschaut hat all die Seelenqualen, die im Ablauf der messianischen Zeit über die gottabgewandte und christusfeindliche Menschheit kommen; Seelenqualen, denen geistig hochstehende, wort- und federgewandte Menschen oft einen herzzerreißenden Ausdruck gegeben haben; das erschütternde Lied des Weltschmerzes, das z. B. aus der modernen Literatur widerhallt, ist ja nicht unbekannt.
   
   Zu 9,13-21. Als der sechste Engel in seine Posaune blies, vernahm Johannes vom himmlischen Altare her einen Befehlsruf an den Engel der Posaune: "Mache die vier Engel los, die an dem großen Euphratstrom gebunden stehen", das heißt, die des Augenblickes harren, wann Gott zuläßt, daß sie ihr Vorhaben ausführen; sie stehen bereit "auf Stunde, Tag, Monat und Jahr" (9,13), das heißt: wann und wie weit sie gehen dürfen, ist von Gott dem Herrn festgesetzt und genau umgrenzt; nur soweit Gott es zuläßt, reicht ihre Macht. - Dann schaut der Seher ein "Wehe", das durch die Zahl derer, die es wirken, und durch die Art und die Umstände, wie es gewirkt hat, so furchtbar ist, wie nichts bisher. Der "dritte Teil der Menschen", das will sagen: ein außerordentlich großer Bruchteil der ganzen Menschheit, fällt diesem "Wehe" zum Opfer. Was ist es? Vom Euphrat her, von woher seit alter Zeit die Kriegsmächte des Ostens heranrückten gegen das auserwählte Volk, zieht vor dem geistigen Auge des Johannes ein wahrhaft unermeßliches Reiterheer heran; er hörte die Zahl: "zwanzigtausend mal zehntausend", also zweihundert Millionen. Dieses Reiterheer war seltsamer Art. Die Gestalten der Reiter und ihrer Rosse erregten Schauder und Schrecken. Ihr Wirken war furchtbar. - Nach Gottes Absicht hätte den Gottlosen diese strafende Heimsuchung Gottes dazu dienen sollen, daß sie sich bekehrten; doch in ihrer Bosheit blieben sie verstockt; sie dienten auch ferner ihren Götzen, das heißt den höllischen Geistern; denn letzten Endes ist der Götzendienst in jeder Form (ich meine damit auch den modernen Mammons- oder Goldesdienst, den abgöttischen Personendienst, die Selbstvergötterung) ein Teufelsdienst (vgl. auch 1 Kor 10,20). Freilich, dieser Gottesgeißel können sich auch die nicht entziehen, "die das Siegel Gottes auf ihren Stirnen haben", wie sie es beim ersten "Wehe" (9,4) konnten. Wie aber verhielten sich diese hier? Davon steht an dieser Stelle nichts geschrieben; aber aus dem Inhalt des ganzen Buches, insbesondere aus den Mahnungen in den obengenannten apokalyptischen Briefen, geht hervor, daß die "Gottesknechte", die Kinder Gottes, durch die Heimsuchung geläutert und inniger mit Gott verbunden werden sollten; sie sollten "ausharren", "treu sein bis in den Tod", mit einem Worte: "siegen", dann war ihnen auch der Siegespreis gewiß.
   Wie es scheint, hat der hl. Johannes hier in einem Gesamtbild geschaut, was im Ablauf der messianischen Zeit "der Krieg" als solcher für ein "Wehe!" ist. Die bösen Engel, die höllischen Geister, sind es letzten Endes, die den Krieg herbeiführen; denn die Selbstsucht, die Gewinnsucht, die Geldsucht, die wilden Leidenschaften alle, aus denen der Krieg geboren wird, entstammen der Hölle; göttlicher Art sind sie wahrhaftig nicht. Gott läßt den Krieg allerdings zu; er läßt die menschliche Bosheit sich auswirken; denn seine unendliche Weisheit versteht auch die Werke menschlicher Bosheit schließlich zum Guten zu wenden. Wer das "Siegel Gottes" hat, wird vor dieser Trübsal nicht bewahrt, aber seine Seele geht in dieser Trübsal nicht unter. Er "siegt", wenn er selbst leiblich zugrunde geht, und - wird den Siegespreis empfangen.
   
   Zu 10, 1-7. Bei der 9,13-21 geschilderten Trübsal mochte dem schauenden Johannes eine Frage verzeihlicher Ungeduld naheliegen von ähnlicher Art, wie die oben (6,10) von den Märtyrerseelen berichtete, die Frage: "Bis wann denn, heiliger und wahrhaftiger Herr, richtest du usw.?" und eine andere Frage banger Sorge: "Wer kann da bestehen? " (Vgl. 6,17). Diese beiden Fragen werden zwar hier an dieser Stelle nicht ausgesprochen, aber still und unausgesprochen liegen sie, wie es scheint, dem Seher im Herzen. Denn was er im folgenden zu schauen bekommt (und niedergeschrieben hat), sind Antworten auf diese beiden Fragen.
   Johannes schaut "einen anderen gewaltigen Engel (vgl. 5,2) aus dem Himmel herabsteigen"; der Standort des Johannes ist offenbar wieder Patmos. Der Engel ist "mit einer Wolke umkleidet, hat den Regenbogen über seinem Haupte, sein Angesicht (leuchtet) wie die Sonne". Der "Regenbogen" kennzeichnet den machtvoll und prachtvoll Erscheinenden als Boten der Gnade und der Barmherzigkeit; was er zu künden hat, ist ja auch der Ratschluß göttlicher Liebe und Huld. Doch "seine Füße (sind) wie Feuersäulen"; das kennzeichnet seine zermalmende und verzehrende Macht denen gegenüber, die der Gnade widerstehen. "In seiner Hand hat er ein geöffnetes Büchlein"; das "Büchlein" enthält, was wir in Kapiteln 12-20 erfahren, also nicht den ganzen Umfang und die ganze Fülle der göttlichen Offenbarung, sondern nur eine teilweise Enthüllung der Zukunft, eine Enthüllung, die das nächste und unmittelbarste Interesse hat für die Christengemeinden Kleinasiens, an die sich die apokalyptischen Briefe richteten; immerhin eine Enthüllung, die sich erweitert zu allgemeinen Ausblicken auf die Kämpfe des Gottesreiches und des Satansreiches, und die zeigt, wie sich das "Mysterium Gottes", der geheimnisvolle Heilsratschluß Gottes, in der Welt verwirklicht und schließlich vollendet. - Der Engel "setzte seinen rechten Fuß auf das Meer, seinen linken aber auf das Land" und zeigt damit, daß Meer und Land, also die ganze Erde angeht, was er zu bringen hat. Er rief so laut, "wie ein Löwe brüllt", mithin so eindringlich wie nur möglich, mark- und beinerschütternd. Bei diesem Ruf künden siebenfältige prophetische Donnerstimmen die Fülle göttlicher Offenbarungen, göttlicher Ratschlüsse und Pläne. Johannes will schreiben; er darf es nicht; er kann es auch nicht; die Fülle erdrückt ihn. Nur den Teil, den das "Büchlein" enthält, soll er, wie wir gleich sehen, schreiben.
   Zunächst aber vernimmt Johannes den feierlichen Eidschwur des Engels, der sich dabei die ganze Majestät Gottes vor Augen stellt. Der Inhalt des Eidschwures ist die Antwort auf die (unausgesprochene) Frage: "Bis wann denn, usw." (siehe oben). Sie lautet: "Es wird keine Frist mehr sein; nein, in den Tagen, da der siebte Engel seine Stimme erheben und posaunen wird, da wird das Mysterium Gottes vollendet sein, wie er es seinen Knechten, den Propheten, als frohe Botschaft verkündet hat." "Es wird keine Frist mehr sein" - das ist aber nicht zu rechnen von dem Augenblick an, da Johannes die Vision hat, sondern von der Stunde der Zukunft an, da das, was die sechste Posaune kündete, sich vollendet hat. Vgl. Mt 24,29: "...alsbald nach der Drangsal jener Tage", das heißt, wenn die Nöten der messianischen Zeit ihren Höhepunkt erreicht haben. Dann wird "keine Frist" mehr sein; dann wird vielmehr der siebte Engel seine Stimme erheben, und da wird das Mysterium Gottes vollendet sein. Was aber ist das "Mysterium Gottes"? Es ist der ewige Heilsratschluß und Gnadenwille Gottes, der schon von den Propheten vorausgeschaut und vorausverkündet wurde, und der durch das für uns geschlachtete Lamm (vgl. 5,1ff.) verwirklicht zu werden anfing, der aber endgültig und abschließend erst vollendet wird am "Jüngsten Tage", wenn durch das Letzte Gericht die Gottlosen endgültig verworfen, das Satansreich vernichtet, alles Gottfeindliche überwunden ist, wenn die Toten auferstanden sind, wenn die Auserwählten, die "Sieger" (vgl. den Schluß aller apokalyptischen Briefe) ihren Siegespreis empfangen haben, für ewig selig untereinander und durch das "Lamm" mit Gott vereinigt sind, wenn der neue Himmel und die neue Erde (21,1) gekommen sind, wenn eingetreten ist, was nach 11,15-18 das Blasen der siebten Posaune kündet. Durch alles Weltgeschehen, besonders auch durch die 9,13-21 geschilderten messianischen Nöten kommt die Verwirklichung des Gottesreiches der Endvollendung näher, und darum gilt es auch, in den Trübsalen (9,13-21), in den "Wehen!" auszuharren, das "Siegel Gottes" zu bewahren, zu "siegen" und so den Siegespreis zu gewinnen.
   
   Zu 10,8-10. Gerade über das ebengenannte "Mysterium Gottes", über das in dem geöffneten "Büchlein" geschrieben steht, soll auch Johannes "nochmals weissagen über Völker und Nationen und Sprachen und viele Könige" (10,11), und darüber soll er in dieser seiner "Apokalypse" noch schreiben. Darum wird ihm der Befehl, das "Büchlein" zu "verschlingen", also seinen Inhalt sich vollkommen anzueignen. Dieses aber zu tun, ist für ihn bitter und süß.
   
   Zu 11,1-12. Seit Jesus das "Mysterium Gottes" oder den Heilsratschluß Gottes zu verwirklichen begonnen hat, wirkt es sich aus in der Welt und strebt der Vollendung entgegen. Satan und sein Anhang kämpfen gegen die Kirche, aber die Pforten, d. i. die ganze Macht der Hölle, werden die Kirche nicht überwältigen. Das ist die Grundidee der Bilder von dem Messen des Tempels und von den beiden Zeugen.
   In der Vision wurde Johannes ein Maßstab gegeben, damit er mit diesem "den Tempel Gottes und den Altar und die Anbeter darin messe", das will sagen: abgrenze als eine Stätte, die Gott durchaus nicht wolle antasten und entweihen lassen, wenn er auch zuließe, daß der "äußere Vorhof" und die Stadt den Heiden anheimgegeben und von den Heiden verwüstet würde. Das ist ein Bild; was soll es bedeutet? Wir wissen, schon der hl. Paulus nennt den einzelnen Christen, die einzelne christliche Gemeinde, aber auch die Gesamtheit aller christlichen Gemeinden oder die Gesamtkirche einen "Tempel Gottes". Er schreibt den Korinthern (2 Kor 6,16): "Wir sind ja der Tempel des lebendigen Gottes", und an die Christengemeinde in Ephesus (2,21) schreibt er: "Christus sei der Eckstein, in dem der ganze Bau sich zusammenfügt und im Herrn zu einem heiligen Tempel emporwächst." In diesem Sinn steht das Wort "Tempel" auch hier für: die Gesamtkirche.Wenn aber hier Johannes "den Tempel Gottes und den Altar und die Anbeter darin" abmessen und dadurch als unantastbare und unentweihbare Stätte abgrenzen soll, während der "äußere Vorhof" von den Heiden entweiht wird, so bedeutet dies: das innere Leben der Kirche, ihre Lehre, ihre Gnadenmittel, ihre Verfassung, sozusagen das Göttliche an der Kirche, ihre Seele wird Gott nie antasten und entweihen lassen; die Kirche wird, wie die Theologie sagt, "indefectibilis" sein, das heißt in allem, was zu ihrem Wesen gehört, unveränderlich und unzerstörbar; der "äußere Vorhof" aber, das äußere Leben der Kirche, gewissermaßen der Leib der Kirche, kann angetastet, verfolgt, entweiht werden. Und das wird geschehen "zweiundvierzig Monate lang", in denen "die Heiden die heilige Stadt zertreten". Doch was sollen hier die "42 Monate", oder wie es nachher (12,14) heißt, die 3 1/2 Jahre, oder wie es wieder ein andermal (11,3 u. 12,6) heißt, die "1260 Tage" bedeuten? Diese Zahlen sind Symbole für das, was der Heiland einmal "die Zeiten der Heiden" nennt (Lk 21,24), das heißt: für die ganze messianische Zeit bis zum Ende der Welt, solange noch Raum gegeben ist für die Bekehrung der Heiden. Das ganze Bild bringt mithin den Grundgedanken zum Ausdruck: Bis zum Ende der Tage, während der ganzen messianischen Zeit, wird die Kirche Gottes verfolgt, bald ein größerer, bald ein kleinerer Teil der Gesamtkirche, bald in diesem Lande, bald in jenem: nie aber wird Gott zulassen, daß die Kirche in ihrem inneren Leben angetastet und entweiht wird; nur der "äußere Vorhof", ihr äußeres Leben, wird durch die Verfolgungen berührt.
   Aber die Kirche bleibt auch in den Verfolgungen nicht untätig. Christus, der Herr, hat ihr "zwei Zeugen" gegeben; zwei, denn "in eurem Gesetz", so sagt einmal Jesus (Jo 8,17; vgl. Deut 19,15) "steht geschrieben, daß das Zeugnis zweier Personen rechtsgültig ist". Diese zwei Zeugen, "mit Bußkleidern angetan", predigen Buße und bekämpfen so den Einfluß Satans und der ihm dienenden antichristlichen Welt, da diese die Stadt verwüsten, 1260 Tage = 42 Monate = 3 1/2 Jahre. Sie sind die "beiden Ölbäume", die Gesandten Gottes und Repräsentanten des Friedens in der friedlosen "großen" Stadt, die "beiden Leuchter", die Lichtträger und Lichtspender in der lichtscheuen und lichtlosen Stadt. Solange Gott will, ist es jeder feindlichen Macht unmöglich, ihr Zeugnis zu verhindern; "Feuer geht aus ihrem Munde", ihr Wort und Zeugnis wirkt wie Feuer. Überhaupt ist ihr Wirken machtvoll und gewaltig, wie einst das Wirken der zwei großen Zeugen des Alten Bundes, des Moses und des Elias, gewaltig und machtvoll war (11,6). Die Bußpredigt dieser Zeugen empfindet die gottlose Welt als "Pein" (11,10), aber solange Gott es nicht zuläßt, kann niemand ihnen schaden. "Wann immer aber" - so ist die griechische Zeitpartikel zu übersetzen - in einer Zeitperiode "sie ihr Zeugnis werden vollendet haben", läßt Gott es zu, daß das "aus dem Abgrund" aufsteigende, das heißt das von der Hölle erregte "Tier" - wir werden es alsbald (13,1ff.) näher kennenlernen, bezeichnen es hier nur kurz als die antichristliche Weltmacht - die beiden Zeugen bekriegt, besiegt und tötet. Man läßt sogar ihre Leichen unbeerdigt liegen auf den Straßen "der großen Stadt" Jerusalem; so groß ist der Haß der Gottlosen gegen die beiden Zeugen. Unbändig ist darum auch die Freude über den Tod und, wie man meint, der Triumph über die Sache. Aber der Triumph der Gottlosen ist nur kurz, die Illusion schwindet bald dahin; nach so viel Tagen, als die Tätigkeit der Zeugen Jahre gedauert hat, kommen sie wieder zum Leben, und der Herr läßt sie triumphieren. Aufs neue wird die Erde erschüttert. Aber während bisher bei den größten Strafgerichten die Gottlosen unbekehrt blieben (vgl. z. B. 9,20), gaben sie nun "die Ehre dem Gott des Himmels" (11,13).
   Doch wer sind die "beiden Zeugen", und wie ist es zu erklären, was der hl. Johannes so drastisch und plastisch geschaut und beschrieben hat? Die "beiden Zeugen" sind ein Sinnbild der Kirche, insofern sie das Amt und den Beruf hat, Zeugnis zu geben für die von Christus gebrachte Gnade. Sie gibt aber Zeugnis für die Wahrheit und Gnade Jesu vor allem durch ihr Lehramt und durch ihr Priesteramt; durch jenes gibt sie den Menschen aller Zeiten und Zonen Jesu unverfälschte Wahrheit, durch dieses spendet sie von Geschlecht zu Geschlecht Jesu Gnade. Sie gibt dieses Zeugnis all die "1260 Tage" = "42 Monate" = "3 1/2 Jahre" (vgl. 11,2 u. 3), da die Heiden "die heilige Stadt zertreten", das sind, wie wir schon oben sahen, symbolische Zahlen für die ganze messianische Zeit, also für die Zeit von seiner ersten Ankunft als Welterlöser bis zu seiner zweiten Ankunft als Weltenrichter. Sie gibt dieses Zeugnis in "der großen Stadt, die geistigerweise Sodoma und Ägypten heißt, wo auch ihr Herr gekreuzigt wurde"; diese "große Stadt" aber ist der symbolische Ausdruck für die Welt. Dieses Wirken der Kirche als Zeugin für Christus durch das Lehr- und Priesteramt ist beseelt vom Geist zweier Hauptzeugen Gottes im Alten Bunde, des Moses und des Elias; darum sind dem Bilde des Wirkens der beiden hier Züge entliehen. Ihre Botschaft ist eine Friedensbotschaft an die friedlose Welt ("Ölbäume"); ihre Arbeit ist ein Lichtspenden ("Leuchter") in einer lichtscheuen und lichtlosen Welt. Ganz übernatürlich, von Gottes Gnade gehoben und getragen, gesegnet und geschützt ist ihr Wirken. Darob wird sie von dem "aus dem Abgrund" der Hölle entstiegenen "Tier", der antichristlichen Weltmacht, gehaßt und bekämpft und, wenn Gott es zuläßt, in der Ausübung ihres Lehr- und Priesteramtes tödlich getroffen; ihre Verkünder der Wahrheit, ihre Spender der Gnade werden verfolgt, eingekerkert, getötet; der Mund derer, durch die sie Zeugnis gibt, wird verstummen gemacht. Darob unbändiger Jubel im Lager der Gottlosen. Die Kirche, die sie immer als "Pein" empfanden (11,10), ist tot; so meinen sie. Aber der Jubel und der Triumph, die Illusion und der Wahn sind nur kurz. Hat man auch so manchen Mund, durch den die Kirche sprach, verstummen gemacht, so manches Lichtleben, durch das sie Zeugnis gab, ausgelöscht, - erreicht hat man dadurch nichts, als daß man ihr Heilige schuf, solche, die "aufstiegen zum Himmel"; das Lehr- und Priesteramt selbst aber lebt weiter und wirkt nach jedem Ansturm glorreicher und mächtiger. "Das Blut der Märtyrer ist der Same der Christen" (Tertullian).
   
   Zu 11,13-18. In der prophetischen Sprache bedeutet das Wort "Erdbeben" nicht immer Naturerschütterungen, sondern auch große Umwälzungen in der sozialen, politischen und moralischen Ordnung. Zu beachten ist hier zweierlei: die Züchtigung ist im Vergleich mit vorausgehenden Strafgerichten (9,1ff.; 9,13 ff.) sehr gemäßigt zu nennen; und dann, sie hat - guten Erfolg: "sie gaben die Ehre dem Gott des Himmels" (11,14). Gerade die Betrachtung der unzerstörbaren Kirche mochte manchen die Augen öffnen, die sie auch den schwersten Strafgerichten gegenüber geschlossen hielten.
   "Siehe das dritte Wehe kommt alsbald." Es ist schon angedeutet durch die Erwähnung des Tieres in 11,7, aber beschrieben wird es erst in den Kapiteln 12-20; was da erzählt wird von dem Kampf des Drachen gegen "das Weib" und seine Kinder, ist nur die Entfaltung des dritten "Wehe". Beim Schall der siebten Posaune ist das dritte Wehe zu Ende: nach 10,7 wird das "Mysterium Gottes vollendet sein", und zwar wird es vollendet sein mit dem Siege des Reiches Gottes, mit dem ewigen Heil der Guten; das Kündigt der 11,15-18 mitgeteilte Lobgesang schon im voraus an.
   
   Die vierte Vision
   Das Weib und der Drache. Die Entfaltung des "dritten Wehe" (11,19-14,20)
   Übersicht: Gleichwie ein Leitsatz, steht vor dieser Vision Vers 11,19: Der Himmel steht offen, die Bundeslade ist sichtbar, also: Gott ist gnädig, der Zugang zu ihm steht offen. Andererseits verkünden erschreckende Naturereignisse Gott als Richter "von erschreckender Majestät". So deutet das Vorwort die Grundsätze an, nach denen Gott der Herr alles Weltgeschehen leitet, - Gnade und Recht.
   Nun (12,1-6) schaut der Prophet von Patmos aus am Himmel wie auf einer Leinwand, auf der ein Gemälde dargestellt ist, das Weib und den Drachen sich gegenüberstehen. Das "Weib" ist zunächst das Symbol des auserwählten Volkes; dann, nachdem aus diesem Volk der Messias ins irdische Dasein getreten ist, ist es das Symbol der Kirche. Der "Drache" ist "die alte Schlange, die der Teufel und der Satan heißt" (12,9), hier so recht gekennzeichnet als "der Fürst dieser Welt" (Jo 12,31). Der Drache geht darauf aus, das Kind des Weibes, den Messias, zu vernichten. Allein der Messias fährt, nachdem er sein Werk vollbracht hat, zum Himmel auf, und die Kirche wird in der Wüste dieser Welt 1260 Tage, das heißt, während der ganzen messianischen Weltperiode, durch Gottes Vorsehung geschützt. So hat denn der Satan eine entscheidende Nierlage erlitten; objektiv, soviel auf den Erlöser ankommt, ist er seiner Macht beraubt (12,7-9). Der himmlische Chor jubelt über des Satans Niederlage; denn nun wird das Reich Gottes und Christi Reich aufgerichtet (12,10-12). Mit Wut verfolgt Satan darob die Kirche, solange ihm noch Frist gegeben ist (12,13-17; vgl. zu 12,1-17).
   12,18-14,5 treten dem Prophet die Mächte und Kräfte vor Augen, die im Laufe der Geschichte in dem großen Kampfe zwischen dem Gottesreich und dem Satansreich wirksam werden.
   Dem Satan kommt "das Tier aus dem Meere" zu Hilfe, das ist zunächst das heidnische römische Weltreich, dann aber im Laufe der Geschichte jedes ähnlich geartete antichristliche Reich (12,18-13,10). Dem Tier aus dem Meere tritt "das Tier aus der Erde" zur Seite, das ist nach 16,13 das Lügenprophetentum, alle die widergöttlichen und widerchristlichen geistigen Kräfte (falsche Religionen, falsche Wissenschaft, falsche Kunst, Lügenpresse usw.), die die Menschen dahin führen suchen, daß sie das erste Tier anbeten und ganz in den Dienst des Satans treten (13,11-18).
   Andererseits steht dem Satan und seinem Heerbann das Lamm auf dem Berge Sion entgegen mit seinem 144.000 Getreuen (14,1-5).
   Wie aber spielt der Kampf sich ab, und worauf kommt es besonders an bei der Armee der Getreuen des Lammes?
   Drei verschiedene Engel Gottes künden es: Ein Engel Gottes ruft ein "ewiges Evangelium", eine ewige Frohbotschaft, in alle Lande (14,6f.). Ein anderer verkündet den Fall des großen "Babylon", der Hauptstadt des antichristlichen Weltreiches (14,8). Ein dritter droht allen Anbetern des Tieres die ewige Verdammnis an (14,9-11). Der Seher aber fordert die Christen zur Ausdauer auf und schreibt im Namen des Hl. Geistes den "Toten, die im Herrn sterben", den Getreuen des Lammes, den Kindern Gottes, den "Siegern" eine herrliche Grabschrift (14,12-13; vgl. zu 14,6-13).
   In 14,14-20 schaut Johannes den "Menschensohn" und die Ernteengel bei der Arbeit. Die Ernte ist da; die Welt ist reif für das Letzte Gericht; der Tag der "Frohbotschaft" (vgl. 14,6) für die Guten, der Tag des Schreckens für die Bösen.
   
   Zu 11,19. Dieser Vers bildet gewissermaßen ein kleines Vorwort zu dem, was folgt. Der Tempel Gottes, das himmlische Allerheiligste, steht offen. Die ehedem verborgene Bundeslade, der Thronsitz Gottes, ist sichtbar. Das kündet Gottes Gnade und Erbarmen und deutet an: in der messianischen Zeit ist der Zugang zu den ewigen Gnadengütern für alle Gutwilligen offen (vgl. z. B. Hebr 10,19 ff.). Andererseits fehlen nicht Blitze, Donner usw., die Symbole des Allmächtigen und Allgerechten; denn Gerechtigkeit und Recht sind ja nach dem Psalm 88,15 die Grundfesten seines Thrones.
   
   Zu 12,1-17. Von dem Ort seiner Verbannung, von Patmos aus, schaut Johannes in der vierten Vision ein erschütterndes Schauspiel. Er sieht am Himmel zunächst "ein Weib, mit der Sonne umkleidet, den Mond unter ihren Füßen, auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen". Das alles zeigt des Weibes Größe und Herrlichkeit. "Sie war gesegneten Leibes, schrie in ihren Wehen und in der Qual, zu gebären."
   Das Weib ist Symbol; doch wessen Symbol? Insofern das Weib hier (nach 12,5) "als die Mutter des Knaben erscheint, der einmal weiden soll alle Völker mit eisernen Zepter" (Ps 2,9), also des Messias, ist es das auserwählte Volk Gottes, das Volk Israel, als eine einzige Person gedacht. Diesem Volk entstammt der Messias dem Fleische nach; aus ihm ist er unter schweren "Wehen" hervorgegangen. Auf die jungfräuliche Mutter Jesu passen die Worte nur in abgeleitetem Sinn, insofern Jesus aus dieser begnadigtesten Tochter Israels die menschliche Natur angenommen hat. Auf diesen abgeleiteten Sinn aber kommt es hier im Text zunächst nicht an.
   Dem Weibe und ihrem Kinde, also dem Messias, steht der "Drache" entgegen, der "große, feuerrote"; dieser Drache ist (nach 12,9) "die alte Schlange, die der Teufel und der Satan heißt, der die ganze Erde verführt". Seine Farbe kennzeichnet ihn als den "Menschenmörder von Anbeginn" (Jo 8,44). Ihm eignen sieben Köpfe, die Diademe tragen, das heißt viele gekrönte Häupter dieser Erde dienen ihm. Er hat zehn Hörner (vgl. Dan 12,7), das heißt, alle irdischen Machtmittel stehen ihm zu Gebote. Durch all das ist er gekennzeichnet als "Fürst dieser Welt" (Jo 16,10). Die furchtbare Gewalt und Kraft des lichtfeindlichen Ungetüms ist noch besonders gekennzeichnet durch den Satz: "Sein Schwanz fegte den dritten Teil der Sterne des Himmels weg und warf sie auf die Erde" (12,4). Er macht die Sterne des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe erlöschen und richtet das ganze menschliche Sinnen und Trachten nur auf die Erde hin.
   "Der Drache aber stellte sich vor dem Weib, das daran war, zu gebären, damit er, wenn sie geboren hätte, ihr Kind verschlinge" (12,4). Der Drache also hat es vor allem auf den Messias abgesehen. Ihn will er sofort nach seinem Erscheinen vernichten. Wie? Das ist hinreichend bekannt aus den Evangelien. Aber unter den Augen des verblüfften Gegners wird der Messias "zu Gott entrückt und auf seinen Thron erhoben" (12,5). Man vergleiche dazu auch Kap. 5: Die Inthronisation des Lammes im Himmel.
   Der Zorn und die Rache des Drachens verfolgen nun das Weib und dessen "übrige Nachkommen,die die Gebote Gottes beobachten, und die das Zeugnis Jesu haben" (12,17). Diese Worte geben uns einen Fingerzeig für die weitere Deutung des "Weibes". Insofern es nämlich die geistige Mutter dieser anderen Kinder ist, die gekennzeichnet sind als die geistigen Brüder Jesu, des Messias (Röm 8,29; Hebr 2,12), ist das apokalyptische Weib ohne Zweifel die Kirche des Neuen Bundes. Und zwar wird auch hier wieder, wie oben (11,1-13), im Verlauf der Darstellung unterschieden a) die Kirche in ihrem inneren Leben und in dem, was zu ihrem Wesen gehört, und b) die Kirche in ihrer äußeren Tätigkeit und in ihren individuellen Gliedern. Die Kirche, betrachtet nach ihrem inneren Leben, nach ihrem Wesen, ist das Weib, von dem es heißt: "Das Weib aber floh in die Wüste; dort fand es eine Stätte, die Gott ihm bereitet hat, damit man es dort nähre 1260 Tage" (12,6) oder, wie es nachher 12,14 heißt, "eine Zeit (Jahr) und zwei Zeiten und eine halbe Zeit", also 3 1/2 Jahre = 1260 Tage; daß dies aber eine symbolische Zahl ist, die soviel bedeutet als: während der ganzen messianischen Zeit bis zur Wiederkunft Jesu zum Weltgericht, haben wir oben schon erwähnt. Den ebengenannten Worten treten ergänzend die Worte in 12,13-16, zur Seite: "Als der Drache sah, daß er auf die Erde geworfen war, verfolgte er das Weib, das den Knaben geboren hat. Da wurden dem Weibe die zwei Flügel des großen Adlers gegeben, damit es in die Wüste flöge an seine Stätte, wo es ernährt wird, fern von dem Angesicht der Schlange, eine Zeit (Jahr) und zwei Zeiten und eine halbe Zeit", d.i. 3 1/2 Jahre = 1260 Tage; siehe oben 12,6. Der Adler, der auf seinen Flügeln (vgl. dazu Exod 19,4 u. Deut 32,11) das Weib in die Einsamkeit führt, ist Symbol des göttlichen Schutzes: schnell und sicher rettet Gottes Vorsehung die Kirche in den Verfolgungen; während all der Zeit, da der Satan noch Macht hat, wird die Kirche in ihrem inneren Leben unversehrt bewahrt; sie geht niemals ihrem Wesen nach zugrunde. Wohl "warf die Schlange aus ihrem Maule hinter dem Weibe her Wasser aus wie einen Strom, damit es von dem Strome fortgerissen werde". Wohl wurde die Kirche auf den Befehl und das Anstiften der Schlange wieder und wieder stromweise von den Wassern der Trübsal und Verfolgung heimgesucht. Aber "da kam die Erde dem Weib zu Hilfe: Die Erde öffnete ihren Mund und trank den Strom auf, den der Drache aus seinem Maule auswarf"; die Sonne trocknet den Strom aus; die Erde absorbiert ihn; das Weib ist gerettet. So vermochte und vermag auch keine Verfolgung die Kirche als solche zu vernichten. In Kap. 19 und 20 werden wir das noch besonders hören. Wenn nun aber auch der Satan das Weib selbst, d.i. die Kirche in ihrem Wesen, nicht vernichten kann, so kann der Satan doch die Kirche in ihrem äußeren Leben, in ihrer äußeren Tätigkeit, in ihren Kindern bedrängen, hemmen, aufs heftigste verfolgen, und der Satan tut dies auch um so heftiger und zorniger, je mehr er erkennen muß, daß für seine Vernichtungspläne das Weib selbst unerreichbar ist. Die unmittelbar folgenden Kapitel werden dies lehren.
   Warum aber diese furchtbare Wut des Satans gegen das Weib, gegen die Kirche? Das lehren die Verse 12,7-9. Unmittelbar vorher 12,5 ist gesagt, wie der Messias (Jesus) allen Nachstellungen des Satans zum Trotz in den Himmel entrückt und auf Gottes Thron erhoben wurde. Durch diese Erhöhung des Messias aber war die Niederlage Satans besiegelt; Christus hat gesiegt; die Menschheit kann sich der Herrschaft Satans entziehen, wenn sie begrauch machen will von Christi Erlösungsgnaden. Soweit "das Lamm" und seine Kirche herrscht (vgl. auch 14,1 ff.), ist Satans Macht gebrochen. Diese Niederlage Satans nun schaut Johannes hier 12,7-9 in dem Bilde jenes Engelkampfes und Engelsturzes, bei dem aus gottseligen Geistern die gottfeindlichen Geister Satans und die mit ihm gefallenen Engel geworden sind. Was ehedem geschehen ist, ist jetzt bei der Erhöhung Christi gewissermaßen aufs neue geschehen; die Herrschaft, die ihm durch den Sündenfall der Menschen zufiel, wurde durch die Erlösung Christi objektiv gebrochen; das Urteil von ehedem ist jetzt aufs neue bekräftigt: "Jetzt", sagte Jesus, "ergeht das Gericht über diese Welt; jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgestoßen werden" (Jo 12,31), und "der Fürst dieser Welt ist gerichtet" (Jo 16,11; vgl. auch Mt 12,25-29). Nun läuft der Satan bis zum letzten, definitiven, für ewig endgültigen Urteil der Verdammnis "nur noch kurze Zeit" (12,12) - am Ewigkeitsmaß gemessen -, nämlich die Zeit der "1260 Tage" (12,6), der "3 1/2 Jahre" (12,14), der "42 Monate" (11,2; 13,5), das ist die messianische Zeit. Da gilt es für ihn, die Zeit auszunützen; daher wütender Kampf, und da er den Messias in Person nicht erreichen kann, richtet sich sein Kampf gegen die Kirche und ihre Kinder (12,12; vgl. auch das Heilandswort: "In der Welt habt ihr Bedrängnis" (Jo 16,33). Dieser Kampf, der uns in den Kapiteln 12-20 noch näher beschrieben wird, dieser religiöser Kampf in all seinen Formen, ist das "dritte Wehe" (12,12).
   Wie wird dieser Kampf ausgehen? Das erfährt Johannes sofort im voraus (12,10-12). Er hört in der Vision einen Jubelchor himmlischer Geister. Sie schauen und preisen den Sieg ihrer Brüder; die siegen durch das Lamm und die Kraft seines heiligen Opfers; sie siegen durch ihr in der Kraft des Opferblutes Jesu betätigtes Zeugnis; sie lieben ihr irdisches Leben nicht so, daß sie es nicht hinzugeben entschlossen sind für Christus und seine Sache, erfüllt von dem Gedanken des Wortes Jesu: "Wer sein Leben liebt, der wird es verlieren; wer aber sein Leben in dieser Welt haßt, wird es für das ewige Leben bewahren" (Jo 12,25; Mk 8,38). Auch dies werden wir in den Kapiteln 12-20 noch erfahren.
   
   Zu 12,18 - 13,10. Johannes stand auf Patmos am Meeresgestade. Da sieht er, wie sich aus den Fluten des Meeres ein Tier erhebt, das darangeht, das Reich Christi und seine Getreuen, die "Nachkommen des Weibes, die die Gebote Gottes beobachten, und die das Zeugnis Jesu haben" (12,17), zu verderben. Wenn es an anderer Stelle (11,7; 17,8) heißt, das Tier sei dem "Abgrund" entstiegen, so lassen wir uns dadurch belehren, daß das Tier durch die Hölle bewegt ist und im Dienste des oben (12,9) gekennzeichneten Drachen steht.
   Zunächst wird das Tier beschrieben. Was der Prophet Daniel an seinen drei ersten Tieren getrennt geschaut hat, sieht Johannes in dem "Tier aus dem Meere" vereinigt. Es ist wie ein Pardel (Dan 7,6), bewegt und wild, wie ein Bär (Dan 7,5), kraftvoll und stark, wie ein Löwe (Dan 7,4), raubgierig und beutelustig. Es ist ausgestattet mit umfassendster Machtfülle ("7 Köpfe"), mit der Fülle natürlicher Kräfte und Machtmittel ("10 Hörner"); "auf seinen Köpfen" steht "ein Name", der eine "Lästerung" Gottes ist.
   Diesem Tiere überträgt der "Drache" seine Macht und seinen Thron in dieser Welt; ist er doch, wenn auch an und für sich durch den Messias überwunden und seines Thrones für verlustig erklärt, tatsächlich immer noch "Fürst dieser Welt". Die hier angedeutete Szene ist eine teuflische Nachäffung der oben Kap. 5 beschriebenen Inthronisation des "Lammes". In einem seiner Köpfe ist das Tier "gleichwie geschlachtet zum Tode, doch seine Todeswunde wurde geheilt"; auch dieser Zug - es ist derselbe Ausdruck gebraucht wie oben 5,6 - stellt sich als eine Parallele dar zum Todesleiden und zur Auferstehung des "wie geschlachteten Lammes".
   Fragen wir hier sofort: Wer ist das Tier aus dem Meere? Es ist das Symbol einer politischen Macht, und zwar zunächst der heidnischen römischen Weltmacht, die eben daran war, die Christen aufs heftigste zu verfolgen (13,7). Die Machtfülle und die Kraftfülle dieses Reiches, verkörpert in seinen Kaisern, ist dargestellt durch die 7 Köpfe und die 10 Hörner; bei Neros Ermordung schien das Kaisertum tödlich verwundet, aber durch des Vespasianus´ Thronbesteigung war die Wunde geheilt, das Kaisertum zu alter Macht wiederhergestellt und gefestigt. Auf seinen Köpfen (stand) ein Name, der eine Lästerung Gottes war: die Kaiser wurden mit Titeln beehrt, die die Christen als Lästerung Gottes empfanden, da solche Titel gottgleiche Verehrung zu fordern schienen, z. B. Augustus oder Sebastos, "Salvator mundi", "Kyrios", "divus". Doch nicht einzig für das römische Weltreich ist das erste Tier Symbol, sondern für jedes ähnlich geartete, antichristliche Reich; denn wir werden unten sehen, auch nach dem Fall Babylons, d.i. nach dem Fall des heidnischen Rom, lebt das Tier noch, und es wird erst am Ende der Zeiten überwunden. (persönliche Anmerkung: Erinnern wir uns, was man Hitler zugerufen hat)
   Die Welt beugt und verneigt sich zustimmend, gehorsamst, ergebenst vor der brutalen Macht des Tieres; sie huldigt dem Geist, der das Cäsarenreich beseelt, und das ist kein anderer als der Geist des Drachen. Und der Drache hat dem Tier ein Maul gegeben, das machte "große und lästerliche Worte" gegen Gott und alles Göttliche. "Auch ward ihm gegeben, mit den Heiligen (d.i. den Christen) Krieg zu führen", d.i. mit Gottes Zulassung die Christen verfolgen (13,7; vgl. auch 12,17). Ja das von dem Drachen angeregte und beeinflußte Tier übt so zwingende Gewalt aus, daß "alle Erdbewohner, deren Name nicht geschrieben steht in dem Lebensbuch des geschlachteten Lammes von Anbeginn der Welt an", "das Tier anbeten werden". Das ist verwirklicht worden durch den römischen Kaiserkult, durch die göttliche Verehrung der römischen Cäsaren, und wird, wenn auch in etwas anderer Form, wieder und wieder im Lauf der Geschichte verwirklicht, z. B. wenn man den Staat betrachtet als den "präsenten Gott".
   Aber die Macht dieses Tieres wird nur dauern "42 Monate" (13,5), d.i. wieder die scharf abgegrenzte Zeit, die oben nach 11,3 den Heiden gegeben war, die heilige Stadt zu verwüsten; oder dieselbe Zeit von 1260 Tagen (= 42 Monaten), die nach 11,3 den "beiden Zeugen" gegeben war; oder dieselbe Zeit von 1260 Tagen oder von 3 1/2 Jahren, als nach 12,6 u. 14 das "Weib" in der Wüste zurückgezogen lebte, mit anderen Worten: die ganze Zeit bis zur Wiederkunft Jesu.
   Wie sollen in solchen Tagen die Gläubigen, wie die Kirche sich verhalten? Sie sollen nach 13,10 der Gewalt nicht Gewalt entgegensetzen; sie sollen vielmehr vertrauen auf Gottes Schutz und in Glaube und Geduld sich bewähren (siehe hierzu auch 13,10 und 14,12). Gerade so hat der Heiland gesprochen: "Wenn ihr (geduldig) ausharrt, gewinnt ihr eure Seele" (Lk 21,19 u. Mt 26,52).
   
   Zu 13,11-18. Das Tier aus dem Meere, also die römische und im weiteren Verlauf der Geschichte jede ähnliche, antichristliche Weltmacht, wird unterstützt durch "ein anderes Tier", das der Prophet "aus der Erde aufsteigen" sieht. Durch seine Hörner gleicht dieses Tier dem Lamm, seine Sprache aber verrät die Natur des Drachen. Es sucht die Menschen dahin zu bringen, daß sie das erste Tier, ja sogar dessen Bild anbeten. Durch allerlei Scheinwunder und Blendwerke ahmt es die Wunder echter Gottgesandten (vgl. die "beiden Zeugen", oben 11,5) nach und verführt die Menschen. Es gaukelt der Masse vor, selbst das Bild des ersten Tieres rede, und es wolle den Tod aller, die es nicht anbeten. Man bestimmt ein Malzeichen, durch das alle Klassen und Stände des Volkes sich als Anhänger des ersten Tieres ausweisen müssen; sonst werden sie ausgeschlossen von allem Handel und Verkehr. Das Malzeichen ist: der Name des ersten Tieres oder die Zahl seines Namens; die Zahl aber ist 666.
   Wer dieses Tier aus der Erde ist, erfahren wir an anderen Stellen genau; denn 16,13; 19,20; 20,10 ist an Stelle des zweiten Tieres "der falsche Prophet" getreten: Das Tier aus der Erde ist also das falsche Prophetentum, jenes Magier- und Gauklerwesen, wie es zunächst im Römerreich sich breit machte im Dienste der politischen Macht, im Dienste des Kaiserkultes, im Dienste jenes Kultes, der die Christen zwingen wollte, selbst vor den Statuen der Kaiser Weihrauch zu opfern. Das zweite Tier ist aber auch im Lauf der Zeiten bis zur Wiederkunft Jesu jede fälschlich sogenannte Weisheit und Wissenschaft, die die Menschen anleitet, mit Leib und Seele in die Dienste einer antigöttlichen und antichristlichen Macht zu treten und ihr zu huldigen. Die Formen, wie das geschieht, mögen ja wechseln, aber die Sache bleibt im Grunde dieselbe. Hauptvertreter jenes Tieres sind alle, die schon der Heiland gekennzeichnet hat mit den Worten: "Hütet euch vor falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber reißende Wölfe sind" (Mt 5,7) und: "Viele falsche Propheten werden aufstehen, und sie werden viele irreführen" (Mt 24,11), ja, "sie werden große Zeichen und Wunder tun, so daß sie, wenn es möglich wäre, selbst die Auserwählten irreführten" (Mt 24,24).
   Die Zahl 666, die Johannes hier 13,18 als "die Zahl des Tieres" nennt, bietet ein Rätsel, das wir heutzutage zu lösen außerstande sind. Daß der Verfasser hier so geheimnisvoll tat, geschah wohl aus Gründen der Sicherheit gegenüber den römischen Behörden; es waren ja Zeiten der Verfolgung.
   
   Zu 14,1-5. Die Gegener des (nach 12,5) in den Himmel erhöhten Christus und seiner Kirche auf Erden, des "Weibes", hat Johannes geschaut: den Drachen und dessen Helfershelfer auf Erden, die beiden Tiere, und die ganze Armee jener, die das Malzeichen des Tieres trugen "auf ihrer rechten Hand oder auf ihrer Stirne" (13,16). Nun schaut Johannes die Gegenarmee Christi, die Kerntruppe des Lammes, jene, mit denen in erster Linie "das Lamm" seine Schlachten schlägt. "Auf dem Berge Sion", d.i. vollkommen sicher, vollkommen geschützt, gleichwie in einer Festung, schaut Johannes "das Lamm", - denn wenn auch in den Himmel erhöht, ist er doch in seiner Kirche ("auf dem Berge Sion") bei den Seinen "alle Tage bis ans Ende der Welt" (Mt 28,20) - und um das Lamm geschart "hundertvierundvierzigtausend, die seinen Namen und seines Vaters Namen geschrieben haben auf ihren Stirnen" (14,1), das heißt, die Gott und dem Lamme sich ganz geweiht und zu eigen gegeben haben. Die Zahl ist eine symbolische und bedeutet, wie oben 7,4: eine große, bestimmte, dem Lamme genau bekannte Zahl; es kennt alle und jeden einzelnen. Und der Seher hörte vom Himmel her ein Lied; das war ihm neu; es war anzuhören, mächtig wie Meeresbrausen und Donnerrollen, aber schön und ergreifend wie Harfenspiel. Aber lernen konnten das Lied nur die 144.000; denn sie waren "losgekauft von der Erde"; sie hatten sich die Erlösungsgnade zu eigen gemacht und in besonderer Weise mit Seele und Leib dem Lamme zu eigen gegeben. "Sie befleckten sich nicht mit Weibern; jungfräulich sind sie"; sie gehören also zu jenen, von denen Jesus sprach: "Es gibt solche, die sich freiwillig der Ehe enthalten um des Himmelreiches willen. Wer das fassen kann, fasse es" (Mt 19,12), und deren Lob der heilige Paulus 1 Kor 7,34 gesungen. "Sie sind´s, die dem Lamme folgen, wohin immer es geht", folgsam und gehorsam, selbst seinen Räten, opfermutig und opferfreudig, treu bis in den Tod, bis in den - wenn es sein muß - blutigen Tod. Sie sind die "Erstlingsfrucht" der Menschheit "für Gott und das Lamm", und die Sprache des Drachen, des Menschenmörders und Lügners von Anbeginn - die Lüge -, wurde in ihrem Mund nicht gefunden; mit einem Worte: "sie sind ohne Fehl".
   Die 144.000 sind hier nicht dieselben wie die oben 7,4 Genannten. Dort ist die Rede von den aus dem Judentum gekommenen Christusgläubigen, hier von christlichen Aszeten.
   
   Zu 14,6-13. Nacheinander treten vor das Auge des Propheten drei Engel; der erste verkündet ein "ewiges Evangelium"; der zweite Babylons Fall; der dritte die ewige Verdammnis der Tieranbeter und Lammesverfolger. Man beachte:
   "Ich sah" - sagt Johannes 14,6 - "einen anderen Engel", einen von allen vorausgehenden verschiedenen Engel. "Er fliegt hoch am Himmel" wie der Wehe-Adler von 8,13, denn alle Lande und Menschen sollen seine Botschaft hören; aber es ist keine Wehe-Botschaft, sondern eine Frohbotschaft von Ewigkeitswert, "ein ewiges Evangelium". Freilich, eine Frohbotschaft nur für die, die das Wort befolgen: "Fürchtet Gott und lobpreiset ihn!" Nur diese können sich freuen, daß "die Stunde seines Gerichtes gekommen ist". Die Worte erinnern an die Heilandsworte: "Wann aber dies zu geschehen anfängt, dann richtet euch auf, erhebet euer Haupt (nun freudig und triumphierend, ihr, die man in der Welt als Kophänger geschmäht und verfolgt hat!), denn (der endgültigen Vollendung) nahe ist eure Erlösung" (Lk 21,28).
   Ein zweiter Engel verkündet den Fall Babylons, der gottlosen und sittenlosen (vgl. auch 16,19; 17,5; 19,15) Stadt, "die von dem Glühwein ihrer Unzucht alle Nationen hat trinken lassen", d.i. die durch ihre Gottlosigkeit und durch ihre den Menschenleib durchglühende Unzucht die Völker verführt hat. Der Engel verkündet den Fall Babylons, als wäre er schon geschehen; so sicher wird er geschehen; Kap. 17 u. 18 werden es uns beschreiben. Die freudige Erregung des Engels über Babylons Sturz malt sich in seinen Worten, besonders in der Verdopplung des Wortes: "Gefallen" - "Gefallen, gefallen ist Babylon." Wer aber ist Babylon? Ohne Zweifel zunächst das heidnsiche Rom; "Babylon" nannte man schon in den Zeiten des hl. Petrus (vgl. 1 Petr 5,13) in christlichen Kreisen das heidnische Rom. Aber das apokalyptische Babylon ist nicht einzig das heidnsiche Rom, sondern im Laufe der Zeiten jede ähnliche, gottfeindliche, antichristliche Hauptstadt des "Tieres", wie auch immer sie heißt.
   Hat der zweite Engel das irdische zeitliche Schicksal einer gottverfluchten Stadt vorausgesagt, wie es in den Kapiteln 17 u. 18 beschrieben wird, so kündet der dritte Engel die ewige Verdammnis allen an, die das Tier und sein Bild anbeten, und die das Malzeichen des Tieres tragen. Die das tun, müssen trinken "den Glühwein Gottes, der vermischt (d.i. ohne durch ein Tröpflein der Freude oder des Trostes gemildert zu sein) ist bereitet worden in dem Becher seines Zornes". Sie werden gequält "in Feuer und Schwefel"; sie werden gequält "vor den heiligen Engeln"; das fügt zu ihrer Qual Schmach und Scham; und "vor dem Lamme", das durch sein Todesleiden auch sie hatte retten wollen; sie aber haben das Lamm verschmäht, verachtet, gehaßt, verfolgt. Sie werden gequält "in alle Ewigkeit". Wie nach 4,8 die vier Wesen am Throne Gottes und alle, die mit ihnen vereint sind, "bei Tag und Nacht keine Ruhe" haben in Gotteslob und Seligsein, so haben die Verdammten "in alle Ewigkeit" "Tag und Nacht keine Ruhe" in Qualen und Gluten (14,9-11).
   "Hier", mitten hinein gestellt in die Schar der Tieranbeter und Lammesverfolger, muß sich die Ausdauer der Christen bewähren (14,12), muß sich das Heilandswort erfüllen: "Wenn ihr ausharrt, gewinnt ihr eure Seele" (Lk 21,19). Johannes hörte nämlich eine Stimme aus dem Himmel, die verkündete: "Selig die Toten, die im Herrn sterben - von nun an." Also selig "von nun an" - nachdem "das Blut des Lammes" (12,11) geflossen ist, das Lamm mit der Todeswunde in den Himmel erhöht ist - alle die, die in der Gnade und im Frieden des Herrn, weil als Freunde des Lammes, sterben. Selig sind sie alsbald von ihrem Tode an, also noch ehe Jesus zur Endvollendung wiederkommt. Denn ihre Werke begleiten sie in die andere Welt, und die Vatergüte Gottes will sie nicht warten lassen auf ihren Lohn. Sie werden "ruhen", nicht weniger, wie die Märtyrer ruhen nach 6,11; gewiß empfangen sie wie diese "das weiße Kleid", das heißt die Seligkeit zunächst der Seele nach (vgl. 6,9-11); das soll Johannes "schreiben" im Namen des Hl. Geistes; denn "wahrhaftig", daß das so ist, "spricht der Hl. Geist". Also ausharren! Darauf kommt es an.
   
   Zu 14,14-20. Der "Menschensohn", d.i. der Messias, und drei Ernteengel treten nun vor das Auge des Propheten. Das Getreide der Erde ist reif zur Ernte (14,14-16), die Trauben des Weinbergs der Erde sind reif zur Lese (14,17-20); ohne Bild gesprochen: die Menschheit ist reif für das Letzte Gericht.
   Der Menschensohn erscheint hier, ähnlich wie bei Dan 7,13 sitzend auf einer weißen, das will wohl sagen, auf einer vom Licht seiner Glorie durchleuchteten Wolke. Die "goldene Krone auf seinem Haupte" kennzeichnet ihn als Herrscher und Sieger bei dem 6,2 und 14,1-5 angedeuteten Kampfe; die "scharfe Sichel in seiner Hand" als den Richter, der kommt, um zu ernten (vgl. hierzu die Worte Jesu bei Mt 13,30 u. 39 f.; Mk 4,29). Das ist der Tag der Freude und des Triumphes, "einer Frohbotschaft" (vgl. oben 14,6) für die Guten, der Tag des Schreckens für die Bösen.
   Ein "anderer" Engel als die bisher in dieser Vision geschauten, die das nahende Gericht nur ankündigten, "kam aus dem Tempel", den wir gleich eingangs dieser Vision 11,19 als geöffnet schauten, also von dem himmlischen Vater her, der den Tag und die Stunde des Gerichtes zu bestimmen sich vorbehalten hat (vgl. Mt 24,26; Mk 13,32). So aufgefaßt, verstehen wir auch, wie ein Engel den Menschensohn oder Messias im Befehlston anreden kann. Er bringt eben dem Messias-Richter die Botschaft des Vaters: "Lege deine Sichel an und ernte! Denn die Stunde der Ernte ist da, das Getreide der Erde ist dürr (also schon überreif) geworden." Die ganze Szene ist eben nur der dramatische Ausdruck des Gedankens: Die Stunde des Gerichtes bestimmt der Vater. - Die Stunde aber, das ganze Werk der Erlösung endgültig abzuschließen und zu krönen durch das Letzte Gericht und die einzelnen damit zusammenhängenden Akte, ist gekommen. "Der auf der Wolke saß, schwang seine Sichel über die Erde hin, und die Erde wurde abgeerntet."
   Noch ein zweites Bild, das demselben Grundgedanken Ausdruck gibt, aber besonders das Gericht über die Gottlosen betont, darf Johannes schauen: Wieder kommt ein Engel mit einer scharfen Sichel aus dem Tempel; ein anderer Engel, der vom Altar her kommt, auf dem durch das Gebet der Märtyrer (6,9-11) und durch das Gebet der Heiligen (8,3-5) das Feuer der göttlichen Gerechtigkeit gegen die Gottlosen entzündet wird, ruft dem Engel mit der Sichel zu: "Lege deine scharfe Sichel an und schneide die Trauben am Weinstock der Erde; denn seine Beeren sind reif!" Der Engel tat so, und die Trauben wurden sofort gekeltert in der "großen Kelter", die das Werkzeug "des Zornes Gottes" ist (vgl. 19,15; Isai 63,1 ff.). Die Kelter aber wurden getreten "außerhalb der Stadt". Welcher Stadt? Offenbar außerhalb der Stadt, in der sich nach 14,1-5 auf dem Berge Sion das Hauptlager des Lammes und seiner Getreuen befindet; außerhalb der "geliebten Stadt", in der sich nach 20,8 das Lager der Heiligen befindet; auch außerhalb der Stadt der Auserwählten (21,10 ff.). - Das Bild von der Kelter geht über in das Bild einer Schlacht; denn statt Traubensaft fließt Blut aus der Kelter, und die Pferde der Kämpfenden stehen "bis an die Zügel hinauf" im Blut "auf eintausendsechshundert Stadien (= ungefähr 300 Kilometer) weit"; die Zahl 1600 ist die mit sich selbst vervielfältigte Vierzahl oder Zahl der Allgemeinheit (denke: vier Weltgegenden), und diese noch einmal mit 100 vervielfacht, also 4x4x100. Das besagt nichts anderes als: das messianische Endgericht wird allumfassend sein.
   
   Die fünfte Vision
   Die sieben Engel mit den Zornesschalen. Babylons Schicksal.
   Die Vollendung des dritten "Wehe" (15,1 - 19,10)
   Übersicht: 15,1 gibt gleichsam die Überschrift dieser Vision. Dann schaut Johannes an dem himmlischen Ozean stehen die "Sieger" über das Tier und hört, wie sie das Lied des Moses singen und das Lied des Lammes (15,2-4). Das himmlische Heiligtum mit dem Bundeszelt tut sich auf. Sieben Engel treten hervor mit goldenen Schalen, die gefüllt sind mit den Plagen des göttlichen Zornes (15,5-8). Eine Stimme aus dem Heiligtum befiehlt den Engeln, den Inhalt der sieben Schalen auf die Erde auszugießen (16,1). Die Engel vollführen den Befehl, und jede Schale bringt schweres Unheil über die Menschen. Die letzte Schale verwirklicht den schon 14,8 verkündeten Fall Babylons (16,2-20).
   17,1 - 19,10 wird der Fall Babylons näher beschrieben. Einer der Schalenengel zeigt dem Propheten das buhlerische, prunk- und prahlsüchtige, blutdürstige Babylon in seinem Glanz und in seinen Lastern (17,1-6). Der Name "Babylon" ist, wie sich schon aus 17,5 ergibt, ein symbolischer Name. Er bedeutet zunächst das heidnische, christenverfolgende Rom; aber dieses Rom ist das Bild jeder ähnlich gearteten, widerchristlichen Weltstadt bis zum Ende der Tage, besonders das Bild der Hauptstadt der letzten widerchristlichen Weltmacht (17,7-17).
   Ein Engel verkündet (18,1-3) als Ursache von Babylons Fall dessen Unzucht und Üppigkeit, und eine andere himmlische Stimme fügt (18,4-8) noch als weiteren Grund hinzu dessen Hochmut und Tyrannei; letztere Stimme fordert das Gottesvolk auf, sein Geschick zu trennen von dem der sündigen, dem Verderben geweihten Stadt, und sie befiehlt den Dienern der göttlichen Gerechtigkeit, alles Unrecht, das Babylon getan hat, ihm doppelt zu vergelten (18,4-8).
   Nun wird 18,9-20, der Brand Babylons dem Propheten vor Augen gestellt (vgl. Isai 23 und Ezech 26,16 ff.), das heißt: durch die Klagen und Jammer derer, die Babylons Fall betrauern, tritt die ganze Schwere seines Unglücks hervor. Der Reihe nach jammern über seinen Fall die Könige (18,9 u. 10), die Kaufleute (18,11-16), die Seefahrer (18,17-19); aus dem Munde all dieser vernehmen wir, was geschehen ist, indes in 18,20 der Himmel eingeladen wird, sich über die vollzogene Gerechtigkeit zu freuen.
   Ehe wir nun aber den Jubel des Himmels vernehmen, bringt ein Engel durch eine sinnbildliche Handlung - er wirft mit Wucht einen Mühlstein ins Meer - zum Ausdruck, wie gewaltig und vollständig der Untergang Babylons sein wird (18,21-24).
   Und nun vernehmen wir mit Johannes als Gegenstück zu den irdischen Klagen den unermeßlichen Jubel der himmlischen Heerscharen über Gottes Gerichte und über die unmittelbare bevorstehende Hochzeit des Lammes (19,1-8).
   19,9 u. 10 bilden das Schlußwort, den Epilog, zu dieser ganzen Vision. Daß Johannes hier schon, wie unten 21,5-8 und 22,6-21, einen solchen Epilog hinzufügt, läßt den Eindruck erkennen, den gerade der Inhalt dieser Vision in seiner Seele hervorgebracht hat und in der Seele seiner ersten Leser hervorzubringen geeignet war.
   
   Zu 15,1-4. Die Worte: "Ich sah ein anderes Zeichen, groß und wunderbar: sieben Engel hatten die sieben letzten Plagen; denn durch sie war der Zorn Gottes vollendet" (15,1), bilden die Überschrift dieser ganzen Vision, in der in erschütternden Bildern viel schreckliches Wehe dem Propheten vorgestellt wird. Aber der Beginn dieser Vision, gleichsam das Vorspiel, ist überaus trostreich: trotz all der Wehen erreichen die Diener Gottes und des Lammes, "die Sieger", ihr ewiges Glück und Heil. Johannes schaut nämlich (15,1-4) am Himmelsfirmament, das wie ein gläsernes, kristallenes Meer sich vor dem Throne ausbreitet (vgl. oben 4,6), die "Sieger über das Tier und sein Bild"; es sind - nach dem ganz allgemein gehaltenen Text zu schließen - nicht nur Märtyrer, sondern alle, die sich nicht und durch nichts bewegen lassen, das "Tier" anzubeten. Die ganze Kirche also steht hier vor dem Auge des Propheten, die streitende und die triumphierende in unteilbarer Einheit, die ganze Gemeinschaft der Heiligen. Und alle, die aus der Knechtschaft des Drachen und der Tiere Erlösten, die da "an dem gläsernen Meere" stehen, singen zur Harfe (15,2; vgl. auch 14,2) ein Siegeslied, wie es einst (Exod 15) Moses sang, als er Israel hindurchgerettet hatte durch das Rote Meer, und sie fügen hinzu "das Lied des Lammes". Sie preisen dadurch die wunderbare Größe der Werke Gottes, die Gerechtigkeit seiner Führung und Fügungen und seine Heiligkeit. Ein heiliger Optimismus erfüllt die "Sieger"-Sänger: alle Völker werden noch einmal Gottes "gerechte Gerichte" anerkennen müssen und werden kommen, Gott anzubeten (15,4). Sie preisen also den messianischen Triumph, den Sieg des Lammes. (Vgl. auch oben 7,4-17).
   
   Zu 15,5-16,1. Nun wird vor dem geistigen Auge des Apostels der himmlische Tempel aufgetan (vgl. 11,19), von wo Gottes Gerechtigkeit ebenso ausgeht wie seine Barmherzigkeit. Wie das alttestamentliche Bundeszelt auch "Zelt des Zeugnisses" genannt wurde, weil Gott hier seine Gegenwart bezeugte, so wird hier auch der himmlische Tempel das "Zelt des Zeugnisses" genannt. Johannes schaut im Geiste in das Heiligtum hinein und sieht wie "eines von den vier Wesen", die unmittelbar Gottes Thron umstehen (vgl. oben 4,6), "den sieben Engeln sieben goldene Schalen gab, gefüllt mit dem (schon 14,10 den Anbetern des Tieres angedrohten) Zorne Gottes, des ewig Lebendigen" (15,7), oder mit den "sieben Plagen".Diese Plagen werden nach 15,1 die "letzten" Plagen genannt; das will sagen: die Plagen der letzten Weltzeit, also der messianischen Zeit bis zur Wiederkunft Jesu. Die Engel sind priesterlich gekleidet: "in reines, glänzendes Linnen"; da sie zu einer Arbeit ausschreiten wollen, ist ihr langes und weites Gewand "um die Brust gegürtet", und zwar zum Zeichen ihres erhabenen Amtes im Dienste Gottes "mit goldenem Gürtel". Gott selbst ist nahe, - unsichtbar; aber wie sonst oft nach der Hl. Schrift die Wolke seine Gegenwart anzeigt, so hier der Rauch, der den Tempel erfüllt, bis die Aufgaben der Engel vollbracht sind. Denn nun ergeht aus dem Tempel her an die sieben Engel eine Stimme, wohl die Stimme Gottes selbst, die sagt: "Gehet hin und gießet die sieben Schalen des Zornes Gottes auf die Erde" (15,5-16,1).
   
   Zu 16,2-16,21. Die Engel treten an ihre Aufgabe heran und vollführen, was ihnen geboten. Die Plagen entsprechen fast alle den Gottesgerichten, die auch die Posaunenengel angekündigt haben. Sie folgen nicht streng chronologisch aufeinander, denn z.B. die fünfte Plage läßt (nach 16,11) deutlich erkennen, daß auch die erste, die der Geschwüre, noch andauert oder aufs neue eingetreten ist.
   Die erste Schale (16,2) wird ausgegossen auf die Erde; so wurde auch bei der ersten Posaune die Erde heimgesucht (8,7). Ein "böses und schlimmes Geschwür" kommt an die Menschen, aber (wie bei der 5. Posaune 9,4) nur an die, die das Tier anbeteten und dessen Bild, also dem nächsten Sinn nach an die, die dem römischen Kaiserkult huldigten, im abgeleiteten Sinn an alle, die je einer antigöttlichen und antichristlichen Macht sich hingeben. Man hatte den Kaiserkult hingestellt als Bedingung für ein ruhiges, geehrtes, glückliches Leben; doch er erzeugte das "böse und schlimme Geschwür" eines großen, sittlichen Ekels. Und wer Augen hat, zu sehen, der sehe, wie zu allen Zeiten die "Anbetung des Tieres", in welcher Form sie auch immer geschieht, Eiter- und Pestbeulen am Leib der menschlichen Gesellschaft erzeugt, wie sie etwa St. Paulus in seinem Brief an die Römer 1,21-32 beschreibt.
   Die zweite Schale (16,3; vgl. die 2. Posaune 8,8f.) wird ausgegossen auf das Meer und die dritte Schale (16,4-7; vgl. die 3. Posaune 8,10f.) auf die Süßwasser; und Meer und Süßwasser werden zu Blut, ein Gegenstand des Ekels und eine Ursache von Qualen und Schmerzen für die Menschen. - Die Grausamkeit der Tieranbeter, ihre unaufhörlichen Kriege, ihre blutigen Revolutionen, ihre Christenverfolgungen, füllen Meere und Flüsse mit Blut. - "Der Engel der Wasser" anerkennt Gottes Gerichte, und mit "dem Engel der Wasser" erklären sich eines Sinnes die Engel und Heiligen alle; das drückt sich aus in der Stimme "vom Altar her" (16,7); denn der Altar, der Sammel- und Mittelpunkt der Gebete der Märtyrer (6,9-11) und der Heiligen (8,3-5), ist hier gleichwie eine Person gedacht, durch die menschliches Flehen seinen Ausdruck findet; was aber dadurch bekundet wird, ist vollkommenes Übereinstimmen mit dem, was Gott tut und will: "wahrhaft und gerecht sind deine Gerichte".
   Die vierte Schale (16,8-9; vgl. mit der 4. Posaune 8,12) wird auf die Sonne ausgegossen. Dieses herrliche, segensvolle, lebensweckende Gestirn bringt, wenn Gott es will, unsagbare Qual über die Menschen. Doch die Masse der Menschen nimmt solche Anrufe Gottes nicht zum Anlaß, sich zu bekehren; nein, sie lästern Gott; sie wollen ihn nicht verstehen. - Auch die geistige Sonne im Menschen, der Verstand, unheilvoll beeinflußt, kann das Leben des Menschen geistigerweise fieberkrank machen und verbrennen. Der Mensch kann werden wie "hirnverbrannt".
   Man beachte auch hier, daß die vier ersten Schalen unmittelbar die Natur berühren - Erde, Meer, Süßwasser, Feuer - und erst mittelbar durch die Natur die Menschen. Die drei folgenden Wehen, dämonische Plagen, berühren die Menschen unmittelbar. Also auch hier wieder das Schema 4+3 in der Anordnung des Stoffes.
   Die fünfte Schale (16,10f.) wird ausgegossen auf den "Thron des Tieres"; der "Thron des Tieres" ist in erster Linie Symbol für das heidnische Rom, die Hauptstadt der antigöttlichen und antichristlichen Weltmacht. Es wird seinen Glanz verlieren, wird "verfinstert", voll des Wahnglaubens und voll der Sünde sein. Die daraus entspringenden Peinen und "Geschwüre" am sozialen Körper des Reiches sind furchtbar, aber die Menschen "taten nicht Buße ob ihrer Werke" (16,11).
   Die sechste Schale (16,12-16; vgl. mit der 6. Posaune 9,14-15) wird "über den großen Euphratfluß ausgegossen". Beim Lesen des griechischen Originals glaubt man hier an dem etwas harten Stil wie an der so unvermittelten Verbindung von V 14 und V 15 die innere Erregung zu spüren, in der Johannes gerade diese "Plage" niederschrieb. Wie bei dem 6. Siegel (6,12-17 und 7,1-17) und bei der 6. Posaune (9,13-21 und 11,1-13), so haben wir es auch hier zu tun mit einem Doppelbilde, von dem das erste das Wehe beschreibt, das über die Menschheit kommt (16,12-14 und 16,16), das zweite aber zeigt, daß der Gläubige, wenn er nur wachsam bleibt und ausharrt, das Heil gewinnt (16,15). - Das Wehe und Unheil, das über die Menschheit kommt, schaut Johannes hier unter folgendem Bild: drei unreine, froschähnliche (weil eitle, aufgeblasene, großmäulige), dämonische Wesen oder gottfeindliche, christusfeindliche, durch und durch verlogene geistige Mächte gehen aus dem Maule des Drachen und der beiden Tiere hervor; durch ihre teuflischen, trügerischen Blendwerke führen sie die Könige der Erde "zum Kampf für den großen Tag des allmächtigen Gottes" zusammen an einen Ort, der hebräisch "Harmagedon" heißt. Harmagedon, d. i. Berg von Magedon oder Megiddo, ist hier ein symbolischer Name, der schon im voraus künden will: diese Könige werden ihr "Harmagedon", ihr Verderben finden, wie einst kanaanitische Könige (nach Richt, Kap 4 u. 5, bes. 5,19) bei Harmagedon ihr Verderben fanden. Wiederum ist hier die Rede von Krieg; außerdem noch sechsmal in der Geh Offb, nämlich 6,4; 9,13-21; 14,19-20; 17,16; 19,17-21; 20,7-9. Wiederum ist hier der Krieg gekennzeichnet als ein Produkt der Hölle, da ja alle Leidenschaften, die zum Krieg führen, der Hölle entstammen. Wiederum erscheint dessen Zulassung als ein Strafgericht Gottes über eine gottlose und sittenlose Welt.
   Kommen aber auch Zeiten so schweren Unheils über die Menschheit, - die Gläubigen, die Knechte Gottes, die Freunde des Lammes, gehen nicht unter, wofern sie nur wachsam sind, geistig gerüstet bleiben, das Gewand der Gnade (siehe auch 3,4-5; 19,8; vgl. auch "das hochzeitliche Kleid" Mt 22,11) bewahren und überhaupt die 16,15 angegebene Mahnung des Herrn beachten: "Siehe, ich komme wie ein Dieb. Selig, wer wacht und sein Gewand bewahrt."
   Die siebte Schale (16,17-21) wird ausgegossen in die Luft. Dadurch wird ein Umsturz in der Welt bewirkt, ähnlich wie ihn die Lösung des 6. Siegels (6,12ff.) andeutet. Vor allem wird dem "großen Babylon" der "Becher voll des Glühweins des Zornes" Gottes gereicht; "die große Stadt fiel in drei Stücke auseinander", das heißt, ihre Kraft wie ihre Schönheit wird vernichtet; ein "großes Erdbeben", d. i. eine vollkommene, gewaltsame Umwälzung aller menschlichen Verhältnisse, läßt das "große Babylon" in "Stücke gehen", zu Scherben werden. "Und die Städte der Heiden fielen in Trümmer", das heißt, die Städte, die "von dem Glühwein der Unzucht" Babylons getrunken haben (14,8), werden nun auch mit hineingezogen in dessen Verderben. Wie sich das alles im einzelnen vollzog, werden uns die Kapitel 17 u. 18 beschreiben. Und "jede Insel floh, und Berge wurden nicht mehr gefunden"; nichts mehr hielt stand, wie abgelegen und einsam oder wie fest und sicher es auch schien; alles wurde gestürzt und umgeformt. Wie wuchtige (wörtlich: talentgroße = halbzentnerschwere) Hagelstücke fielen die Schläge und Kriegsgreuel der "zehn Könige" über das "große Babylon" und vernichteten, wie die Kapitel 17 u. 18 beschreiben, was Menschenmacht und Menschenfleiß in ihr geschaffen, Habsucht und Genußsucht in ihr zusammengetragen haben. "Die Menschen aber lästerten Gott ob der Plage des Hagels"; aber gerade aus dem Umstand, daß es noch lästernde Menschen gibt, die die Plage überlebten, kann man erschließen, daß der Untergang "Babylons" nicht das Ende der Welt- und Menschengeschichte bedeutet. Wenn also auch "aus dem Tempel von dem Throne her" "eine laute Stimme", wohl die Stimme Gottes selbst, ertönte, die erklärte: "Es ist geschehen!", so kann sich das wohl zunächst nur auf den Vollzug eines einzelnen göttlichen Ratschlusses beziehen, nicht auf das Ende der Welt; freilich eines Ratschlusses von höchster Bedeutung, da sein Vollzug so feierlich angekündigt wird; wir stehen da an einem Ende, aber noch nicht am Ende des Endes. Es ist darum die Frage am Platz: Welche Stadt wird hier als "Babylon" bezeichnet? Denn daß der Name hier nur symbolisch gebraucht wird, steht außer allem Zweifel, da das große Babylon am Euphrat schon längst nicht mehr war, und da es eine andere "große Stadt" dieses Namens nicht gab. Wohl aber wissen wir, daß damals in jüdischen und christlichen Kreisen das heidnische Rom ein "Babylon" genannt worden ist. Vgl. z. B. auch 1 Petr 5,13: "Es grüßt euch die mitauserwählte Gemeinde in Babylon". Wer aber so von den "Mitauserwählten in Babylon" sprach, schrieb, wie schon die Väter wußten, weder am Euphrat noch in dem obskuren Babylon Ägyptens, sondern in Rom oder in Jerusalem. Das "Babylon" also, die "große Stadt", deren Schicksal hier der Prophet summarisch angibt und in beiden folgenden Kapiteln beschreibt, ist "das heidnische, widergöttliche, christenverfolgende Rom, die Hauptstadt des Reiches, das durch das "Tier aus dem Meere" (13,1) symbolisiert ist. Aber wir fügen sofort hinzu: wie "das Tier aus dem Meere" Symbol ist für jede antigöttliche und antichristliche Weltmacht, da es nach Kap 19,20 erst am Ende aller Tage für ewig vernichtet wird, so ist auch das heidnische Rom hier Symbol für jede Hauptstadt jedes antichristlichen Reiches, für jedes "Babel", das im Laufe der Zeiten entsteht. Diese "Babel" alle werden ebenso sicher und ebenso schrecklich ihr Ende finden (vgl. Kap 19,17-21), und zuletzt ergeht nach Kap 20,10 das Endgericht auch über den Drachen, den Satan. - Das ganze Schema der sieben Schalen kann als typisch, als vorbildlich bezeichnet werden; es ist bestimmt, in der Zeit der "42 Monate" (vgl. 11,2), in der ganzen messianischen Zeit bis zur Wiederkunft Jesu, öfters wiederholt zu werden; die "Plagen" der sieben Schalen erstrecken sich auf alle Zeiten und auf die ganze Welt, wenn sie auch zuerst hinzielen auf die größte, antichristliche Weltmacht der ersten Jahrhunderte und im vollendeten Sinn auf das letzte "Babel" am Ende der Tage.
   
   Zu 17,1-18. Einer der sieben Schalenengel fordert Johannes auf, den Vollzug "des Gerichtes über die große Buhlerin" mitanzusehen, "die über vielen Wassern thront", das heißt nach 17,15 so viel als: "die über Völker und Menschenmassen und Nationen und Sprachen" herrscht. Er läßt ihn "im Geiste", in der Ekstase, einen Blick tun in "eine Wüste"; nicht in die Wüste, in der Gott nach 12,6 dem mit der Sonne umkleideten Weib eine Stätte bereitet hat, oder in die Einsamkeit, in der Gott die Seele begnadet; nein, in eine Wüste des Lebens ohne und wider Gott, in eine Einsamkeit, in der der Drache, der Teufel, die Seele beherrscht. Dort, in dieser Wüste, schaut Johannes "ein Weib sitzen auf einem scharlachroten Tiere", und das Tier "war ganz bedeckt mit lästerlichen Namen und hatte sieben Köpfe und zehn Hörner"; das Tier war also ohne Zweifel das auch in 13,1ff. beschriebene. Das "Weib" hier, der genaue Gegensatz zu dem mit der "Sonne umkleideten Weib" in 12, 1ff. und zu der Braut des Lammes in 21,2, war wie eine echte Buhlerin oder wie die Teilnehmerin an einem Bacchusfest prunk- und prahlsüchtig gekleidet und mit allem irdischen Glanz und Flitter behängt. In seiner Hand hatte es den Becher "voll von ihrer greulichen, schmutzigen Unzucht". Das Weib war berauscht vom Blut der Christen. Wer das Weib war, verkündete aller Welt der Name, der auf seiner Stirne geschrieben stand: "Das große Babylon..."; der Ausruf aber: "ein Geheimnis!", den Johannes beifügt, zeigt, daß der Name nur ein symbolischer Name ist; er bedeutet zunächst das heidnische Rom. Bei dem Anblick dieser Szene regte sich unwillkürlich in Johannes ein Staunen (17,1-6).
   Dieses Staunen wird durch die Frage des Engels: "Warum staunst du?" leise getadelt, und nun wird dem Seher "das Geheimnis des Weibes und des Tieres" erklärt, das heißt nicht so sehr deren Wesen als vielmehr deren Schicksal gezeigt. Zuerst aber spricht der Engel über "das Geheimnis des Tieres" (17,8-14), dann erst über das Schicksal der Buhlerin (17,15 - 18,1-24). Die Erklärung über das Tier aber geschieht, wohl aus Gründen der Vorsicht und Sicherheit, in ziemlich verhüllten und geheimnisvollen Worten; schon die ersten Leser, die doch den Ereignissen näher standen, werden 17,9 angeredet: "Hier muß der Verstand Weisheit besitzen"; wir Erklärer von heute stehen hier vor manchem Rätsel, doch dürften die Grundlinien der Zeichnung folgende sein: Das "Tier" ist zunächst das heidnische, christenverfolgende Römische Weltreich, die "Buhlerin" oder das große "Babylon" ist die Hauptstadt dieses Reiches, das heidnische Rom, der Sitz der Cäsaren. Dieses Reich und diese Stadt und deren Schicksale sind aber selbst wieder Typen oder Bilder jedes ähnlichen, widerchristlichen Reiches und jeder ähnlichen, widerchristlichen Stadt innerhalb der messianischen Weltzeit bis zur Wiederkunft Jesu. - Gegenüber dem ewigen, unveränderlichen Gott, von dem es in der Apokalypse wieder und wieder heißt: "Der ist und der war und der kommt" und der Gott bleibt "in alle Ewigkeit", erscheint hier das Tier als unveränderlich, vergänglich, aus dem Abgrund aufsteigend, und trotz seiner von der Masse angestaunten Lebenskraft ins Verderben gehend: "Das Tier, das du gesehen hast, war und ist nicht, und es steht im Begriff, aus dem Abgrund aufzusteigen und ins Verderben zu fahren" (17,8). Während "das Lamm" schon so manchesmal verhüllt im Lauf der Geschichte und zuletzt offen und klar aus dem Himmel wiederkommt, steigt das antichristliche "Tier" aus dem "Abgrund" auf, um - zum Trost der Freunde und Getreuen des Lammes - wieder ins Verderben zu gehen (17,8). Zunächst aber ist das hier gesagt vom Römischen Weltreich: Bei Neros Tod war es zu Tode getroffen, aber die tödliche Wunde wurde wieder geheilt, als es Vespasian gelang, die politische Macht wieder herzustellen. Mit Neros Tod schien auch der Tiercharakter des "Tieres", das bestialische, christenverfolgende, neronische System, in den Abgrund versenkt zu sein; darum: "das Tier war und ist nicht" (17,8). Aber noch zur Zeit, da Johannes seine Offenbarungen hatte, schon unter Domitian, ist "das Tier", das bestialische System des Nero, wieder "im Begriff, aus dem Abgrund aufzusteigen" und in einer langen Reihe von "Neronen" sich zu entfalten. Freilich, zum Trost der Christen ist es gesagt, es ist damit auch "im Begriff, ins Verderben zu gehen" (17,8).
   Aber der Engel fügt noch manches zur Erklärung bei, worüber von alters her bis heute die Ausleger sinnen und spinnen, ohne vollkommen klar zu sehen. Hier sei auf Grund solider Erklärer nur folgendes gesagt: "Die sieben Köpfe (des Tieres) sind sieben Berge; auf ihnen sitzt das Weib"; das weist hin auf Rom, die Siebenhügelstadt. "Und sieben Könige sind sie (die Köpfes des Tieres); die fünf sind gefallen; der eine ist; der andere ist noch nicht gekommen, und wann er gekommen ist, muß er kurze Zeit bleiben" (17,9f.). "Der eine ist" zur Zeit, da Johannes seine Visionen hat, nämlich Domitian. Dessen Nachfolger ist Nerva, der nur kurze Zeit, von 96 bis 98 regiert. Die fünf, die schon gefallen sind, rechnet Johannes, wie es scheint, von Nero an, bei dem zum erstenmal der ganze Tiercharakter des Tieres, die bestialische Grausamkeit gegen die Christen, sich zeigte; die fünf wären demnach: Nero, Galba, Otho oder sein Gegenkaiser Vitellius, Vespasianus, Titus. Aber der Prophet schaut in die Ferne. Er weiß, mit dieser Siebenzahl ist die Zahl der Cäsaren nicht erschöpft. Wie viele und welche folgen nach? Zahl und Namen sind ihm nicht geoffenbart. Wohl aber schaut er, daß es noch eine große Reihe ist, und daß ihrer Regierung im allgemeinen der Tiercharakter, der Charakter bestialischer, neronischer Grausamkeit gegen die Christen aufgeprägt ist. Und so faßt er die ganze Reihe dieser Cäsaren unter dem Sammelnamen "das Tier" und unter der Zahl acht, die symbolisch eine Fülle bedeutet, zusammen und schreibt: "Das Tier, das war und nicht ist, ist auch selbst ein achter und kommt aus den sieben und" - das war für die Leser der Apokalypse die Hauptsache - "geht ins Verderben."
   Zunächst aber wird das "Tier" noch bestehen; ja, es wird noch Verbündete bekommen: "die zehn Hörner...sind zehn Könige: doch sie haben noch nicht Königsherrschaft"; zur Zeit des Johannes hatten sie im Römerreich noch keine Bedeutung. "Sie bekommen erst Königsmacht für eine Stunde", das heißt für eine kurze Zeit "im Gefolge des Tieres". Sowenig wie oben die sieben Köpfe gleichzeitig regierende Cäsaren bezeichnen, sowenig ist es hier nötig, daß die "zehn Hörner" gleichzeitig regierende Fürsten sind, und nichts hindert, daß wir darunter mannigfache Heerführer verstehen - die Zahl "zehn" ist nicht zu pressen -, mit denen das cäsarische Rom in Verbindung getreten ist. "Diese sind eines Sinnes und schenken dem Tiere ihre Kraft und Gewalt" (17,13). Doch sie erkühnen sich auch, "Krieg zu führen mit dem Lamm, und das Lamm wird sie überwinden"; dieser Ausgang des Kampfes ist schon 16,14 und 16,16 angedeutet und 19,11 beschrieben. Auch hier wieder liegt aller Nachdruck auf dem für Christenherzen so wunderbar trostvollen Satz: "Das Lamm wird sie überwinden; denn es ist der Herr der Herren und Könige der Könige, und sein Gefolge sind Berufene, Auserwählte, Getreue" (17,14). Diese seine Getreuen werden teilnehmen an seinem Triumph, wie es 2,26f. versprochen.
   Nun erst lenkt der Engel den Blick auf die "Buhlerin". Sie wird gekennzeichnet als "die große Stadt, die Herrschaft hat über die Könige der Erde" (17,18), denn "die Wasser, wo die Buhlerin thront, sind Völker und Menschenmassen und Nationen und Sprachen" (17,15). Die "zehn Hörner" im Verein mit dem "Tier", zuerst Genossen der Buhlerin, dann aus Selbstsucht ihre Feinde und Hasser, werden die einst Angebetete, Stolze und Üppige einsam, nackt und elend machen. Ohne sich dessen bewußt zu sein, handeln sie dabei als Werkzeuge Gottes, als Gottesgeißeln. Wie furchtbar das Gericht Gottes die Stadt niederschmettert, zeigt der folgende Abschnitt (18,1-24). Gottes gerechte Gerichte aber bejubelt der ganze Himmel (19,1-10).
   
   Zu 18,1 - 19,10. Ein Engel verkündet hier 18,1-13: "Gefallen, gefallen ist Babylon, die große"; was erst noch geschehen wird, sieht er als so sicher voraus, daß er es als schon geschehen meldet. Als Grund für den Untergang der Stadt bezeichnet er ihre Unzucht, worunter aber im weiteren biblischen Sinn auch Götzendienst zu verstehen ist.
   Dann befiehlt 18,4-8 "eine andere Stimme vom Himmel", das Gottesvolk solle sein Geschick trennen von dem der sündigen Stadt. Die Stimme, die hier befiehlt, kann nicht Gottes Stimme sein; denn in V5 wird von Gott in der dritten Person gesprochen. Der Befehl aber bezüglich der Wiedervergeltung in V 6f. ergeht nicht an die Christen, sondern etwa an die Engel als die Diener der göttlichen Gerechtigkeit oder an die Könige in 17,12 u. 16 als die Vollstrecker göttlicher Strafen.
   In 18,9 - 19,10 wird wohl nicht mehr durch die Stimme vom Himmel, sondern durch den hl. Johannes selbst das Schicksal Babylons berichtet, aber nicht direkt, sondern dadurch, daß er die Klagen meldet, in die beim Anblick der gefallenen Stadt alle ausbrechen, die ehedem in ihrer Macht sich sonnten, wie die 17,2 genannten Könige der Erde, oder alle die, die von ihrem Wohlstand und Luxus ihren Gewinn zogen, wie die Kaufleute und Seeleute. Man beachte bei den Aufzählungen in V 11-14, diesem kleinen "kulturgeschichtlichen Bild", wie der Sinn des Johannes auch erschlossen war für das wirkliche Leben, sowie den feinen Sarkasmus, der in den dreimal (V 10,15,17) wiederholten Worten liegt: "sie stehen von ferne", sie alle, die ehedem doch so nahe standen.
   Zu den von rein irdischen Beweggründen ausgehenden Klagen der Weltkinder (Könige, Kaufleute und Seeleute) steht in schärfstem Gegensatz das Frohlocken des Himmels über Gottes Gericht (18,20 und 19,1-8).
   Dann kündet 18,21-24 ein starker (vgl. 5,2; 10,1) Engel durch eine symbolische Handlung Babylons Fall: er wirft einen Stein, "an Größe gleich einem Mühlstein", ins Meer; so sicher und so wuchtig komme über Babylon das Gericht für alles vergossene Christen- und Märtyrerblut, überhaupt für alle Menschenleben, die das "große Babylon" seinen Kriegen und seinem Vergnügen geopfert hat (18,24). Da verstummt jede Freude. Jedes industrielle Leben hört auf. Alles häusliche Leben ist vorüber. Nur Grabesschweigen.
   Im Himmel aber herrscht im Gegensatz zu den Klagen auf Erden (ähnlich wie beim 6. Siegel 6,16 u. 7,10) heller Freuden- und Jubelgesang (19,1-8). Die unermeßliche Schar der himmlischen Mächte und die Ältesten und die lebenden Wesen preisen Gott ob seiner Gerechtigkeit, die sich gezeigt hat in dem Gericht über die Buhlerin. Und wie 16,17 so ergeht auch hier vom Throne aus eine Stimme, sei es die Stimme des erhöhten Menschensohnes (vgl. 7,17), sei es die Stimme eines der vier Wesen (6,1-2), die alle Gläubigen auffordert, ihr Lob mit dem Lob der himmlischen Geister zu vereinigen. Und so frohlockt die ganze Kirche, daß der Allmächtige "die Herrschaft übernommen hat", und daß "die Hochzeit des Lammes gekommen ist". (Damit wird Kap 21 und 22 vorbereitet.) Schon hat sich die Braut bereitet; im Gegensatz zur Buhlerin (17,3f.) ist die Braut gekleidet "in glänzendes, reines Linnen; - das Linnen nämlich sind die Rechttaten der Heiligen" (19,8), das heißt mit Hilfe der göttlichen Gnade gewirkte gute Werke.
   Diese ganze, so überaus eindrucksvolle Vision bekommt in 19,9 u. 10 ein Schlußwort, einen Epilog. Der Schalenengel, der nach 17,1 dem hl. Johannes die Buhlerin gezeigt hat, preist glücklich alle die, die zur Hochzeit des Lammes geladen sind. Begeistert fällt ihm Johannes zu Füßen, ihn anzubeten, oder, besser gesagt, um ihm durch die damals im Orient verehrungsvollste Grußform der Proskynesis (Niederwerfen zur Erde, mit der Stirne fast den Boden berühren) zu huldigen. Der Engel wehrt ab; denn in seinen Augen ist ein Prophet gewissermaßen einesgleichen. Denn der Prophet hat das Zeugnis Jesu, d. i. das durch Jesus gegebene Zeugnis, die christliche Offenbarung; das besitzen freilich alle, die den Glauben haben; aber der mit der besonderen Gnadengabe (mit dem Charisma) der Prophetie ausgezeichnete Christ besitzt es in besonders hohem Grade; er ist ein "Mitknecht" des Engels, insofern auch er ein Bote der Geheimnisse Gottes ist. Durch das Wort des Engels: "Das sind die wahrhaftigen Worte Gottes" (19,10) wird ausgedrückt, daß die inspirierte Apokalypse des Johannes nur eine Entfaltung der Lehre des Herrn ist und - "wahrhaftiges Wort Gottes".
   
   Die sechste Vision
   Der Reiter auf weißem Roß. "Der König der Könige und der Herr der Herren" (19,11 - 21,8)
   Übersicht: Wie wir sahen, ist "Babylon" niedergebrannt. Doch bleiben noch die beiden "Tiere", die in den Diensten des "Drachen" stehen, und der "Drache" selbst übrig. Da schaut nun Johannes zuerst (19,11-21) das Gericht Gottes über die beiden "Tiere". Der Himmel ist aufgetan, und ein Reiter auf weißem Roß, das persönliche "Wort Gottes", "König der Könige und Herr der Herren", Christus, der Herr, kommt hervor; sein Gefolge sind die himmlischen Heerscharen (19,11-16). Ein Engel verkündet im voraus den Sieg über die Feinde des "Wortes" (19,17f.). Die Feinde sammeln ihre Heere zum Widerstand (vgl. auch 16,12-16); die Heere werden vernichtet durch das Schwert, das ausgeht aus dem Munde des "Wortes", das heißt: durch das richtende Wort Jesu Christi. Das (erste) Tier und der Lügenprophet (das zweite Tier) werden ergriffen und in den "Feuersee" geworfen (19,19-21).
   Nun bleibt nur noch der "drache", der die beiden "Tiere" anfeuerte und ganz in seinen Diensten hatte. Das Gericht Gottes über den "Drachen", das vorläufige am Anfang des Milleniums, des tausendjährigen Reiches, und das endgültige und abschließende am Ende des Milleniums und am Ende aller Dinge schaut nun Johannes in einem Gesamtbild (20,1-10). Gefesselt wurde der Drache schon, als Christus am Kreuze starb und von den Toten auferstand, oder als Christus die Menschheit erlöste (20,1-3). Das geschah am Anfang der "tausend Jahre", am Anfang der christlichen Weltperiode. Von da an steht dem Satan auf Erden ein Reich gegenüber, das er unmöglich vernichten kann, die Kirche Christi, die "die Pforten der Hölle nicht überwältigen werden". Diesem Reiche gehören alle an, die "die erste Auferstehung" aus dem Tode der Sünde zum Leben der Gnade erfahren, sowie alle, die schon zum Leben der Glorie gelangt sind. Diese leben und herrschen mit Christus. Dieses geistige Reich Gottes dauert "tausend Jahre", das heißt während der ganzen christlichen Weltperiode (20,4-6). Dieses Reich erlebt den letzten und stärksten Ansturm der Hölle am Ende der tausend "Jahre", am Ende aller Tage. Aber auch da wird es - siegen. Durch Gottes Kraft wird aller Widerstand gebrochen, alles Gottfeindliche überwunden. Der Satan wird endgültig und auf ewig in den "Feuersee" verwiesen (20,7-10).
   Alsogleich erfolgt nun nach 20,11-15 das letzte Gericht, das Weltgericht: Alle Toten stehen auf; jeder wird gerichtet nach seinen Werken; eines jeden Los ist definitiv (20,11-13). Wer nicht eingetragen ist in das Buch des Lebens, wird in den "Feuersee" geworfen (20,14f.). Nun also hat alles satanische Getue und Getriebe gegen das Reich Gottes und das Reich des Lammes für ewig ein Ende.
   Begeistert ruht das Auge des Propheten nun (21,1-4) auf "dem neuen Himmel und der neuen Erde", auf dem "neuen Jerusalem", auf der "Braut des Lammes", auf der triumphierenden Kirche.
   Am Schluß dieser Visionen befiehlt der, "der auf dem Throne sitzt", dem Propheten, das Geoffenbarte zu schreiben, und er erneuert seine Versprechungen und seine Drohungen (21,5-8).
   
   Zu 19,11-21. Der Prophet schaut wiederum den Himmel aufgetan. Er schaut (11-16) einen Reiter auf weißem Roß. Es ist wohl kein anderer als der, der nach 6,2 ausgezogen ist, dem Evangelium in der Welt zum Sieg zu verhelfen; kein anderer als der, der nach 12,5 in den Himmel erhöht wurde, der Messias; kein anderer als der, der nach 14,1-5 als "das Lamm" unter seinen Kerntruppen weilt. Nun also schaut der Prophet den Christus wieder, wie er seine Kämpfe und Triumphe abschließt mit dem großen Endkampf und dem großen Endsieg. Nur vergesse man nicht über den drastischen und plastischen Bildern, daß es sich doch vor allem um geistige Kämpfe und Triumphe handelt. Bewundernd ruht des Sehers Auge zunächst auf der Person des Reiters. Sein Name ist: "Treu und Wahrhaftig"; er ist ja der ausgesprochene Gegner des "Lügenpropheten" und der Irrlichter dieser Welt; er erfüllt ebensowohl, was er verspricht, als was er androht. "In Gerechtigkeit richtet und kämpft er"; er kann das; denn "seine Augen sind wie eine Feuerflamme", alles durchdringend und durchleuchtend. Dem "Drachen" gegenüber, der "auf seinen Köpfen sieben Diademe" trug (12,3), und dem "Tiere" gegenüber, das auf seinen Hörnern "zehn Diademe" hatte und "auf seinen Köpfen einen Namen der Lästerung" (13,1), hat er "auf seinem Haupte viele Diademe", die ihn kennzeichnen als den "König der Könige und Herrn der Herren" (19,16), wie er denn auch diese Namen aufgeschrieben hatte nach antiker Sitte "auf seinem Gewande und auf seiner Hüfte". Auf seinem Haupte aber hatte er einen Namen aufgeschrieben, "den niemand kennt als er", das heißt einen Namen, der sein Wesen ausdrückt, das nur er ganz zu durchdringen und zu begreifen imstande ist; sein Name heißt: "Das Wort Gottes". Sein Gewand ist "getaucht in Blut"; er hat ja die "große Zorneskelter Gottes" getreten (14,20 und 19,15) und hat die Seinen errettet durch sein eigenes Opferblut (12,11). "Aus seinem Munde geht ein scharfes Schwert hervor", das Schwert seines Wortes, verheißungsvoll und erlösend für die Glaubenswilligen, richtend und rächend gegenüber den Ungläubigen. St. Paulus (Hebr 4,12) kennzeichnet dieses Schwert: "Das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert. Es dringt durch, bis es Seele und Geist, Mark und Bein scheidet; und ein Richter ist es der Gedanken und Gesinnungen des Herzens. Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern alles ist bloß und offen vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft zu geben haben." Das Gefolge des Reiters auf weißem Roß sind "die himmlischen Heerscharen" (19,14).
   Der Ausgang des Kampfes ist so sicher, daß 19,17f. ein Engel als Gottesbote feierlich die völlige Vernichtung der Feinde des "Wortes Gottes" verkündet. Seine Worte erinnern lebhaft an Ezechiel 39,4. 17-20.
   Und nun erst (19,19-21) schaut der Prophet "das Tier und die Könige der Erde und ihre Heere versammelt, um Krieg zu führen mit dem, der auf dem Rosse saß, und mit seinem Heere" (19,19). Den Kampf selbst beschreibt er nicht, nur das Resultat: Das "Tier" und der "Lügenprophet" werden "in den Feuersee" geworfen; insoweit es sich nicht um Personen, sondern um Personifikationen (Verkörperungen) menschlicher Einrichtungen und Ideen handelt, bedeutet dieser Ausdruck zunächst nur: Diese Einrichtungen und Ideen fallen dem Nichts anheim; insofern die Hauptträger dieser Einrichtungen und Ideen aber menschliche Personen sind, sagt der Ausdruck: Diese Personen verfallen ewiger Qual. Die Armeen des "Tieres" aber und des "Lügenpropheten" werden durch das "Schwert" des Wortes überwunden. Es erfüllt sich, was oben 19,15 im Hinblick auf Ps 2,9 gesagt ist.
   
   Zu 20,1-3. Wir schauen wieder ein zusammenfassendes Bild. Zunächst (1-3) wird "der Drache gebunden". Die starken biblischen Ausdrücke lehren die Wahrheit: Satan wird in Ausübung seiner Macht gebunden und eingeschränkt. Doch ist ihm noch nicht endgültig und für ewig alle Macht genommen; noch ist er nicht für ewig "in den Feuer- und Schwefelsee geworfen"; er ist nur in seinem Wirken gebunden "für tausend Jahre"; danach und vor seiner völligen und ewigen Machtberaubung und vor seinem gänzlichen Herrschaftsverlust soll er noch einmal seine ganze furchtbare Macht mit Gottes Zulassung und nach Gottes Ratschluß entfalten. - Der Text also setzt diese vorläufige Fesselung Satans auf "tausend Jahre" fest. Was soll das bedeuten? Außer an dieser unserer Stelle hier ist in der ganzen Hl. Schrift von einer "tausendjährigen" Fesselung Satans keine Rede. Wohl aber ist in der Hl. Schrift wieder und wieder die Rede davon, daß Satans Macht und Herrschaft objektiv (der Sache nach) durch Jesu Erlösungswerk gebrochen und überwunden ist, wenn auch Satan bis zur Wiederkunft Jesu noch die Macht hat, die einzelnen Subjekte, die Menschen, zu beeinflussen, daß sie die von Jesus verdienten Erlösungsgnaden nicht benützen, vielmehr in der Sünde und im Irrtum verharren. Man beachte z. B. das bei Jo 12,11 angeführte Wort, das Jesus kurz vor seinem bitteren Leiden gesprochen hat: "Jetzt ergeht das Gericht über diese Welt; jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgestoßen." Und das andere Wort (Mt 12,28f.; Lk 11,21): "Wenn ich durch den Geist Gottes die Teufel austreibe, dann ist ja das Reich Gottes bereits zu euch gekommen. Oder wie kann einer eintreten in das Haus des Starken und sein Hausgerät rauben, wenn er nicht zuvor (als der Stärkere) den Starken gebunden hat?" Liegt es da nicht nahe, die hier in der Apokalypse ausgesprochene "Fesselung des Drachen" von jener Macht- und Herrschaftsberaubung Satans zu verstehen, die Satan durch das Erlösungswerk Christi erfahren hat, und die er fort und fort durch die Erlösungsanstalt Christi, die Kirche, erfährt? (Vgl. dazu auch oben 12,7-9. Ist es da ungereimt, den Ausdruck "tausend Jahre" symbolisch zu verstehen, zumal da die Apokalypsse reich ist an symbolischen Ausdrücken und symbolischen Zahlen? Aber wofür sollen die "tausend Jahre" Symbol sein? Für eine bestimmte, lange, in sich geschlossene, als ein Ganzes zusammengefaßte Zeitperiode. Aber für welche Zeitperiode? Das hat schon klar der hl. Augustinus (Gottesstaat XX, 8) ausgesprochen: für "die ganze Zeit von der ersten Ankunft Christi bis zum Ende der Welt, wann seine zweite Ankunft sein wird". Die ganze Stelle 20,1-3 gäbe somit im Bilde dem sonst in der Hl. Schrift so lichtvoll ausgesprochenen Gedanken Ausdruck: Der Satan ist von der Zeit an, da Jesus die Welt erlöste, bis zu dem Tage, da er wiederkommt, die Welt zu richten, "gebunden"; objektiv an und für sich, der Sache nach ist durch die Erlösung Jesu der vorchristlichen Zeit gegenüber Satans Wirken gebunden und eingeschränkt; es liegt nur an den Menschen, sich mit Hilfe der Erlösungsgnaden Jesu aus dem Bereiche Satans in das Reich Christi zu flüchten und in diesem Reiche treue Bürger zu sein. Wenn die messianische Zeit zu ihrem Ende kommt und Jesu Wiederkunft bevorsteht, soll Satan "für kurze Zeit" noch einmal starke Macht entfalten können; aber dann wird er endgültig und für immer "in den Feuer- und Schwefelsee geworfen" (20,10), an den Ort der Qual und Gottesferne verbannt.
   
   Zu 20,4-6. Nur im Lichte der gesammten biblischen Lehre, besonders der Lehre von der Erlösung der Kirche, von den Letzten Dingen, sind wir imstande, auch 20,4-6 recht zu verstehen. Johannes schaut da die, die während der "tausend Jahre" mit Christus leben und herrschen. Für das Schauen des Sehers drängt sich hier gewissermaßen in einen Augenblick zusammen, was sich in immer wiederholten einzelnen Akten über die ganze Zeitperiode der "tausend Jahre" erstreckt. Denn das Leben und Herrschen mit Christus und "die erste Auferstehung", die die also Auferstandenen befähigt, "Gottes und des Christus Priester zu sein und mit ihm zu herrschen tausend Jahre" (20,6), fängt nicht gleichzeitig an für alle Begnadigten. Wer sind die Begnadigten, die teilhaben an der ersten Auferstehung? Wer sind die darob "selig und heilig" Gepriesenen, über die "der zweite Tod" keine Gewalt hat? (20,6). Vor allen "die Seelen derer, die um des Zeugnisses Jesu und um des Wortes Gottes willen waren enthauptet (oder überhaupt getötet) worden", also, um in der Sprache der Kirche zu reden: die heiligen Märtyrer. Aber sofort treten den Märtyrern an die Seite "alle, die das Tier und dessen Bild nicht angebetet und dessen Zeichen nicht auf ihre Stirne und auf ihre Hand genommen hatten", also, um wieder in der Sprache der Kirche zu reden: die Bekenner, ja, im weitesten Sinn die Gläubigen alle, aller Zeiten und Zonen, mögen sie nun schon abgeschieden sein oder noch auf dieser Erde leben; denn hier ist nicht im Text gesagt: "Die Seelen aller...", sondern einfach "alle die...". Dann ist an unserer Stelle noch die Rede von anderen: "Die übrigen der Toten lebten nicht, bis vollendet sind die tausend Jahre" (20,5); sie leben und herrschen nicht mit Christus, haben nicht teil an dem "Selig und heilig" der durch "die erste Auferstehung" Begnadigten, waren auch nicht gefeit gegen "den zweiten Tod". - Was bedeutet nun hier die "erste Auferstehung"? Auch hier hat die Regel zu gelten: dunkle Stellen der Hl. Schrift sind zu erklären im Lichte der klaren Stellen und im klaren Lichte der gsnzen Hl. Schrift. Hält man das fest, so kann hier durchaus nicht gemeint sein eine leibliche Auferstehung einer Menschenklasse gegenüber einer anderen, die tot bliebe; eine Auferstehung, die stattfände tausend Jahre vor dem Ende der Welt, am Anfang einer tausendjährigen Zeitperiode. Denn von einer solchen leiblichen Auferstehung eines Teiles der Menschheit tausend Jahre vor dem Weltgericht weiß die ganze Heilige Schrift nichts. Sie weiß nur von einer leiblichen Auferstehung der Toten, aller Toten, aller Toten zumal, wie wir auch gleich unten 20,12 f. näher sehen. Wozu sollte auch eine vorläufige Auferstehung dienen? Zur Prüfung und Entscheidung für oder gegen Christus, hat man gesagt. Solcher Meinung widerspricht die ganze Hl. Schrift. Nach der Hl. Schrift bringt der Tod des Menschen ein für allemal die Entscheidung für die Ewigkeit: entweder ist mit dem Tode des Menschen die Seele gerettet für ewig, oder sie ist für ewig verloren. Die Auferstehung des Fleisches bringt dem Leibe nur, was ihm die verklärte oder was ihm die verdammte Seele geben kann. - Wenn also hier an unserer Stelle von einer leiblichen Auferstehung als der "ersten Auferstehung" nicht gesprochen wird, dann kann nur eine geistige Auferstehung gemeint sein, und von einer geistigen Auferstehung, einer Auferstehung der Seele aus dem Tode der Sünde mittels der in der Taufe mitgeteilten heiligmachenden Gnade redet die Hl. Schrift wiederholt; man vergleiche etwa Röm 6,13; Kol 3,1; Eph 2,1 u. 5; 5,14.
   Also die Auferstehung aus dem Tode der Sünde zum Leben der Gnade und (wenn der Mensch in der Gnade stirbt) zum Leben der Glorie, das ist die erste Auferstehung. Wer diese erste Auferstehung erlebt hat, wird, wenn die "tausend Jahre" vollendet sind und somit das Ende der Zeiten gekommen ist, noch die leibliche Auferstehung erleben (20,12 f.); sie wird für ihn die Vollendung seines Glückes und seiner Seligkeit bedeuten; fern bleibt ihm "der zweite Tod". Wer aber diese erste Auferstehung nicht erlebt hat, wer zu "den übrigen der Toten" (20,6) gehört, die während der tausend Jahre", das heißt in der gegenwärtigen Weltperiode, der Seele nach nicht lebendig waren, der wird freilich auch, wenn die tausend Jahre vorüber sind, die leibliche Auferstehung erleben, aber er empfängt nicht das, was man das wahre "Leben" nennt, die ewige Seligkeit, nein, er verfällt dem "zweiten Tod", dem "Feuersee"; "das ist der zweite Tod - der Feuersee" (20,15).
   
   Zu 20,7-10. Nach Ablauf der tausend Jahre oder am Ende der messianischen Weltperiode läßt Gott es zu, daß Satan noch einmal "für kurze Zeit" seine ganze höllische Macht entfaltet gegen "die geliebte Stadt", gegen "das Lager der Heiligen" (20,9), d. i. gegen die Kirche. Schon 19,19, wurde hingewiesen auf diesen Endkampf. Johannes schaut im Geiste diese Massenerhebung der Völker, diesen Massenaufstand des Un- und Irrglaubens, der Bosheit und Unreinheit gegen die Kirche. Magog, eine Völkerschaft des äußersten Nordens, und Gog, deren Fürst (Ezech 38 u. 39), sind dem Seher Symbole für alle die Feinde Gottes und seiner Kirche. Bei diesem furchtbaren, letzten Kampf wird die "vielgeliebte Stadt" der Kirche eingeschlossen, aber nicht eingenommen. Gott selber streitet für sie: Feuer vom Himmel, d. i. Gottes allmächtige Kraft, vernichtet die letzten Feinde; der Teufel aber wird für ewig in den "Feuer- und Schwefelsee" geworfen (20,10), d. i. endgültig und für ewig an den Ort der Qual verwiesen und von Gottes Seligkeit ausgeschlossen.
   
   Zu 20,11-21,8. Nun schaut Johannes den Abschluß der ganzen Welt- und Menschengeschichte, die Endvollendung aller Dinge. Rasch und kurz beschreibt er 20,11-13 die allgemeine Auferstehung der Toten (vgl. Jo 5,27 ff.) und das Weltgericht. Kein Ort der Schöpfung ist so verborgen, daß er nicht den Staub des Menschenleibes, die Atome, die ihm angehörten, hergeben müßte. Jede Seele findet ihren Leib. Jeder wird nach seinen Werken gerichtet. "Die Bücher werden aufgeschlagen"; das ist Symbol der Wahrheit: alle Werke aller einzelnen sind Gott nicht unbekannt. Und "das Buch des Lebens" wird aufgeschlagen; das ist: alle, die durch Gottes Gnade das "ewige Leben", die ewige Seligkeit in Gott, empfangen, sind von Ewigkeit her Gott bekannt; kein Würdiger ist da vergessen; kein Unwürdiger aber steht in diesem Buch. "Und wenn einer nicht im Buche des Lebens aufgeschrieben gefunden ward", d. i. wenn einer sich der ewigen Seligkeit nicht würdig gemacht hat, wenn einer nicht "gesiegt" hat (im Sinne der apokalyptischen Briefe in Kap 2 u. 3), "wurde er in den Feuersee geworfen" (20,15). "Das (aber) ist der zweite Tod - der Feuersee" (20,14 u. 21,6). Auch "der Tod und das Totenreich" - beide wie Personen, wie dämonische Gestalten dargestellt, beide aus der Sünde geboren - "wurden (mit allem, was sündhaft ist) in den Feuersee geworfen"; d. i.: sie verlieren alle ihre Macht und Gewalt (vgl. Isai 25,6; 1 Kor 15,26 u. 54 f.: "Wenn dieses Verwesliche mit Unverweslichkeit, dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit bekleidet ist, dann ist das Wort der Schrift erfüllt: 'Verschlungen ist der Tod im Siege! Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?' Der Stachel des Todes ist die Sünde"). Der Weltlauf hat ein Ende. Alles irdische Getriebe hört auf. Jeder Widerstand gegen das Reich Gottes und des Lammes ist für immer und ewig vernichtet, alles Gottfeindliche ist für ewig überwunden (vgl. zum Ganzen auch Mt 25,32-46).
   Nun schaut Johannes 21,1-4 begeistert "einen neuen Himmel und eine neue Erde", "die heilige Stadt, ein neues Jerusalem", "ausgestattet wie eine Braut, die geschmückt ist für ihren Mann". Die Schöpfung ist von der Sünde und von dem Fluch der Sünde vollkommen befreit. Die Weltordnung, in der Sünde, Not und Tod herrschten, ist dahin. In der neuen Weltordnung wohnt Gott inmitten seines Volkes; denn die "Sieger" sind wahrhaft sein Volk, und Gott ist wirklich ihr Gott. Wo aber Gott ist, ist die Erdennot dahin. Wo Gott ist, ist das vollkommene, ewige, wahre Glück. (Da ist im vollkommenen Sinn erfüllt Isai 25,8; 35,10; 65,16-19.)
   Gott selbst gibt dem Johannes den Befehl: "Schreibe!" (21,5). Was er schreiben soll, ist das, was er geschaut hat, - das Trostvolle und Entzückende, aber auch das Erschütternde und Erschreckende; das, was Gott verspricht, aber auch das, was er androht. Und was er schreibt, ist Gottes Wort, "zuverlässig und wahr" (21,5). Denn "das Alpha und das Omega", der Ursprung und das Ziel alles Geschaffenen, kann und wird alles ausführen und erfüllen, was er den hl. Johannes schauen ließ und schreiben hieß. Wie wird er es ausführen? Er bietet einen Quelle lebenspendenden Wassers an, eine lebendige Heilsquelle. Umsonst kann jeder, der dürstet, daraus trinken. Nur muß er den Mut aufbringen, zu dieser Quelle zu kommen. Wer diesen Mut nicht aufbringt, der "Feige", der dem Kampf ausweicht, und jeder, der nicht von dem Lebenswasser sich die Gesundheit der Seele antrinkt, wird seinen Anteil finden "in dem See, der von Feuer und Schwefel brennt. Das ist der zweite Tod." (21,6-8)
   
   Die siebente Vision
   Die Braut des Lammes. Das neue Jerusalem (21,9 - 22,5)

   Übersicht: Mit ersichtlicher Liebe und Begeisterung versenkt sich Johannes in die Betrachtung des neuen Jerusalem, und der Hl. Geist hat ihm das Seelenauge für dessen Schönheit geschärft. Dieses neue Jerusalem ist die Kirche. Die Kirche nämlich erscheint ihm als eine einzige, aber in zweifacher Form: in der diesseitigen, irdischen, zeitlichen Form und in der jenseitigen, himmlischen, ewigen Form. Z. B. in den Kap 11 u. 12 hat er die Kirche in erster Linie in ihrer irdischen Form geschaut, wenn auch die himmlische Form im Hindergrund stand. Hier aber liegt das Hauptgewicht durchaus auf der Beschreibung des ewigen, triumphierenden Zustandes der Kirche, wenn auch die irdische Form mitunter angedeutet ist. (Mit dieser Synthese der beiden Formen des ewigen Lebens - Gnade und Glorie - im vierten Evangelium.)Einer der 

   sieben Schalenengel bringt den Apostel auf einen hohen Berg, von wo er ihm die Stadt auf dem Berg, das neue Jerusalem, die Braut des Lammes, zeigt (21,9-10). Johannes schaut und beschreibt das neue Jerusalem in seinem Glanz (21,11); er betrachtet seine Mauern und Tore (21,12-14), seine Ausdehnung (21,15-18) wie das kostbare Material, aus dem es erbaut ist (21,19-2). Gott und das Lamm sind in dieser Stadt selbst Tempel und Leuchte (21,22-23).

   Er erkennt auch, was dieses neue Jerusalem für die Menschen bedeutet, hienieden und ewig (21,24 - 22,5). Was hier die Vision uns schauen läßt, ist all das, was der Glaube erhofft, oder all das, was nach 21,7 die "Sieger", die "Überwinder", ererben. Denn da sind alle die geistigen Güter zu finden, die in den apokalyptischen Briefen und in den prophetischen Teilen des Buches den sieben Kirchen versprochen wurden, und was hienieden in den heiligen Sakramenten noch verhüllt ist unter sinnvollen Zeichen, ist dort enthüllt. Da ist das verlorene Paradies wiedergewonnen und noch viel mehr als dies. Da quillt auf ewig vollendete Seligkeit aus der Anschauung Gottes: "Der Thron Gottes und des Lammes wird in ihr sein, und seine Knechte werden ihn anbeten. Und sie werden sein Angesicht schauen, und sein Name ist auf ihren Stirnen" (22,2 u. 4).

   

   Zu 21,9-22,5. Schon am Schluß der vorigen Vision hat Johannes die neue Gottesstadt geschaut. Nun darf er sich in dieser Schlußvision noch einmal in die Betrachtung dieses wunderbaren Bildes versenken. Einer der sieben Schalenengel, vielleicht derselbe, der ihm 17,1 den Fall Babylons gezeigt und der ihm 19,9 das Hochzeitsmahl des Lammes angekündigt hat, bietet sich an, ihm "die Braut, das Weib des Lammes", das heißt, die in steter bräutlicher, jungfräulicher Reinheit mit dem Lamm verbundene mystische Gemahlin, die Kirche, zu zeigen, das strahlend reine Gegenbild der frechen "Buhlerin", die ihm 17,3 in der Wüste gezeigt wurde. Der Engel entrückt Johannes zu dem Ende im Geist auf einen hohen Berg und zeigt ihm die Stadt auf dem Berg als das Jerusalem der neuen Schöpfung; es kommt vom Himmel herab; denn all seine Herrlichkeit und alles, was es bietet, ist geistig und himmlisch, ist der Inbegriff all des Großen und Schönen, das in den apokalyptischen Briefen (Kap 2 u. 3) den "Siegern" versprochen wurde. Die "Braut" sowohl wie "das neue Jerusalem" sind Symbole für die Kirche, und zwar wird die Kirche hier vor allem in ihrem himmlischen Zustand, in ihrer triumphierenden Freude, in ihrer ewigen Vollendung, in ihrer Glorie geschaut, obwohl auch die Kirche hienieden, gewissermaßen der Himmel auf Erden, mitgedacht und mitberücksichtigt ist. Denn verhüllt und mittelbar ist in der irdischen Kirche dasselbe, was in der himmlischen Kirche unverschleiert und unmittelbar ist.

   In 21,11-23 wird nun dieses "neue Jerusalem" beschrieben. 1) 21,11. Das "neue Jerusalem" ist ganz durchleuchtet von der "Herrlichkeit Gottes". Diese Herrlichkeit oder Glorie Gottes ist unendlich schön und macht, was von ihr durchleuchtet wird, unsagbar schön. Was hienieden z. B. nach 2 Kor 3,18 schon für jede gläubige Seele begonnen hat - sie schaut in lebendigem Glauben an das Evangelium die Herrlichkeit Gottes und nimmt vermöge der Gnade an dieser Herrlichkeit teil -, das vollendet sich dort in ganz wunderbarer Weise: die selige Seele "schaut" Gott, das heißt sie erkennt ihn unmittelbar als das höchste Gut und als die unendliche Schönheit, und dieses Erkennen wirkt die flammenste Liebe, eine Liebe, die das geliebte Gut notwendig umfaßt und das Sündigen unmöglich macht. Aus dieser Liebe und dem Besitz des unendlichen Gutes quillt unbeschreibliche Seligkeit. Das muß man im Auge behalten auch bei der folgenden Beschreibung, besonders von 21,22 an. - 2) 21,12-14. Das "neue Jerusalem" ist wahrhaft katholisch, das heißt allgemein. Es hat nach den vier Himmelsrichtungen je drei Tore, im ganzen also zwölf Tore, und von allen Seiten der Welt her ziehen die "Sieger", die Vollendeten, durch diese Tore ein (vgl. unten 21,24-26; Lk 13,29; Is 60,3; Jer 3,16), eine tröstliche Tatsache gegenüber der betrübenden Tatsache, daß auch Babylon auf Könige und Nationen eine so große Anziehungskraft besitzt (vgl. Kap 18). Auf den zwölf Toren stehen die Namen der zwölf Stämme und auf den zwölf Grundsteinen, die sichtbar sind, liest man die Namen der zwölf Apostel (vgl. Eph 2,20), ein Zeichen, daß der Alte und Neue Bund eine Einheit bilden. - 3) 21,15-17. Die Ausdehnung des "neuen Jerusalem", wie es der Engel mißt, ist außerordentlich groß: 12.000 Stadien, d. i. etwa 1500 Kilometer; die Höhe der Stadtmauer beträgt 144 Ellen (die Elle etwa 1/2m); die Maße sind nach Menschenmaß gegeben, denn auch ein Engel bedient sich des Menschenmaßes, wenn immer er etwas für Menschen mißt. Durch die außerordentliche Größe der Stadt wird symbolisch ausgedrückt, daß das "neue Jerusalem" Platz genug hat für die "unzählbare Schar" (7,9). - 4) 21,18-21. Das Material, aus dem das "neue Jerusalem" erbaut ist, ist das allerkostbarste, das es nach Schätzung der Menschen geben kann. Symbol für die unermeßliche Pracht, den unausdenkbaren Reichtum der übernatürlichen, himmlischen Herrlichkeit. - 5) 21,22 f. Die Stadt hat keinen Tempel; denn Gott selbst und das Lamm (das auch hier wie 7,9 ff.; 14,4; 22,1 ff. Gott vollkommen gleichgestellt ist) wohnen mitten unter ihrem Volk, und die ganze Stadt ist sozusagen Gottes Tempel, Gottes Heiligtum. Auch der geschaffenen Himmelslichter, der Sonne und des Mondes, bedarf die Stadt nicht mehr. Denn die Glorie Gottes, der Glanz der göttlichen Herrlichkeit, erleuchtet sie. In 21,24-22,5 wird geschildert, was dieses "neue Jerusalem" für die Menschen ist. Sie haben in ihm wiedergefunden das verlorene Paradies und unermeßlich viel mehr. Von all dem Herrlichen aber, was hier in seiner Vollendung geschildert wird, ist der Anfang schon gegeben in der Kirche auf Erden. Die Tore der neuen Stadt sind nie geschlossen; sie sind geöffnet für jeden, der eingehen will. Könige und Völker ziehen in sie ein und nehmen ihr Höchstes und Bestes mit hinein. Nichts Sündiges, darum nichts Gottverfluchtes, wird es mehr in dem "neuen Jerusalem" geben (21,27 u. 22,3); nur wer im Lebensbuch des Lammes steht, im Blute des Lammes seine Seele reingewaschen hat, kommt in die Stadt hinein. Wer immer aber hineinkommt, findet in ihr den ewigfließenden Lebensstrom und den ewig fruchtbaren Lebensbaum und kann somit auf ewig allen Durst und allen Hunger seiner Seele stillen; sein Glück ist gemacht.

   

   Schluß des Buches
   (22,6-21)

   Übersicht: Mehrfach wird die Wahrheit und Zuverlässigkeit dessen bezeugt, was Johannes geschaut hat (22,6-9). Geschrieben aber hat er es, weil Jesus ihm es zu schreiben befahl. Und Jesus befahl ihm, es zu schreiben, weil er, der Ursprung und das Ziel aller Dinge, vor allem die Seinen mahnen und trösten wollte durch den Hinweis auf sein baldiges Kommen: "Siehe, ich komme bald und mit mir mein Lohn, um jedem zu vergelten, wie sein Werk sein wird" (22,10-16). Der Geist aber, der die Kirche beseelt, und die Braut, die Kirche, rufen Christus den Sehnsuchtswunsch entgegen: "Komm!" Und alle, die es hören, sollen einstimmen und rufen: "Komm!" (22,17.) Da der Inhalt des Buches von Gott kommt, verbietet Johannes streng, in irgendeiner Weise sein Buch zu verändern (22,18 f.).

   Nun versichert (22,20) Jesus noch einmal den hl. Johannes persönlich seines baldigen Kommens, und der geistige Liebesjünger bittet: "Amen, komm, Herr Jesus!"

   Mit einem Segenswunsch, gleich dem Segenswunsch am Schluß der paulinischen Briefe, schließt das geheimnisvolle, herrliche Buch (22,21);

   

   Zu 22,6-21. Johannes bezeugt die Wahrheit dessen, was er geschrieben (8). Hat er es doch durch den Engel empfangen als Offenbarung des Herrn, der Macht hat, den Propheten auszurüsten mit dem Geist der Prophetie (6 f.). Und so sehr war Johannes innerlich ergriffen von dem, was ihn der Engel schauen und hören ließ, daß er ihm begeistert huldigen wollte (vgl. oben 19,10). Der Engel weist die Huldigung zurück und leitet ihn an, alles auf Gott zurückzuführen: "Gott bete an!" (8f.)

   Wenn Johannnes aber das, was er in den Visionen erlebte, niederschrieb, so tat er es auf den Befehl Jesu Christi hin. Denn Christus hat man als den Sprechenden in den Versen 22,10-16 anzusehen. Christus, der sein baldiges Kommen den kleinasiatischen Kirchen durch Johannes in Aussicht stellt, will diese Kirchen dadurch trösten und warnen. Was aber diesen Kirchen gilt, gilt allen.E

   s ist nicht so, als ob sich "die Braut" vor dem Kommen des Bräutigams fürchte, nein, sie sehnt es herbei. Der in der Kirche wirksame Geist und die Kirche antworten also Christus mit dem Sehnsuchtsrufe: "Komm!" Und einstimmen soll in diesen Ruf jeder, der ihn hört. Einstimmen soll in diesen Ruf jeder, der dürstet nach dem ewigen Glück, und das ewige Glück ist die Seligkeit in Gott (22,17). Wer immer aus dem Herzen heraus die Vaterunserbitte betet: "Zu uns komme dein Reich!", der spricht im Grunde auch dieses "Komm!".

   Da aber Johannes die Worte der Weissagung dieses Buches wiederholt als wahr und zuverlässig bezeichnet hat, droht er jedem, der es wagen sollte, sie zu ändern, Gottes Strafe (22,18 f.). Noch einmal bestätigt nun der Herr sein baldiges Kommen, und die Antwort des greisen Apostels ist ein sehnsuchtsvolles: "Amen, komm, Herr Jesus!".

   Mit dem apostolischen Segenswunsch: "Die Gnade des Herrn Jesus Christus sei mit allen Heiligen! Amen", übergibt Johannes sein Buch zunächst den in den Kap 2 und 3 genannten sieben kleinasiatischen Kirchen; aber die Gesamtkirche erkennt es als inspiriertes, wahres Gotteswort an, und aus den Händen der Kirche nehmen wir es vertrauensvoll entgegen und schöpfen aus seinem wundervollen, wenn auch teilweise geheimnisvollen Inhalt Belehrung, Mut und Trost, damit auch uns gelte:

   "Selig, wer die prophetischen Worte liest, und wer immer sie hört und bewahrt, was sie enthalten; denn die Zeit ist nahe" (1,3). 




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