- Gottes enge Pforte -

Das Walten Gottes im Leben der einzelnen Menschen

 
"Où la sagesse est infinie, il n`y a pas de place pour le hasard", "wo die Weisheit unendlich ist, da bleibt kein Platz für den Zufall", sagt der geistreiche Bischof von Meaux, Bossuet.
 
"Nichts geschieht von ungefähr,
Alles kommt vom Höchsten her".
 
Es gibt keinen Zufall. "Zufall ist der Gott der Narren", hat König Friedrich I. von Preußen einmal gesagt. Gott ordnet und leitet alles zu dem Ziele, wozu er die Welt erschaffen hat, nämlich zu seiner Verherrlichung und zum Besten der Menschen.
Aber sagen gar manche in ihrem Unverstand: Da hätte Gott viel zu tun, wenn er um jedes Härlein, um jedes Würmchen oder Sandkörnlein sich kümmern wollte. Die Toren vergessen, dass vor Gott "alle die Völker, als wären sie nicht, so sind sie vor ihm, wie Nichts und Leere sind sie geachtet vor ihm" (Is. 40). Heißt das nicht, den beschränkten Massstab menschlicher Vorstellungen an das unendliche Sein und Walten Gottes anlegen wollen und den Allmächtigen völlig misskennen, wenn man sich einbildet, es müsste ihm zu mühsam sein, auf alle Dinge acht zu haben? Und heißt es nicht, den Allgütigen lästern, wenn man sich denselben zu vornehm denkt, als dass er die Geschöpfe, welche seine grenzenlose Liebe ins Dasein rief, ferner noch eines Blickes würdigte? "Ziemt es ihm nicht, sich ihrer anzunehmen, so ziemte es ihm noch weniger, sie zu erschaffen", bemerkt der heilige Ambrosius.
Es gibt also, so bezeugen Vernunft und Offenbarung, eine unendlich weise Vorsehung, die "spielend auf dem Erdkreise" alles leitet, die den Grossen wie den Kleinen, den Mächtigen wie den Schwachen, die Völker wie den Einzelnen ihren ewigen Zielen entgegenführt.
Sehen wir uns das Walten Gottes im Leben der einzelnen Menschen an.
 
"Des Menschen Herz denkt sich aus seinen Weg, aber der Herr richtet seinen Gang" (Spr. 16,9), d.h. der Mensch kann wohl Pläne schmieden, er kann dies und das sich vornehmen, ob es gelingt, liegt bei Gott. Sehr schön sagt der Volksmund: "Der Mensch denkt und Gott lenkt." Und der Schweizerdichter P. Gall Morel schrieb unter seine Photographie:
"Gott setzt sein Ziel
Sich wie er will,
Und hat der Wege viele
Zu jeder seiner Ziele."
Joseph wird von seinem Vater fortgeschickt, um nach den Brüdern zu sehen. Aber er kam nicht mehr heim, sondern sein Weg führte nach Ägypten in Putiphars Haus, von da in den Kerker, und vom Kerker auf den Thron. Jakob zog nach Ägypten. Dadurch wurden seine Nachkommen, die Israeliten, herangebildet, für den hohen Beruf, den sie empfangen hatten. Wären sie in Kanaan geblieben, so würden sie unter die Heiden zerstreut und entweder zum Abfall von Gott verführt oder ausgerottet worden sein; sie hätten sich nie zu einem selbstständigen Volke entwickeln können. Die fromme Ruth kam auf das Feld des Booz. Dadurch geschah es, dass sie einen guten und reichen Mann bekam und die Stammmutter des göttlichen Heilandes wurde. Saul, die Eselinnen seines Vaters suchend, findet eine Königskrone. Wer hätte gedacht, dass der Hirtenknabe David König werden sollte? "Gerade die raubsüchtigsten Vögel," sagt der heilige Basilius, "mussten dem Propheten Elias Speise bringen, und die, welche fremde Speise anzufallen pflegen, dem gerechten Manne zu Dienern werden." Der heidnische Kaiser Augustus hatte eine Volkszählung angeordnet. Diese Verordnung wurde im Judenland gerade um die Zeit ausgeführt, als die Geburt des Erlösers nahe war. Gehorsam der Obrigkeit, wanderte Maria mit dem heiligen Joseph nach Bethlehem, um sich hier, am Stammsitze ihres königlichen Geschlechtes, aufschreiben zu lassen. So musste wider Wissen und Willen der römische Kaiser dazu mitwirken, dass die Weissagung des Propheten Michäas erfüllt, und der Sohn Davids in der Stadt Davids geboren wurde. Jesus wollte und sollte nicht vor der Zeit sterben. Darum wachte Gottes Vorsehung über ihm und entzog ihn den Nachstellungen seiner Feinde Herodes und Archelaus. Wenn jemand dem Saulus, als er voll Wut und Mordlust nach Damaskus zog, gesagt hätte: "Noch eh du nach Damaskus kommst, wirst du im Herzen selber ein Christ sein", - der Christenverfolger hätte es gewiss nicht geglaubt. Und doch geschah es so. Seht ihr, wie wunderbar und lieblich die Fügungen und Führungen Gottes sind!
 
Das sehen wir ferner im Leben zweier Männer aus der Kirchengeschichte, von denen der eine, Patritius, Irland zum Christentum bekehrte, der andere, Gallus, der Gründer des weltberühmten Klosters St. Gallen wurde.
Ganz wunderbar sind die Wege, die Gott den heiligen Patrik führte. Seine Heimat ist Schottland. Im Alter von 16 Jahren war er bei einem der damals gewöhnlichen Raubkrieg gefangen und als Sklave in den Nordosten von Irland zu Milcho, dem Clan von Dalaradia, gebracht. Der Knabe musste die Schafe hüten. Dabei blieb ihm viel Zeit übrig, die er zum Gebet verwendete. So vergingen sieben Jahre. Von der Herrschaft grausam behandelt, hatte er Gelegenheit, sich in der Geduld und Selbstverleugung zu üben. Er wurde immer heiliger.
Weitaus der grösste Teil Irlands war damals heidnisch. Das ging dem christlichen Schafhirten sehr zu Herzen; er wollte um jeden Preis ein Seelenhirte werden. Er entlief der aufgedrungenen Sklaverei und begab sich, ungewiss auf welchem Wege, nach Gallien (Frankreich), um dort zu studieren. Das Kloster des hl. Martinus zu Marmoutier bei Tour gewährte dem Jüngling freundliche Aufnahme. Nachdem er sich hier zur Verkündigung des Evangeliums vorgebildet hatte, ging er nach Rom. Aber der Papst konnte Patrik damals noch nicht als Missionar nach Irland schicken. Darum kehrte er nach Gallien zurück und verweilte 4 Jahre beim hl. Bischof Germanus zu Auxerre und wurde von diesem in Wissenschaft und Gottseligkeit unterrichtet. Abermals zog er nach Rom, und Papst Cölestin erteilte ihm nun mit Freuden den Auftrag, den Irländern das Licht des Christentums zu bringen. Er war als erster Bischof der grünen Insel geweiht. Voll Mut und Gottvertrauen ging er jetzt ans Werk. Er landete im Südosten von Irland, bei Wicklow, wurde aber von den heidnischen Bewohnern mit Steinen empfangen. Daher wandte er sich nordwärts. Bei dem heutigen Downpatrik gelang es ihm, den Häuptling der Gegend für das Christentum zu gewinnen. Im jetzigen Saul konnte er die erste christliche Kirche erbauen. Und nun durcheilte er im Siegeslauf ganz Irland, überall predigend, tausend Wunder wirkend und Kirchen gründend. Vielen und grossen Gefahren entging er wunderbarerweise. Er gewann ganz Irland für das Christentum und wird daher heute noch als Apostel und Vater der Iren verehrt. Der Heilige starb 493 in einem Alter von 120 Jahren.
Um 610 kamen Columban und Gallus aus dem irischen Kloster Bangor nach Gallien. Von dort vertrieben, ließen sie sich nach langen Wanderungen in der Nähe des Zürichersees nieder, später zu Bregenz am Bodensee, wo sie eine der hl. Aurelia geweihte Kapelle fanden. Hier siedelten sie sich an, unterrichteten die Umwohner im Feld- und Gartenbau, im Fischfang und andern Dingen, predigten ihnen die Lehre Jesu Christi und zertrümmerten die Götzenbilder. Im Jahre 612 zog Kolumban mit einigen Gefährten nach Italien, wo er das Kloster Bobbio gründete und 615 starb. Gallus aber musste krankheitshalber am Bodensee zurückbleiben, und - so wurde er der Gründer des Klosters St. Gallen und der Apostel Allemanniens.
"O Krankheit," ruft deshalb der Geschichtsschreiber Walfrid Strabo aus, "kräftiger als alle menschliche Kraft und freudiger als alle Gesundheit. Nach Christi Beispiel wurde Gallus für uns krank, damit er durch Verkündigung des göttlichen Wortes die Krankheiten unserer Seele vertreibe. Die Reise mit seinem Lehrer konnte er nicht unternehmen, um uns zu lehren, den Weg der Wahrheit zu wandeln."
 
Auch das gewöhnliche Leben verkündet durch zahllose Beispiele, dass Gottes unsichtbare Hand überall waltet. Im Jahre 1848 war in Paris eine Revolution ausgebrochen. Am 25. Juni wollte der Erzbischof von Paris, Monseigneur Affre, dem Blutvergießen Einhalt tun. Da war er von einem gewissen Laforce erschossen. Der Mörder ging später nach Kalifornien, um Gold zu graben. Reichbeladen mit seinen Schätzen, wurde er von Räubern überfallen, ausgeraubt und erschossen. Sein Sohn aber, ganz erschüttert durch das Schicksal des Vaters, verfiel dem Wahnsinn und starb im Irrenhaus.
In einer Gemeinde Ungarns war im Turm der Kirche Feuer ausgebrochen. Rasch wollte der Ortspfarrer - er hat uns das Ereignis selbst erzählt - auf den Kirchenboden steigen, um das Eindringen des Feuers in das Innere der Kirche zu verhindern. Aber er konnte die Schlüssel nicht finden, sie hingen diesmal nicht am gewohnten Platz. Wahrscheinlich sind sie beim Lehrer, bemerkte der Küster. Sie eilten dorthin. Unterdessen aber stürzte der Turm zusammen, schlug Dach und Gewölbe ein und hätte den Priester unfehlbar getötet, wenn er auf den Kirchenboden gestiegen wäre.
Am 1. Jänner 1881 starb Blanqui, der die berüchtigte Losung ersonnen: "Ni Dieu, ni mâitre", "Kein Gott und kein Herr"; am 1. Jänner 1882 starb der Seine-Präfekt Herold, der bekannte Erbrecher der Klosterpforten; am 1. Jänner 1883 starb Gambetta, der Erfinder des geflügelten Wortes: "Le Clericalisme, c´est l´ennemi". Ist das nicht ein seltsames Zusammentreffen?
Abbé Beauregard predigte in Paris über die göttliche Vorsehung. Einige Tage darauf kam ein Mann in seine Wohnung und sprach: "Ihre Predigt vom Sonntag war sehr schön, und doch kann ich nicht glauben, dass es eine Vorsehung gebe. Ich bin Tischler, habe eine Frau und drei Kinder, wir sind rechtschaffene Leute und arbeiten gern und fleißig. Durch das Falliment eines Schuldners gehe ich aber dennoch meinem Untergang entgegen. Ich habe Verpflichtungen, denen ich Ende dieses Monats genügen muss. Ich kann aber nicht zahlen und kenne gar niemanden, der mir helfen könnte oder wollte. Der Gedanke an die Schmach, die meiner wartet, macht mich des Lebens überdrüssig." Der Priester öffnete sein Pult, nahm eine Summe Geldes heraus und übergab sie dem Tischler mit den Worten: "Mein Freund, hier sind 100 Louisd´ors. Eine reiche Frau hat sie mir gestern für Arme übergeben. Ist das nicht eine Fügung Gottes?"
Ein Kutscher, Irländer von Geburt, führte alle Tage seinen Wagen durch die Strassen von London, kam aber dadurch nach und nach ganz von Erfüllung seiner religiösen Pflichten ab. Doch war er dabei nicht ruhig. Gar zu gerne hätte er wieder einmal gebeichtet. Aber wie Zeit und Gelegenheit dazu finden?
Am Vorabend vor Weihnachten des Jahres 1850 musste der Kutscher einen vornehmen Herrn in das Waisenhaus von Norwood und wieder nach London zurückführen: es war Thomas Grant, der Bischof von Southwark. Eine grimmige Kälte herrschte. Der Kutscher, halb erstarrt, schlug heftig die Arme über einander, um sich gegen den Frost zu schützen. Der Bischof sah ihm eine Weile zu und war von Mitleid erfüllt. Fröstelt und friert etwa seine Seele ebenso sehr, wie das Blut in seinen Adern? So fragte sich der Bischof. Er öffnete das Schlagfenster, richtete einige Worte der Teilnahme an den Kutscher und ließ sich mit ihm ins Gespräch ein. Bald musste er inne werden, dass der Wagenführer seit mehr als zehn Jahren nicht mehr gebeichtet habe. "Nicht wahr", sagte der Bischof in liebreichem Tone zu ihm, "Sie beginnen mit diesen Weihnachten ein neues Leben? Versprechen Sie mir, noch vor Ende der Woche die heiligen Sakramente zu empfangen?" "O Euer Gnaden", erwiderte der Irländer, "es gibt nichts, was ich lieber tun würde als dieses, hätte ich nur Zeit dazu. Aber mir bleibt keine Minute übrig, immer habe ich mit dem Pferde zu tun. Bin ich nicht mit ihm auf der Strasse, dann muss ich im Stall sein. "Gewiss," entgegnete der Bischof beipflichtend, "ich glaube gerne, dass dem so ist. Aber wo guter Wille vorhanden, da zeigt Gott auch einen Weg. Halten Sie nur das Pferd ein wenig an." Der Kutscher tat´s, und ehe er sich´s versah, war der Bischof neben ihm auf dem Sitz. "Sehen Sie, mein Freund, wie gut der liebe Gott ist", sprach freundlich der Bischof; "Sie konnten nicht den Priester aufsuchen, drum hat Gott den Priester zu Ihnen gesandt. Wohlan, lasst uns gleich daran gehen, eine gute, aufrichtige Beichte abzulegen. Wir haben Zeit genug, und niemand stört uns."
Der Irländer machte das heilige Kreuzzeichen und fing zu beichten an. So setzten sie ihren Weg nach London fort. Die Stille der Nacht wurde nur unterbrochen durch das Rasseln des Wagens und das Zwiegespräch der Beiden. Am Himmel aber hielten die Engel indessen ihre Nachtwache und sangen ihr freudiges "Ehre sei Gott in der Höhe", und der Widerhall dieses Lobgesanges durchzitterte die Seele eines verlorenen und wieder gefundenen Sohnes, der am nächsten Morgen nach langen Jahren wieder zum ersten Male das Brot des Lebens empfing.
Derselbe Bischof, Thomas Grant, übernachtete einst in dem Pfarrhaus eines Dorfes. Am Abend erschien eine Frau und meldete, dass eine ihrer Nachbarinnen am Sterben liege und nach einem Priester verlange. Der Ortspfarrer war krank. Daher eilte der Bischof selbst zu der Sterbenden, hörte ihre Beichte und spendete die heiligen Sakramente. Zu der Frau aber, die ihn gerufen, sprach er: "Gott wird Ihnen diesen Liebesdienst gewiss vergelten, wenn es einmal mit Ihnen zum Sterben kommt."
Acht Jahre später teilte ein junger Priester dem Bischof folgendes mit: "Ende letzter Woche kam ich auf meiner Missionsreise in eine Stadt, in welcher nur wenige Katholiken wohnen. Als ich durch eine Gasse schritt, drang aus einem Hause lautes Beten an mein Ohr. Ich begab mich ins Haus und fand in einem Zimmer eine Anzahl Männer, Frauen und Kinder, welche um das Bett einer totkranken Frau knieten und den Rosenkranz beteten. Die Kranke hatte wiederholt und inständig nach einem Priester verlangt. Aber wo einen solchen finden? Der nächste katholische Geistliche war mindestens zwanzig Stunden von dem Ort entfernt, und die Kranke sah jeden Augenblick ihrer Auflösung entgegen. Wie gross war daher das Staunen und die Freude der guten Leute, als ich mich ihnen als Priester zu erkennen gab! Sie lobten und priesen Gott. Die Kranke aber erinnerte sich an die Worte, die einst ein Bischof zu ihr gesprochen, sie sah jetzt die Verheißung buchstäblich erfüllt. Ich hatte gerade noch Zeit, ihre Beichte zu hören und ihr die letzte Ölung und den Sterbeablass zu geben. Dann verschied sie."
Das sind einige wenige Beispiele von dem wunderbaren Walten Gottes im Leben der einzelnen Menschen; sie ließen sich durch tausend andere vermehren. Darum sagte mit Recht auf seinem Sterbebett der gelehrte Paläograph und Urkundenforscher, Carl Friedrich Stumpf-Brentano, Professor an der Universität zu Innsbruck: "Ich als Geschichtsforscher habe unzählige Male Gelegenheit gehabt, zu sehen, wie die Hand Gottes in die Geschichte der Menschen eingreift." Wie gross und erhaben ist das sonst so geringfügige und wechselvolle Menschenleben, wenn wir in seinen Veränderungen das Walten einer höhern, unsichtbaren Hand erkennen! Muss es uns nicht daran gelegen sein, 1. unsern Willen stets mit dem Willen Gottes in Einklang zu bringen, damit wir mit dem Dichter sagen können:
"Ich nehme, was du mir bestimmst,
Ich lasse fahren, was du nimmst;
Wohin du führst, will ich auch ziehen,
Was du verbietst, da will ich fliehen.
Machs, wie du willst, ich bin zufrieden.
 
Ich wär ein Tor, wenn ich auf mich
Vertrauen wollte, nicht auf dich.
Ich hab mich hundertfach belogen,
Verführt, verraten und betrogen,
Ich hab auf selbsterwählten Wegen
Noch nie gefunden Heil und Segen.
 
Doch du, Herr, hast mich wohlbedacht,
Hast alles recht und gut gemacht.
Wie oft bist du mir ungebeten
In den verkehrten Weg getreten!
Hätt´st du dich mein nicht angenommen,
Ich wäre nie zu dir gekommen."
 
Wer zudem stets im Stande der Gnade lebt, der wird einer besonderen göttlichen Führung sich erfreuen. Mit grösserer Sorgfalt lässt der Monarch den Thronfolger ausbilden, als seine anderen Prinzen. Mit wachsamerem Auge überschaut die Mutter Schritt und Tritt ihres Lieblings, als den Wandel der Übrigen. So auch hier. Wer in Gottes Gnade lebt und nach bestem Wissen und Gewissen seine Wege geht, der kann sich sagen, dass er an der treuen Mutterhand einer liebevollen Fürsehung wandelt. Dem Gerechten gegenüber gilt im Vollsinn jedes Wort: "Denen, die Gott lieben, gereicht alles zum Besten." Sie bewacht der Herr mit väterlichem Blick.
 
Aber auch beten müssen wir. Das anhaltende und demütige Gebet ist in allen Zweifeln und Entschließungen das wirksamste Mittel, der sicherste Führer, die trostvollste Gewähr, dass wir nicht irre gehen, sondern einlenken in die Absichten Gottes. Im Gebet wurden alle grossen Männer, Taten und Entschlüsse geboren, weil des Herrn Kraft erfleht sein will. Darum gibts keine schönere, wahrere und tröstlichere Devise für das Menschenleben, als die in den Worten liegt: "Empfiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn. Er wird´s machen" (Ps. 36,5). Wie oft, wenn alles dunkel ist, kommt plötzlich das Licht von einer Seite, wo wir es am wenigsten erwarten. Wie oft, wenn wir uns ganz verlassen glauben, zeigt sich plötzlich die Hilfe in einer Weise, die wir nie geahnt haben. Wie oft, wenn alle Verhältnisse so verworren, dass eine glückliche Lösung unmöglich scheint, sind die Kräfte schon in Bewegung, die den segensvollen Ausweg eröffnen. Unsichtbar und geräuschlos waltet die Hand der Vorsehung. Aus Verhältnissen, auf die wir keinen Wert legen, durch Mittel, deren Wichtigkeit wir nicht erkennen, auf Pfaden, die unserm Auge verborgen sind, führt sie zum heilvollen Ende, was uns not tut. Und selbst wenn wir das Ende in diesem Erdenleben nicht immer schauen, so wissen wir, dass in einer andern Welt sich alles glücklich vollendet. Darum werden wir nie mutlos, nie traurig, wenn die Fürsehung in Dunkelheiten und Rätsel unser Leben hüllt! Sind wir doch sicher und gewiss, dass, so lange wir an Gottes Hand nur festhalten, alles zum Besten sich wendet.
 
Mir sagt´s mein Herz, ich glaub´s und fühle, was ich glaube:
Die Hand, die uns durch dieses Leben führt,
Lässt uns dem Elend nicht zum Raube.
Und wenn die Hoffnung auch den Ankergrund verliert,
Lasst uns nur fest an diesem Glauben halten,
Ein einziger Augenblick kann alles umgestalten!
 
(entnommen aus: Der Weg zum Glück, von Franz Xaver Wetzel, Stadtpfarrer und Dekan, Approbation, Rottenburg, den 27. Juli 1922)

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