Die Kirchenväter
Drei Jahre hindurch hat unser Erlöser öffentlich in den Städten und Dörfern des Judenlandes die himmlische Wahrheit gepredigt; das ganze Volk hörte seine Stimme, insonderheit waren seine Apostel und Jünger die begnadigten Zeugen seiner Lehre. Vieles davon wurde in der Folge durch die Apostel und Evangelisten niedergeschrieben, und sorgfältig in der Kirche, als heilige Schrift, aufbewahrt. Anderes ward mündlich den spätern Geschlechtern überliefert, und erst im Laufe der Jahrhunderte durch die Kirchenväter aufgeschrieben. Die ganze Heilswahrheit aber, die in der Brust des gottmenschlichen Lehrers beschlossen lag, hat Er seiner Kirche zum Eigentum gegeben, indem Er selbst in ihr zu verbleiben, und durch seine Sendboten - in Kraft des göttlichen Geistes - sie in alle Wahrheit einzuführen versprach. Das ist die übernatürliche Ausrüstung der heiligen Kirche zum Lehramte unter allen Völkern! Das ist der Boden, aus welchem jene Riesenbäume hervorgewachsen sind, deren Schatten und Frucht die christlichen Völker seit Jahrhunderten erquicket, nämlich die Kirchenväter; das ist die wunderbare Kraft, welche die allgemeinen Kirchenversammlungen, sowie den Nachfolger Petri, den Papst, bei Glaubensentscheidungen vor jedem Irrtum bewahrt!
Versetzen wir uns im Geiste in die ersten christlichen Jahrhunderte, so zieht an unsern Blicken eine Reihe ehrwürdiger Männer vorüber, welche nicht nur durch ihre mündliche Lehre, sondern auch durch ihre, eben so frommen als gelehrten Schriften die Kirche Gottes in ihrem Kindesalter großgezogen, und darum die Väter der Kirche genannt werden. Sie sind die erlauchten und glaubwürdigen Zeugen der uralten, christlichen Überlieferung; und das katholische Gemüt fühlt sich unaussprechlich beruhigt und getröstet, wenn es sieht, wie die Kirchenväter schon vor mehr als anderthalb Jahrtausend, in ihren Werken, ganz dieselben Wahrheiten bezeugt, verkündigt und verteidigt haben, welche wir heut zu Tage bekennen. - Die Namen dieser verdienstvollen Männer sind folgende:
Sankt Clemens von Rom, gemartert um´s Jahr 100, Freund und Gehilfe des heiligen Paulus, und dritter Nachfolger des heiligen Petrus auf dem päpstlichen Stuhle.
Sankt Ignatius, Bischof von Antiochia, Schüler des heiligen Evangelisten Johannes. Zufolge alter Legenden war er jenes Kind, welches einst der göttliche Heiland seinen Aposteln vorstellte, als sie über ihren Vorrang stritten. Zu Rom ward er den wilden Tieren vorgeworfen im Jahre 107.
Sankt Polycarpus, Bischof von Smyrna, ebenfalls ein Johannesschüler, wurde im Jahre 160, als 86jähriger Greis, zum Feuertode verurteilt, weil aber die Flamme ihn nicht schädigte, mit einem Dolche durchbohrt.
Sankt Papias, Bischof von Hierapolis, Freund des heiligen Polycarpus, und wahrscheinlich selbst noch ein Johannesschüler. Umherreisend in den verschiedenen christlichen Gemeinden und bei den Schülern der heiligen Apostel, gab dieser Kirchenvater sich besondere Mühe, die mündlichen Überlieferungen über das Leben und die Reden Jesu zu sammeln, und schrieb sie in fünf Büchern nieder. Er starb um´s Jahr 150.
Sankt Justin, zubenannt der Philosoph, weil er lange Jahre in den verschiedensten Schulen der heidnischen Philosophen die Wahrheit gesucht hatte, bis er sie endlich in der christlichen Kirche fand. Zu Rom ward er enthauptet im Jahre 166.
Athenagoras, zuerst heidnischer, dann christlicher Lehrer der Weltweisheit zu Athen, verfaßte, wie auch der heilige Justin, eine treffliche Schutzschrift für die Christen. Er starb um´s Jahr 180.
Sankt Irenäus, aus Kleinasien, Schüler der heiligen Väter Polycarpus und Papias, kam um´s Jahr 160 nach Gallien, wo er die Kirche zu Lyon mitbegründete und deren zweiter Bischof ward. Er starb des Martyrertodes im Jahre 202.
Clemens von Alexandrien, Priester und Lehrer an der berühmten christlichen Hochschule zu Alexandrien, starb im Jahre 217.
Tertullian aus Karthago in Afrika, früher Rechtsgelehrter, dann Priester, ein Mann von hinreißender Beredsamkeit, reich an Talent und ausgedehnter Wissenschaft, der mit glühendem Eifer das Christentum wider Heiden, Juden und Irrlehrer verteidigte. Leider verfiel der sittenstrenge, aber zu wenig demütige Mann später selbst in die Irrlehre der Montanisten. Er starb um´s Jahr 220.
Origenes, wegen seines eisernen Fleißes Adamantius, d. h. der "Mann von Stahl" genannt, wurde schon in seinem 18. Lebensjahre der Nachfolger des Clemens auf dem Lehrstuhle von Alexandrien, und erwarb sich, trotz einiger Irrtümer, unsterbliche Verdienste um die Reinbewahrung und Erklärung der heiligen Schrift. Sein glühender Eifer für das Christentum, seine reiche Wissenschaft und seine Leiden haben ihm zu einem der merkwürdigsten Männer der Kirchengeschichte gemacht. Er starb, wohl in Folge der Einkerkerung und Folterqualen unter Kaiser Dezius, im Jahre 249.
Sankt Eyprian, Bischof von Karthago. Der Grundgedanke, um den alle seine Wirksamkeit als Bischof und Schriftsteller sich drehte, war der von der Einheit der Kirche: "Von der Einheit aller Gläubigen mit ihrem Bischofe, und von der Einheit aller Bischöfe mit der Mutterkirche in Rom hängt alle Erhaltung und Segnung des Christentums ab." Er wurde enthauptet im Jahre 258.
Sankt Athanasius, Patriarch von Alexandria, Hauptkämpfer gegen den Irrlehrer Arius, fünfmal um des Glaubens willen verbannt, starb im Jahre 373.
Sankt Hilarius, Bischof von Poitiers, mit dem heiligen Athanasius ein Hauptkämpfer gegen den Arianismus, dessen Besiegung größtenteils ihrer Klugheit und ihrem erleuchteten Eifer zuzuschreiben ist. Er starb im Jahre 368.
Sankt Ephräm, der Syrer, Priester in Edessa, durch seinen Feuereifer gegen die Irrlehre, seine Milde gegen die Irrenden und seine hinreißende Beredsamkeit ausgezeichnet, starb im Jahre 378; in seinen Schriften befinden sich die unwiderleglichsten Zeugnisse des christlichen Altertums für die, von den Protestanten angefochtenen, katholischen Glaubenslehren.
Sankt Cyrillus, Bischof von Jerusalem, zubenannt der Katechet, wegen seines berühmten Werkes, den 23 Katechesen, in welchen er die christlichen Glaubenswahrheiten für die Neubekehrten beschrieben und verteidigt hat. Er starb im Jahre 386.
Sankt Epiphanius, Erzbischof von Salamis, schon bei Lebzeiten wegen seiner Sittenstrenge als Heiliger verehrt, Verfasser der ersten, höchst merkwürdigen "Ketzergeschichte", starb im Jahre 403.
Sankt Cyrillus, Patriarch von Alexandrien, Hauptkämpfer gegen den Irrlehrer Nestorius, starb im Jahre 444.
Der heilige Papst Leo I. der Große, Besieger der Irrlehre des Eutyches, ebensogroß als Kirchenfürst durch Klugheit und Tatkraft, wie als Kirchenlehrer durch Wissenschaft und Beredsamkeit, starb im Jahre 461.
Der heilige Johannes Damascenus, Priester zu Jerusalem, der letzte Kirchenvater des Morgenlandes, berühmt im Bilderstreite, ebenso kindlich fromm wie auch gründlich gelehrt. Er starb um´s Jahr 770.
So berühmt diese Kirchenväter, und so groß ihre Verdienste um die Kirche Gottes sind, so werden sie doch überstrahlt durch die vier großen Kirchenlehrer des Abendlandes: Ambrosius, Augustinus, Hieronymus und Gregor den Großen - und durch die vier großen Kirchenlehrer des Morgenlandes: Basilius, Gregor von Nyssa, Gregor von Nazianz und Johannes Chrysostomus.
Sankt Ambrosius, gestorben im Jahre 397, früher ein Rechtsanwalt und kaiserlicher Statthalter, wurde im Jahre 374 Bischof von Mailand und ein Vorbild apostolischen Eifers, treuer Hirtenliebe und heiliger Sittenstrenge. Seine Predigten (namentlich über die Würde und Schönheit des jungfräulichen Lebens) waren hinreißend; seine frommen Lieder erschallen heute noch in unsern Gotteshäusern; aus seinen Büchern schöpfen heute noch die Gottesmänner Erbauung und heilige Begeisterung; die Kirche aber verdankt ihm ihren größten Lehrer: - den heiligen Augustinus, welcher durch die herzergreifenden Predigten des heiligen Ambrosius bekehrt, und aus einem Sünder ein Heiliger, aus einem, von Irrtum zu Irrtum schwankenden Rohre, eine Säule der Kirche geworden ist. Im Jahre 395 bestieg er den bischöflichen Stuhl von Hyppo in Afrika, und war fortan, durch seine ebenso zahlreichen als unschätzbaren Schriften, wie durch seine apostolische Berufstätigkeit und die Heiligkeit seines Lebens, der strahlende Mittelpunkt, Ratgeber und Freund aller christlichen Lehrer damaligen Zeit. Er starb im Jahre 430, zehn Jahre später als sein berühmter Freund: der heilige Hieronymus von Stridon in Dalmatien. Ausgedehnte Reisen und ein mehrjähriger Aufenthalt in der Wüste bereiteten den Heiligen auf die herrliche Wirksamkeit vor, die ihm Gott zugewiesen hatte. Von allen Seiten wurden ihm Fragen über die christliche Wissenschaft, über kirchliche Verhältnisse und Rechte, sowie über die Vollkommenheit des Lebens zur Entscheidung vorgelegt; namentlich bediente sich Papst Damasus des großen Kirchenlehrers, um eine allgemeine gültige lateinische Übersetzung der heiligen Schriften herzustellen. Seine gründlichen Erklärungen der heiligen Schrift, seine zermalmenden Streitschriften wider die Irrlehrer und seine vielen, denkwürdigen Briefe sind heute noch ein Kleinod unserer heiligen Kirche.
Der letzte Kirchenvater des Abendlandes ist der heilige Papst Gregor I., der Große. Die heiligen Schriften und die unsterblichen Werke der drei letztgenannten Väter waren die Schule, in welcher er sich zu einem auserwählten Werkzeuge des gottmenschlichen Lehrers heranbildete. Als Papst für die Bedürfnisse der gesammten Kirche wie der einzelnen Länder mit wahrer Hirtenliebe besorgt, steht dieser gottbegeisterte Mann auch in Bezug auf die heilige Wissenschaft groß in der Geschichte der Kirche; und wenn die Legende erzählt: der heilige Geist sei dem Papste in Gestalt einer Taube erschienen, und habe ihm die Gedanken und Worte für seine zahlreichen Schriften eingegeben, so ist damit die hohe Bewunderung der christlichen Welt für die außerordentliche Weisheit dieses erhabenen Mannes auf´s trefflichste ausgesprochen. Er starb im Jahre 604.
Sankt Basilius, Erzbischof von Cäsarea in Cappadozien. Sein Name bedeutet: der Königliche; und wahrhaft königlich war Geist und Herz, Stellung und Wirksamkeit dieses Kirchenlehrers. Auch er war ein Vollwerk wider die Arianer, zugleich ein Held der christlichen Liebe und der heiligen Wissenschaft, ausgezeichnet als Gottesgelehrter und Prediger, wie als Seelenführer der Ordensleute, für welche er die erste eigentliche Lebensregel entwarf, und als Leiter des christlichen Gottesdienstes, den er geordnet und mit erhöhtem Glanze umgeben hat. Er starb im Jahre 379.
Sein jüngerer Bruder, Sankt Gregor, Bischof von Nyssa, war ebenfalls eine feste Stütze der Kirche gegen die Arianer, dabei ein milder, friedliebender Mann und geistlicher Schriftsteller, dessen zahlreiche Werke heute noch einen wertvollen Schatz der Kirche bilden. Er starb um´s Jahr 395. - Mit diesem heiligen Brüderpaar war in innigster Freundschaft verbunden, der Dritte der drei großen Cappadozier, sankt Gregor von Nazianz. In Palestina, Alexandrien und Athen hatte er, bei den berühmtesten Lehrmeistern weltlicher und heiliger Wissenschaft, sich zum Dienste der Kirche vorbereitet. Der Schauplatz seiner hauptsächlichsten Wirksamkeit war die Stadt Constantinopel, die er mit unerschütterlicher Kraft und wunderbarem Erfolge der Irrlehre entriß: Nach langjähriger Weigerung bestieg er daselbst den bischöflichen Stuhl, verließ ihn jedoch im Jahre 381 wieder, um sein vielbewegtes, tatenreiches Leben in heiliger Einsamkeit zu schließen. Er starb im Jahre 390. Sieben Jahre darauf sehen wir auf dem Patriarchenstuhle zu Constantinopel - den heiligen Johannes Chrysostomus, einen Mann, ausgezeichnet als Redner wie als Erklärer der heiligen Schriften, einen Bischof von rastloser Tätigkeit und freundlicher Milde, aber auch von unerschütterlicher Glaubenstreue und priesterlichem Freimute. Ein, in Gebet, Abtötung und Studium verborgenes Leben bei den Mönchen der Einöde hatte ihm jene hohe Kraft bereitet, deren er später, in seinen vielen Kämpfen gegen die Irrlehrer, gegen falsche Brüder und gegen die Laster des kaiserlichen Hofes bedurfte. Er starb in der Verbannung im Jahre 407.
Das sind die preiswürdigen Männer, in welchen die Kirche ihre geistigen Väter verehret. Du darfst aber nicht glauben, o christliche Seele, dass nun der göttliche Lehrmeister, seit dem Abschlusse des christlichen Altertums, aufgehört habe, sich solche hervorragende Werkzeuge zu erwählen, und mit den Gaben seines göttlichen Geistes auszurüsten. O nein! Jedes Jahrhundert, bis herab auf das unsrige, besitzt heilige Geisteslehrer von außerordentlicher Begabung; der göttliche Lehrmeister erweckt sie in seiner Barmherzigkeit, um ihnen seine stete Fortdauer auf Erden zu offenbaren. Unfehlbar aber sind sie so wenig, als die einzelnen Kirchenväter es waren. Sind sie auch auserwählt und gottbegeistert, so bleiben sie doch sterbliche, dem Irrtum zugängliche Menschen, und schon mehr als einmal hat die Kirche den traurigen Fall eines ausgezeichneten Lehrers zu beklagen gehabt!
Ganz anders verhält es sich mit jenen merkwürdigen Versammlungen der Bischöfe aller Länder, welche der Papst in Zeiten außerordentlicher Bedürfnisse und kämpfe beruft, und in eigener Person, oder durch seine Stellvertreter leitet. Diese allgemeinen Kirchenversammlungen, oder ökumenischer Concilien stellen dann die gesammte, lehrende Kirche dar. Weil nun diese die Verheißung erhalten hat, dass die Mächte der Hölle, also auch der Irrtum und die Lüge, sie nicht überwältigen werden, so sind sie - durch einen besondern, übernatürlichen Beistand des heiligen Geistes - unfehlbar in allen ihren Beschlüssen aus der Glaubens- und Sittenlehre. Darum hat die Christenheit auf jede solche Kirchenversammlung, als auf das bedeutungsvollste und heiligste Schauspiel, stets in hoher Ehrfurcht ihr Augenmerk gerichtet, und inzwischen ihre Gebete verdoppelt, um den Vätern des Concils die himmlische Erleuchtung, den Frieden und den Sieg im heiligen Geiste zu erflehen. Was die einzelnen Bischöfe bei einer solchen Versammlung sprechen, ist freilich nur ihre persönliche Überzeugung; wenn aber (nach oft monate- oder jahrelanger Versammlung, in welcher die Väter des Concils, durch Studium und gegenseitige Besprechung, ihr Mögliches getan haben, um die Wahrheit rein und unverfälscht darzustellen) die heilige Versammlung ihren feierlichen Glaubensentscheid abgibt, und der Papst denselben bestätigt, dann ist das nicht mehr ein bloß menschlicher Entscheid: es ist die untrügliche Lehre Jesu Christi selber, und wer sie nicht hören wollte, würde Christum nicht hören, und sich dadurch selbst von seinem Reiche ausschließen; wonach das Anathem eigentlich nichts anderes ist, als die feierliche Erklärung der Kirche, dass dieser oder jener sich von ihr ausgeschlossen hat.
Das erste Beispiel einer solchen allgemeinen Kirchenversammlung finden wir im Jahre 51. Manche Christen, die aus dem Judentume sich zur Kirche bekehrt hatten, behaupteten: auch die aus dem Heidentume Bekehrten müßten sich beschneiden lassen, und die, im jüdischen Gesetze vorgeschriebenen Gebräuche und Enthaltungen, auch als Christen, noch beobachten. Da versammelten sich die Apostel und die Ältesten (Priester) in Jerusalem, um die Sache zu untersuchen. Petrus, der Apostelfürst, eröffnete die Versammlung. Nach ihm sprachen die übrigen Apostel, namentlich Barnabas, Paulus und Jakobus. Endlich wurde gemeinschaftlich der Entscheid gefällt, und zwar nicht als einen menschlich fehlbaren, sondern als einen göttlichen Entscheid: "Es hat dem heiligen Geiste und uns gefallen" u.s.w.
Nach diesem Beispiele wurden im Laufe von 18 Jahrhunderten zwanzig allgemeine Kirchenversammlungen abgehalten. Auf der Ersten, zu Nicäa, im Jahre 325, wurde die Irrlehre des Arius gegen die Gottheit Jesu Christi verworfen, und auf der Zweiten, zu Constantinopel, im Jahre 381, die Irrlehre des Macedonius gegen die Gottheit des heiligen Geistes. Die dritte Kirchenversammlung, zu Ephesus, im Jahre 431, erklärte gegen Nestorius die geoffenbarte Wahrheit, dass in Christo nicht zwei verschiedene Personen, sondern nur Eine Person, die göttliche sei, und bestätigte demzufolge die Würde Mariens, als der Gottesmutter, gegen die Lästerungen desselben Irrlehrers. Die Vierte, zu Chalcedon, im Jahre 451, entschied gegen den Irrlehrer Eutychus die geoffenbarte Glaubenslehre, dass in Christo zwei vollständige Naturen, die göttliche und die menschliche seien, vereinigt in Einer göttlichen Person. Ähnliche Streitigkeiten wurden zu Constantinopel, auf dem fünften und sechsten allgemeinen Concil, in den Jahren 553 und 680, entschieden. Das Siebente, in Jahre 787 zu Nicäa, bekräftigte die uralte, fromme Verehrung der religiösen Bilder. Auf der achten Kirchenversammlung zu Constantinopel, im Jahre 869 wurde die Bosheit des Photius, der die morgenländische Kirche von der abendländischen trennen wollte, verurteilt. Leider erneuerte sich die unselige Trennung bald wieder, und darum ist diese allgemeine Kirchenversammlung die Letzte im Morgenlande.
Die vier folgenden fanden zu Rom im Lateran statt: im Jahre 1123 wurde die Freiheit der Kirche von der weltlichen Macht des Kaisers ausgesprochen; im Jahre 1139 die Folgen der Kirchenspaltung, welche Petrus Leonis verursacht hatte, nach Kräften beseitigt, und die Lehre des schwärmerischen Arnold von Brescia verworfen; im Jahre 1179 wurden die Irrtümer der Albigenser und der Waldenser verurteilt; im Jahre 1215 endlich, in der zwölften allgemeinen Kirchenversammlung, (der IV. im Lateran) wurde eine Vereinigung der griechischen Kirche angestrebt, die, früher von Berengar angefochtene katholische Lehre vom heiligsten Altarsakramente durch den Ausdruck "Transsubstantiatio", d. h. Verwandlung einer Wesenheit in eine andere, festgestellt, und die früher schon erklärte Lehre von der göttlichen Dreieinigkeit und der Menschwerdung des Sohnes Gottes wieder kurz dargelegt, mit Zurückweisung verschiedener Zeitirrtümer.
Die Dreizehnte und die Vierzehnte Kirchenversammlung fanden in Lyon - 1245 und 1274 -, die Fünfzehnte zu Vienne im Jahre 1311 statt. Auf der Dreizehnten wurde die Christenheit zum heiligen Kampfe wider die Sarazenen aufgerufen; in der Vierzehnten die alte Lehre vom heiligen Geiste, der vom Vater und vom Sohne ausgeht, neubekräftigt; und, leider aber nur auf kurze Dauer, die Wiedervereinigung der griechischen mit der römischen Kirche zu Stande gebracht; in der Fünfzehnten wurde die Schwärmerei verschiedener Genossenschaften verurteilt und der Orden der Tempelritter aufgehoben.
Die vier folgenden Concilien werden die Reformationsconcilien genannt, weil auf denselben eine wahre Reformation, d. h. Reinigung der Kirche Gottes von all den Mißbräuchen, die sich in das Leben der Geistlichen und des Volkes eingeschlichen hatten, angestrebt wurde. Diese Concilien fanden statt - das Sechzehnte zu Constanz von 1414 bis 1418; das siebzehnte zu Basel, dann zu Ferrara und Florenz von 1431 bis 1447; das Achtzehnte zu Rom im Lateran, 1512; das Neunzehnte endlich zu Trient von 1545 bis 1563. Zu Constanz wurde die unselige Spaltung der Kirche unter drei Päpsten beseitigt, und die Irrlehre des Wikleff und des Hus verurteilt; in Florenz kam eine, leider bald wieder zerfallene, Vereinigung mit der morgenländischen Kirche zu Stande; in Trient wurden die Irrlehren der sog. Reformatoren verworfen.
Die zwanzigste allgemeine Kirchenversammlung endlich berief der glorreiche Papst Pius IX. im 24. Jahre seines Pontifikates, nach Rom in den Vatikan, und zwar auf das Fest der unbefleckten Empfängnis, den 8. Dezember 1869. Bei 800 Kirchenfürsten aus allen Weltteilen folgten der Stimme des greisen Oberhirten; und ob auch die Feinde der Kirche von allen Seiten, durch Drohung, Lüge und Verläumdung, den ruhigen Gang der Kirchenversammlung zu stören bemüht waren: wider den Felsen Petri vermochten sie nichts! Die wunderbare Ruhe, das zuversichtliche Gottvertrauen und der ungetrübte Seelenfrieden, die in diesen sturmbewegten Zeiten aus allen Worten wie aus den Mienen des heiligen Vaters erstrahlten, wurden nicht getäuscht: die erlauchte Kirchenversammlung nahm ihren ungestörten Gang. Die bedauerlichen Irrtümer unsrer Zeit wurden verurteilt; die falsche, gleißnerische Wissenschaft, die so stolz ihren Thron auf den Trümmern des Glaubens aufschlagen wollte, wurde entlarvt; die Rechte und die Freiheit der Kirche Gottes neu bestätigt, und am 18. Juli 1870 die alte Lehre von der Unfehlbarkeit des Papstes bei Glaubensentscheidungen zum förmlichen Dogma erhoben.
Hierdurch hat nun das höchste Lehramt der Nachfolger Petri seine feierliche Bestätigung vor dem Angesichte der ganzen Welt erhalten! Allerdings waren törichte und boshafte Menschen alsogleich bei der Hand, diese Bestätigung durch Mißverständnisse und Verdrehungen zu entkräftigen, indem sie behaupteten, das vatikanische Concilium habe dadurch einen sündhaften, fehlbaren, sterblichen Menschen zum Gott gemacht. O der Torheit! Der Papst ist unfehlbar - das will ich nicht sagen, dass er für seine Person nicht sündigen könne: die Geschichte bezeugt uns ja, dass der Lebenswandel einiger Päpste nicht tadellos war; und kein wahrhafter Katholik ist so unehrlich, oder so blödsinnig, das zu leugnen, was die Geschichte bezeugt. Der Papst ist unfehlbar - das will nicht sagen, dass der Papst für seine Person nicht irren können: auch er ist und bleibt ein sterblicher Mensch, und kann irren in Allem, was er bei gewöhnlichen Unterredungen, oder was er als Gelehrter und Schriftsteller in Sachen der weltlichen und der heiligen Wissenschaft, oder was er als Papst in Sachen des Kirchenrechtes, der Kirchenverwaltung, und der Kirchenzucht entscheidet und anordnet. "Nur wenn er von Amtes wegen, als Hirt und Lehrer aller Christen, kraft seiner höchsten, apostolischen Auktorität, eine Glaubens- oder Sittenlehre als verbindlich für die ganze Kirche erklärt, besitzt er - vermöge jenes Beistandes, welchen der göttliche Heiland dem heiligen Petrus verheißen hat - die Unfehlbarkeit." Das ist die Lehre des Conciliums.
Und wahrlich, keine neue, sondern eine uralte, wohlbegründete Lehre, die am 18. Juli durch die in Rom versammelten Väter nur genauer bestimmt und zum eigentlichen Dogma erhoben wurde! Christus, der Herr, selbst hat sie der Welt schon vor 18 Jahrhunderten verkündet, als Er zu Petrus sprach: "Du bist Petrus, ein Fels, und auf diesen Felsen will Ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen - und Ich habe für dich gebetet, damit dein Glaube nicht wanke." Und haben auch in früheren Zeiten, wo diese Lehre noch nicht genau bestimmt war, einige berühmte Männer sie verschiedenartig aufgefaßt und verstanden, so haben doch gerade die größten Lehrer der Kirche in allen Jahrhunderten sie klar ausgesprochen, und die Gesammtkirche hat Glaubensentscheidungen der Päpste jederzeit mit jener gläubigen Ehrfurcht angenommen, welche man der höchsten Lehrgewalt auf Erden schuldet.
Hätte es anders sein können? Der göttliche Heiland hat in seiner Kirche ein unfehlbares, höchstes Lehramt gegründet, an welches die Gläubigen zu jeder Zeit, wenn Glaubensstreitigkeiten sich erheben, mit unbedingtem Vertrauen sich wenden und den unfehlbaren Entscheid vernehmen können. Nun aber mögen oft Jahrhunderte vorübergehen, bevor es tunlich wäre, ein allgemeines Concil zu versammeln. Und doch müssen die Gläubigen sofort beruhigt, also ein unfehlbarer Entscheid sofort gegeben werden. Und wem könnte das Recht eines solchen Entscheides zu stehen, als dem Rechtsnachfolger dessen, den Christus zum Fundamente seiner Kirche gesetzt, und dem Er die Schlüssel seines Reiches auf Erden übergeben hat, dem Papste? Wie könnte aber der Papst einen sichern, alle Gläubigen beruhigenden Entscheid fällen, wenn er nicht - durch übernatürlichen Beistand - für diesen Fall die Gabe der Unfehlbarkeit besäße?
Darum dankt die Christenheit ihrem göttlichen Herrn und Erlöser Jesus Christus für dieses höchste, unfehlbare Lehramt, welches Er selbst - in seinem sichtbaren Stellvertreter auf Erden, im Papste - durch alle Jahrhunderte ausübt; und wenn wir sehen, wie rings um uns diejenigen, die außer der Kirche leben, unstet von Meinung zu Meinung schwanken, und wie ein jeder die heilige Schrift nach seinem persönlichen Urteile verschieden auslegt, dann freuen wir uns des festen, strahlenden Mittel- und Einheitspunktes, der unserer Kirche gegeben wurde, des unwandelbaren Felsens, auf den sie gebaut worden, und mit dem heiligen Kirchenlehrer Ambrosius bekennen wir laut und unumwunden: "Wo Petrus ist, da ist die Kirche!" oder mit den Vätern der allgemeinen Kirchenversammlung (1439) zu Florenz: "In Wahrheit ist der römische Papst der Nachfolger des Apostelfürsten Petrus und der Stellvertreter Christi, das Haupt der gesammten Kirche, und, wie der Vater, so auch der Lehrmeister aller Christen: im heiligen Petrus empfing er die Vollgewalt von Jesus Christus unserm Herrn."
(Auszug aus: LEBEN JESU, von L. C. Businger, 1874)