- Gottes enge Pforte -

Die hl. Messen von der Kindheit des Herrn, 

zum hl. Antlitz, zu den Heiligen und zur hhl. Eucharistie

 
 
Wie im Pflanzenreich die eine Sonne mit ihren geheimnisvollen Strahlen Tausende von Gewächsen, Blüten und Blumen, mit Wachstum, Farbenpracht, Wohlgeruch und eigentümlichen Heilkräften ausrüstet, den Blumengarten, Flur und Hain zu den verschiedenen Jahreszeiten anders kleidet, so weckt auch die geheimnisvollere Geistessonne im Weinberg und im Paradies der Kirche immerdar im Laufe der Zeiten durch alle Jahrhunderte, und bei den sich folgenden Generationen in allen Zonen der Erdkugel eigene Andachtsübungen und Kundgebungen der inneren Frömmigkeit, je nachdem die Geistesrichtung, der Volkscharakter, der besondere Beruf einer Nation, die geographische Lage sie beeinflussen und erfordern. Wie nun im Gottestempel der Natur alle Pflanzen, vom Mooshälmchen und der Flechte an bis zur Zeder und Palme, den Allmächtigen in selbsteigener Sprache loben und verherrlichen, so sollen auch im Gotteshaus der katholischen Kirche alle diese Blüten der verschiedenartigen Andachten durch Farbenpracht und Balsamduft den dreimal Heiligen preisen.
Jedes Pflänzchen, auch das unscheinbarste Gräslein, besitzt seine Geheimnisse der Struktur, des Wachstums, der ungeahnten Heilkräfte, die der forschende Menschengeist erst nach Jahrtausenden mühsamen Forschens, beim Fortschritt der Zeiten mit den Erfolgen einer vervollkommneten Chemie und Physik, mit verfeinerten Instrumenten, zu erschließen und zu entdecken vermochte. Eine Pflanze erkennen wir an Gestalt, Blattschmuck, Farbenkolorit, Geruch; selbst die verschlossenen Knospen kennen die Botaniker im Innern, wissen wie sie beschaffen sind, ob sie rote, gelbe, blaue Blüten entfalten werden, welch einen Geruch sie ausströmen, welche Heilkräfte sie für die verschiedenen Krankheiten und Leiden dem vielgeplagten Erdensohne bieten.
Das sind nun auch die besonderen Andachten, die nebeneinander in derselben Zeit, demselben Ort, oft in einer Pfarrei und in einer Genossenschaft, bestehen und Blüten treiben. Mögen diese Andachten aus einer natürlichen Geistesrichtung entstehen, einer eigentümlicher Neigung, dem Temperament, Charakter der einzelnen Christen mehr zusagen, mögen sie eine Folge von unmittelbarem Einflusse des hl. Geistes sein, sie sind mehr als Einbildung, sie sind Blüten der Frömmigkeit, sollen Früchte der Heiligkeit, der Gottseligkeit zeitigen, sie sollen endlich die Entwicklung der Heiligkeit in den Seelen bis zur Vollkommenheit treiben.
Der tätige Geschäftsmann zieht die Betrachtung über das öffentliche Lehramt unseres Herrn jener über das verborgene Leben in Nazareth vor, wogegen die Klosterfrau, der Seminarist u. a. im Häuslein von Nazareth eine frischere und vollere Quelle des Trostes, der Ermutigung und Stärkung suchen und finden. Einige wollen im Augenblick der Entzückung den Tabor dem Kalvarienberg vorziehen. Wieder einige bleiben kalt vor dem Kreuze, haben weniger Geschmack und Genuss an den Passionsandachten, als an den Marianischen Andachtsübungen.
Wie aber immer diese Andachtsübungen sein und heissen mögen, wenn sie richtig aufgefasst und theologisch gekannt und gewürdigt werden, so zielen sie alle auf die hl. Eucharistie hin. Die eine Sonne in der katholischen Religion, das schlagende Herz, das Zentrum ist das hhl. Altarsakrament. So ist die Andacht zur seligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria wie eine Vorstufe zur eucharistischen Andacht, indem die hochbegnadete Gottesmutter im letzten und höchsten Punkt erscheint als der lebendige Tabernakel, die erste Monstranz, die den eucharistischen Gott getragen, ihn den Hirten und Weisen zum Segen dargeboten, als Gnadenvermittlerin, als "Omnipotentia supplex", die Allmacht auf den Knieen, uns durchs Tränental des Lebens zur gebenedeiten Frucht ihres Leibes hinführen soll.
Nehmen wir die Andacht und Messe zu irgend einem Heiligen, zu St. Joseph, dem Nähr- und Pflegevater des menschgewordenen Wortes, zu den hl. Engeln, den "Boten", die in Liebesglut das Dreimal Heilig im Himmel singen und auf Erden Tabernakelwache halten, zu den hl. Aposteln und Blutzeugen, dem hl. Aloysius, dieser Unschuldsblüte usw. Alle Heiligen insgesamt führen uns hin zum Messopfer mit der Kommunion, woraus ihnen die Gnade ihres Berufes, die Kraft und Stärke zum Tugendwandel, zum Martyrium zuströmte. Andere Andachten sind engverwandt, verbrüdert mit der eucharistischen Andacht, so zur Kindheit, zum Leiden Christi, zum kostbaren Blut, zu den hl. fünf Wunden, zum hl. Herzen, so dass diese eigentlich nur eine Schattierung der Andacht zum hhl. Altarsakrament sind; recolitur memoria passionis ejus, das Andenken seines Leidens wird im hl. Altarsakrament begangen. In ihrem liturgischen Offizium zu Weihnachten, am Herz Jesu Fest, an den Passionstagen bringt die Kirche diese Verwandtschaft überall zum Ausdruck.
Oftmals werden von Weltmenschen als "Laune" der Frömmigkeit, als Abirrungen und schlecht verstandene Andacht zur hl. Eucharistie einzelne Taten und Andachtsübungen der Frommen und Heiligen aufgefasst und belächelt, die doch alle, gehörig gewürdigt, ein Ausfluss der inneren Andacht sind. Beispielsweise sehen wir den gottseligen Paul vom Kreuz einen Teil des Karfreitags in der Kapelle vor dem hhl. Altarsakrament zubringen. Und doch öffnet die Kirche in ihrer Liturgie alle Tabernakel, und entblösst alle Altäre, um Sinn und Gedanken der Katholiken auf Golgatha mit dem verblutenden Opferlamme zu richten. Der hl. Paul aber wollte dem hhl. Altarsakrament gerade in diesen Augenblicken den Tribut der Anbetung, Sühne und Liebe entgegenbringen.
So finden wir einige Priester, die mit Vorliebe das hl. Messopfer am Anbetungstage auf dem Altare vor dem ausgestellten "hhl. Gute" darbringen, während andere sich an den Rat der Ritenkongregation halten, und an einem anderen Altar die hl. Messe zelebrieren. Erstere fühlen sich inbrünstiger und innerlich gesammelter vor dem ausgestellten Allerheiligsten, die andern fühlen sich jedoch bei ihrer großen Glaubensinnigkeit verwirrt, es wird ihnen schwer, mit der gebührenden Ruhe und Aufmerksamkeit all die vielen bestimmten Zeremonien und Rubriken genau zu beobachten; sie fühlen sich für den Augenblick ausser Stande, all die Früchte aus dem hl. Opfer zu ziehen, deren sie teilhaftig werden können. - Die Ritenkongregation ihrerseits glaubt, dass bei Ausstellung des Allerheiligsten Sinn und Auge aller auf den Thron der Gnaden in dem Tabernakel sich richten solle, der zelebrierende Priester nicht durch seine Hin- und Hergänge, durch Kniebeugungen und Umwendungen zum Volke, durch Aufforderungen zum Gebet, die Aufmerksamkeit von der Monstranz ablenken dürfte. -
Im Leben der Heiligen finden wir eine Unmenge von Tatsachen, die uns unerklärlich sind. Es gab Heilige, deren ganzes Leben nur eine Nachahmung der Erniedrigung Jesu im hl. Sakrament war; andere, die ihrer Liebe einen mehr einfachen und nicht so geheimnisvollen Ausdruck geben, hatten sich durch Gelübde verbunden, alles zu tun, was sie können, um die Erkenntnis und Liebe dieses hl. Sakraments zu fördern, und haben ihre Zeit, ihre Talente, ihre Kräfte diesem Zweck gewidmet. Einige Klostergenossenschaften leben nur, um den eucharistischen Gott Sühne und Genugtuung für die Beleidigung zu leisten, welche gegen diese Offenbarung seiner Barmherzigkeit begangen werden. Manchen hat Gott die Gnade verliehen, durch ein eigentümliches Gefühl in ihrer Seele den Ort herauszufinden, wo das hl. Sakrament aufbewahrt wird. Andere können im Geschmack gar eine konsekrierte Hostie von einer nicht konsekrierten unterscheiden. Andere werden durch einen unbeschreiblich süßen Wohlgeruch, der vom Tabernakel ausgeht, zum Gegenstand der Liebe hingeführt. Die Märtyrer von Gorkum waren dazu bestimmt, ihr Leben für das hl. Altarsakrament zu lassen. Einige haben die hl. Kommunion aus den Händen des Herrn selbst empfangen; andere durch die Engel. Einige sehen Visionen und schöne Erscheinungen in der Hostie. Andere empfangen unseren Herrn in verklärter Weise, wie er nach seiner Auferstehung mit verklärtem Leibe durch verschlossene Türen drang, z.B. die hl. Jungfrau Juliana von Falconieri. Andere, wie der hl. Philipp Neri und zahllose Bekenner, haben ihr natürliches Leben durch das hl. Sakrament genährt. Der hl. Paskal Baylon sollte mit seinem toten Leibe durch die sog. "Colpi" oder Schläge zur Andacht ans hl. Sakrament ermahnen. Was soll man erst von ihrer Andacht beim hl. Messopfer sagen?
Wenn die hl. Messe im Kirchejahr mit seinen drei Festkreisen als Seele, als Lebensgrund dasteht, so dürfte sie leichtbegreiflicherweise aber auch an den Heiligenfesten, die wie die grünen Blätter am Riesenbaum in buntfarbenem Blütenflor erscheinen, der Hauptgegenstand der Feier, das Mark, der Quell und Grund aller Festfreuden geheissen werden.
Die Heiligen sind Christi Zepter und Krone und Schwert; im Glanze der Heiligen regiert, herrschet der Herr, ziehet er wie der Fürst im Evangelium, um mit ihnen sein Reich zu erobern. Als bevorzugte Freunde Gottes und Erstgeborene verdanken aber all die zahllosen Heiligen Christo allein ihre Heiligung. Durch seine Erlösung am Kreuzaltar, also auch durch das unblutige Kreuzopfer, die hl. Messe hat der Heiland ihnen all die Gnaden zur Heiligung beschert, haben die Heiligen am eucharistischen Opfermahl Stärke, Mut, Kraft zu jedweder Tugend erlangt. Das hl. Messopfer ist aber auch die allerschönste und erhabenste Verherrlichung der Heiligen; durch diese Verehrung geschieht Gott kein Abbruch und wenn zunächst auch auf die betreffenden Heiligen der Kult geht, so fällt doch die Verehrung und Verherrlichung auf Gott zurück, weil er der Grund, der Urheber der Heiligkeit dieser Fürsprecher ist. Wenn ein wohlhabender Mann einem Bettelknaben durch reiche Spenden zum Studium, zu einer angesehenen Stellung verholfen hat, so fällt die Ehrung des Schützlings immer auf den Urheber zurück.
Bei allen hl. Messen, die zu Ehren der Heiligen dargebracht werden, wird Gott dem Herrn allein geopfert, die Anbetung gezollt, das Gedächtnis des betreffenden Heiligen nur gefeiert. Und alle Gebete, Andachtsübungen, Novenen zu Maria, zu den Heiligen, beziehen sich schließlich auf Gott, fallen auf Ihn zurück.
Im Messopfer spiegelt sich alle und jede Andacht der katholischen Kirche, wie in einem Prisma oder Edelstein sich die Lichtstrahlen in den sieben Hauptfarben und den zahllosen Nebenfarben sich brechen, als in ihrem Zentrum und Mittelpunkt, als in ihrer Sonne wieder.
( entnommen aus: Das heilige Messopfer, von Pfarrer A. Reiners, 1904)

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