- Gottes enge Pforte -

Flugblatt während der Nazizeit in Altötting verteilt



   Das folgende Flugblatt wurde während der Nazizeit unter den nichtsahnenden Augen der Gestapo ohne Wissen der Verfasserin, die in Südtirol hatte drucken lassen, von einem Unbekannten hundertweise an Pilger und Besucher der Gnadenkapelle in Altötting verteilt. Wie groß war für sie die Gefahr, in einem KZ zu verschwinden!

   Aber was Gott nicht will, das geschieht nicht.

   

   

   "Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken."

   

   Gottes Heimsuchungen stehen wie dräuende Wetterwolken über uns. Gar mancher erhebt kleinmütig das Haupt und frägt sich bangklopfenden Herzen, wie lange Sturm und Dunkelheit noch währen sollen. Dem, der nicht hinter die Dinge schaut, mag all das Gefahr sein zum Irrewerden. Hat es nicht in der Tat den Anschein, als arbeite der Herr seinen eigenen Interessen entgegen? - Wie sollen wir nur sein Schweigen verstehen?

   

   Gott ist unendlich groß. Es fehlen uns alle Begriffe für solche Größe. Er schaut in fernste Ewigkeiten und alle Zukunft ist ihm Gegenwart. Das ganze Weltgeschehen steht wie ein fertiges Gemälde vor seinem Auge. Wir sehen nur einen winzigen Ausschnitt davon, der für sich betrachtet sinnlos ist. So begreifen wir denn nicht, was diese scheinbare Wirrnis bedeuten soll, weil wir den Zusammenhang des Teilausschnitts mit dem Gesamtgemälde nicht ahnen. Für uns liegt die Zukunft in dichtem Nebel. Wir sehen kaum eine Handbreit vor uns und erschrecken daher ob der Unwegsamkeit der zu durcheilenden Strecke. Dass liebliche Täler und prächtige Seen und alle Herrlichkeiten Gottes dahinter liegen, davon wissen wir nichts. Was weiß der von der gewaltigen Schönheit des Meeres, der nur eine Stunde weit dem Lauf eines Flusses gefolgt ist, der nach schier endlosen Windungen einmal dort einmünden wird? Und was weiß der Mensch von Gottes ewigen Plänen, da es ihm doch nur gegeben ist, eine kleine Weile an dem eiligen Wässerlein Zeit entlang zu wandern?

   

   Gott ist unendlich groß und so ausschließlich der Herr, dass er es wagen darf, dem Widersacher von Anbeginn und dessen Knechten, die auf irdischen Thronen sitzen, eine Macht und eine Bewegungsfreiheit zu gewähren, die uns mit Bangigkeit erfüllen. Gott hat nicht zu fürchten, dass seine Sache zugrunde geht oder auch nur Schaden leidet. Er gleicht einem Meister im Schachspiel, der seinem Gegner manchen Vorteil gönnt, ja ihn nach Ansicht kurzsichtiger Beobachter geradezu gewinnen lässt. Jedoch nur scheinbar. Im entscheidenden Augenblick wird er ihm mit einem einzigen Zug beweisen, dass er trotz aller Kniffe nichts wider ihn vermag. Er kann es, - aus Gründen, die seiner ewigen Weisheit allein bekannt sind, - geschehen lassen, dass der Hirte geschlagen wird und die Herde sich zerstreut. Was nicht tauglich ist für Gottes Reich, mag dabei weggefegt werden; was Spreu ist, das mag der Sturm verwehen.

   

   Teufel wie Menschen sind nur Werkzeuge in den Händen seiner Allmacht. Haben sie vollbracht, was ihres Amtes ist, dann werden die einen auf Geheiß Gottes versinken im Pfuhl ihres Hasses, die anderen werden in der Bedeutungslosigkeit untergehen wie Schauspieler einer Wanderbühne, die ihre Rolle zu Ende spielten und dann weitergezogen sind, wer weiß wohin.

   

   Wir verstehen Gott nicht und werden ihn nie verstehen. Dazu ist er viel zu groß. Was ist ein schwaches Kerzenflämmchen gegen die Lichtstärke von hunderttausend Sonnen? Weniger noch ist der schärfste Menschenverstand gegen Gottes unendliche Weisheit. Er, der in unzugänglichem Lichte wohnt, lässt fragende Menschenaugen nicht in dieses Licht schauen. Sie könnten es auch nicht ertragen. Ein einziger Strahl nur, da stürzt Saulus bis in die tiefste Seele getroffen zu Boden und vermag nur noch verwirrt zu stammeln: "Wer - bist - du?"

   

   Heimsuchungen sind Boten Gottes, die ihren Auftrag für uns haben. Wir verlernten, seine Stimme im Säuseln linder Lüfte zu vernehmen, darum spricht er nun im Brausen des Sturmes zu uns. Wir pilgern durch die Wüste, von wunderbarem Manna gespeist. Da vergaßen wir, dass wir wandern sollten, dem gelobten Lande zu. Wir bauten Hütten, umtanzten das goldene Kalb und beteten Götzen an. Da musste uns Gott der Herr unter Blitz und Donner künden: "Du sollst keine fremden Götter neben mir haben!" Ist es nicht Gnade, wenn er sie zerschlägt?

   

   Dem Worte Christi: "Wer mich vor den Menschen nicht bekennt..." kommt in unseren Tagen eine kaum geahnte Bedeutung zu. Es scheidet die Menschheit in zwei scharfgetrennte Lager. Hier die wahren Jünger, die ihr "Ja" zum Meister sprechen, ohne zu erwägen, was es sie kosten mag; dort die Söldlinge, die sich überall da anwerben lassen, wo der grösste Futtertrog für sie bereitsteht.

   

   "Wer nicht mit mir sammelt..." Religiöse Halbheit und Schlappheit; das weit verbreitete Scheinchristentum hat heute keine Existenzmöglichkeit mehr. Entweder du gibst alles oder du gibst nichts. Auf zwei Schultern tragen, das hat sich aufgehört. Irgendwann kommt für jeden die Stunde, in der er eine unzweideutige Antwort zu geben hat auf die unerbittliche Frage: In welchem Lager stehst du? Unter welcher Flagge segelst du? Die Stunde ist da, in der es auf offenem Markte mit der Unerschrockenheit eines Petrus zu bekennen gilt: "Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. - Du allein hast Worte des ewigen Lebens!"

   

   Und Selbstlosigkeit sollen wir lernen, völliges Zurückstellen persönlicher Interessen, glänzliches Aufgehen im Willen Gottes. Es kommt nicht darauf an, wie es mir geht, was Umwälzungen im Weltgeschehen an Härten und Bitterkeiten für mich im Gefolge haben. Es kommt lediglich darauf an, dass Gottes heilige Pläne Verwirklichung erfahren. Ich muss Baustein sein für ihn, muss mich einfügen lassen, wie und wo er mich gerade brauchen kann, nicht wie und wo ich es gerne haben möchte.

   

   "Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken", spricht der Herr. Wir tragen unser Herz voll menschlicher, voll irdischer Wünsche für das Reich Christi: dass es blühe und gedeihe und sich ausbreite bis an die Grenzen der Erde und dass wir zahlenmässig feststellen können von Jahr zu Jahr, inwieweit dies bereits geschehen ist. Aber Gottes Reich trägt seine eigenen Gesetze in sich, Gesetze, die uns nicht verständlich sind, die aller menschlichen Weisheit und Erfahrung Hohn sprechen. Es steigt im Fallen; es gewinnt im Verlieren; Untergang ist immer nur scheinbar und bedeutet neuen Aufstieg; wenn die Schlacht verloren scheint, ist der Sieg nahe; aus Martern und Todesnot ersteht es in verjüngter Lebenskraft; es überdauert seine machtvollsten Feinde.

   

   Stellen wir alles Sinnen und Forschen nur ruhig ein. Ergründen werden wir doch nichts. Gott allein weiß, warum gerade das und das jetzt sein muss, damit irgendetwas Großes, Bedeutungsvolles in seinen Plänen Erfüllung erfahren kann. Sicher ist es oft so, dass Gottes Engel sich freuen und frohlocken, wo die Menschen weinen und sich betrüben. Wir starren in lichtloses Dunkel, sie aber schauen Gottes Geheimnisse im Lichte.

   

   Wenn Verbrecherhände die Brandfackel des Hasses in Kirchen und Klöster schleudern, braucht uns keine Sorge um die Kirche überhaupt zu befallen, denn "die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen". Was hätten wir also zu befürchten? Könnte er uns nicht wider der Feinde Macht 10 Legionen Engel senden, wenn er nur den Vater darum bäte? Seien wir ohne Sorge: Über allem Geschehen steht sein machtvolles: Ich bin es!

   

   Zwar sind seine Gedanken nicht unsere Gedanken, aber eines ist sicher: es sind Gedanken der Liebe. Zwar sind seine Wege nicht unsere Wege, aber eines steht fest: sie werden alle in Herrlichkeit münden, sie werden alle zum Siege führen.

   

   Was der Herr von uns erwartet, ist dies: Vertrauen haben, unbedingtes, restloses, vollkommenes Vertrauen. Alle Verzagtheit sei fern von uns, damit der Herr nicht auch an uns die vorwurfsvolle Frage richte: "Kleinmütiger, warum hast du gezweifelt?" Wir müssen ihn seinen Weg gehen lassen; ihn erkennen in den Zeichen der Zeit; seine Stimme hören im Brausen des Sturmes; seinem heiligen Willen uns demütig beugen; warten in Ruhe und Zuversicht; mit den Waffen des Gebetes und des Leidens kämpfen, auf dass sein Reich komme.

   

   Lasst uns getrost inmitten aller Trübsal Haupt und Herz erheben, mag auch kein Schimmer von Morgenröte am nachtschwarzen Himmel sichtbar sein. Unser Schicksal steht eingeschrieben in das Vaterherz Gottes. Was könnte uns da geschehen? Und wenn wir das Leben lassen müssten, weil wir ihn mehr lieben als alles, stünde uns da nicht der Himmel offen?





   Ich bin dein Gott und bin bei dir,
   sag, hast du nicht genug an mir,
   und willst du mehr noch auf der Welt,
   als was mein heilig Herz enthält?
   Ich bin dein Gott und bleib dir treu,
   auch wenn ich dir mein Kreuz verleih
   únd drückt dich dieses noch so schwer,
   bin ich bei dir, was willst du mehr?
   
   Ich bin dein Gott, geb´ auf dich acht,
   hab´ dein von Ewigkeit gedacht,
   schreib deinen Namen tief mir ein,
   dass nimmer ich vergesse dein.
   Ich bin dein Gott und leite hier
   dich so, wie es am besten dir,
   und kannst du´s jetzt auch nicht verstehn,
   einst wirst du es in Klarheit sehn.
   
   Ich bin dein Gott, der treu dich liebt,
   weiß alles, was dein Herz betrübt,
   seh´ jeden Blick, hör jedes Wort,
   so dir begegnen fort und fort.
   Ich bin´s, der alles lässt geschehn,
   ich hab dies Los für dich ersehn,
   du harre aus und bleibe treu,
   bis dir mein Herz den Lohn verleih.
   
   Ich bin dein Gott; bist du allein,
   so will ich dir Gesellschaft sein.
   Hat man kein liebes Wort für dich,
   so komm zu mir, besuche mich.
   Sieh´ deiner wart ich immerdar,
   will sein dein Alles im Altar,
   will dir ersetzen tausendmal,
   was du entbehrst im Tränental.
   
   Ich bin dein Gott; was willst du mehr?
   Fass guten Mut! Nichts sei dir schwer,
   denn wer mein göttlich Herz besitzt,
   hat alles, was ihm ewig nützt.
   Die Welt vergeht, es fliesst die Zeit,
   die Menschenkinder sind auf heut, -
   und alles nimmt dir einst der Tod,
   nur eines bleibt dir: Ich, dein Gott! 



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