- Gottes enge Pforte -

   Briefe des hl. Petrus Canisius
   
   
   

   Wer war dieser Mann, dessen Briefe erst drei Jahrhunderte nach seinem Tod in acht großen Bänden veröffentlicht wurden und der als einer der hervorragendsten Förderer der katholischen Erneuerung im 16. Jahrhundert gilt?

   Petrus Canisius wurde als Sohn des Patriziers und Bürgermeisters Jacob Kanis am 8. Mai 1521 in Nymwegen geboren. 1543 schloß er sich dem gerade von Papst Paul III. anerkannten Jesuitenorden an. Schon bald wählten ihn Bischöfe und katholische Fürsten zu ihrem Berater in Fragen der Hochschulreform. Der Papst und der Kaiser vertrauten ihm Missionen an in schwierigen kirchenpolitischen Verhandlungen. Und doch verlor dieser Hochschulreformer und Konzilstheologe dabei nie den Kontakt zum schlichten gläubigen Volk. Um der entsetzlichen religiösen Unwissenheit bei Klerus und Volk entgegenzuwirken, schrieb er seinen berühmten Katechismus. Im Dezember 1597 starb er, fast schon vergessen, zu Freiburg in der Schweiz.

   Die von Petrus Canisius erhaltenen Briefe hat Pater Otto Braunsberger SJ veröffentlicht. Aus diesem Monumentalwerk stammen auch diese Briefe hier. Sie gewähren einen unmittelbaren Einblick in die bewegte Zeit der von Deutschland ausgehenden Glaubensspaltung und in die Bemühungen der Glaubensklärung auf dem Trienter Konzil.

   Diese Briefe regen zum Nachdenken an. Für mich war der hl. Petrus Canisius ein großer "katholischer Restaurator".

   

   An Bischof Friedrich von Wirsberg

   Würzburg, 31. März und 2. April 1567

   

   Die folgende Denkschrift ist für den Bischof von Würzburg bestimmt, mit dem Canisius schon seit geraumer Zeit wegen der Gründung eines Kollegs in seiner Bischofsstadt verhandelte. Mit einer geradezu schneidenden Offenheit wird in kurzen Zügen die Lage der Kirche in Deutschland gezeichnet. In einem unmittelbar anschließenden Gutachten schlägt Canisius als nächstliegendes Gegenmittel vor, in der Würzburger Diözese regelmäßig Synoden abzuhalten, die besonders eine durchgreifende Reformation des Klerus anstreben und durchführen sollten.

   

   Allgemeine Sätze, die den Leser dazu führen, über die Reform der Kirche in Deutschland nachzudenken.

   

   Mit Wissen und Willen gehen wir zugrunde, wenn wir uns nicht ernstlich auf den schlimmen Zustand Deutschlands, das jetzt wie auf den Tod krank und rettungslos verloren darniederliegt, und auf die dafür notwendigen Gegenmittel besinnen.

   Die katholische Religion hat in den wichtigsten Sprengeln Deutschlands nicht weniger von innen und im verborgenen, von Hausgenossen und falschen Brüdern als von äußeren Feinden und Häretikern zu leiden.

   Wir müssen uns zwischen beiden Möglichkeiten entscheiden: entweder unseren Glauben zu verteidigen und zu erneuern oder ihn zu unserer Schande aufzugeben.

   Die Zeitlage läßt kaum eine Verteidigung der Religion mit äußeren Waffen zu. Und doch ist die Angst vieler Leute wohl größer, als notwendig wäre, da man nach menschlicher statt nach göttlicher Hilfe Ausschau hält und in Verzweiflung statt in heiligem Vertrauen berät, wie man der darniederliegenden Kirche helfen könnte.

   Die Sache der Kirche aber aufzugeben, ist nicht erlaubt und wäre eine Schande und hilft nichts, wenn wir zugleich unser zeitliches Wohl und unser geistliches und ewiges Heil suchen. Alles ist schließlich der Sorge um die Religion und um das ewige Seelenheil hintanzusetzen. In Glaubenssachen den Sektierern nachzugeben, geht nicht an; Kompromisse beschleunigen nur den Untergang der Religion.

   Einige erscheinen - heutzutage sind es allerdings nur wenige - wie strenge und unerbittliche Ärzte zu handeln, die sofort alles Krankhafte abtrennen und härtere Mittel vorschreiben, als die chronischen Krankheiten und die Schwäche der Kranken zu ertragen vermögen. Andere sind gar zu vorsichtig und ängstlich, so daß sie an kein bestimmtes Gegenmittel zu denken und nichts Entscheidendes in Angriff zu nehmen wagen, gleich als ob man vom Himmel irgendein Wunder erwarten müßte. Während wir also schlafen oder andere Dinge treiben, wird das Übel immer schwerer, die Häresien greifen um sich, die Menschenseelen gehen verloren, das Ärgernis ist an der Tagesordnung, der Besitz der Kirche zerschmilzt, alle Frömmigkeit und Kirchenzucht hört auf.

   Die Geistlichkeit ist über jedes erträgliche Maß von Mißständen befallen, will aber auch keine Besserungsversuche zulassen. Der Klerus sieht, wie den Gegnern der Kirche gewichtige Gründe in die Hand gegeben sind und ständig neu gegeben werden, um den Lebenswandel und die Mißgriffe der Kirchendiener anzugreifen. Aber all die Plage so mancher Jahre hat die Geistlichen nicht verständiger gemacht, so daß man lieber die Kirche ganz zugrundegehen lassen will, als daß man auf priesterliche Pflichterfüllung und auf die Beobachtung der kirchlichen Vorschriften drängt.

   Hartnäckig hält man an der Ungebundenheit der Lebensführung fest, die schon in sich unerträglich ist und dazu noch alle Ordnung in der Kirche aufhebt. Man gibt nichts mehr auf die von früher überkommenen Gebräuche und Anordnungen, wenn es sich um den Gottesdienst, um die Seelsorge und vor allem um die standesmäße Lebensform handelt. Aber im übrigen will man nichts von seinen Rechten und Privilegien aufgeben. Bischöfe und andere Kirchenfürsten, die schon eine gewisse Erfahrung haben, haben Angst, sie könnten eine Abfuhr erleiden, wenn sie von ihren Domkapiteln auch nur eine Kleinigkeit im Zuge der Reform forderten. Sie werden durch die erbärmliche Lage eingeschüchtert, sie fürchten immer neue Unruhen, einer wartet auf den anderen, der als erster das Glatteis betreten soll. Und sie lassen alles laufen, wie es läuft, diese Oberpolitiker und geheimen Räte. So hat man durch viele Jahre die Visitation der Pfarreien ausgesetzt, man hält keine Synoden, die Dekrete des Tridentinums werden nicht veröffentlicht, die Priesterkandidaten werden nicht ordnungsgemäß geprüft, Sünden und Vergehen des Klerus sind an der Tagesordnung und werden nicht geahndet. Petrus schläft und Judas wacht, und die Gesamtlage wird immer schlechter, so daß bald kaum mehr ein Schatten der früheren Kirche uns übrigbleibt. Man muß sehr fürchten, daß menschliche Rücksichtnahme und Liebedienerei viele Prälaten daran hindern, sich dessen richtig bewußt zu werden, welch wachsame Sorge und welch emsigen Eifer sie eigentlich für Christus, für seine Kirche und für die ihnen anvertraute Herde heutzutage zeigen müßten. Es geht ja darum, Wölfe abzuwehren und die Herde zusammenzuhalten, d. h. den Glauben zu schützen und wenigstens einmal anzufangen mit der wahren Reformation der Kirche.

   

   An einen Priester

   Freiburg (Schweiz), zwischen 1581-1597

   

   Der Adressat dieser Unterweisung über das priesterliche Beten ist nicht bekannt. Vermutlich war es ein Schweizer Geistlicher, dem Canisius aus seiner eigenen Erfahrung einige praktische Ratschläge geben wollte. Die unter den empfohlenen Büchern genannten Meditationen des hl. Augustinus wurden damals irrigerweise dem großen Kirchelehrer zugeschrieben, sie sind erst im Mittelalter von einem unbekannten Verfasser zusammengestellt worden. Zeitgenossen des Canisius sind der Benediktinerabt Louis de Blois (Blosius), dessen geistliche Schriften 1568 in einer Sammelausgabe erschienen, und der Dominikaner Luiz de Granada, von dem einige Schriften eben in jenen Jahren auch in Deutschland nachgedruckt wurden.

   

   Es steht fest, daß das jedem Christen gegebene Gebot des Betens, das keinem Stand in der Kirche mehr entspricht als dem der Geistlichen, nützlich und notwendig ist. Tag und Nacht sollten sie mit aller Andacht besonders in diesen unheilvollen Zeiten beten. Es ist die besonders Aufgabe der Geistlichen - dazu sind sie ja eigens von Gott und der Kirche bestimmt -, daß sie für sich und für die andern, für Lebende wie für Verstorbene Gebete und Opfer darbringen und die himmlische Gnade erflehen. "Hüllt euch in Bußgewänder und klagt", spricht der Herr durch den Propheten Joel, "wehklagt, ihr Diener des Altars!" (Joel 1,13)

   Ich will jetzt kurz über die Hilfen zu einem guten Gebet und über einige Motive dafür sprechen, damit diese priesterliche Gebetspflicht, die bei vielen ihren Wert verloren hat, richtig erfüllt und vollzogen werde. Denn "wenn das Salz der Erde schal geworden ist", spricht Christus, "taugt es zu nichts mehr" (Mt 5,13). "Verflucht sei, wer das Werk Gottes nachlässig verrichtet!" (Jer 48,10)

   Eine Hilfe kann sein, wenn man die gewöhnlichen Mißbräuche der Geistlichen in ihrem Beten kennt und sie beseitigt. Solche sind: das Stundengebet, zu dessen Verrichtung alle Priester verpflichtet sind, oberflächlich überfliegen, leichtsinnig und schnell zu Ende führen, keinen Wert auf Vorbereitung und Aufmerksamkeit legen, gewohnheitsmäßig die vorgeschriebenen Gebete herunterleiern, die Zerstreuung des Geistes nicht zu bekämpfen suchen; daher merken sie oft gar nicht auf das, was sie lesen, und verstehen es nicht; sie sprechen ihre Gebete ohne Ordnung und gegen die Bestimmungen der Kirche, mit Ärger und Überdruß. Hier gilt zu Recht die Klage Christi: "Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, aber sein Herz ist weit von mir entfernt" (Mt 15,8).

   Ferner kann eine Hilfe sein, solche Bücher zu lesen, die zur religiösen Formung des Lebens und zur Mehrung der Andacht beitragen. Derart sind beispielsweise die Ordensregeln Basilius´ des Großen, die Bekenntnisse und Meditationen des hl. Augustinus, die Moralia Gregors des Großen, die Werke des hl. Bernhard, die Schriften von Ludwig Blosius und P. Ludwig von Granada, Lebensbeschreibungen der Kirchenväter und der Heiligen und ähnliche Werke über das geistliche Leben und Abhandlungen über die Tugenden. Dazu kommen noch die Erklärungen zu den Psalmen, aus denen man sich den Inhalt der einzelnen Psalmen, Zweck und Anwendung notieren soll, wie es schon Athanasius vorgeschlagen hat. Nicht wenig wird es auch helfen, Schriftsteller zu benützen, die die Geheimnisse der Lebensgeschichte Christi erklären; dafür kann man auch neuere Autoren nehmen.

   Ferner soll man abends vor dem Zubettgehen bei sich überlegen, welche Intention man sich für Gebet und Meßfeier des folgenden Tages vorgenommen hat, welches Geheimnis man sich als Betrachtungsstoff - besonders für die Morgenbetrachtung - wählen will, was einem die Kirche am folgenden Tag zu tun und zu lassen vorschreibt. Sehr wichtig ist außerdem, daß wir uns als echte Söhne dem Willen und dem Geist einer so weisen Mutter angleichen und auf den Bräutigam der Kirche, auf Christus hören und ihm nachzufolgen. Ganz entsprechend wird es auch sein, an den Ferialtagen oder an den sogenannten Vigiltagen etwas aus den Kirchenvätern zu lesen, damit wir, durch ihre Predigten unterwiesen, größeren Nutzen aus der Festfeier und aus dem gemeinsamen und privaten Gebete ziehen.

   Wir sollen uns auch oft die Hindernisse ins Gedächtnis rufen, die uns vor der Frucht des Gebetes und vom Vorsatz, unser Leben zu bessern, abhalten. Einige hindert eine übermäßige Sorge um zeitliche Dinge, andere die Zerstreuung durch die Studien; so besinnen sie sich nur widerwillig auf sich selber und auf den Dienst Gottes und können nicht in Ruhe das Geistliche besorgen. Sie richten ja ihre ganze Aufmerksamkeit nur auf den Verstand zur Ausbildung ihres Wissens und sind wenig um die Hingabe an das Heilige bekümmert. Kein Wunder, wenn ihr Beten und Betrachten wie in Dunkel gehüllt ist und wenn sie ihren Geist immer abschweifend und kalt empfinden! Wie Marta sind sie um vieles mit Lärm bemüht, aufmerksam auf vielerlei Geschäft und Sorgen, und so können sie nicht zu der geistlichen und heiligen Ruhe der Magdalena gelangen und nicht erfahren, wie süß der Herr ist.

   Man sollte sich ferner während des Betens oft die Personen vorstellen, durch die man mehr angeregt wird, z. B. Christus, die Gottesmutter, die Kirchenpatrone, Heilige und Engel. Gerade diesen ist eine besondere Verehrung zu widmen, wie man sie Himmelsfürsten schuldet. Dann kann man mit dem Propheten sprechen: "Im Angesicht der Engel will ich dir lobsingen" (Ps 137,1). Vor allem muß man sich daran gewöhnen, daß man täglich an jenes Wort denkt und es erwägt: "Schau hin auf das Antlitz des Christus" (Ps 83,10); ich sage, auf Christus sollen wir schauen bei seiner Geburt, bei seiner Beschneidung, beim Besuch der drei Weisen; auf Christus den Wundertäter, den Verkünder der Frohbotschaft, den Gekreuzigten und Gestorbenen, den Auferstandenen und in den Himmel Aufgefahrenen, wie die Festordnung der Kirche ihn uns ins Gedächtnis ruft und wie der Ablauf der in den Evangelien geschilderten Ereignisse ihn uns zeigt.

   An Sonntagen soll man die heiligste Dreifaltigkeit besonders verehren, und zwar nicht bloß für sich, sondern zugleich im Namen aller Gläubigen. Pflicht des Priesters ist es, die Aufgabe der Engel zu übernehmen und aus ganzem Herzen zu beten, wie wenn er ihr "Heilig, heilig, heilig" sprechen oder singen würde. Es ist ein heiliger Brauch, wenn man am Ende jeden Psalmes das Haupt neigt oder die Knie beugt bei den Worten: "Ehre sei dem Vater ...", und dies besonders an Sonntagen, die eine ganz besondere Verherrlichung und Danksagung verlangen für die unsägliche Wohltat der Schöpfung der Welt, der Erlösung der Menschen und der Rechtfertigung der Gläubigen.

   Wir müssen mit dem Dienst Gottes eine größere innere Freude verbinden, so daß wir uns mit den über die Auferstehung Christi frohlockenden Jüngern freuen und die verheißene Herrlichkeit des himmlischen Reiches mit Vertrauen ersehnen und erwarten. Daher ist es gut und nützlich, die beiden Glaubensartikel von der Auferstehung des Fleisches und vom ewigen Leben oft zu betrachten.

   Alles zur größeren Ehre Gottes!

   

   An P. Claudius Acquaviva, General der Gesellschaft Jesu

   Freiburg (Schweiz), Januar 1583

   Die hier nur im Auszug übersetzte Denkschrift - im lateinischen Original füllt sie über 35 Druckseiten - ist eine pastoraltheologische Anweisung, die vor allem die deutschen Verhältnisse berücksichtigt und Canisius Seelsorgserfahrungen von vier Jahrzehnten widerspiegelt. Die häufige Bezugnahme auf seinen Lehrmeister Peter Faber zeigt, wie sehr er dessen Auffassungen zeit seines Lebens verbunden blieb. Wie bei Faber, so liegt auch bei Canisius der Hauptakzent auf Verständnis und Güte für die Mitmenschen. Es ist bezeichnend, daß sein Urteil über die Mißstände innerhalb der Kirche schärfer gefaßt sind als die Abschnitte, die sich auf die Andersgläubigen beziehen. In einer Zeit der Polemik und vergröbernden Entstellung, deren Opfer Canisius selber oft genug geworden war, hatte er sich den Geist christlicher Liebe und menschlicher Vornehmheit gewahrt.

   

   Der Friede Christi sei immer mit uns! Hochwürdigster Pater General.

   Im vergangenen Monat schrieb mir P. Hoffaeus und forderte mich im Namen Euer Paternität auf, ich solle auf folgende Fragen antworten: erstens, wie die Mitglieder unserer Gesellschaft im Verkehr mit den Mitmenschen größeren Erfolg erzielen könnten; zweitens, wie man sich nicht bloß in katholischen Ländern, sondern vor allem unter Häretikern und besonders in Deutschland verhalten solle; drittens, was zu tun sei, daß der Deutsche Kolleg in Rom größeren Nutzen für Deutschland brächte und daß seine Alumnen sich in ihrer Arbeit in Deutschland später besser bewährten.

   Ich bitte um Entschuldigung für meine Unzulänglichkeit, die mich oft mit zu viel Worten und unbedacht schreiben läßt, wie Eure Paternität es selber sehen werden. Ich überlasse Ihnen alles zur Verbesserung und bin damit einverstanden in Christus Jesus unserem Herrn.

   

   1. Kapitel: Die Verpflichtung des Jesuiten zur Seelsorge

   Als erster Grundsatz ist festzustellen: die Aufgabe des Jesuiten ist, nicht bloß für das eigene Seelenheil, sondern auch für das Heil und die Vervollkommnung des Nächsten zu sorgen und zu arbeiten mit der Gnade Gottes. Unsere ersten Väter und vor allem der Bannerträger unseres Ordens, der selige Ignatius, haben die Verpflichtung zur Seelsorge als schönste und unserem Orden ganz eigene Aufgabe angesehen; sie überragt die verschiedenen Werke der Barmherzigkeit und Liebe und ist ein Gott und den Engeln wohlgefälliges Werk, das der Gesellschaft großen Ruhm und den Mitmenschen großen Nutzen bringt. Dies sei als Vorwort vorausgeschickt, damit der Inhalt der vorgelegten Frage, die ja ein Beweis christlicher und apostolischer Liebe ist, immer den Mitgliedern der Gesellschaft bewußt bliebe. Und jetzt will ich im einzelnen auf die Frage eingehen:

   Die bloße Überzeugung, daß Seelsorge ein gottgewolltes Werk und von großer Bedeutung für den Orden ist, reicht nicht aus; um diese Aufgabe zu erfüllen, muß der Jesuit immer größeren Seeleneifer in sich wecken und seine Hoffnung, die Sache zu einem guten Ende zu führen, nicht auf sein Können, sondern auf Gottes Macht und die Hilfe des Erlösers setzen.

   Wer Seelsorger sein will, muß zunächst für sich selber sorgen und die Mittel anwenden, die ihn als Werkzeug mit Christus verbinden. Solche sind: Eifer im Tugendstreben und in den geistlichen Übungen, reine Meinung im Dienst Gottes, Vertrautheit mit Gott im Gebet, reiner Seeleneifer und vor allem Liebe, von der jeder entflammt sein muß, der andern Menschen helfen will. Der Herr selbst hat ja gesagt: "Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viele Frucht" (Joh 15,5). Dazu hilft viel, Gott in allem gegenwärtig zu sehen und seinen Dienst nicht nur zur Zeit des Betens zu Gott zu erheben, sondern alle Dinge und Handlungen auf ihn zu beziehen, wofür unser Vater Ignatius ein herrliches Vorbild ist.

   Dazu muß man besonders häufig beten, damit beide: der, der sät, und der, der den guten Samen empfängt, durch die zuvorkommende, mitwirkende und nachfolgende Gnade unterstützt werden. Denn wenn so das unfruchtbare Erdreich wie durch einen Regen vom Himmel benetzt und durchtränkt wird, dann bringt es nicht selten wunderbare Frucht. Jede Gabe von oben erlangt man nicht nur ausschließlich durch das Gebet, sondern bloß so kann man sie bewahren und vermehren und zur Vollendung führen.

   Nach dem Beispiel von Pater Faber sollen wir zu diesem Ziele nicht nur Gott anrufen, sondern auch die Heiligen. Er berichtet von sich selbst: "Als ich dem Dechanten von Speyer die Geistlichen Übungen gab und nicht ereichte, was ich wollte, verspürte ich im Gebet eine besondere Andacht, wie ich sie bisher noch nie versoürt hatte. Ich betete nämlich zunächst zum himmlischen Vater wie einer, der etwas zu erreichen sucht, dann zu Unser Liebe Frau, dann zu dem Schutzengel, der ja der Lehrer und gewissermaßen der Erzieher dessen ist, um den ich mich mühte; schließlich zu den Heiligen, die ihm wie Brüder oder Schwestern besonders zugetan sind. Das schien mir ein guter Weg, um jenen als Freund zu gewinnen... Um das Wohlwollen für meine Tätigkeit zu erhalten, erwies es sich auch als sehr notwendig, eine besondere Andacht zu den Schutzengeln zu haben, die uns die Menschen vorbereiten können und Abneigung und Versuchungen des bösen Feindes fernhalten." So war Pater Faber nicht ein wortgewandter Redner, sondern ein eifriger Beter zu Gott und den Heiligen und wurde so ein wirklich erfolgreicher "Menschenfischer".

   Auch andere Übungen des Paters Faber können uns, wenn wir auf Reisen sind und mit Menschen zusammentreffen, von großem Nutzen sein; so schreibt er: "Wenn ich bei meinen Reisen durch Felder oder Weinberge kam, boten sich mir viele Gelegenheiten zum Gebet: Ich betete um eine gute Ernte, ich dankte Gott im Namen der Eigentümer, ich betete für sie um Gottes Verzeihung, daß sie selber nicht ihre irdischen Güter als Gaben Gottes zu erkennen vermögen; ich rief die Heiligen an, deren Sorge diese Gegenden anvertraut sind, und bat sie, sie möchten das ersetzen, was die Einwohner zu tun nicht imstande sind, nämlich Gott zu danken, ihn um Verzeihung und die notwendige Gnadenhilfe zu bitten." Wenn man zum erstenmal ein Land oder eine Stadt betritt, soll man nach dem Beispiel des gleichen Paters die Engel und Erzengel anrufen und verehren und seine Bemühungen in der Seelsorge ihrem Schutz anempfehlen; auf ihre Fürbitte wird Gott sicher große Hilfe trotz der eigenen Unwürdigkeit gewähren. Dies sind gleichsam vorbereitende Übungen; Gott und die Heiligen haben daran um so mehr Wohlgefallen, je mehr ungeheuchelte Demut und festes Vertrauen im Gebet sich mit ihnen verbinden.

   Jetzt sind jene Fehler aufzuzählen, die der Seelsorger vermeiden soll, da ihretwegen unsere Mitmenschen nur zu oft abgestoßen werden. Solche sind: aufgeregtes und unüberlegtes Reden und Tun, der Anschein von Hochmut oder Selbstgefälligkeit, Oberflächlichkeit, Vermessenheit, Ängstlichkeit, unfeine Manieren, Unbescheidenheit, Gedankenarmut und schließlich alles, was der Einfachheit und Selbstbeherrschung eines Ordensmannes zuwider ist. Ferner verletzende und bissige Reden, Kritik über Fehler der geistlichen und weltlichen Obrigkeit, besonders bei öffentlichen Predigten. Abstoßend wirkt, wenn wir uns auch nur dem Schein nach für die Tagesneuigkeiten allzusehr interessieren, uns um Angelegenheiten der Weltleute kümmern und uns zu gestrengen Richtern über andere aufwerfen, anstatt daß wir einfach und bescheiden nur das allgemeine Beste im Auge haben. Hierher gehören die Regeln der Bescheidenheit, die unser Vater Ignatius in seiner Weisheit aufstellte; ihre Mißachtung bringt gewöhnlich großen Schaden, besonders wenn die Mäßigkeit beim Essen, die Bescheidenheit und die innere und äußere Eingezogenheit nicht beachtet werden; ähnlich ist es, wenn im Gespräch die Überlegung und gute Wahl der Worte, die Beherrschung des Mienenspiels, die Gemessenheit im Gang und in allen Bewegungen fehlen.

   Unser Vater Ignatius hat uns nicht bloß diese Regeln gegeben, sondern er lebte sie uns vor und gab uns ein einzigartiges Beispiel. In seinem Reden und Tun war große Klugheit mit seltener Bescheidenheit verbunden, seine Seele war immer im Gleichgewicht, und durch eine ständige Selbstkontrolle wurde diese Haltung immer ausgeprägter. Wenn wir auch unseren seligen Vater in seiner Geschlossenheit, Bescheidenheit, Umsicht, Würde und Liebenswürdigkeit nicht ganz nachahmen können, so wollen wir doch wenigstens versuchen, keinen Anstoß zu erregen.

   Allerdings ist die Einfalt der Taube, die niemanden abstößt und verletzt, für die rechte Seelsorge noch nicht ausreichend, man braucht auch die Klugheit der Schlange, damit man zunächst sich selbst und dann den Mitmenschen klar kennenlernt. Ein Gutteil Klugheit liegt darin, daß man die Eigenart, Veranlagung und Lebensweise dessen genau kennt, mit dem man es zu tun hat. Mit milden Mitteln muß man anfangs die Heilung versuchen. Ein Beispiel dieser Klugheit gibt uns P. Franz Xaver: er erkundigte sich nach Veranlagung und Gewohnheiten der Menschen, er ging auf ihre Wünsche und Gepflogenheiten ein; darum redete er anfangs über manche Dinge nicht, die er hätte tadeln müssen, bis er sich Wohlwollen und Zuneigung ganz gewonnen hatte; allmählich stellte er etwas höhere Forderungen, um wenigstens die schlimmsten Auswüchse zu beseitigen; jetzt erst legte er ihnen ohne Einschränkung, aber immer in ansprechender Weise, die Heilswahrheiten dar und brachte es damit so weit, daß sie mehr und mehr einen Abscheu vor ihrem früheren Leben empfanden; so erreichte er schließlich, daß sie aufrichtig ihre Sünden bereuten und ihr ewiges Leben retteten. Hätten wir nur viele derartige Seelsorger, die nicht bloß menschliche Klugheit, sondern die Weisheit Gottes besitzen und mit Menschen aller Art, mit Gesunden und Kranken, mit Sündern und Verworfenen so geschickt umzugehen verstehen!

   Weiterhin muß man sich um Ausdauer und Starkmut mühen; auch in widrigen Verhältnissen muß man die gleiche Schwungkraft und Ausgeglichenheit wie in günstigen aufbringen, damit man sich nicht durch Widerstände vom wahren Seeleneifer abhalten läßt. Die Aufgabe des Seelsorgers ist - richtig verstanden - ähnlich der der guten Engel: diese nehmen sich auch der verkommensten Menschen zu deren Lebzeiten an, Tag und Nacht erweisen sie auch ganz Unwürdigen ihre Liebesdienste. Und wenn sie sich um den ersehnten Erfolg gebracht sehen, werden sie nicht ärgerlich und ungeduldig, sondern sie stellen den Ausgang dem allmächtigen Gott anheim, nachdem sie ihrerseits ihre Aufgabe nach besten Kräften erfüllt haben. Wenn also unser seelsorgliches Bemühen erfolglos ist - auch die Apostel sahen ihre Mühen und Erwartungen oft nicht erfüllt -, wollen wir uns in der unerschütterlichen Liebe zu Gott bestärken.

   Der Seelsorger ist eigentlich nur Stellvertreter Christi; als solcher ist er nicht für seine eigene Bequemlichkeit da, sondern seine Aufgabe ist, sich um die Interessen seines Herrn zu kümmern, wo und wann sich nur eine Gelegenheit dazu bietet. Daher wies unser Vater Ignatius gerade darauf hin und wollte das im Bewußtsein seiner Söhne verankert wissen: Sie sollten über sich selbst sorgfältig wachen, ihre Sinne und besonders die Augen beherrschen, jeden Augenblick ohne Rücksicht auf Gunst oder Ungunst ausnützen, ihre Gedanken vom Irdischen ablösen und auf das Ewige richten und immer mit Gott vereinigt halten. Dieses Ideal verwirklichte Pater Peter Faber; überall vertrat und förderte er die Anliegen Christi. Dieser liebenswürdige und erfolgreiche Arbeiter Christi berichtet von sich selbst: "Wenn ich in einem Gasthaus weilte, bekam ich immer die Anregung, den Nächsten durch belehrende Worte zu erbauen; das ist Christus wohlgefällig, wenn man überall, wo man sich gerade aufhält, das Beispiel einer guten Unterhaltung gibt. Es gibt ja immer etwas zu erbauen, einzupflanzen oder zu ernten. Allen Menschen sind wir das schuldig, da unser höchster Herr uns ja überall sieht und uns seine Hilfe gibt; und seine Mitarbeiter sind wir."

   Wer aber diese heilige Gewandtheit im Umgang mit den Menschen nicht aufbringt, soll sein Gewissen erforschen, warum er diesen ursprünglichen Geist unseres Ordens nicht hat. Manche hemmt ihre Unbeholfenheit und Menschenfurcht in ihrem heiligen Dienst; andere können mangels Übung oder wegen ihrer Gedankenarmut keine drei Worte sagen, obwohl sich die Gelegenheit dazu bietet. Das sind wirklich traurige Existenzen, die zwar zur Seelsorge berufen sind, sich aber eher als stumme Fische denn als richtige Menschenfischer zeigen. Eine solche Haltung steht ganz im Widerspruch zu den unserem Orden besonders eigentümlichen Regeln: "Alle sollen entsprechend ihrem Stand bei passender Gelegenheit durch fromme Worte den Mitmenschen zu größerer Vollkommenheit führen und ihn zu guten Werken, besonders der Beichte anhalten." Und: "Beim Gespräch müssen sie in ihren Worten wie in ihrem ganzen Verhalten an Bescheidenheit und Erbauung denken." - Wem aber nicht so sehr der gute Wille als vielmehr die Gewandtheit fehlt, aus dem Stegreif zu sprechen, der soll eben Vorsorge treffen, damit er im Falle eines Gesprächs über das Notwendigste verfügt, was er zur Erbauung des Nächsten sagen kann, besonders aus dem Büchlein der Geistlichen Übungen, aus dem Katechismus, aus der Geschichte der Heiligen und aus anderen Werken rechtgläubiger Autoren.

   Schließlich muß der Seelsorger in seinen Arbeiten die rechte Auswahl treffen: an erster Stelle sind die wichtigeren und ihm von seinen Obern aufgetragenen Aufgaben auszuführen; er soll mit einfacheren Arbeiten beginnen, um sich so für Schwierigeres vorzubereiten; immer aber soll er sich den unserem Orden besonders eigentümlichen Aufgaben zur größeren Ehre Gottes und zum Nutzen des Mitmenschen widmen.

   Damit habe ich wohl mehr als genug zu der vorgelegten Frage, wie man sich im allgemeinen beim Umgang mit dem Mitmenschen verhalten soll, gesagt.

   

   2. Kapitel: Die Aufgabe des Jesuiten in häretischen Ländern, besonders in Deutschland.

   Noch schwieriger ist die richtige Behandlung der Neugläubigen, die sich von Gott und seiner Kirche ganz getrennt haben. Sie wieder zur Einheit mit der Kirche und auf den Weg des ewigen Heiles zurückzuführen, das vermag nicht menschliche Kraft, sondern nur die Kraft des allmächtigen Gottes. Deshalb werden nur wenige Häretiker und fast keiner ihrer Führer bekehrt. So ist uns in der Seelsorge unter Häretikern eine gar schwere Aufgabe gestellt; deshalb braucht es hier besondere Umsicht und großen Gebetseifer; und die vorhin gegebenen Ratschläge für die Seelsorge unter Katholiken bedürfen hier noch einer eingehenden Erklärung und besonderen Anwendung, damit die Häresie endlich aus den Herzen der Menschen verschwindet.

   Im Umgang mit den Häretikern in Deutschland oder anderswo muß man sich vor allem gegen den Geist des Kleinmuts und der Verzweiflung wappnen, der selbst Pater Faber und andere eifrige Priester anfiel. Es scheint ja, als ob alle Mühe vergeblich wäre, wie wenn man einen Farbigen weiß machen wollte. Aber man darf sich bei keiner Arbeit unterkriegen lassen, die man aus Liebe zu Christus im Gehorsam zum Heil des Mitmenschen übernommen hat. Wir sollen uns wie ein tüchtiger Arzt verhalten, der sich um einen schwerkranken Freund müht, all sein Können daransetzt und nichts unversucht läßt, der aber den Erfolg seiner Behandlung dem Schöpfer der Natur anheimstellt und ihn um seine Hilfe anfleht; so weiß er, daß Gottes Macht und Barmherzigkeit ausschlaggebend ist, mag er selbst noch so gewissenhaft dem Kranken zu helfen suchen. - So sollen auch wir großes Vertrauen auf Gottes Güte setzen und deshalb den Erfolg unserer Bemühungen dem Herrn der Ernte anheimstellen und nie uns so sehr auf unser eigenes Können verlassen, daß wir darüber in unserem Gebetseifer erlahmen. Ferner braucht es gerade bei Häretikern besonders ausdauernde Geduld, bis ihre Augen von Gott geöffnet werden und der Same unseres Wortes in ihnen Wurzel fassen kann.

   Jetzt möchte ich einige Fehler aufzählen, die unsere Seelsorge unter Häretikern stören und all unser Bemühen ergebnislos machen können. Solche Fehler sind Schroffheit und Härte, Wortstreitereien und Disputationen über den Glauben; denn die Häretiker werden immer widersprechen, und deshalb können sie nicht so sehr durch Reden als vielmehr durch das Beispiel zum wahren Glauben zurückgeführt werden. Es hat keinen Sinn, mit solchen Dingen anzufangen, die sie von vornherein ablehnen, als da sind Beichte, Buße, Fasten, Fegfeuer, Ablaß, Ordensgelübde; denn wie Fieberkranke haben sie einen verkehrten Geschmack und können derartige Dinge gar nicht richtig beurteilen; wie Kinder brauchen sie Milchspeise und erst allmählich soll man die Rede auf jene umstrittenen Fragen bringen. Zwecklos ist auch, Mißstände in der Kirche mit vieler Mühe entschuldigen zu wollen, weil es nicht angeht, öffentlich bekannte Fehler zu beschönigen. Ebensowenig soll man über den wahren Sinn der Heiligen Schrift streiten, da die Häretiker ja das Urteil der Kirche und die Tradition nicht anerkennen und so in ein und derselben Sache zugleich Prozeßführende und Richter sein wollen. Unrichtig ist es ferner, alle Häretiker mit dem gleichen Maßstab messen zu wollen und keinen Unterschied zwischen Verführten und Verführern, zwischen Schülern und Lehrmeistern der Irrlehren zu machen. In Deutschland jedenfalls sind sehr viele Neugläubige nur aus Unwissenheit, nicht aus Bosheit auf dem Irrweg.

   Die Deutschen gehen meistens deshalb in die Irre, weil sie all das in sich aufnehmen, was sie - im Luthertum aufgewachsen und erzogen - in der Schule und Kirche hören oder aus Büchern lesen. Schließlich soll man bei Häretikern nicht gegen Mißstände angehen, die sich auch oft genug bei Katholiken finden und mehr der Gewohnheit oder der Erziehung zuzuschreiben sind; es ist besser, darüber zu schweigen, als derartige Dinge zu bekämpfen, wodurch sie eher schlimmer als besser zu werden scheinen; solche Mißstände sind das Übermaß im Essen, Trunksucht, Prachtliebe, eine gewisse Unbekümmertheit im Reden über heilige Dinge und die allzu freie Lebensführung, die ebensosehr beim Klerus wie bei den Laien eingerissen ist.

   Welche Mittel gibt es aber, um unser Mühen bei den Häretikern mit der Gnade Christi fruchtbar zu machen? Da möchte ich zunächst jene Gegenmaßnahmen anerkennend erwähnen, die von Anfang an in unseren Kollegien gegen die Häresie angewandt wurden und sich im Laufe der Zeit als so wirkungsvoll erwiesen haben. Aber es gibt meines Erachtens noch manches zu tun, um den katholischen Glauben in unserer gefahrdrohenden Zeit unverfälscht zu verkünden. So sollte man auch den Laien, die doch schon irgendwie vom Irrtum leicht angesteckt sind, die Regeln unseres Vaters Ignatius über die kirchliche Gesinnung vorlegen und erklären. In unseren Kollegien sollte man sich mehr der Deutschen annehmen. Man dürfte eigentlich auf unserer Seite nicht eine solche Unwissenheit in religiösen Fragen finden, daß sie oft schlechter als Laien ihren Glauben zu verteidigen wissen. Man müßte für eine gründlichere Ausbildung sorgen, damit sie eine gewisse Gewandtheit darin bekommen, wie man die in ihrem Glauben unsicher Gewordenen über die landläufigen Irrtümer aufklären kann. Es ist doch wirklich eine Schande, daß sogar einige unserer Patres so unerfahren sind, daß sie auf eine Frage über strittige Punkte keine Antwort geben können, und ungebildeter sind als manche Laien, die den Häretikern Rede und Antwort stehen.

   Unsere Theologieprofessoren sollten nicht so sehr subtile Fragen behandeln, sondern Dinge, die für unsere Verhältnisse wichtig sind, und zwar in einer Weise, die dem Aufnahmevermögen unserer Scholastiker entspricht; außerdem sollen unsere Theologen die Neuerscheinungen der Häretiker lesen und widerlegen und ihren Hörern die Ergebnisse mitteilen; so würde endlich damit Schluß gemacht werden, daß man sich vor lauter andern Beschäftigungen um das, was im andern Lager vor sich geht, kaum kümmert und daß man wie Petrus ruhig weiterschläft, während Judas wacht und sich für den Angriff vorbereitet. Schließlich müssen unsere Leute sich grundsätzlich in diesen Ländern ganz anders verhalten als anderswo, wo man weit ab vom Schuß ist und sich entsprechend wenig um Häresie zu kümmern braucht; sie müßten für die Auseinandersetzung mit den Häretikern besser ausgebildet werden, besonders in Latein, aber auch in der Volkssprache, ferner auch in Griechisch und Hebräisch; denn sie dürften auch hierin nicht den Neugläubigen unterlegen sein und die humanistischen Studien so weit vernachlässigen, daß kaum jemand mehr lateinisch reden oder schreiben kann.

   Wir müssen uns bewußt sein, daß die Gesellschaft Jesu durch eine besondere Fügung Gottes zur gleichen Zeit, da sich die neue Lehre über ganz Europa auszubreiten begann, als neue Kampftruppe der Kirche gegen die Häresie von Ignatius gegründet wurde und nach ihrer Bestätigung durch den Apostolischen Stuhl all ihre Kräfte besonders für die Bekehrung der Häretiker und Heiden einsetzen soll. Es hat sich hier ein unermeßliches Arbeitsfeld aufgetan. Deshalb sollen zum Bekehrungswerk unter den Häretikern auch aus weit entlegenen Provinzen die Mitglieder unseres Ordens gesandt werden, die sich für diese Aufgabe melden und hier nicht zu Unrecht ein zweites Indien zu finden vermeinen. Um mit einem Wort alles zusammenzufassen: wir dürfen nicht weniger eifrig und besorgt sein als die Kinder dieser Welt.

   All diese Vorschläge, die vielleicht nicht genug ausgearbeitet sind, stelle ich dem Urteil der Obern anheim. Ich will aber noch einiges über die Lage in Deutschland sprechen, weil ich das diesem Volk schuldig bin, in dem ich nun so lange Jahre arbeite, daß ich als Senior der deutschen Provinzen gelte. Ich möchte allerdings keinen Bericht über den gegenwärtigen Zustand in Deutschland geben, der eher niederdrückend sein müßte, als daß er einen wirklichen Nutzen brächte. Sondern ich will nur betonen, daß unsere Patres hier in Deutschland entgegen den Befürchtungen vieler sich einen großen Erfolg ihrer Seelsorgsarbeit versprechen dürfen. Darin bestärkt uns die Haltung des Heiligen Vaters, der in unerschütterlichem Vertrauen, daß sich die Häretiker schließlich doch einmal wieder mit der Kirche vereinigen, sich so sehr um die Gründung des Deutschen Kollegs in Rom einsetzte und, ohne irgendwelche Unkosten zu scheuen, seine freigebige Hilfe den Deutschen schenkte. Die gleiche Zuversicht hatte der Vater unserer Gesellschaft, Pater Ignatius; ganz offenkundig war seine besondere Sorge und Vorliebe für Deutschland, da er nicht weniger als vier seiner ersten neuen Gefährten nach Deutschland entsandte; und die blühendsten Kollegien hier verdanken ihm ihr Entstehen.

   Die große Zahl der Kollegien in Deutschland, die in nur wenigen Jahren entstanden sind, und die Anteilnahme der deutschen Fürsten an unseren Arbeiten, sind wirklich Zeichen, daß Gott unser Mühen segnet. Ja, unsere geringste Gesellschaft hat mit Gottes Gnade so viel in Deutschland gearbeitet, daß alle Gutgesinnten sich ihrer selbst wegen und mit Rücksicht auf ihr Vaterland freuen, daß wir nach Deutschland gekommen sind, und einmütig zugeben: es wäre um die Sache der Kirche in Deutschalnd geschehen gewesen, wenn nicht von den Jesuiten Hilfe gekommen wäre. Und auch die Häretiker bestätigen dies, da sie unsere Patres wegen ihres tadellosen Lebenswandels und ihrer wissenschaftlichen Ausbildung mehr fürchten als andere Katholiken. Warum sollen wir also über den Erfolg in der Zukunft in Sorge sein, da wir doch bisher in wenigen Jahren eine so reiche Ernte eingebracht haben? Und wir dürfen mit Recht einen um so größeren Erfolg erwarten, je größer die Zahl der Arbeiter wird.

   Aber es darf nicht genug sein, diesen Anfang gemacht zu haben; es ist bei der Arbeit hier noch manches zu beachten. Zunächst müssen wir die Nationalfehler der Deutschen genau kennen. Solche sind eine gewisse Unbeholfenheit im Denken und Urteilen und eine mangelnde Bildung; daher finden sich hier nur wenige, die für weitere Studien geeignet erscheinen. Dann die Unmäßigkeit im Essen und Trinken, bedingt teilweise durch die andern klimatischen Verhältnisse, so daß die Deutschen in der ganzen Welt wegen ihrer Trunksucht in schlechtem Ruf stehen. Ferner haben sie einen großen Nationalstolz, Ausländer sind bei ihnen nicht gut angeschrieben, und diese wollen die Deutschen nicht gern als ihre Vorgesetzten haben. Außerdem sind sie, gleichsam als ob das vom kälteren Klima der nördlichen Länder herkommt, in geistlichen Dingen kühl und zurückhaltend; nur wenige scheinen eine natürliche Veranlagung zum betrachtenden Gebet zu haben. Dies alles sage ich auch deshalb, damit die Obern den Deutschen in unserem Orden die entsprechende Sorge und Aufmerksamkeit zuwenden.

   Das wären die unbedeutenderen Mißstände, die gleichsam Nationalfehler der Deutschen sind. Größere Sorge muß man aber gegenüber den schwerwiegenderen und wichtigeren Mißstände haben. So sind die deutschen Bischöfe und Prälaten - meistens Adelige und von Jugend an im Wohlleben aufgewachsen - in religiösen Dingen gänzlich unwissend, sie halten sich eher für Reichsfürsten als für Hirten der Herde Christi. Deswegen kümmern sie sich bloß um zeitliche Angelegenheiten, nicht aber um ihr geistliches Amt. Ferner mischen sich die Fürsten und Stadtmagistrate häufig in die Angelegenheiten der Kirche, heben ihre Freiheit auf und geben sich wie Halblutheraner und nicht wie Katholiken; kirchliche Strafen machen auf sie gar keinen Eindruck. Deswegen möchte ich auch nicht, daß unsere Patres ihre Beichtväter seien, da sonst der Fluch Gottes über solche Unterdrücker und Verächter der Kirchenfreiheit auch auf unsere Gesellschaft fällt.

   Schließlich ist es mit dem ganzen Klerus so schlecht bestellt, daß es einen wundernimmt, wie noch so viele Katholiken es unter derartigen Hirten überhaupt aushalten. Und ebenso steht es mit dem ganzen deutschen Volk, das entweder an den Lastern seiner Priester Ärgernis nehmen muß oder vom Gift der neuen Lehre schon ganz angesteckt ist.

   Aus all dem sieht schon ein Blinder, wie viel darauf ankommt, daß unsere Patres sorgfältig ausgebildet und geprüft werden, bevor sie nach Deutschland zur Arbeit geschickt werden.

   

   An Fürstabt Balthasar von Dernbach OSB

   Augsburg, 16.November 1578

   Eines der tragischsten Schicksale im Zeitalter der "Gegenreformation" hatte der Fuldaer Fürstabt Balthasar von Dernbach zu erleiden. Er war ein eifriger, um die Reform der Kirche ehrlich sich mühender Prälat, der seit 1570 dem geistlichen Fürstentum Fulda vorstand und trotz seines jugendlichen Alters - er zählte bei der Wahl erst 22 Jahre - die vordringliche Aufgabe der religiösen Erneuerung tatkräftig anpackte. Die widerstrebenden protestantischen Stände verbanden sich mit dem Würzburger Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn, der in diesem Falle seine machtpolitischen Interessen als Herzog von Franken über das kirchliche Anliegen stellte. 1576 mußte Dernbach unter dem Zwang der Übermacht auf sein Fürstentum verzicht leisten, das dem Herzogtum des Würzburger Bischofs angeschlossen wurde. Die Jesuiten, denen der Fürstabt von Anfang an großes Wohlwollen entgegengebracht hatte, vertraten seine Sache am kaiserlichen Hofe und in Rom. Auch Canisius suchte ihn nicht nur durch Briefe zu trösten, sondern benützte seine Beziehungen, besonders beim Reichstag 1576 zu Regensburg, um die Wiedergutmachung des Unrechts zu erreichen. Erst 1602 aber konnte Abt Dernbach sein Hochstift wieder als Fürst übernehmen (Eder 294f.).

   

   Der Friede Christi sei immer mit uns.

   Auf der Reise zu Ihnen besuchte mich Ihr Diener und bat mich, Euer Hoheit wieder einmal zu schreiben.

   Ich bitte deshalb sehr inständig - wie ich es schon früher tat - Sie möchten Ihr Kreuz mit Geduld und Mut tragen. Sie haben ja schon seit langer Zeit in christlicher Starkmut in diesem Kampfe ausgehalten, und Sie zeigen uns dadurch das herrliche Beispiel eines unbesiegbaren Geistes, und so sind Sie uns zu einem zweifachen Vorbild geworden.

   Es wird einmal eine große Freude sein zu erfahren, welche Liebe und Gnade uns Gott durch diese wahrhaft väterliche Heimsuchung erwiesen hat: sie befreit uns ohne Zweifel von vielen Sünden und Gefahren; sie führt unseren Sinn zur klareren Erkenntnis Gottes; sie zeigt uns, wer unser wahrer Freund ist; sie lehrt uns eine völlige Verachtung der Welt; sie schenkt oft wahren geistlichen Trost unserer Seele; sie weckt schließlich in uns ein großes Verlangen nach einem guten und glückseligen Leben.

   "Wer nicht versucht wurde", so bestätigt der Weise, "was weiß der?" (Sir 34,10). Schwach und unerfahren, ja ein Kind und unwert der himmlischen Herrlichkeit bleibt, wer das Kreuz nicht kennt. Deswegen muß ich Euer Hoheit Glück wünschen, daß Sie von Gott das ersehnte Kreuz erhalten haben und daß Sie dieses Kreuz so starkmütig mit nie gebrochenem Geiste während Ihrer Verbannung trugen und Ihr Vertrauen allein auf Gott setzten. Sie dürfen überzeugt sein, daß all dies nur nach einer besonderen Fügung Gottes geschieht und daß diese Prüfung nur zu unserem eigenen Fortschritt zugelassen wird; sie ist ja wie ein heilbringendes Heilmittel, dem etwas Bitteres beigemischt ist, das uns aber wirklich hilft. So sollen auch wir sprechen: "Es ist gut für mich, daß du mich klein gemacht hast" (Ps 118,71).

   Aber damit es nicht den Anschein habe, ich wolle Ihnen bloß Mahnworte schreiben, will ich darüber nichts mehr sagen. Wir wollen oft Christus das ganze Anliegen anempfehlen und für unsere so sehr verblendeten Gegner beten. Der Herr Jesus möge uns und die katholische Kirche zu seiner Verherrlichung allüberall in seinen Schutz nehmen.

   

   Euer Hoheit Diener in Christus

   Petrus Canisius

   

(entnommen aus: Briefe des hl. Petrus Canisius)

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