Die Erblehre
Ich glaube, Gott, mit Zuversicht,
was deine Kirche lehret,
es sei geschrieben oder nicht,
denn du hast´s ihr erkläret,
der du die Wahrheit selber bist
und Wahrheit kannst nur geben.
In diesem Glauben stirbt der Christ,
in diesem muss er leben.
Ausser der Hl. Schrift besitzen wir Katholiken noch eine zweite Glaubensquelle, das ist die Tradition, auch mündliche Überlieferung oder Erblehre genannt. In der Bibel sind nicht alle Wahrheiten enthalten, die wir glauben müssen, zum Beispiel, dass es vier echte, wahre Evangelien gäbe, dass wir den Sonntag statt des Sabbates feiern sollen, dass wir auch die kleinen Kinder gültig taufen usw. Christus hat selbst seine Lehre nicht niedergeschrieben, sondern mündlich vorgetragen. Er gab auch den Aposteln keinen Auftrag zum Schreiben, sondern zum Predigen der von ihm geoffenbarten Wahrheiten. "Gehet hin und lehret alle Völker!" (Matth. 28,19) mahnte er die Apostel und ihre Nachfolger. Und wiederum: "Gehet hin in die ganze Welt und predigt das Evangelium allen Geschöpfen!" (Mark. 16,15). Dass in der Hl. Schrift nicht die ganze Lehre Christi enthalten ist, sagt der hl. Evangelist Johannes (21,25): "Es ist noch vieles anderes, was Jesus getan hat. Wollte man dieses einzeln aufschreiben, so würde, glaube ich, die Welt die Bücher nicht fassen, die zu schreiben wären." Nach seiner Auferstehung unterrichtete der Heiland die Apostel gerade über die wichtigsten Lehren, die sie früher nicht fassen konnten. Von diesen lesen wir jedoch sehr wenig in der Bibel. Die kamen eben durch die mündliche Überlieferung auf uns.
Der hl. Paulus unterscheidet genau zwischen schriftlicher und mündlicher Überlieferung: "Haltet fest an den Überlieferungen, die ihr gelernt habt, es sei durch das Wort oder durch einen Brief von uns" (2. Thess. 2,14). Dazu bemerkt der hl. Johannes Damascenus: "Weil die Apostel sehr Vieles ohne Schrift überliefert haben, so schreibt der hl. Paulus: Haltet fest an den Überlieferungen, die ihr erlernt habt, es sei durch das Wort oder durch einen Brief." An seinen Schüler Timotheus schreibt der nämliche hl. Paulus: "Was du gehört hast von mir, - das vertraue treuen Menschen an, welche tauglich sein werden, auch andere zu lehren" (2. Tim. 2,2). Der hl. Johannes sagt in seinem zweiten Brief: "Ich hätte euch noch vieles zu schreiben, aber ich wollte es nicht durch Papier und Tinte, denn ich hoffe zu euch zu kommen und von Mund zu Mund zu reden, damit eure Freude vollkommen werde."
Die Erblehre ist zu uns überkommen vor allem durch den mündlichen Unterricht und durch die kirchlichen Gebete und Zeremonien. In den uralten Glaubensbekenntnissen zum Beispiel in apostolischen wurden die kirchlichen Hauptlehrsätze kurz zusammengefasst. In den Entscheidungen der allgemeinen Konzilien und der Päpste wurde die ganze Lehre der Kirche oder einzelne Wahrheiten immer wiederholt und eingeschärft. Nur zwei Beispiele, die eben von der Tradition handeln! Das zweite Konzil von Nicäa fasste den Entschluss: "Wer die Überlieferung der Kirche, verdanke sie nun ihre Geltung einer Schrift oder der Gewohnheit, nicht achtet, der sei von der Gemeinschaft ausgeschlossen." Das vatikanische Konzil sagt im zweiten Kapitel: "Die übernatürliche Offenbarung ist nach dem von der hl. tridentinischen Synode ausgesprochenen Glauben der allgemeinen Kirche in geschriebenen Büchern und in den ungeschriebenen Überlieferungen enthalten, welche aus Christi eigenem Munde von den Aposteln empfangen oder von den Aposteln selbst unter der Eingebung des Heiligen Geistes gleichsam von Hand zu Hand überliefert bis auf uns gekommen sind." Bezüglich der Hl. Schrift beschließt das Vatikanum, dass dieselbe in Sachen des Glaubens und der Sitten nicht gegen Sinn ausgelegt werden dürfe, den die Kirche stets festgehalten hat und festhält, noch auch gegen die einmütige Übereinstimmung der Väter, das heisst gegen die Tradition.
Was die hl. Lehrer sagen
Nur Toren sind es, die das Verständnis der Hl. Schrift lediglich sich zuschreiben und der Gnade Gottes und der Lehre der Väter nichts verdanken wollen. Hieronymus.
Wer sich über die kirchliche Überlieferung hinwegsetzt und nach eigener Wahl sich Menschenmeinungen hingibt, hört auf, ein Mensch Gottes, hört auf, gläubig zu sein. Klemens von Alexandrien.
Es ist gewiss, dass die Apostel nicht alles mittels Briefen überliefert haben, sondern vieles überlieferten sie ohne Schrift, das höchst glaubwürdig ist. Es ist einmal kirchliche Überlieferung, und darum frage nach nichts anderem. Johannes Chrysostomus.
Auch der Überlieferung bedürfen wir, denn aus den Hl. Schriften kann nicht alles herausgenommen werden. Daher haben die hl. Apostel einiges schriftlich, anderes durch Überlieferung hinterlassen. Epiphanius.
Es gibt vieles, was die allgemeine Kirche festhält und darum mit Recht als von den Aposteln angeordnet geglaubt wird, obgleich es in den Hl. Schriften nirgends vorkommt. Augustinus.
Um die Erblehre zu beweisen, ist es genug, dass wir eine von den Vätern herkommende Überlieferung besitzen, diegleichsam als eine Erbschaft durch die Nachkommen von den Aposteln her auf uns übergegangen ist. Gregor von Nyssa.
Der Glaube hat seine Stütze in der Hl. Schrift und in der mündlichen Überlieferung der katholischen Kirche. Die Auslegung der katholischen Kirche ist neben der Hl. Schrift notwendig, weil sonst jeder die Hl. Schrift wegen ihrer Tiefe wieder anders auslegen würde, und es so viele Auslegungen als Köpfe der Menschen schon gäbe. Wahrhaft und eigentlich katholisch, das heisst allgemein ist nur das, was überall, was allzeit, was von allen geglaubt worden ist. Vinzens von Lerin.
(entnommen aus: "Des Christen Glaubens-Leben", von P. Nivard Neurauter S.O.Cist., 1925)
Das Schulbüchel des Herrn Jesus
Mit dem Bücheragenten habe ich ein kleines Geschäft gemacht und sagte nun: "Also leben Sie wohl!" Aber er blieb stehen mit seinem Pack und ging nicht davon. "Ich hätte noch etwas, das Ihnen gefallen möchte, lieber Herr!" sagte er, zog aus der Brusttasche etwas hervor und begann es aus dem Papier zu wickeln. "Na, bemühen Sie sich nicht, ich kaufe nichts mehr." "Ansehen kostet nichts", sagte er und hielt inne. "Sie werden nicht denken, lieber Herr, was es ist. Wollen Sie raten? Sie erraten es nicht. Ich will es Ihnen sagen. Sehen Sie, was ich da in meiner leiblichen Hand habe, in ganz gewöhnlichen Papier geschlagen, und was auch Sie in zwei Minuten in Ihrer Hand haben werden, das ist nichts anderes als" - der Mann blickte rings um sich, ob uns nicht jemand belausche - "das ist nichts anderes als das Schulbüchel des Herrn Jesu. Bei meiner Ehr´ und Paradiesseligkeit auch noch, es ist nichts anderes. Das Schulbüchel des Herrn. Aus dem hat er gelernt, gelesen die Worte und Zeilen, ganz wie sie dastehen, ganz dieselben Geschichten und Lehren, nicht mehr und nicht weniger, als wie Sie noch heute draus lesen können, genau so und nicht anders. Und jetzt sehen Sie her".
Er schlug das Buch - in schwarzen Leder war es gebunden - auf, und das war - die Bibel. Das hebräische Alte Testament.
Und so kommt´s heraus, dass unser Heiland einst und ich in meiner Kindheit dasselbe Schulbuch gehabt haben. Aus der gleichen Quelle haben wir geschöpft, er vor 2000 Jahren, ich jetzt. Ach, wären die beiden Schüler doch auch gleich geraten! Nun lese ich wieder mit erneutem Interesse in dem uralten Buche, seitdem ich mir vorstelle, dass es auch sein wichtigstes, vielleicht einziges Lehrbuch gewesen ist. Auf den Seiten des ersten Buches Mosis sehe ich ordentlich das Fingerchen des kleinen Jesus, das die Zeilen schiebt.
(Peter Rosegger)
Wie schön leuchtet der Morgenstern!
Des alten Dorfschulmeisters liebstes Lied
Wie schön leuchtet der Morgenstern!
Hab doch kein andres Lied so gern!
Mit Tränen füllt sich jedesmal
mein Auge, spiel ich den Choral.
Es war damals, als der alte Fritz
noch stritt um Schlesiens Besitz,
hier in den Schluchten lag sein Heer,
der Feind dort auf den Höh´n umher.
Da sah´s im Dorf gar übel aus,
die Scheunen leer, kein Brot im Haus,
im Stalle weder Pferd noch Kuh,
und vor dem Feind die Furcht dazu.
So hatt´ ich eben eine Nacht
mit Seufzen und Gebet durchwacht,
und stieg beim ersten Morgengrauen
den Turm hinauf, um auszuschauen,
wie´s draußen stünd´, es war still umher,
und ich sah keine Feinde mehr.
Da zog ich still mein Käpplein ab,
dem lieben Gott die Ehre gab.
Horch! Plötzlich trabt´s ins Dorf herein:
der Himmel wollt uns gnädig sein!
Ein alter Schnauzbart jagt im Trab
zu meinem Haus, dort steigt er ab;
kaum bin ich unten, schreit er: "Lauf,
schließ mir geschwind die Kirche auf!"
Ich bat: "Bedenkt, es ist Gottes Gut,
was man vertraut hat meiner Hut,
und Kirchenraub bestraft sich schwer."
Doch schrie er wild: "Was schwafelt er?
Flink aufgeschlossen, sonst soll ihn...!"
Schon wollt er seinen Säbel ziehn,
da dacht ich bang an Frau und Kind
und öffnete die Kirch geschwind;
und trat dann zagend mit ihm ein;
meine Frau schlich weinend hinterdrein.
Er ging vorüber am Altar,
hinauf dann, wo die Orgel war;
da stand er still: "Gesangbuch her!
Hier den Choral da spielet er!
Und dass sie brav die Bälge tritt!
Marsch! Vorwärts jetzt und zögert nit!"
Ich fing mit einem Vorspiel an,
wie ich´s mein Lebetag getan.
Da fiel der Alte grimmig ein:
"Was soll mir das Geklimper sein?
Hab ich´s denn nicht gesagt dem Herrn:
Wie schön leuchtet der Morgenstern!" -
"Es ist nur das Vorspiel!" - "Dummes Zeug;
was spielt er den Choral nicht gleich?"
So spielt ich denn, weil er´s befahl,
ganz ohne Vorspiel den Choral.
Der alte Schnauzbart sang das Lied,
ich und meine Frau, wir sangen mit.
Das Lied war aus, still saß der Mann,
ein heisser Strom von Tränen rann
ihm übers braune Angesicht,
die funkelten wie Diamantenlicht.
Dann stand er auf und drückte mir
die Hand und sprach: "Da, nehmt das hier!"
Es war ein großes Talerstück,
ich wies das Geld beschämt zurück;
er aber rief: "Was soll das, Mann?
Bei Gott, es klebt kein Blut daran!
Gebt´s an die Armen in dem Ort."
Drauf gingen wir zusammen fort,
und noch im Gehen sprach er weich:
"Kein Lied kommt diesem Lied mir gleich,
es hat mich in vergangner Nacht
zum lieben Gott zurückgebracht.
Es rief gestern abend der Major
vor unsrer Front: "Freiwillige vor!
es soll ein verlorner Posten stehn,
dem Feinde nach, dort auf den Höhn;
hat keiner Lust, hat keiner Mut?"
Das trieb mir in Gesicht das Blut:
"Da müssten wir nicht Preußen sein!"
Ich riefs und trat rasch aus den Reihn;
drei meiner Söhne folgten mir:
"Gehst du, so gehen wir mit dir!"
So zogen wir nach jenen Höhn,
um dort die ganze Nacht zu stehn.
Es blitzte hier, es krachte da,
es war der Feind uns oft so nah,
dass er uns sicherlich entdeckt,
wenn uns nicht droben DER versteckt.
Ja, Mann, ich hab so manche Nacht
im Feld gestanden auf der Wacht,
doch war mir nie das Herz so schwer, -
es kam nur von meinen Jungens her;
ihr habt ja Kinder - nun da wisst
ihr selbst, was Vaterliebe ist.
Drum hab ich auch emporgeblickt
und ein Gebet zu Gott geschickt;
und wie ich noch so still gefleht,
da ward erhört schon mein Gebet,
denn leuchtend ging im Osten fern
auf einmal auf - der Morgenstern,
und mächtig mir im Herzen klang
der längst vergessne fromme Sang;
hätt gern gesungen gleich das Lied,
doch schwieg ich, weils uns sonst verriet.
Zugleich fiel mir auch manches ein,
was anders hätte sollen sein,
vor allem, dass ich dieses Jahr
noch nicht im Gotteshause war.
Das machte mir das Herz so schwer:
das wars, das trieb mich zu Euch her."
Der Alte sprachs, bestieg sein Pferd
und machte munter rechtsumkehrt.
Seht! Drum habe ich das Lied so gern:
"Wie schön leuchtet der Morgenstern!"
Und spiel noch heute jedesmal
ganz ohne Vorspiel den Choral,
und wenn ich spiel sitzt immerdar
mir dicht zur Seite der Husar,
ich höre seinen kräft´gen Bass,
und da - wird mir das Auge nass.