Cordula Wöhler


Folgendes schrieb Cordula Peregrina in der vierten Auflage ihres Buches "Was das Ewige Licht erzählt".
Von meinen bisher erschienen Büchlein ist vielleicht keinem eine so liebevoll freundliche Aufnahme in der katholischen Leserwelt, und daher auch öftere Auflage zu Teil geworden, wie gerade diesem, das sich jetzt zur vierten Auflage rüsten soll. Und ich begreife das ganz wohl! Nicht etwa die Schönheit der Sprache, noch weniger die Kunst der Form hat diesen schlichten, einfachen, aber aus warmen Herzen quellenden Liedern die allgemeine Teilnahme und Vorliebe gewonnen und gesichert, sondern vielmehr der Gegenstand, den sie besingen, der Mittelpunkt, um den sie sich drehen, das Licht, von dem sie ausstrahlen, - das Erste und Letzte, Liebste und Beste, Höchste und Heiligste jedes katholischen Christenherzens: das allerheiligste Sakrament des Altars, - hochgelobt in alle Ewigkeit!
Wie verschieden auch sonst die Menschen sein mögen in Gemüt und Geschmack, Ansicht und Neigung, - in Einem sind wir Katholiken uns alle gleich, - Jesus im heiligsten Altarsakrament ist unsere wärmste Liebe, unser wahrstes Leben, unsere seligste Lust, unsere süßeste Labe, unser tröstlichstes Licht, und Alles, was von Ihm uns sagt und singt, zu Ihm uns winkt und weis´t, das mutet uns an so lieb und hold und traut wie Heimatsklang und Himmelston, wie Grüße aus dem lieben Vaterhaus ans in der Fremde weilende Kind!
So erging es schon vor 26 Jahren der Sängerin dieser schlichten Lieder! Damals noch Protestantin in erster Jugend stehend, und in den lieblichsten irdischen Verhältnissen lebend, die ein Menschenkind sich nur immer wünschen und träumen mag, - war dennoch eine Lücke und Leere, ein Sehnen und Hungern zutiefst im jungen Herzen drinnen, das durch Nichts zu stillen oder bannen ließ, obschon es eigentlich selbst noch nicht verstand, wonach denn es gar so heiß sich sehne!
Aber als ich - mit noch nicht 16 Jahren - zum ersten Mal eine katholische Kirche betrat, zum ersten Mal dem Schimmer des ewigen Lichtes mich nahte, und das geheimnisvolle Wehen vom Altare verspürte, da wurde es mir - ohne jedes Zutun von menschlicher Seite durch Wort oder Schrift - plötzlich klar, nach was denn eigentlich die Seele mit so brennender Sehnsucht hungerte und dürstete, wie der Hirsch nach frischem Wasser (Psalm 41,2), was bisher ihr - trotz des reichsten irdischen Glückes - so schmerzlich gefehlt hatte: die persönliche Nähe, die leibhafte Gegenwart eines lebendigen Gottes, von der, ach! die armen Protestanten nichts wissen und nichts wissen wollen! -
Von jener einzigen Stunde in katholischer Kirche an blieb mein Herz wie an den Altar gekettet, und ohne weitere Gelegenheit, Eingehendes über das allerheiligste Altarsakrament zu hören oder zu lesen, war doch - durch Gottes wunderbare und geheimnisvolle Gnadenwirkung in der Seele - mein Glaube an dasselbe so klar und fest, meine Liebe zu demselben so heiß und groß, wie wenn ich schon damals ein Kind der Kirche, ja, eine geborene Katholikin gewesen wäre!
Wohl mussten von diesem meinem ersten Eintritt in eine katholische Kirche bis zu meinem endlichen Übertritt noch volle 9 Jahre vergehen, denn nach den damaligen Landesgesetzen glaubte man, diesen Übertritt bis zur erlangten Volljährigkeit (einem Alter von 25 Jahren!) auf jede Weise verhindern zu können und zu sollen!
Aber mein Herz schlug während dieser 9 Jahre in ausschließlich protestantischer Atmosphäre nicht anders als katholisch, und der Feder entflossen in dieser Zeit schon jene Lieder im "Ewigen Licht", denen wohl kein Leser es angemerkt hat, dass eine protestantische Pastorentochter sie gedichtet: "Misericordia Domini", "Das rechte Licht", "Das ist es", "Venite adoremus", "Bis an den Berg Gottes", "Sanctus", "Ich weiß", "Wo ist die Heimat", "Meine Liebe", "Christkindlein in der Hostie", "Das Suchen der Braut", "Deus meus et omnia", - und noch einige andere. -
Ohne weder Gelegenheit, noch auch Bedürfnis zu haben, jede einzelne Lehre der katholischen Kirche eingehend zu studieren, zu prüfen, mit dem Verstand zu erwägen, und sie den Lehrsätzen des Luthertums vergleichend gegenüber zu stellen, - ohne jegliches Grübeln und Zweifeln, Fragen und Forschen stand es in meinem Herzen als unumstößliche Gewissheit fest, dass die Kirche, welche vor allen anderen Kirchen den lebendigen Gottmenschen im Tabernakel, welche den Glauben an das hochheilige Sakrament des Altars habe, - auch in all ihren noch übrigen Glaubenslehren Recht haben müsse, und schon deshalb die allein wahre sei, weil sie allein dem Menschenherzen das wahre Glück für Zeit und Ewigkeit zu bieten habe in der persönlichen, wesentlichen Vereinigung mit dem Gott der Eucharistie!
Auf diese Weise, - gezogen von den Liebesseilen des im Tabernakel verborgenen Gottes, - wurde aus der strang protestantisch erzogenen Mecklenburger Pastorentochter - im Sommer des Jahres 1870 ein glückliches Kind der katholischen Kirche, und im Winter 1871 eine noch glücklichere Teilhaberin eines und desselben Daches mit diesem Gott, indem mir - durch Seine unbegreiflich liebevolle Gnadenführung - das ebenso seltene (für in der Welt lebende Personen) wie selige Los zu Teil wurde, nahezu 5 Jahre auf dem alten Freundsberg ein Kämmerlein zu bewohnen, dessen Chorfenster grade auf den Tabernakel des liebfreundlichen Wallfahrtskirchleins zu den 14 Nothelfern hernieder ging, und somit mir eine Einsicht und Aussicht bot, gegen die selbst die wunderbare Schönheit des zu meinen Füßen ruhenden Inntales für ein so glühendes Naturkind - wie ich´s von klein auf war, und heut noch bin - in Schatten sinken musste vor dem geheimnisvoll flimmernden Licht am Throne des "Schönsten unter den Menschenkindern!" (Ps. 44,3)
Da droben nun auf dem Freundsberg - umweht von den Himmelslüften des Tabernakels, Tag und Nacht trinken dürfend aus dem unerschöpflichen Gottesborn der Eucharistie - sind - ausser den schon genannten aus protestantischer Zeit her - die weiteren Lieder des "Ewigen Lichtes" mehr gebetet, als geschrieben, mehr aus dem Grund einer glücküberströmenden Seele herausgejubelt, als mühsam, kunstgerecht und formstreng zusammengedichtet worden.
Ans Tageslicht aber, an die Aussenwelt, wäre kein einziges dieser Lieder wohl jemals getreten, noch weniger zu einem Ganzen gesammelt und geflochten worden, denn was in Liebesdrang ich fühlte, schrieb und sang, das hätte ich ausschließlich für Gott und mich allein behalten mögen nach meinem Lieblingswort: "Secretum meum mihi!" - wenn nicht der Gehorsam es ganz anders bestimmt hätte.
Und das kam so: Nächst der Gnade des katholischen Glaubens, die Gott mir - mitten in einem erzprotestantischen Ländchen - in so unbegreiflicher Weise zu Teil werden ließ, muss ich zeitlebens als zweitgrößte Gottesgnade voll Dank und Demut es preisen, dass ich kaum ein Jahr nach meinem Übertritt ins liebe Land Tirol, zuerst nach Eben, dann nach Schwaz kam, und in letzterem Ort unter die Seelenleitung eines der seltensten, gediegensten Ordensmänner unserer Zeit, des damals in Schwaz lebenden Franziskanern Pater Arsenius Niedrist, dessen Name ebenso sehr durch seine gründliche Tüchtigkeit in jeder Hinsicht nicht nur in unserem lieben Land Tirol, sondern weit über seine Grenzen hinaus rühmlich bekannt war, und von Alt und Jung, Reich und Arm voll Ehrfurcht und Bewunderung genannt wurde, wie er heut mit namenlos tiefer Wehmut, wenn auch stets gleich dankbarer, liebender Erinnerung genannt wird, denn ach! seit dem 29. Juni 1886 gehört dieser Allen so teure Name nicht mehr der Erde an, und auf dem Friedhof unserer Landeshauptstadt hat sich die stille Gruft der Franziskaner über den irdischen Überresten eines Mannes geschlossen, dessen Gedächtnis unter Allen, die ihn gekannt, fortlebt und fortleben wird in Segen und Verehrung!
Dieser nun werde mein Beichtvater, fast am ersten Tage schon wo ich nach Schwaz kam, und was ich ihm von jenem Tage an zu danken hatte, das weiß Gott allein, - Worte reichen nicht hin, es zu sagen, auch wenn ich davon sagen wollte!
Ein kurzes Jahr lang nur war mir das Glück seiner persönlichen Seelenleitung beschieden, da wurde er zum Provinzial gewählt, und musste als solcher das Franziskanerkloster in Schwaz mit dem in Innsbruck vertauschen.
Aber was ich in diesem einen Jahr aus seinen Worten - im Beichtstuhl wie von der Kanzel - erworben und gewonnen, das war reich und tief und groß genug, um lebenslang davon zu zehren!
Noch nie ist mir ein größerer Verehrer des allerheiligsten Sakramentes begegnet, als er es war; davon zeugten nicht nur seine gottbegeisterten Worte, davon sprach noch lauter und ergreifender sein ganzes Wesen, seine unvergleichliche, an die Legenden der Heiligen erinnernde Andacht, Sammlung und Würde bei Darbringung des heiligen Opfers, kurz, jede Gelegenheit, wo er es mit dem hochwürdigsten Gute zu tun hatte! Was Wunder, wenn er so auch bei all seinen Beichtkindern die Andacht zu diesem hochheiligen Sakrament mehr und mehr zu entflammen, zu befestigen und zu verklären verstand!
Ehe er im Sommer 1872 von Schwaz schied, war es sein letzter Gehorsamsbefehl an mich, Etwas über das allerheiligste Sakrament zu schreiben, ob in Prosa oder in Poesie, das bleibe mir überlassen, aber in jedem Falle erwarte er recht bald eine Arbeit über diesen Gegenstand aus meiner Feder!
Diese Arbeit konnte mir nicht schwer fallen; schon waren Sakramentslieder vorhanden, und neue flüsterte in stiller Morgen- oder später Abendstunde das liebe ewige Licht im Freundsberger Nothelferkirchlein mir zu; - ich durfte nur im lauschenden Herzen sie nachklingen und nachsingen lassen, und dann zu Papier sie bringen. So reihten sich denn, - auf des geschiedenen Beichtvaters Befehl - die Laute und Lieder zu einem Ganzen, und was anders konnte ihr Titel sein, als:
"Was das ewige Licht erzählt!"
Zum Lichtmesstage 1873 - meinem Lieblingsfest damals schon, wie heut noch, - konnte ich dem hochwürdigen Provinzial das Büchlein nach Innsbruck schicken, und seine Freude über dasselbe erfüllte mich mit tiefem Dank gegen Gott, dass es mir vergönnt gewesen, ihm, dem meine Seele so viel verdankte, einen Wunsch erfüllt, eine Genugtuung bereitet zu haben!
Mehr denn ein Jahr verging darüber, und mir fiel es natürlich niemals ein, den hochwürdigen Pater auch nur einmal zu fragen, wozu er denn das Büchlein gewünscht, oder was er mit demselben getan?
Da überraschte er mich im Jahre 1874 plötzlich mit einem gedruckten Exemplar desselben, und so war das "Ewige Licht" zum ersten Mal in die Aussenwelt getreten, sich gleich nach diesem ersten Erscheinen verschiedener sehr freundlicher und liebevoller Recensionen erfreuend.
Doch lang bevor es in Druck erschien, arbeitete ich - auf Befehl dessen, der zwar nicht mehr mein Beichtvater, wohl aber bis zu seinem Tode mein Seelenvater und Führer war und blieb - an einem neuen Sakramentsbuch, an "Krippe und Altar", welches ich am 2. Dezember 1873 begann, und am 7. Februar 1874 den letzten Federstrich daran tat, während ich zwei Jahre später, am 8. Februar 1876 den "Weg nach Golgatha" begann, der schon im nächsten Monat am 13. März vollendet war.
Sowie ich ein Heft dieser Manuscripte fertig geschrieben hatte, wanderte es alsbald nach Innsbruck in die Hände des hochwürdigen Pater Arsenius zur Durchsicht und Recension. Und dieser - ein geborenes Schriftstellertalent, voll des klarsten Scharfblicks, des feinsten Geschmackes und des richtigsten Urteiles, - machte schriftlich alsbald mich aufmerksam auf verschiedentliche Mängel, riet Verbesserung an, recensierte und kritisierte, lobte und ermutigte wohl auch, und nahm den eingehendsten, väterlichsten Anteil an jeder neuen Arbeit, welche der Feder seiner geistlichen Tochter entsproß, die hinwieder nur er - kraft des Gehorsams - in stetem Fluß erhielt, denn mir selbst war das Dichten und Schreiben für Andere, für die Aussenwelt, eher fast peinlich, als Bedürfnis und Herzenssache, umsomehr, da es von jeher mein Grundsatz war, einem weiblichen Wesen zieme weit mehr stillste Zurückgezogenheit und tiefste Verborgenheit, als irgend welches Hervortreten ans Tageslicht der Öffentlichkeit!
Noch einige Wochen vor seinem Tode las der hochwürdige Pater Arsenius mit warmen Interesse meine neue, nun bereits in Druck erschienene Dorfgeschichte "Ein Stück Volksleben aus den Tirolerbergen", und selbst da - so leidend er auch schon war, - gab er noch wertvollen Rat zu kleinen Veränderungen hie und da in Wort und Ausdrucksweise.
An der dritten Auflage des Ewigen Lichtes hat Pater Arsenius noch herzlich sich gefreut, - die vierte sollte er nicht mehr erleben.
Mir aber, die vielleicht mehr Dank ihm schuldet, als jede andere Seele, - mir war es Herzenssache, dass nun, wo er heimgegangen, alle lieben Leser des Ewigen Lichtes nah und fern es wissen möchten, wem eigentlich sie das Büchlein ihrer allgemeinen Vorliebe verdanken, wer es ans Licht gerufen!
Dann darf ich hoffen, dass sie beim Lesen nicht nur der Seele der armseligen Schreiberin hie und da das Almosen ihrer frommen Fürbitte schenken mögen - um was ich Alle wohl recht von Herzen bitte! - sondern dass sie voll Liebe und Ehrfurcht jener Priesterseele gedenken, die hienieden aus wahrhaft leuchtendes Licht Allen, die ihr nahe kamen, das schönste Beispiel der Gottes- und Nächstenliebe gegeben, als leuchtendes Licht im Heiligtum des Klosters gebrannt, und im Dienst des Altares sich verzehrt hat.
Und wenn sie so sich seiner beim Lesen dieser Lieder erinnern, dann mögen doch alle Freunde des Büchleins - mit mir vereint - dem nun Verklärten als stillen Gruß es in die Ewigkeit nachschicken, was jedesmal am Pfingstfest - gleich nach der Epistel - der Priester am Altare betet im "Veni sancte spiritus": "Da virtutis meritum, da salutis exitum, da perenne gaudium!"
"Gib der Tugend - Verdienst! gib des Heiles - Ausgang! gib unvergängliche Freude!" Ja - Amen, Alleluja!