
Der Heilige Geist ist der Gärtner, von Christus selber um den Preis seines Herzblutes vom Vater ausgegangen, und bestellt für die ganze Welt, um sie umzubilden in einen Garten Gottes. Er tut es, indem er von dem reichen Leben, das in Christo ist, abzweigt und in die Menschenherzen einsenkt; dadurch heilt er die alte Erbkrankheit, und macht alles neu und frisch und schön, wie die Maisonne die Winterlandschaft umgestaltet in einen Garten voll Blumen, Duft und Vogelsang.
Weißt du es, daß du ehedem ein gar arger Wildling gewesen bist, in der Stunde deiner Geburt mit der Erbsünde behaftet. Aber dann bist du getauft worden, du bist aus dem Heiligen Geiste wiedergeboren worden und bist ein Kind Gottes, ein Brüderlein Christi geworden.
Aber auch an den Erwachsenen hat der Heilige Geist oft sichtbar genug geistige Wunder gewirkt. Denk an die Jünger des Herrn! Wie unverständig harthörig, mutlos und furchtsam waren sie trotz des dreijährigen Verkehrs mit dem Gottmenschen. Als aber das Pfingstfest gekommen und der Heilige Geist in die Jünger eingegangen war, wie ist da ein prächtiger Sommer in die Seelen der Jünger aufgegangen und hat sie zu Aposteln verwandelt.
Petrus, der erst noch Judenangst gehabt hatte, stand vor allem Volke hin und redete von dem Herrn Jesus, wie sie kein Heil finden könnten als in ihm, den sie in der Verblendung gekreuzigt hätten. Und später sprach Petrus wieder mutig: "Wir müssen Gott mehr gehorchen als den Menschen." Und wie er, haben sich die übrigen Apostel martern lassen für Christus.
Sieh, das ist die Gewalt und Allmacht und Kunst des Heiligen Geistes! Und diese ist so wenig heute ausgegangen, als die Kraft der Sonne ausgegangen ist, wenn der Sommer kommt. Man sieht das hie und da bei einer Mission; aber auch sonst; denn der Geist weht, wo er will, dieser Geist hat eine liederliche Person im Judenland zu der Büßerin Magdalena gemacht. Dieser Geist hat den in Ketzerei und Unzucht versunkenen Sohn der heiligen Monika umgewandelt zu einem großen Kirchenvater, den heiligen Augustinus; er hat die im Sündenschmutz fast erstickte Margareta von Cortona von den Fesseln der Unkeuschheit befreit und zu einem heiligen Leben geführt. Dieser Geist hat den heiligen Ignatius von Loyola aus einem eitlen Offizier und Weltmann zu einem Ordenspriester und gewaltigen Werkzeuge Gottes umgewandelt.
Auf jeden Tag des Jahres fallen ungefähr vierzig bis fünfzig Heilige, die die Kirche kennt und aufgeschrieben hat; es mögen aber mehr als Tausende auf jeden Tag fallen, die da gestorben und sogleich in den Himmel eingegangen sind, von denen aber die Welt nichts weiß und von denen nichts aufgeschrieben ist. Und alle insgesamt sind heilig geworden durch die Wirkung des Heiligen Geistes.
Wenn nicht alle getauften Christen derlei Wunder von sich erzählen können, ist es nur, weil sie den Geist Gottes in sich gleichsam gefesselt haben, daß er nicht darf, was er so gern möchte, oder daß sie ihn durch schwere und viele Sünden ganz ausgelöscht haben.
Übrigens ist es auch wahr, daß man vielfach von Jugend auf in der Christenlehre und Predigt zu wenig angeleitet wird, auf den Heiligen Geist zu achten und auf das Amt, das er für die gesamte Kirche und jede einzelne Seele auf sich genommen hat, und wie er Tag für Tag aus dem heiligsten Herzen des Weltheilandes geistige Arznei nimmt, und damit kranken Herzen der Menschheit ausheilt, die sich von ihm in Kur und Meisterschaft nehmen lassen. Im Herzen Jesu sind große Schätze für die getauften Christen, deren gesetzlicher Ausspender der Heilige Geist ist.
Hast du es schon einmal bedacht, was für ein kostbares Geschenk das Herz deines Erlösers dir mit dem Heiligen Geiste gemacht und wie es dich ihm in Pflege und Schutz gegeben hat? Hast du schon bedacht, wie dieser Geist selber dich aus einem Wildling fort und fort ausbildet in ein edles Christengewächs, auf daß du hundertfältige Himmelsfrucht bringest? Und hast du für alle diese Pflege und Sorge um dich seit deinem Tauftage bis auf heute einmal andächtig und fromm dem Heiligen Geist gedankt?
Es ist schon recht, daß du dem ewigen Vater dankest, daß er dir seinen Sohn geschenkt hat; es ist recht, daß du dem Sohne dankest, daß er selber sich dir mit Leben und Blut, mit all´ seinen reichen Verdiensten geschenkt hat.
Aber schau; dieses Geschenk ist für dich eine verschlossene Schatzkammer, wenn nicht der Schatzmeister, der Heilige Geist, sie dir öffnet und davon herausgibt; es ist eine volle, aber verschlossene Apotheke, wenn nicht der göttliche Apotheker, der Heilige Geist, gerade jene Arznei nimmt, die für deine Umstände und Übel passen. Was du von Geist und Gnade aus Christi Herzen an dir hast, es hat alles der Heilige Geist daraus in dich gelegt. Hast du dich dafür auch schon einmal herzhaft bei ihm bedankt, oder stehst du damit nicht vielleicht in großem Rückstand und in ansehnlicher Schuld?
Fange wenigstens jetzt einmal an und bringe dem Heiligen Geist den längst schuldigen Dank dar, der ihn dir mit seiner Liebe wieder vergelten wird. Auch dem Herzen Christi wirst du durch nichts besser gefallen, als wenn du ihm Liebe für Liebe bringst, Liebe, die stark und tatkräftig ist, Christi Gebote treu und mutig erfüllt, in Geduld das Kreuz Tag für Tag ihm nachträgt. Echte Liebesfunken kannst du aber aus deinem Herzen nie durch deine eigene Kraft und Kunst herausschlagen; sie werden aus dem Feuerherde des Herzens Jesu durch den Heiligen Geist in dein Herz hineingelegt. Hat nicht Christus gesagt: "Er sei gekommen Feuer in die Welt zu werfen" und steht nicht geschrieben: "Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist."
Ist es dir also Ernst, die wahre Liebe zu Gott, zum Herzen Gottes aus dem Herzen Christi zu bekommen, so sei dein erster Gang zum Heiligen Geiste, dem Verherrlicher des göttlichen Herzens.
Ein Wanderbursch, mit dem Stab in der Hand,
Kommt wieder heim aus dem fremden Land.
Sein Haar ist bestäubt, sein Antlitz verbrannt,
Von wem wird der Bursch wohl zuerst erkannt?
So tritt er ins Städtchen durchs alte Tor,
Am Schlagbaum lehnt just der Zöllner davor.
Der Zöllner, der war ihm ein lieber Freund,
Oft hatte der "Becher" die beiden vereint.
Doch sieh - Freund Zöllner erkennt ihn nicht;
Zu sehr hat die Sonn´ ihm verbrannt das Gesicht.
Und weiter wandert nach kurzem Gruß
Der Bursche und schüttelt den Staub vom Fuß.
Da schaut aus dem Fenster sein Schätzele fromm:
"Du blühendes Madel, ein herzlich Willkomm!"
Doch sieh - auch das Mädchen erkennt ihn nicht
Die Sonn hat zu sehr ihm verbrannt das Gesicht.
Und weiter geht er die Straße entlang,
Ein Tränlein hängt ihm an der braunen Wang´.
Da wankt von dem Kirchsteig sein Mütterchen her,
"Grüß Gott!" - so spricht er und sonst nichts mehr.
Doch sieh - das Mütterchen schluchzet voll Lust:
"Mein Sohn!" - und sinkt an des Burschen Brust.
Wie sehr auch die Sonne sein Antlitz verbrannt,
Das Mutterauge hat ihn doch gleich erkannt.
Die sieben Gaben des Heiligen Geistes
Es ist der Heilige Geist mit seinen sieben Gaben, der das Herz Christi verherrlicht und ihm gleichsam ein schönes Loblied singt durch und in den Herzen der Christen.
Die sieben Gaben sind gleichsam die Regenbogenfarben, die der Heilige Geist aus Christi Herz nimmt und aus den Herzen jener Christen widerstrahlen läßt, die in der Taufe Kinder Gottes geworden sind.
Der Heilige Geist, sagt der Kirchenlehrer, ist der Harfenspieler, die Christenherzen sind die Harfen, der Heilige Geist stimmt sie und entlockt ihnen die Töne, die Gefühle, die Lieder der Anbetung, des Dankes, der Liebe, der heiligen Trauer.
Die sieben Gaben des Heiligen Geistes sind eine glänzende Ausstattung und Zierde der geheiligten Seele. Sie sind besondere, übernatürliche Eigenschaften und Vermögen der Seele, die uns verliehen werden, um durch sie die Anregungen des Heiligen Geistes zum Guten leichter und sicherer zu befolgen. Die Gabe des Heiligen Geistes gehen aber mit der Todsünde verloren.
Die ersten vier Gaben, des Verstandes, der Wissenschaft, der Weisheit und des Rates vervollkommnen den Verstand. Die übrigen Gaben, der Furcht Gottes, der Frömmigkeit und des Starkmuts beziehen sich auf den Willen.
Verstand, Wissenschaft und Weisheit erleichtern den Glauben, die Weisheit zugleich die Liebe, die Gabe des Rates hilft der Tugend der Klugheit; die Furcht Gottes unterstützt die Mäßigkeit, die Frömmigkeit aber die Gerechtigkeit, und der Starkmut vervollkommnet die Tugend gleichen Namens. Sie sind gleichsam der Geist der Tugenden und deshalb erleichtern sie deren Übung. Das ganze System der natürlichen Kräfte wird zuerst durch die übernatürlichen Tugenden und dann aufs neue durch die sieben Gaben gestärkt, verklärt und zu noch erhabeneren Tätigkeiten erhoben.
Der erste Grund, weshalb wir diese Gaben im allgemeinen hochschätzen müssen, besteht in ihrer Notwendigkeit. Alle müssen diese Gaben haben, und auf alle muß sich ihr Einfluß erstrecken, weil alle ihr Heilswerk vollbringen müssen. Die Tugenden geben nun wohl unter Anregung der wirklichen Gnade die Möglichkeit dazu. Diese Möglichkeit reicht aber schlechthin nicht aus, es muß uns auch die Leichtigkeit geboten werden und das geschieht durch die "Sieben Gaben." Ferner sind zum Heile manchmal auch besondere höhere und schwierigere Werke nötig, ja man kann wohl sagen, daß die Notwendigkeit im Leben jedes Christen eintritt, und so ist auch für diesen Fall eine besondere Einrichtung des Heiligen Geistes notwendig. Zu höheren Tätigkeiten aber müssen wir vernünftigerweise auch höhere Fähigkeiten und Vermögen haben. Gott leitet und führt uns, wie der heilige Thomas sagt, durch ein doppeltes Licht: zuerst durch das Licht der Vernunft und dann insofern durch sich selbst, als er durch besondere Erleuchtung und Anregung von seiner Seite auf uns wirkt. Nun ist aber eine solche Einwirkung ein höheres Prinzip zum Erkennen und Handeln, und so ist es angemessen und naturgemäß, das in der Seele eigene und besondere Vermögen seien für diese besondere Einwirkung Gottes.
Geht ein Schüler zum Lehrer einer höheren Wissenschaft, so muß er auch die entsprechende Befähigung haben, um den Unterricht aufzunehmen und zu verstehen. So ist es auch hier. Der Heilige Geist ist unter diesen Umständen ein ungleich höherer Lehrmeister, der uns zu höherer Handlungsweise anregt, als es unserer vernünftigen Natur, auch mit den gewöhnlichen Tugenden, an sich schon entspricht, und deshalb muß man auch in seine Schule besondere Fähigkeiten mitbringen.
Ist es ja überhaupt ganz am Platze, daß in der Kreatur Gott besondere Handhaben und Organe zu Gebote stehen, wenn er auf außerordentliche Weise in ihr wirken will; solche Vorrichtungen und Organe in der Seele sind nun die Gaben des Heiligen Geistes. Sie sind uns einfach notwendig zu unserem Heile.
Darauf folgt nun der zweite Grund, die Gaben hochzuschätzen und zu lieben, nämlich ihre Erhabenheit. Die Gaben setzen die Tugenden voraus und sind für diese da, insofern sind die Tugenden notwendiger und wichtiger und namentlich stehen die theologischen (Glaube, Hoffnung und Liebe) viel höher. Indessen behaupten doch die sieben Gaben in ihrer Art einen höheren Grad von Vollkommenheit und wenn sie auch den theologischen Tugenden an Würde und Vortrefflichkeit nachstehen, so übertreffen sie in jedem Falle die nichttheologischen Tugenden uns nicht so vollkommen Gott unterwerfen und verbinden, während die sieben Gaben uns ganz Gott unterordnen, mit ihm vereinigen und für alles Gute bereitwillig und fertig machen.
Aber selbst inbezug auf die theologischen Tugenden nehmen sie eine hervorragende, auszeichnende Stelle ein. Sie ergänzen, erheben und vervollkommnen nämlich ihre Übungen. Sehr oft kommen auch unter dem Einflusse der Gaben Akte zustande, die nie möglich wären durch die Mitwirkung der gewöhnlichen Tugenden. Es setzen uns also die sieben Gaben in den Stand, die Tugend in erhöhtem und ungewöhnlichem Maße zu üben.
Jedenfalls liegt darin ein besonderer Grad der Erhabenheit, daß die Gaben unsere Kräfte und unsere Tätigkeit Gott ganz unterordnen und hörig machen. Darin besteht ja eigentlich die Vollkommenheit, daß sich der Mensch völlig Gott unterwirft und sich mit ihm vereinigt.
So kann man also ganz richtig sagen, daß die sieben Gaben und deren Betätigung das höhere geistliche Leben ausmachen. Die Tätigkeiten des höheren geistlichen Lebens (das wir Mystik nennen), werden vorzüglich durch diese Gaben des Heiligen Geistes vollzogen. Es sind somit diese Gaben wirklich die herrlichste Ausstrahlung der Gnade und der Tugenden, die edelsten und erhabensten Organe des übernatürlichen Lebens. Deshalb werden sie auch ausdrücklich und auf besondere Weise bei dem göttlichen Heilande genannt und aufgezählt. Ja, auch im Organismus des Gottmenschen waren sie eine höchst kostbare Zierde, während manche Tugenden, wie Glaube und Hoffnung, nicht zu seinem Wesen gehörten, weil die unmittelbare Anschauung Gottes, deren er stets genoß, dieselben unnötig machte und ausschloß. Der Besitz dieser Gaben erhöht also die Herrlichkeit der heiligmachenden Gnade und erhebt uns auch zu einer besonderen Verähnlichung mit dem göttlichen Heilande.
Die Lehrer des geistlichen Lebens vergleichen die Gaben mit den Flügeln der Vögel und mit den Segeln der Schiffe; die Bewegung mittelst dieser Vorrichtung ist nämlich ungleich schneller und leichter, als durch Gehen und Rudern. Durch diese Gaben wird die Seele ein erwähltes Werkzeug des Heiligen Geistes, er wird so recht ihr Erzieher und Lehrmeister, und jeder sieht, was aus ihr werden kann unter dem Einfluß dieses göttlichen Erziehers, der uns durch seine Gaben so gnadenreich in seine unmittelbare Nähe zieht. Es ist daher billig, daß wir diese kostbaren Gaben, die einem jedem mit der heiligmachenden Gnade und mit den Tugenden eingesenkt sind, auch kennen, benützen, auf sie achten, sie betätigen und zu vervollkommnen suchen, indem wir den Eingebungen des Heiligen Geistes folgen.
Die Gabe des Verstandes
Die Gaben des Verstandes, der Wissenschaft und der Weisheit vervollkommnen den Verstand und namentlich die Tugend des Glaubens.
Der Glaube ist jene Tugend, durch die wir unerschütterlich für wahr halten, was Gott geoffenbart hat, und zwar deshalb, weil es Gott gesagt und geoffenbart hat. Daß wir nun den Sinn des Geoffenbarten richtig und klar erfassen, daß wir wissen, was wir festhalten und annehmen sollen, muß uns der Heilige Geist helfen durch die Gabe des Verstandes. Sie erleuchtet uns durch klares, durchdringendes, tiefes und ungewöhnliches Licht über den Sinn der geoffenbarten Wahrheiten und vermittelt uns die Sicherheit, daß dies der Sinn sei und kein anderer. Die Gabe hat aber auch eine gewisse Erweiterung und Austrahlung. Sie verleiht eine gewisse Fertigkeit und Geschicklichkeit, sich und anderen den Sinn der geoffenbarten Glaubenswahrheiten zu erklären und nahe zu bringen durch Gleichnisse, Vergleiche und Beispiele, namentlich auch, den Sinn der Heiligen Schrift zu treffen.
Die Gabe des Verstandes dehnt sich auch aus auf das praktische Leben; sie gibt uns ein klares Licht, richtige Gedanken, Auffassungen und Begriffe über das, was in der praktischen Heilswissenschaft schlägt, wie da sind: klare und richtige Begriffe über das Wesen, das Ziel, die Mittel des geistlichen Lebens; über die Anforderungen der Sittlichkeit, über die Tugenden und Standespflichten.
Ihre Wichtigkeit besteht vor allem in den Wirkungen auf unser Erkenntnisvermögen. Sie reinigt nämlich unsere Begriffe über die Geheimnisse des Glaubens, erhellt und schärft dieselben und erleichtert deshalb auch den Akt des Glaubens. Die Gabe des Verstandes ist überaus wichtig für das betrachtende und beschauliche Gebet. Es ist diese Gabe einfach der Ausgangspunkt, der feste, sichere Boden, von dem aus der betrachtende Verstand ungefährdet seine Forschungen in das herrliche, aber auch gefahrvolle Gebiet der übernatürlichen Kenntnis unternehmen kann.
Es ist begreiflich, daß ein klares und sicheres Licht auch auf den Willen und auf die ganze praktische Heilswissenschaft eine wohltätige Wirkung ausübt, es gewinnt der Wille unter dieser sichern Leitung des Verstandes an Sicherheit, Freiheit, Regsamkeit und Strebelust. Eine große Freude und geistliche Heiterkeit kommt über unsern Willen. Der Glaube gewinnt an Entschiedenheit, Festigkeit und unerschütterlicher Überzeugung. Diese Festigkeit und Klarheit des Willens verbreitet sich dann auch über das ganze sittliche Leben. Unser Tugendleben erhält Verständigkeit und Stetigkeit. Diese kostbare Gabe des Verstandes müssen wir wecken und betätigen durch Anrufung des Heiligen Geistes, durch eifrige Andacht zu ihm, sodann indem wir uns vorzüglich um die Tugenden bemühen, die zur Vervollkommnung dieser Gabe des Verstandes besonders zuträglich sind, wie die Herzensreinheit und die Demut.
Wenn du die Gabe des Verstandes nicht besitzest, wirst du nicht einsehen, wie eitel und leer all´ der Erdentand ist, daß es Rauch ist, der sich in Luft auflöst, eine Seifenblase, die glitzert und glänzt, und dann zerplatzt und einen Schmutzfleck zurückläßt. Darum verlachst du den Geistlichen, wenn er dir von der Eitelkeit der Welt redet.
Du machst es, wie es lange Zeit ein berühmter Künstler gemacht hat, der, angestaunt und bewundert von Tausenden. Er aß mit vollem Munde und trank in vollen Zügen alles, was die Welt ihm von ihren Freuden vorsetzt und meinte, das sei das einzig Rechte.
Aber eines Tages bekehrte ihn der Heilige Geist aus dem Judentum und Sündentum zur katholischen Wahrheit und Taufe und zu einem frommen Leben im Kloster. Das ist der Hermann Kohen gewesen, der im Jahre 1871 als Karmelit und Kaplan der französischen Gefangenen in Spandau gestorben ist. Bei der Taufe schenkte ihm der Heilige Geist auch die Gabe des Rates; in ihrem Lichte sah er deutlich ein, was er für ein Weltnarr gewesen. Er gestand dies einmal ganz öffentlich in einer Predigt über die heilige Kommunion.
Wer die Gabe des Verstandes in der rechten Weise wirken läßt, wird auch die freiwillige läßliche Sünde nach Kräften meiden, und wird sich bei allem mit dem heiligen Aloysius fragen: "Was trägt das für die Ewigkeit?"
Der Christ, der vom Heiligen Geist erleuchtet ist und seinen Einsprechungen folgt, wird auch den Wert und den Nutzen des Kreuzes und der Leiden hoch schätzen. Er wird das Kreuz im Geiste des Herzens Jesu verstehen und mit der heiligen Magdalena von Pazzis sprechen: "Leiden oder sterben."
Suche das rechte christliche Verständnis von deinen Leiden zu gewinnen. Der Heilige Geist wird, wenn du ihn bittest, die Gabe dieses Verständnisses in dir wecken. Gott gibt den guten Geist - den Geist des Herzens Jesu allen denen, die ihn darum bitten; und bei innigem Beten um die Gabe des Verstandes hilft dir das Herz Jesu gewiß mit. Meinst du nicht auch?
Die Gabe der Wissenschaft
An zweiter Stelle vervollkommnet unsere Erkenntnis die Gabe der Wissenschaft. Sie ist ein besonders übernatürliches Licht des Heiligen Geistes, das uns zeigt, wie glaubwürdig und annehmbar die Wahrheiten des Glaubens sind, und zwar aus Gründen, die geschöpft sind aus dem Reiche des Geschaffenen.
Die Gabe der Wissenschaft ist also eine Erkenntnis, verbunden mit einem sicheren Urteil über die Glaubwürdigkeit der Offenbarung und dadruch unterscheidet sie sich von der Gabe des Verstandes.
Während die Gabe des Verstandes uns bloß den Sinn der Glaubenswahrheiten vermittelt, geht die Gabe der Wissenschaft weiter und gibt uns Gründe zur Annahme des Glaubens, erleichtert und befestigt denselben in uns. So stimmt auch der Name dieser Gabe mit ihrem Wesen überein. Wissen heißt ja erkennen durch Grund und Ursache.
Von dem Glauben unterscheidet sich die Gabe der Wissenschaft durch den Beweggrund. Der Glaube nämlich hält die Offenbarung für wahr einfach deswegen, weil Gott es sagt, ohne sich auf andere Gründe und Nachweise einzulassen. Die Gabe der Wissenschaft aber erleichtert oder bestärkt die Annahme des Glaubens, indem sie uns die Angemessenheit der gläubigen Annahme zeigt aus Gründen, die uns die Übereinstimmung der geoffenbarten Wahrheit nachweisen mit der geschaffenen Ordnung. Das Besondere und Unterscheidende dieser Gabe liegt also nicht im Gegenstande - derselben kann jede Wahrheit des Glaubens, auch die erhabenste, Gott selber, sein, - sondern in dem Beweggrund oder dem Nachweis, weshalb wir sie für wahr halten.
Die Gabe der Wissenschaft enthüllt uns vor allem die natürliche Schönheit und Erhabenheit der Tugenden und deren Angemessenheit und Übereinstimmung mit unserer adlen und von Gott geschaffenen Natur; wir lernen durch diese Gabe den Wert des Lebens und der zeitlichen Güter schätzen und sie recht gebrauchen; das Licht dieser Gabe vervollkommnet in uns die Selbst- und die Menschenkenntnis und erleichtert uns überhaupt das Leben nach der Vernunft und dem Adel unserer Natur.
Vermittelst dieses Lichtes dringen wir auch in die Ratschlüsse Gottes in Leitung und Führung einzelner Menschen und ganzer Völker ein und erkennen die Absichten und Zwecke in den göttlichen Zulassungen. Es ist eine Art religiös-politischen Scharfblickes, den wir gewinnen und der uns auf einen erhabenen Standpunkt der Anschauung in der Philosophie der Menschen- und Kirchengeschichte erhebt. Jede Kenntnis aus der Ordnung der geschaffenen Natur, insofern sie uns durch ein besonderes Licht des Heiligen Geistes vermittelt wird und dazu dient, unser Herz für die übernatürliche Wahrheit geneigt zu machen, fällt in den Umfang der Gabe der Wissenschaft.
Sie führt uns immer tiefer in die Geheimnisse des Glaubens ein und stärkt und erweitert ihn durch den überraschenden und wohltuenden Einblick in die Übereinstimmung des Glaubens mit der niedern Ordnung der Natur; sie zeigt, wie das Niedere für das Höhere da ist, und wie alles Geschaffene in den göttlichen Ideen ein herrliches und großartiges Ganze bildet.
Ebenso wohltätig wirkt diese Gabe auf die übrigen Tugenden; sie zeigt uns deren Erhabenheit und leitet uns an zur gründlichen Abkehr vom Irdischen und zur Hinkehr zu Gott.
Die Gabe der Wissenschaft leitet den Menschen an, mit anbetendem Staunen in das herrliche Buch zu schauen, das von innen und außen beschrieben ist, in das geschaffene Weltall, aus dem eine klare Erkenntnis Gottes leuchtet; soviel Gattungen von Kreaturen, soviel Stimmen des Lobpreises; sie befähigt den Menschen, auch andere anzuleiten, ihnen zu sagen, was ihnen im Streben nach christlicher Vollkommenheit paßt und hilft, je nach den Verhältnissen und Bedürfnissen.
Was diese Gabe in uns nähren und vermehren kann, ist neben Herzensreinheit, Gebet, besonders die Andacht zum Heiligen Geiste und ein rechtes Vertrauen auf ihn.
Wo also der Heilige Geist sein Willen als Gabe dem Christengeiste schenkt, da sieht der Christ überall seinen Gott und Vater; er sieht ihn in der Pracht der Blumen, in der Herrlichkeit des Waldes, beim kühlen Brünnlein, im grünen Talesgrunde und im prächtigen Alpenglühen; im lieblichen Morgenrot wie im furchtbaren Gewitter; in der warmen Julisonne und im freundlichen Blinken des Abendsternes. Er sieht Gott auch in der Geschichte aller Menschen, nicht bloß, wenn er gottlose Leute offenkundig straft, sondern auch, wenn er Gerechte prüft und im Feuer der Trübsal läutert, damit sie als Gold zu Tage treten; er sieht Gott im Leben der Heiligen und in ihren Wundern und Tugenden.
Eine besondere Frucht der Gabe der Wissenschaft verleiht der Heilige Geist dem frommen Christen, wenn er ihn den Gottmenschen in seiner Herrlichkeit kennen läßt und uns die Wissenschaft des heiligsten Herzens Jesu lehrt. Es liegen wunderbare Schätze von Gnade und Wahrheit und Erbarmung im heiligsten Herzen Jesu verborgen. Aber der Heilige Geist hat es in unsern Tagen Millionen guter Christen gegeben, diese Schätze zu entdecken. Darum kommen sie auch in alle Weltteilen so zahlreich zum Herzen Christi und unzählige Gnaden heraus, von denen die Kinder der Welt keine Spur haben und daran vorbei gehen, wie der Blinde an einem Goldhaufen, den er nehmen könnte, wenn er davon wüßte. Ja, es ist lautere Wahrheit, es ist der Heilige Geist, der die Gläubigen das heiligste Herz Jesu kennen lehrt und so Christi Wort bis zur Stunde wahr macht: "Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem Meinigen nehmen und euch kund tun."
Der Glaube allein nützt dir nichts; du mußt nach dem Glauben leben; der Glaube zeigt dir im allgemeinen den Weg, den du gehen mußt, um in den Himmel zu kommen. Es gibt aber auch viele Irrwege. Da braucht es ein genaues, klares, scharfes Wissen und Kennen, was der rechte und was der Irrweg ist. Auch das nun hast du vom Heiligen Geist in der kostbaren Gabe der Wissenschaft erhalten. Gott gebe, daß du sie nicht in dir zerstört hast.
Die Gabe der Weisheit
Die Gabe der Weisheit ist eine Erleuchtung des Heiligen Geistes, durch die unser Verstand die Glaubenswahrheit im erhabensten Lichte schaut und darüber mit großer Freude erfüllt wird. Sie unterscheidet sich von der Gabe der Wissenschaft, daß sie die Gründe der Annehmbarkeit des Glaubens nicht aus der geschaffenen Ordnung, vom Menschen selbst nimmt, sondern zu den höchsten und tiefsten Gründen und Ursachen sich emporhebt bis zu Gott, die Wahrheiten also mit Gott in Verbindung bringt und betrachtet, wie sie Gott entsprechen und wie sie Gott ansieht und beurteilt.
Das hat nun natürlich zur Folge, daß ein außergewöhnliches und herrliches Licht in unserem Geiste entsteht, in dem wir die Wahrheit erblicken und aus diesem Lichte ergießt sich dann Freude und Trost in unsern Willen und in unser Gefühl, weil durch die Erkenntnis die Liebe erregt und geweckt worden ist. Also erhabene Lichtfülle, unsagbare Süßigkeit, eine gewisse Verwandtschaft mit der Liebe ist das Unterscheidende dieser Gabe.
Man kann wohl sagen, daß die Gabe des Verstandes unmittelbar aus dem Glauben, die Wissenschaft aus der Hoffnung und dem geordneten Streben nach Selbstbeseligung, die Weisheit aber aus der Liebe hervorgehe. Sie beurteilt alles aus der Beziehung zur Liebe, mit Liebe und aus Liebe zu Gott. Es ist etwas ganz anderes, ob wir etwas mit dem bloßen Verstande oder auch mit dem Herzen betrachten und ganz anders betrachten wir einen Gegenstand, wenn er eine Beziehung zu jemand hat, den wir lieben. Auf letztere Art verfährt nun die "Weisheit". Weil sie Gott liebt, bringt sie alles mit ihm in Verbindung und diese Beziehung erhöht das Interesse, die Lieblichkeit und Annehmlichkeit des Gegenstandes und vermehrt hinwieder auch die Liebe zu Gott und die Freude an ihm.
Die Übung der Weisheit faßt also drei Akte in sich: die Glaubenswahrheit vom höchsten Standpunkt aus erkennen, dann sich an ihrer Schönheit und Lieblichkeit erfreuen und sie als höchst annehmbar beurteilen.
Beweggrund zu dieser Annahme ist gerade dieses Licht und diese Freude, die der Heilige Geist uns einflößt, indem er uns eine übernatürliche Gewißheit von der Übereinstimmung des Glaubens mit Gott und von dessen Wahrheit gibt. Deshalb nennen die Gottesgelehrten die Gabe der Weisheit eine "süß schmeckende Erkenntnis Gottes". Alle Wahrheiten des Glaubens und auch der niedern Ordnung können Gegenstand dieser Erkenntnis der Weisheit sein, nur müssen sie von diesem erhabenen und göttlichen Standpunkte aus angesehen und beurteilt werden. Fernerer Gegenstand sind auch die Wahrheiten und Gebote des sittlichen Lebens. Auch diese gewinnen mit Gott in Beziehung gebracht, ein so liebliches Ansehen, daß sich unser Herz nicht bloß sogleich mit ihnen versöhnt, sondern aufhüpft vor Freude und Wonne an denselben und nach denselben, wie der Psalmist so oft sagt: "Deine Satzungen gehen mir über Gold und Edelstein. Honig sind sie in meinem Munde." Wirkungen dieser Gabe sind alle höheren Erleuchtungen, alle Tröstungen im Gebete und im geistlichen Leben, selbst die Ekstasen nicht ausgenommen.
Die Gabe der Weisheit ist die höchste und erhabenste aller Gaben; ihre Wirkungen dehnen sich auf das ganze geistliche Leben aus. Vor allem ist nichts mächtiger, uns von der Sünde und noch tiefer vom Geschmacke an allen irdischen Genüssen und von der Anhänglichkeit an das Irdische loszureißen, als diese Gabe, und zwar durch das Eigentümliche ihres Wesens, nämlich durch die Macht der Süßigkeit, des Trostes und der Freude, die die hohe Erkenntnis stets begleitet. Durch diese Süßigkeit nämlich wird unsere Sinnlichkeit des Irdischen entwöhnt. Sie fördert die Anfänger ebenso wie die Fortschreitenden im geistlichen Leben.
Es gibt keine Tugenden, so schwer zu üben für unsere Natur, wie da sind: Keuschheit, Armut, Feindesliebe, Verdemütigung, Kreuzesliebe, die nicht eine Lust werden mit Hilfe dieser Gaben. Zeugen sind die heiligen Martyrer, die Einsiedler, die Apostel, die alle trotz der Gefahren, Entbehrungen und Verfolgungen ein Leben voll der Freude des Heiligen Geistes führten.
Nichts ist im Stande, uns eine solche Gewalt über die Leidenschaften einzuräumen, wie diese heilige Weisheit. Sie ist auch der süße Besitz der Vollkommenen, weil sie uns schon hienieden einen Vorgeschmack des Himmels bietet; weil sie alles von Gott aus betrachtet und selig ist in dieser Erkenntnis. So verschönert diese Gabe das armselige Leben und webt schon einen Zauber der ewigen Seligkeit um seine Schatten. Aus der Gabe der Weisheit entspringt die salbungsvolle Art und Weise über göttliche Dinge zu sprechen, die auf den Nächsten so gewinnend wirkt. Diese sogenannte Salbung der Rede ist eine Wirkung der Liebe und wirkt weniger durch Verstandesschärfe als durch die sanfteren Anlagen des Herzens, Sanftmut, Güte, Wohlwollen und die Fülle der Gottesliebe und der Nächstenliebe. Urheber dieser geistlichen Salbung ist der Heilige Geist. Durch ihren Besitz zeichneten sich u. a. der heilige Augustinus, Bernhard, Bonaventura, Franz von Sales aus.
Diese kostbare Gabe müssen wir sehnlich verlangen, hochschätzen, lieben und erbitten. "Gib mir die Weisheit, die Besitzerin Deines Thrones, schicke sie vom Himmel, daß sie bei mir sei, mit mir arbeite, damit ich wisse, was Dir wohlgefällig." (Weish. 9, 4. 10).
Was uns aber besonders behilflich ist, uns die Weisheit in höherem Maße zu erlangen, ist die Tugend der Reinheit und der Herzensdemut.
Viele Mühe wird es uns kosten, immer tiefer in die Weisheit einzudringen. Aber sie wird herrlich belohnt durch die herrlichen Früchte und Wirkungen, die sich mit nichts vergleichen lassen. Unstreitig ist die Weisheit die höchste und erhabenste unter allen Gaben des Heiligen Geistes. In keiner anderen offenbart er so herrlich sein Wesen und seine Eigenschaften wie in dieser. Er durchforscht die Tiefen der Gottheit, er ist die Person der Freude und Seligkeit in Gott, und deshalb erfüllt er vermittelst dieser Gabe unsern Geist mit einem so herrlichen Lichte und unser Herz mit so köstlichem Troste.
Wer die Weisheit lieb hat, findet, wie süß Gott ist, er findet Freude und Wohlgeschmack am religiösen Leben, am Empfang der heiligen Sakramente. Das göttliche Herz Jesu hat den edlen Vorzug der Weisheit in besonders hohem Grade besessen. Es hat nur Geschmach gefunden an freiwilliger Armut, an demütigem Gehorsam, an jungfräulichem Sinn und Leib. Wir sehen am göttlichen Herzen, wie es Freude gefunden hat am herzinnigen Verkehr mit seinem Vater im Gebete, an Arbeiten für das Heil der Seelen, an Opfern und Leiden und sogar am bittersten Tode aus Liebe zu Gott und zu den Menschen. Aus Jesu Herz aber legt der Heilige Geist diese edle Gabe der Weisheit in die Herzen der Christen und veredelt und beseligt sie und verherrlicht so in ihnen Christus selber. So ist es recht wahr, was der Heiland einmal gesagt hat: "Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben, und wer an mir bleibt, bringt viele Frucht."
Es ist aus Christi Herzen der edle Lebenssaft, Christi Geist, aufgestiegen in die Zweige, in die gläubigen Christenseelen, und so ist an ihnen Christi Geist und Kraft und Gnade sichtbar geworden in heiligem Leben.
Wenn du Christus gefunden hast, so halte aus bei ihm und an ihm wie der Rebzweig am Rebstock und du wirst immer mehr verkosten, wie süß der Herr ist. Sauge durch Gebet und Sakramente reiche Gnaden aus seinem Herzen und du wirst an himmlischer Weisheit zunehmen, du wirst stark werden in Gott der ewigen Weisheit und immer edler aufwachsen als rechtes Gotteskind.
Die Gabe des Rates
Sie besteht in einer Erleuchtung des Heiligen Geistes, vermittelst den unser praktischer Verstand in einzelnen Fällen sieht und richtig urteilt, was zu tun ist und welche Mittel zu wählen sind.
Von den drei vorausgehenden Gaben unterscheidet sich diese dadurch, daß jene das (spekulative) Erkenntnisvermögen unterstützen, oder, wenn es sich auch um etwas Praktisches handelt, doch mehr in einer gewissen Allgemeinheit bleiben; der Rat aber befaßt sich bloß mit dem Praktischen und zeigt dem Verstande, was in allen einzelnen Fällen und Umständen zu tun ist nach dem Willen Gottes.
Mit der Kardinalstugend der Klugheit kommt die Gabe des Rates in vielem überein. Der Gegenstand ist derselbe. Wie nämlich die Klugheit die allgemeinen Grundsätze des sittlichen Handelns auf die einzelnen Fälle anwendet, wie sie zuerst nachdenkt, dann urteilt und endlich entscheidet und die Mittel anordnet, so tut es auch die Gabe des Rates. Sie wendet die (spekulativ-praktische) Erkenntnis aus der Vernunft und aus dem Glauben auf die Tat in den einzelnen Handlungen an. Sie überlegt, urteilt und ordnet die Mittel an und ist ihrem Wesen nach wie die Klugheit ein Urteil der praktischen Vernunft.
Sie unterscheidet sich aber von der Klugheit dadurch, daß bei ihr das entscheidende Prinzip die natürliche und übernatürliche Vernunft ist, bei der Gabe des Rates aber eine besondere Sicherheit und innere Überzeugung, daß Gott der Heilige Geist es ist, der uns zeigt und befiehlt, was geschehen muß.
Der Beweggrund, weshalb wir folgen, ist somit die Ehrfurcht und Bereitwilligkeit gegen die Eingebung des Heiligen Geistes, und in diesem Sinne kann man sagen, die Gabe des Rates mache uns besonders beweglich für seine Stimme.
Die Gabe des Rates ist eine Hilfe und Vervollkommnung der Tugend der Klugheit, sowie die vorausgehenden Gaben des Verstandes die theologischen Tugenden des Glaubens, der Hoffnung, und auch der Liebe erhöhen und vervollkommnen. Wer soviel Licht vom Heiligen Geiste hat, daß es für gewöhnliche Fälle seines Standes hinreicht, der besitzt die Gabe des Rates.
Sie gewährt uns das unschätzbare Gut, daß wir uns stets auf dem Weg der Vorsehung und des Willens Gottes befinden. Ohne das Licht dieser Gabe werden wir stets viele Fehltritte begehen oder wenigstens oft nur rein menschlich und natürlich handeln. "Der Rat aber", sagt die Heilige Schrift, "wird dich bewahren und die Klugheit dich beschützen vor dem bösen Wege." (Sprichw. 2,11.)
Die Gabe des Rates bringt uns eine große Seelenruhe, weil sie uns in steter und lebendiger Abhängigkeit von Gott erhält und wir unter seiner Leitung wie Kinder harmlos und zuversichtlich allen Vorkommnissen des Lebens entgegensehen können. "Der Herr leitet mich, und nichts wird mir mangeln." (Ps. 22,1.)
Mit dieser Gabe können wir auch dem Nächsten viel Gutes tun; namentlich kann der Obere und Seelenführer mit dieser Gabe die anvertrauten Seelen auf dem Wege des Herrn förderlich leiten und führen.
Herrlich leuchtete die Gabe am göttlichen Heilande bei den vielen Versuchungen, die die Bosheit seiner Feinde ihm bereitete. Wie herrlich sind die Antworten und Entscheidungen beim Vorzeigen des Zinsgroschens, beim Vorführen der Ehebrecherin und bei so vielen anderen Gelegenheiten! Wie überraschend ist nicht sein Benehmen beim Zusammentreffen mit Herodes! In letzteren Falle namentlich haben wir ein Beispiel jenes höheren Lichtes, das oft aller natürlichen Klugheit entgegen urteilt und entscheidet. In dieser Gabe zeichnete sich auch St. Antonius, der Einsiedler, aus, weshalb er gemeinhin "der Ratgeber" genannt wurde.
Die Mittel, womit wir diese Gabe in uns unterstützen können, sind vor allem die Aufmerksamkeit und die Sorge, dem schon erkannten Rat des Heiligen Geistes zu folgen. Zeigen wir uns sorgsam und gelehrig in dem, was wir bereits erkennen, so wird er uns weiterführen, wie dieses ja auch ein weiser Lehrer macht; er geht nicht zu einem neuen Lehrstück über, bis das letzte verstanden ist. Seelen, die nach Vollkommenheiten streben, müssen sich dieses besonders gasagt lassen. Wir müssen bestrebt sein, den Heiligen Geist um die Betätigung und Vervollkommnung dieser Gaben bitten. Deshalb dürfen wir es keinen Tag unterlassen, ihm uns in dieser Beziehung zu empfehlen, und wenn wir irgend eine Wahl treffen, wenn eine Entscheidung zu geben ist, müssen wir den Heiligen Geist um seine Erleuchtung anflehen.
Wenn wir stets nach den Grundsätzen der Vernunft und des Gewissens handeln, so ist das eine sehr gute Vorbereitung und Verfassung des Gemütes, uns die besondere Leitung des Heiligen Geistes zu verdienen.
Wir müssen uns aber vor einigen Fehlern hüten, die dieser besonderen Leitung des Heiligen Geistes feindselig sind. Der erste Fehler ist die sogenannte Klugheit des Fleisches, die dem Heiligen Geiste ganz entgegengesetzt ist, in ihren Zielen bloß auf Zeitliches und Fleischliches geht und in ihren Mitteln nichts weniger als wählerisch ist. Ein weiterer Fehler ist ein gewisses Selbstvertrauen und eine Zuversicht auf die Nichtigkeit und Unfehlbarkeit unserer Einsicht und unseres Urteils. Mag unser Geist natürlicherweise noch so scharf sehen und unser Herz noch so unbefangen sein von ungeordneten Trieben, wir haben damit noch nicht das Licht des Heiligen Geistes, sondern bloß das natürliche unseres Verstandes, das eben, weil es natürliches Licht ist, nicht die Klarheit und Schärfe, und noch viel weniger die Kraft des unmittelbaren göttlichen Lichtes hat und in vielen Fällen uns nicht belehren kann über die Absichten Gottes mit uns. Sodann müssen wir alle Unruhe, Aufregung und Ausgegossenheit ins Äußere und Übereilung in Geschäften und Entschlüssen vermeiden. Die Fehler sind von Verwirrung, Ungeduld, Eigenliebe und Selbstvertrauen begleitet, die die Ansprache des Heiligen Geistes von uns abhalten und entfernen. Wie Überlegung, Vorsicht, Umsicht, Befragen eigener und fremder Erfahrung notwendige Begleiterinnen der Klugheit sind, so auch die Gabe des Rates. Hüten wir uns auch vor Unbeständigkeit, Nachlässigkeit und Zauderhaftigkeit. Wenn Leichtsinn und Überstürzung einen guten Rat nicht aufkommen lassen, so machen ihn diese Fehler nutz- und erfolglos, weil uns durch sie die Gelegenheit entrissen wird, den erkannten Rat zu befolgen.
Wenn du guten Rat brauchst, eile zum heiligsten Herzen Jesu, aus dem der Heilige Geist seine Gaben schöpft. Das heiligste Herz Jesu ist unergründlich tief, und in ihm steht das Wasser des guten Rates ebenso unergründlich tief und zum Übergehen voll. "Er ist voll von Gnade und Wahrheit", sagt der heilige Johannes.
Viele Umstände plagen alle Tage viele Tausende von Menschen. Der Heiland weiß es wohl und teilt aus der Tiefe seines Herzens seinen guten Rat aus, allen denen, die eines guten Willens sind. Wenn du ein wahrer Anhänger des göttlichen Herzens bist, bekommst du die kostbare Gabe des Rates, ja einen reichen Schatz aus Christi Herzen. Aber der Schatz versinkt, so oft eine schwere Sünde deine Seele in den Tod hinabstürzt. Daher kommt es dann, daß viele so selten etwas spüren von der Gabe des guten Rates; sie liegt wie die Seele tot darnieder in der Sünde. Daher kommt es ferner, daß es Christen gibt, die gar verkehrte Wege gehen und es nicht merken. Sie haben den Wegweiser, den Gott ihnen mitgegeben, von sich gewiesen, der Wege aber durchs Leben gibt es gar viele und doch führt uns nur einer recht.
Wie reich an gutem Rate der Mensch wird, der diese heilige Geistesgabe in sündenfreier Seele großgezogen hat, das sehen wir an den Heiligen. Sie haben es verstanden, mit der Gabe des Rates aus dem heiligsten Jesu Herz so reichlich zu schöpfen, daß sie auch viele Tausende gute Räte gar wohlfeil geben könnten; schaue zum Beispiel auf den seligen Thomas von Kempen, auf den heiligen Ignatius von Loyola, wie sie in ihren Schriften die besten Räte geben für Zeit und Ewigkeit. Schätze die Gabe des Rates hoch und wenn du in arger Verlegenheit bist, dann eile zum heiligsten Herzen Jesu und schöpfe guten Rat aus ihm. Es wird dir mit seinem segensreichen Rate beistehen im Leben und im Tode, es wird dir auch ein sicherer Wegweiser sein in die Ewigkeit hinüber.
Die Gabe des Starkmuts
Die drei folgenden Gaben beziehen sich auf den Willen und vervollkommnen ihn in Vollziehung des Guten und Pflichtmäßigen.
Die Gabe des Starkmuts ist eine bleibende Kraft, die der Heilige Geist unserm Willen mitteilt, um die Schwierigkeiten, die uns von Vollziehung des Guten abschrecken wollen, zu überwinden. Der Wille ist die Fähigkeit, an die sich diese Gabe anschließt.
Der Gegenstand aber sind alle Hindernisse, die uns in Ausübung des Guten entgegentreten und unsern Willen lähmen und brechen wollen. Insofern stimmt die Gabe des Starkmutes ganz mit der Kardinaltugend desselben Namens überein. Sie ist es in der Tat, die diese Gabe erhöht und vervollkommnet.
Doch die Beweggründe sind verschieden. Beim Starkmut ist der Beweggrund das Angemessene, Schickliche und Schöne des Aktes selbst; hier aber ist es die innere und feste Überzeugung, daß der Heilige Geist bei uns ist und uns stärkt.
Zur besseren Erkenntnis dieser Gabe müssen wir den Gegenstand, der in jedem Hindernis besteht, das abschreckend und ermüdend auf unsern Willen wirkt und ihn vom Guten abhalten will, näher bestimmen. Dergleichen Schwierigkeiten sind: gefahrvolle Unternehmungen, schwere äußere Arbeit und Anstrengung, langwierige Versuchungen, Trockenheit und Geistesdürre, Ausharren in Übung des Gebetes, in äußerer Strenge und in der Berufstätigkeit; Verleumdung, Verfolgung, Leiden, Lebensgefahr. Gegen alles dieses stählt und stärkt uns bleibend die Kraft dieser Gabe, daß wir alles mit Mut und Standhaftigkeit besiegen.
Diese Gabe ist uns notwendig für das geistliche Leben, dessen Bestehen ohne diese Gabe nicht denkbar ist. Wie wäre Gebet und Selbstüberwindung möglich ohne großen Vorrat von Mut, Tapferkeit und Ausdauer? Wer wird ohne diese Gabe alle innere Schwierigkeiten und Versuchungen, Überdruß, Mutlosigkeit in Übung der Tugend und Buße überwinden? Wer wird seine oft schwierigen Standespflichten, Kreuz und Leiden ohne die Starkmut überwinden können?
Der Starkmut ist aber auch ebenso erhaben als notwendig. Er ist der Schlüssel zu aller Tugend und Vollkommenheit. Er bändigt die Leichtfertigkeit, Unbedachtsamkeit des Charakters, die übergroße Lebhaftigkkeit unserer Launen, die Aufwallungen unserer Leidenschaften; er macht uns ruhig, besonnen, gediegen, verleiht uns Beständigkeit und Ausdauer. Er ist die Temperatur, in der das wahre Kernholz der Tugend wächst und gedeiht. Der Starkmut setzt uns in den Stand, wirklich Großes zu unternehmen und zu vollbringen. Wir sind ohne diese Gabe keinem großen Berufe gewachsen. Mit ihr aber zwingen und überwältigen wir alles.
Wir lernen das wichtigste Lehrstück des Lebens, nämlich gut leiden und dulden, was viel wichtiger, schwerer und auch ehrenvoller, weil edler und vollkommener ist als arbeiten und wirken. Beim Arbeiten und Handeln sind wir die Stärkeren, weil wir angreifen, beim Dulden aber sind wir die Schwächeren, weil die Angegriffenen, und doch müssen wir den Kampf bestehen. Der Angreifende sieht die Gefahr bloß in der Zukunft, der Leidende aber in der Gegenwart und vor sich; das Leiden kann auch sehr oft länger andauern als die beherzteste Arbeit; kurz beim Arbeiten sind wir der tätige, beim Dulden aber der leidende Teil, und der Widerstand wird oft geübt auf Unkosten unserer teuersten Interessen, unserer Lieblingsneigungen, unseres Ansehens, unserer Gesundheit und unseres Lebens. Leiden und gut leiden ist gewiß das schwerste Stück für den Menschen und deshalb auch das glorreichste.
Wir sehen das auch im Leben des göttlichen Heilandes, in dem gewiß steter Fortschritt war. Zuerst arbeitete er, dann predigte er, dann litt und starb er für uns, und das konnte er allein: durch Leiden und Tod uns erlösen. Nirgends in seinem Leben offenbart er so glorreich die Schätze der Tugenden und namentlich seinen Starkmut als im Erdulden so großer und vieler Leiden, denen er auch überdies mit klarer Voraussicht und mit Entschlossenheit entgegenging.
Das ist auch der Grund, weshalb wir die heiligen Blutzeugen unserer heiligen Religion so hoch achten, weil sie eine ganze Welt gegen sich sahen und sie verachteten und überwanden und so das Himmelreich nicht kauften durch Drangabe von Hab und Gut, sondern es gleichsam erstürmten mit dem Schwerte in der Hand und mit ihrem eigenen Herzblute.
Es ist aber das Höchste, was der Mensch an Widerstandskraft leisten kann, und deshalb wird das Martyrium auch als der höchste Akt des Starkmutes und der Liebe bezeichnet, wie der göttliche Heiland selbst sagt: "Eine größere Liebe hat niemand, als der sein Leben läßt für seinen Freund." (Joh. 15,13.)
So ein Beispiel leuchtenden Mutes muß kräftigend und anspornend wirken und die Feinde mit Furcht und Schrecken schlagen. So eine Tat ist oft mehr wert als ein ganzes Leben.
Um aber diese Gabe kräftigen zu können, müssen wir unsere Selbstsucht abzutöten suchen d. h. unsere Sinnlichkeit und Eitelkeit, weil die Furchtsamkeit gewöhnlich da ihre Wurzeln hat. Sich selbst absterben ist die beste Vorbereitung zur Furchtlosigkeit. Beten wir mit Gottvertrauen zum Heiligen Geist um den Starkmut; diese Gabe hat die Apostel und Martyrer gestärkt, sie sei auch für uns der Weg zu Sieg und Triumph in alle Ewigkeit!
Der Heilige Geist nimmt aus dem heiligsten Herzen Jesu das geistige Mark, die Kraft und Stärke und den Heldenmut, den wahrhaft "starken Geist" und bei der Taufe legt er ihn in die Herzen der Christen. Diesen starken Geist hat der Heilige Geist auch aus Christi Herzen in das Herz der seligen Maria Margareta Alacoque gelegt. Und weil sie als Kind und Jungfrau fromm war, und durch Gebet und Sakrament und ernsten Willen diese edle Gabe des Heiligen Geistes nährte und pflegte, so ist diese Stärke und Kraft mit ihr aufgewachsen und immer haltbarer geworden. So ist es gekommen, daß sie die ungewöhnlich großen Leiden hat geduldig und starkmütig und christlich ertragen können. Es ist auch an ihr das Wort Christi wahr geworden: "Der Heilige Geist wird von dem Meinigen nehmen und euch geben" und so "mich verherrlichen." Es leuchtet aus Margaretas starkem Herzen das göttlich starke Herz Jesu heraus.
Von dem starken Gottesherzen durch den heiligen Geist hatte Margareta ein unbesiegbares, ganz männlich mutiges Herz erhalten. Mit dem Eintritt in den Orden begann ihr Weg zum Kreuze, an dem sie leben, leiden und langsam sterben sollte, angenagelt und festgehalten von dem dreifachen Ordensgelübde. Aber sie wankte nie unter diesem Kreuze.
Ahme die Vollkommenheit der Margareta nach, dann wird auch für dich der Heilige Geist den Geist der Stärke aus Jesu Herz nehmen und in das deine legen, damit du stark und unüberwindlich bleibst und nur Gott allein fürchtest. Dann brauchst du dich vor gar nichts mehr zu fürchten.
Die Gabe der Furcht Gottes
Unter Furcht Gottes verstehen wir hier mit vielen großen Gottesgelehrten die Ehrfurcht vor Gott, die in uns teils aus der Wahrnehmung unserer Geringfügigkeit und Nichtigkeit und teils in der lebhaften Auffassung der Größe Gottes steht. Diese Furcht ist ein Akt, der mit der Demut nahe verwandt ist. Diese Gabe unterstützt und vervollkommnet somit die Kardinaltugend der Mäßigkeit. Durch sie werden wir leicht beweglich und fügsam für alle Tugenden, die in der Mäßigkeit liegen und zu denen uns der Heilige Geist antreibt, wie da sind: Mäßigkeit in Speise und Trank, Keuschheit und Bescheidenheit. So unterscheidet sich auch die Gabe von allen andern Arten der heilsamen Furcht und von allen andern Tugenden und findet sich wirklich in Christus und in den Seligen.
Die Furcht betätigt sich namentlich in dem unmittelbaren Verkehr mit Gott durch das Gebet und durch gottesdienstliche Handlungen. Das Gegenteil dieser Gabe wäre eine gewisse Rücksichtslosigkeit, Unehrerbietigkeit infolge von Selbstüberschätzung oder Mangel an lebhafter Auffassung seiner Niedrigkeit und Armseligkeit.
Trotzdem die Gabe der Furcht nicht so erhaben ist, wie die anderen Gaben, so bildet sie dennoch das Fundament aller Gaben. Die Heilige Schrift bezeichnet die Gottesfurcht wiederholt als den Anfang (der Beginn) der Weisheit. Die Weisheit nämlich ordnet unser Leben nach den Anschauungen Gottes; das erste aber, was Gott fordert und fordern muß, ist, daß man ihm Ehrfurcht erweise, dann erst kommt die Liebe. Diese Ehrfurcht nun erweist Gott die Gabe der Furcht. Wie die Ehrfurcht vor Gott das Fundament der Weisheit ist, so die Unehrerbietigkeit gegen Gott der Anfang der Torheit, der Unbeständigkeit, Gottvergessenheit und Sünde. Die Furcht ist aber wirklich das Fundament aller andern Gaben, so wie die Demut das Fundament der Tugenden ist, und darin besteht ihre Notwendigkeit und Wichtigkeit. Das Fundament ist nicht das Zierlichste und Prächtigste am Bau, wohl aber das Festeste, Dauerhafteste und deshalb das Notwendigste.
Die Gottesfurcht treibt die Sünde aus dem Herzen; denn "wer Gott fürchtet, vernachlässigt nichts", sagt die Heilige Schrift (Sirach 7,19). Sie fällt wie ein Feuerfunken auf unsere Lässigkeit und Trägheit, schreckt uns auf und erhält uns im Eifer. Sie bereitet allen Tugenden den Weg, weil sie selbst Demut ist und leitet zum unablässigen Gebete an. Ernst, Mäßigkeit, Abtötung, Geduld, Selbsthaß und Kreuzestugend ziehen mit der Furcht Gottes ins Herz. Wie der Faden vermittelst der Nadel durch das Tuch dringt, so fädelt auch die Furcht die Tugenden ohne Mühe in unser Herz ein.
Neben dem Reichtum der Tugenden bringt uns die Furcht Gottes auch die Segnungen der Ruhe, der Zuversicht, der Freude und des Trostes. Im Buche Sirach 1,11 heißt es: "Die Furcht des Herrn ist Ehre, Ruhm und Freude." Dann erst, sagt der heilige Bernhard, fängt Gott uns zu schmecken an, wenn er dich mit Furcht erfüllt. Die Furcht ist Wohlgeschmack.
Die Gabe der Furcht ist besonders wichtig für die Zeit des Gebetes, wo man ja mit Gott persönlich verkehrt. In je nähere Beziehung der Mensch zu Gott tritt, um so notwendiger wird ihm der Besitz und die vollkommene Betätigung dieser Gabe, weil sie unsere Ehrfurcht vor Gott immer bewahren und steigern muß. Die selige Margareta Maria Alacoque war von so lebhaftem Gefühle der Gegenwart Gottes und seiner Größe durchdrungen, daß sie selbst ihre äußere Arbeit oft nur auf den Knieen zu verrichten wagte.
Wir müssen diese Gabe mit Ernst pflegen und den Heiligen Geist oft bitten, er möge sie uns vervollkommnen und ausbilden. Vor jedem Gebete sollen wir uns erst sammeln und überdenken, mit wem wir uns unterhalten wollen und während des Gebetes selbst uns einer großen äußeren Bescheidenheit befleißen. So wird sich auch die Ehrfurcht der Seele mitteilen.
Das herrlichste Vorbild kindlicher Ehrfurcht vor Gott ist das hochheiligste Herz Jesu. Wie liebreich und edel und achtungsvoll Jesus von seinem Vater mit den Menschen redet, siehst du zum Beispiel in der Bergpredigt. Wie er aber mit seinem Vater redet, magst du sehen dort draußen im Ölgarten. Er betet, er hat seine beiden Knie gebogen, ja er legt sich mit seinem Angesichte zur Erde nieder, und redet mit seinem Vater so demütlich, daß der heilige Paulus ausdrücklich berichtet, Christus sei erhört worden wegen seiner Ehrfurcht. Es hat eben niemand, selbst der oberste der Engel, keine solche Erkenntnis von der Majestät und Hoheit Gottes, wie sein Sohn; und darum verdemütigt sich niemand so tief vor ihm wie Christus.
Wer aber aus der unerschöpflichen Tiefe des heiligsten Herzens Jesu solche Ehrfurcht in die Herzen frommer Christen hinüberleitet, das ist eben der Heilige Geist. Er nimmt von Christus, der voll Gnade und Wahrheit ist, und gibt es den Seinigen und so gereicht die Ehrfurcht der Kinder Gottes dem Herzen des Sohnes Gottes zur Verherrlichung; sie ist der Wiederschein seiner eignen kindlichen Liebe in ihren Herzen.
Weil das heiligste Herz Jesu eine so kindliche Ehrfurcht vor seinem himmlischen Vater hat, hat es auch einen tiefen Abscheu vor der Sünde, die es in Leiden und in den Tod drängen. Sieh das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünden der Welt!
Der Heiland will, daß alle die Seinigen, wie er selber, einen recht heftigen Abscheu haben vor dem, was seinem und ihrem Vater das Allerwiderlichste ist, vor der Sünde. Und wo man ihm das Herz auftut, läßt er auch durch den Heiligen Geist aus seinem Herzen solchen Abscheu nehmen und hineinlegen.
In Neapel war ein junger Advokat. Der führte einmal einen Prozeß und da geschah es, daß er als Verteidiger eine kleine Lüge sagte. Darüber ist er so erschrocken und betrübt worden, daß er seine Advokatenstelle niederlegte und Geistlicher und später Bischof wurde. Das ist der große Heilige Alfons von Liguori. Wenn wir die unzähligen heiligen Martyrer betrachten, die sich mit freiem und freudigem Willen martern ließen, da scheint uns aus ihrem Herzen die Freudigkeit des Herzens Jesu wieder, das sein bitteres Leiden und den grausamsten Tod willig annimmt aus lauter Abscheu vor der Sünde. Der Martertod der Heiligen verherrlicht Christi Herz und ist ein Loblied und Preisgesang auf seine kindliche Ehrfurcht vor seinem Vater. Und es ist der Heilige Geist gewesen, der aus dem überreichen Herzen Christi genommen und diesen Christen Licht und Feuer ins Herz gelegt; Licht, daß sie die Abscheulichkeit der Sünde lebhaft erkannt haben; Feuer und Liebesglut, daß sie die Sünde um jeden Preis von sich abgewehrt haben.
Die Gabe der Frömmigkeit
Eine der schönsten und erhabensten unter allen Gaben ist die der Frömmigkeit.
Wir verstehen unter Frömmigkeit (Pietät) hier die Liebe, die wir Gott schuldig sind. Sie gibt uns die Neigung und Fertigkeit, Gott zu ehren als unsern Vater. Im weiteren Sinne ist Gegenstand dieser Gabe jeder Akt der Gerechtigkeit gegen Gott und den Nächsten, sofern er aus kindlicher Zuneigung gegen Gott geübt wird. So macht uns die Gabe der Frömmigkeit geneigt, alle Pflichten der Gerechtigkeit zu üben und so den Anforderungen der Kardinaltugend desselben Namens zu entsprechen.
Als Betätigung dieser Gabe können wir näher bezeichnen: 1. die Neigung, Gott als unsern Vater zu betrachten, mit ihm kindlich zu verkehren, den Umgang mit ihm durch Gebet zu suchen und zu pflegen, seine Gebote mit kindlicher Ehrfurcht zu beobachten und uns kindlich in seine Anordnungen zu schicken; 2. die Liebe und Andacht zu den Heiligen, indem wie sie ansehen als unsre verklärten Brüder und Schwestern; 3. die kindliche Ehfurcht und Liebe gegen unsre heilige Kirche, weil sie Gottes Stelle an uns vertritt und unsre geistliche Mutter ist; 4. die Ehrfurcht vor allen Religions- und Kultusgegenständen und Übungen; alle Pflichterfüllung gegen unsere Mitmenschen, insofern sie als Kinder Gottes und unsere Brüder in Christus angesehen werden.
Es gehört zu dieser Gabe ein gewisser Geist der Milde, Güte, des Mitleids, eine gewisse Gesinnung des Wohlwollens, der Seelenruhe und Salbung, die aus der Liebe entstehen.
Das Gegenteil dieser Gabe hingegen ist ein gewisser unkindlicher Geist gegen Gott, der sich dadurch äußert, daß man das Gebet nicht schätzt und liebt, sondern vernachlässigt, daß man sich nur schwer und mit Widerwillen in Gottes Anordnungen schickt; ferner ein Geist der Unandacht und Frivolität, mit dem man geistliche und kirchliche Gegenstände, die Heilige Schrift ect. ansieht, bespricht und behandelt, dann eine gewisse Dürre und Härte des Herzens, die kein Mitgefühl mit dem Leiden und Unglück des Nächsten fühlt, mit Ärger seine Mängel und Fehler erträgt, gegen sich selbst voll Empfindsamkeit ist, gegen den Nebenmenschen aber voll Abneigung, Trockenheit und Bitterkeit, gerade, wie der heilige Paulus schreibt: "Es wird Menschen geben, die sich selbst lieben, stolz sind, ungehorsam gegen die Eltern, undankbar, ohne Mitleid, ohne Frieden und Wohlwollen, unduldsam."
Es gibt kaum etwas, das dem Charakter des Christentums so entspricht, wie der Geist dieser Gabe. Durch den göttlichen Heiland und durch die Erhebung zum übernatürlichen Zustande sind wir ja wirklich Kinder Gottes und bilden so mit allen, die in diese Kindschaft aufgenommen sind, eine große besondere Gottesfamilie. Was kann nun diesem Zustande mehr entsprechen, als der Geist der kindlichen Liebe gegen Gott und der Brüderlichkeit gegen die Mitmenschen? Es ist der Geist der Kindlichkeit gerade das unterscheidende Merkmal des Christentums. Gott will unser Vater sein und wir sollen seine Kinder sein und ihn als Vater ansehen und behandeln.
Die Gabe der Frömmigkeit bewirkt, daß wir uns vertrauend und liebend auf unsern himmlischen Vater stützen, nichts wird uns schwer und lästig in seinem Dienste, alles nehmen wir mit Geduld, Liebe und Freude auf, weil wir wissen, daß es von einem weisen und gütigen Vater kommt; wie von selbst fangen wir an, für ihn zu leben und für seine Ehre zu eifern.
Die Nebenmenschen schätzen wir hoch. Ihre Bedürfnisse, Leiden und Freuden sind die unsrigen, wir trösten und helfen, wo wir können; wir sind gute Geschwister, liebevoll und liebenswürdig. Zu den Nächsten gehören auch die Heiligen und die Armen Seelen. Auch zu ihnen neigt sich unser Herz voll Verehrung, Liebe und Mitleid, und das um so mehr, je näher sie Gott stehen.
Mit dieser Gabe ausgerüstet, fühlen wir uns wohl, zuhause bei Gott, unserm Vater. Voll kindlichen Vertrauens auf die Güte und Barmherzigkeit Gottes leben wir in Ruhe wegen unsrer begangenen und gebüßten Sünden. Der kindliche Geist der Frömmigkeit bewahrt uns auch am sichersten vor künftigen Sünden. Wir sind der Sünde um so ferner, je gefestigeter wir in der Liebe sind.
Die Pflege dieser Gabe führt uns zur Vollkommenheit, indem uns das erforderliche Gebet leicht und lieb wird, wenn wir gelernt haben, mit Gott kindlichen Umgang zu pflegen; die Frömmigkeit gibt uns Mut, Zuversicht, Opferwilligkeit und Großmut; sie läßt uns Kreuz und Leiden geduldig und freudig ertragen, weil wir in allem das Walten eines liebenden Vaters sehen. Diese Gabe gibt den Reichen ein wohlwollendes Herz, sie macht die Gelehrten kindlich und demütig und Gott wohlgefällig. Sie wird uns vor Skrupeln und Ängstlichkeit immer mehr bewahren; denn dem kindlichen Geiste widersteht nichts mehr, als das ängstliche, argwöhnische Wesen gegen Gott.
Groß und tief und weit wie das Weltmeer ist Christi Herz und die Liebe zu seinem Vater und zu seiner Mutter und zu seinen Brüdern, den Menschen. Die Gabe der Frömmigkeit blühte und sproßte in vorzüglicher Weise im heiligsten Herzen Jesu. Und der Heilige Geist legt sie in die Herzen der Frommen aus dem Herzen Christi. Alle Heiligen haben diesen Geist der Pietät besessen.
Wer ihn im Herzen hat, glüht für den Gottmenschen Jesus Christus. Der Heilige Geist aber ist es, der die große und innige Liebe und Andacht zum heiligsten Herzen in die Herzen der Gläubigen legt.
Der Heilige Geist verbindet auch durch das Gebetsapostolat die Herzen aller so innig, daß Tausende für ein armes Mütterlein, eine arme Magd beten.
Ja, es ist lieblich und freundlich, schön und selig, zur Familie Gottes zu gehören, sich von Gott und Christus, von Maria und allen Heiligen und von allen guten Christen geliebt zu wissen.
Das ist ein sicheres Kennzeichen, daß wir in der wahren Kirche Christi sind, weil der Geist des heiligsten Herzens Jesu, der edle Familiengeist in ihr waltet. "Daran wird man erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr euch einander liebet, wie ich euch geliebt habe!", sagt Christus.
(entnommen aus: Das Goldene Herz-Jesu-Buch, von Anton Steeger, Imprimatur 1909)