- Gottes enge Pforte -

Gott Vater gibt der Welt seinen Sohn




Wir kommen zu dem wunderbarsten Werk, das die allerheiligste Dreifaltigkeit jemals gewirkt hat, nämlich zu der Menschwerdung unseres Herrn Jesu Christi. Dieses Werk ist so erhaben: es mögen alle Auserwählten Gottes in Ewigkeit über diese Tiefe dieses Werkes nachsinnen, sie werden doch niemals auf den Grund kommen. Dieses Werk ist so hochwürdig, daß sich alle Knie davor beugen sollen im Himmel und auf Erden. Zur Bezeugung dessen hat die katholische Kirche einen ehrwürdigen Brauch. Wenn man nämlich in der heiligen Messe die Worte spricht: Et incarnatus est de Spiritu Sancto, er ist Mensch geworden vom Heiligen Geiste aus Maria der Jungfrau, und wiederum: Et Verbum caro factum est, und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, dann beugt der Priester samt allen anderen das Knie, um anzuzeigen, dies Geheimnis sei so hochheilig, daß sich alle Menschen zur Verehrung bis in den Abgrund beugen sollten. Es ist aber dies Werk auch so lieb- und gnadenreich, daß alle Heiligen in Ewigkeit Gott nicht genug danken können für die unendliche Liebe, die ihn bewogen hat, seinen Sohn in die Welt zu schicken.

Jesus Christus spricht von diesem Geheimnis: Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingebornen Sohn hingab. Und Sankt Paulus schreibt: Er hat selbst seines eingebornen Sohnes nicht geschont, sondern ihn für uns alle hingegeben. O wenn jemand damals in das Herz Gottes des Vaters hätte sehen können, wie es zu jener Stunde, da er seinen Sohn in diese Welt senden wollte, vor heiliger Liebe zu unserem Heile brannte, was für eine wunderbare Flamme der Liebe würde er gesehen haben. O Mensch, bedenke diese Liebe deines Gottes und erwäge dieses Werk. Gott der Vater hat nichts Kostbareres, nichts Lieberes und Wohlgefälligeres als seinen Sohn. Nichts Köstlicheres, denn der ist so viel wert, als Gott der Vater selbst, weil er ja mit ihm von gleicher Wesenheit, somit von unendlichem Wert ist. Nichts Lieberes, da er jener geliebteste Sohn ist, den er aus sich selbst geboren hat, darum mit unendlicher Liebe liebt. Und nichts Wohlgefälligeres, weil er in ihm alle seine eigenen Vollkommenheiten wie in einem lebendigen Spiegel sieht und somit sein unendliches Wohlgefallen an ihm haben muß. Dennoch hat der Vater so große Liebe zu uns, daß er lieber diesen so edeln und angenehmen Sohn in die Welt senden, als uns noch länger im Elend schmachten lassen will. Er will ihn nicht nur in die Welt senden, sondern uns gänzlich schenken, auf daß er unser sei, und alles, was er besitzt und erwerben wird, uns gehören möge. Ja er soll uns mit seinem kostbaren Blute erlösen und den allerbittersten Tod für uns leiden. Obschon ihm eigentlich an unserm Heil nichts hätte zu liegen brauchen, weil wir ja seine ärgsten Feinde waren, von denen er nicht den mindesten Dank hoffen konnte, sondern vielmehr die größte Schmach zu erwarten hatte: seine Liebe war dennoch so groß, daß er dies alles nicht achtete und uns doch seinen Sohn senden wollte.

Gott der Vater sprach daher zu seinem Sohne: Mein Sohn, du hast von Ewigkeit in meinem Schoße geruht, sieh, die Zeit ist nun gekommen, mache dich auf und steige hinab in die Welt. Du weißt zwar, ich bin dir mit unendlicher Liebe zugetan; doch es dauern mich die Menschen so sehr: ich kann ihr Elend nicht länger mitansehen. Weil es kein besseres Mittel gibt, ihnen zu helfen, als durch dich, so geh denn hinab und komme den Verlassenen zu Hilfe. Wenn es dir schon sehr übel ergehen wird und du von den undankbaren Menschen die schmählichste Behandlung wirst erdulden müssen, so will ich dies doch lieber sehen, als die armen Sünder ewig verderben lassen. - Wer hat wohl je einmal so etwas gehört, oder wer kann sich über diese große Liebe genugsam verwundern? O unergründliche Liebe, o unschätzbare Liebe, o Liebe, die allen Verstand übersteigt. Wie wahr spricht der heilige Paulus: Gott, der reich ist an Erbarmung, hat um seiner überaus großen Liebe willen, womit er uns liebte, seinen Sohn in diese Welt gesandt. Denke daran, o Mensch, wie du dieses vergelten und Gott dankbar genug sein mögest. Mit nichts läßt sich die Liebe Gottes würdig bezahlen als mit Gegenliebe. Darum befleiße dich, deinen Gott würdig zu lieben und ihm für diese Wohltat zu danken, indem du sprichst:

 


 

O liebreichster Gott, wie groß ist deine Güte, wie unschätzbar die Gabe, die du uns schenkst. Wenn ein Mensch ein freundlich Wort mit mir spricht und mir aus Liebe eine Kleinigkeit schenkt, so kann er alsogleich mein Herz gewinnen. Siehe, du redest mir ohne Unterlaß durch deinen Propheten das freundliche Wort zu: Mit ewiger Liebe liebe ich dich; darum erbarme ich mich dein und zieh dich zu mir; Is. 31,3: Du hast mir nicht eine geringe, sondern die allerköstlichste Gabe gegeben, mehr als tausend Himmel wert. Soll mir denn dies so liebe Wort und diese so unschätzbare Gabe nicht das Herz abgewinnen können? Wenn ich schon in Ewigkeit dir mit allen Stimmen und Herzen das Lob und den Dank aller Kreaturen verkündete, so könnte ich dir doch nicht den mindesten Teil dieser Liebe vergelten. O Herr, so will ich dir denn so vielmal danken, als ich in Ewigkeit vermag. Ich liebe dich vom Grunde meines Herzens und will mich bestreben, dich täglich mehr zu lieben.  Amen.

 

Als Gott der Vater also den Sohn anredete, was glaubst du wohl, daß dieser geantwortet haben wird? Er hätte gleichsam sagen können: Mein liebster Vater, dein Begehren ist sehr groß. Du sendest mich in die Welt, damit ich die Sünder erlösen soll: ich aber sage dir, daß daraus ein großes Übel und viele schwere Sünden entstehen werden. Denn wenn ich sie erlösen soll, so werden mich ja die Menschen töten und dir das größte Herzeleid, mir die größte Ungerechtigkeit, sich selbst aber den allergrößten Schaden zufügen. Oder sollte es für dich nicht das größte Leid sein, wenn dir dein einziger, allerliebster Sohn unschuldig und so schmerzlich getötet würde? Sollte ich das zugeben und selbst die Ursache sein dürfen, daß dir solches Weh und so unendliche Schmach angetan werde? Es ist doch viel besser, daß die nach Gerechtigkeit gestraft werden, die die Hölle selbst verschuldet, als daß der wider alle Gerechtigkeit sollte ermordet werden, der nichts verschuldet hat. Ist dir denn, o Vater, mehr an der Welt gelegen als an deinem Sohn? Liebst du die Menschen mehr als dein einziges Kind? Gedenke, o Vater, was du tust, daß du mich Unschuldigen gleichsam von dir stoßest und in das Elend hinausschickest! Denn die Menschen werden mich nicht mit Freundlichkeit und Ehre aufnehmen, sondern aufs ärgste mißhandeln, beschimpfen und töten. Zudem werde ich dadurch weder größere Ehre noch Seligkeit erlangen, weil ich ja mit dir unendliche und höchste Ehre und Seligkeit teile. Auch wird dies wohl einem großen Teil der Menschen nicht allein keinen Nutzen, sondern am Ende gar noch größere Verdammnis bringen. Viele werden meinen Glauben nicht annehmen. Viele andere werden ihn zwar annehmen, allein durch Irrlehren verfälschen, oder durch ihre Lauigkeit mich mehr betrüben als erfreuen. Nur wenige werden zu finden sein, die mich von ganzem Herzen lieben und mir in allem nachfolgen. Sollte ich nun wirklich um der undankbaren Menschen willen eine so schwere Last auf mich nehmen und mich so großen Verunehrungen aussetzen?

Dieses alles und noch viel mehr hätte Christus, der Sohn Gottes, seinem Vater antworten und sich billigerweise dem Gehorsam entziehen können; aber nein, so wollte er nicht handeln, sondern er nahm den schwersten Gehorsam auf sich und kam mit fröhlichem Gemüte auf die Erde herab. Siehe hier ein Beispiel eines so großen Gehorsams und einer solchen Liebe, daß es mit keinen Lobsprüchen gepriesen werden kann. Wenn dich dieses Beispiel nicht zur Liebe antreibt, was soll dich dann noch dazu bewegen? Darum ermuntere dich, Christo nachzufolgen, danke ihm für diese unaussprechliche Liebe.

 

 
Anmutung zu Jesus Christus

Mein liebster Jesus, wenn ich diese deine Liebe zu unserem Heile und deinen schweren Gehorsam gegen deinen Vater bei mir betrachte, so weiß ich nicht, was ich denken oder sagen soll. O mein Jesu, ist denn deine Liebe wirklich so groß, daß du lieber alles Ungemach erdulden, als uns arme Erdenwürmlein verlassen willst? Ist denn dein Gehorsam so groß, daß du auch mit Verlust deiner Ehre, ja mit Verlust deines Lebens ihn erfüllen willst? Wie sehr beschämst du mich. Wenn mir etwas, das nur ein wenig beschwerlich ist, auferlegt wird, o wie ungern tue ich es alsdann. Wenn mir etwas, das wider meine Ehre wäre, auferlegt würde, was würde ich tun? Ach, ich meine gleich, ich sei nicht schuldig, einen solchen Gehorsam zu üben. Wenn du, o Jesu, so gehandelt hättest, so wäre ich nimmer erlöst worden, sondern ewig verloren gegangen. Aber, Herr, nach deinem Beispiel nehme ich mir kräftig vor, künftig gehorsamer zu sein. So oft mir etwas auferlegt wird, will ich an deinen beschwerlichen Gehorsam denken und ihm zu Ehren das auferlegte Werk verrichten. Dazu gib mir deine göttliche Gnade.  Amen.

 

 

Christus kommt vom Himmel herab

Wir haben jetzt ein hohes Geheimnis zu betrachten. Die katholische Kirche erkennt dessen große Wohltat an mit besonderem Dank, da sie fast täglich im Credo der heiligen Messe von Christo spricht: Er ist wegen uns Menschen und um unseres Heiles willen vom Himmel herabgestiegen. O Menschen, bedenket wohl, was der Sohn Gottes für ein Werk vollbracht hat, daß er uns zu lieb und um unseres Heiles willen, weil wir sonst verloren gegangen wären, von dem hohen Himmel, diesem goldenen Palast seines Vaters, herabstieg in unser Jammertal. Gedenke, o Christ, wie sich Jesus so freiwillig diesem Elend unterwarf und mit freudigem Herzen dies große Werk vollbrachte. Denn Jesus erhob sich fröhlich aus dem Schoß seines himmlischen Vaters und sprach also zu ihm:

Herzliebster Vater, weil es denn dein göttlicher Wille ist, daß ich Mensch werden soll, so bin ichs auch von Herzen zufrieden. Wiewohl es ein überaus schweres Werk ist und wiewohl ich sehr viel Elend werde leiden müssen, will ich dir dennoch folgen und deinen göttlichen Willen vollkommen erfüllen. Ich will auf die Erde hinabsteigen und das menschliche Fleisch annehmen; ich will die Sünden der Menschen auch mich nehmen und für sie alle nach dem Maße deiner strengen Gerechtigkeit Genugtuung leisten. Ich will Hunger und Durst, Hitze und Kälte, Armut und Elend, Verfolgung und Verspottung, Marter und Peinen, ja den allerschmerzlichsten und schmählichsten Tod des Kreuzes gern leiden, damit ich all die Schmach sühne, die dir von Anfang der Welt ist angetan worden, damit ich die Unbill abtrage, die dir künftig noch soll angetan werden. Siehe, ich gehe hin in die Welt, von der ich weiß, daß mir alles Übel in ihr widerfahren wird. Ich gehe hin, die vom Tode zu erlösen, die mir aus lauter Haß den allerbittersten Tod antun werden. Ich gehe hin, denen Gutes zu tun, von denen mir alles Übel wird zugefügt werden. Ich gehe hin in den Streit mit fünf grimmigen Feinden: mit der Welt, mit dem Fleische, mit der Sünde, mit dem Tod und mit dem leidigen Satan muß den Krieg ich führen. Siehe, ich, dein eingeborner Sohn, gehe hin zu sterben und mein edles Leben am schmählichen Kreuze zu lassen. Dennoch tue ich dies alles dir und den armen Sündern zu lieb, und zwar von Herzen gern, damit ich deinen Willen erfülle und die armen Sünder von der Hölle erlöse. Eja dann, o lieber Vater, eja, du lieber Heiliger Geist, ade, meine heiligen Engel: ich zieh aus dem Vaterland ins Elend, ich geh von meinem göttlichen Thron an das schmähliche Kreuz. Sag, was glaubst du wohl, daß Gott der Vater und der Heilige Geist samt den neun Chören der Engel werden gedacht und gesagt haben, als der liebe Sohn diese Worte sprach? Hätten sie leiden können wie wir Menschen, wären ihnen nicht allein die Augen übergeschossen, sondern ihre liebreichen Herzen hätten sich müssen umwenden vor Mitleid: denn der edelste eingeborne Sohn sprach so beweglich, daß der ganze Himmel hätte müssen in Trauer geraten.

Und du, o Mensch, der du unbezweifelt glaubst, daß Christus dir zu lieb vom Himmel herabgestiegen und freiwillig in so großes Elend gegangen sei, was denkst du wohl hievon? Wird dein Herz nicht zum Mitleid bewegt, indem du hörst, wie dein Gott so viel leiden muß und alles freiwillig erduldet, um dich zu erlösen? Was leidest wohl du für Gott, um seine Ehre zu befördern und deinen Dank ihm zu bezeigen? Was hast du bisher für deinen Gott gelitten und mit welchem Herzen? Wohlan, so nimm dir jetzt vor, zu erstatten, was du versäumt hast, und wenn sich eine Gelegenheit zum Leiden ergibt, so sprich bei dir selbst: Mein Gott hat noch mehr für mich gelitten, als ich für ihn leide.

Endlich kam der glückselige Augenblick, da Gott seine alten Verheißungen erfüllen und dem heißen Verlangen der lieben Altväter willfahren wollte. Die Altväter hatten ja so viele Jahre mit dem Propheten Isaias gerufen: Ihr Himmel, tauet von oben herab, und ihr Wolken, regnet den Gerechten. Sie hatten mit David geweint: Herr, neige deine Himmel und steige herab. Dies sollte jetzt in Erfüllung gehen. Denn eben in der glückseligen Nacht der Verkündigung Mariä, und zwar um Mitternacht, geschah dieses große Geheimnis, wie die Heilige Schrift sagt: Als sich tiefes Schweigen über alles verbreitete und die Nacht in der Mitte ihres Laufes war, da kam dein allmächtiges Wort vom Himmel vom königlichen Throne. Weish. 18,14.15.  Wer vermöchte zu beschreiben, mit welcher Liebe und Begierde, uns zu helfen, der liebliche Sohn Gottes vom Himmel ausgegangen sei, diesen weiten Weg zu machen? Man kann wohl sagen, ob er schon auf Erden viel weite und viele beschwerliche Wege und Reisen getan hat: so hat er gleichwohl keinen weitern und keinen beschwerlicheren Weg getan als diesen. Die Sternseher sagen, schon von der Sonne bis auf die Erde seien es sicher zwanzig Millionen deutsche Meilen. Nun bedenke, welchen ungeheuren weiten Weg der Sohn Gottes damals um deines Heiles willen zurückgelegt habe. Natürlicherweise davon zu reden, mußte der Gang ihm sehr beschwerlich sein: denn der minnigliche zarte Sohn reiste aus dem Vaterland in das Tal der Zähren und aus den höchsten Freuden in das tiefste Leiden. Dennoch verrichtete er diese weite Fahrt mit größter Lust seines Herzens. David spricht hievon, er sei hervorgegangen wie ein Bräutigam aus seiner Kammer, frohlockend wie ein Held zu laufen den Weg: sein Ausgang ist vom äußersten Himmel. Siehe Ps. 18.

Er wollte damit gleichsam sagen: da der Sohn Gottes vom Himmel auf die Erde herabsteigen wollte, war er so schön und so fröhlich wie ein Bräutigam, der zu Hochzeit gehen will, und er unternahm eine Fahrt so hurtig wie ein reisiger Held. Warum aber mag er so fröhlich gewesen und so eilig ausgezogen sein, als eben darum, um uns nur bald zur Hilfe zu kommen und uns von der Knechtschaft Satans frei zu machen? O wer gesehen hätte, wie sein Herz von Liebe brannte, als er vom Himmel herabstieg, wie müßte dieses Feuer auch ihn entzündet haben. Denn Christus war so voll Begierde, uns zu helfen, daß er durch Feuer und Flammen und durch tausend Schwerter und Martern gegangen wäre, um uns zu retten.

Darum stelle dir vor, als ob der Heiland zu dir spräche: Siehe meine Seele, wie begierig ich nach deinem Heile bin und mit welcher Liebe ich eile, dir zu helfen. Es liegt mir dein Heil so sehr am Herzen, als ob meine eigene Wohlfahrt davon abhinge; denn ich will lieber, daß mir alles Ungemach widerfahre, als daß du etwas Übles erduldest. Bei meinem Herabsteigen vom Himmel habe ich deiner gerade so gedacht, als wär ich nur für dich allein so weit gegangen, wie ich denn auch gekommen wäre, wenn nur du allein in der Welt gelebt hättest. Ja, so sehr lieb ich dich. Wie aber liebst du mich? Was tust du für mich, der ich so viel für dich getan? Glaubst du nicht, daß es meinem Herzen wehe tut, wenn du dieser meiner Liebe so wenig gedenkst und in deiner Liebe so lau und kalt bist, daß du nicht das Mindeste für mich leiden willst?

 

Danksagung zu Christo

O gütigster Jesu, wie groß ist deine Liebe gegen das arme Menschengeschlecht. Was hast du uns von nöten oder was von uns je zu hoffen gehabt, daß du dich so gern entäußern, die Gestalt eines Knechtes hast annehmen und alle menschliche Gebrechlichkeit auf dich laden wollen? Du hast wohl gewußt. daß dir viel tausend Menschen anstatt der Dankbarkeit nur alle Schmach würden zufügen. Dennoch ist deine Liebe so groß, daß du denen willst Gutes tun, die deiner Guttat nicht würdig sind. Ich danke dir, o Herr, für deine große Liebe und begehre dir in Ewigkeit Dank dafür zu sagen. O laß deine unendliche Liebe mein Herz durchdringen; denn mit nichts kann ich dir deine Liebe vergelten, als wenn ich dich von ganzem Herzen liebe. Darum will ich dich lieben, und davon soll mich kein Geschöpf abhalten. Gib, o Jesu, daß ich dich liebe und in deiner Liebe immerdar zunehme.  Amen.

 

 

Wie Gott Mensch geworden ist

Als nun das Wort des himmlischen Vaters, der Sohn Gottes, die Menschheit annehmen sollte, da war es nötig, daß ihm der Heilige Geist eine würdige Wohnung im Schoße Mariä zubereite, worin er sanft ruhen möchte. Von dieser Vorbereitung sagt die Kirche in einem Gebet also: Allmächtiger, ewiger Gott, der du den Leib und die Seele der glorreichen Jungfrau und Mutter Maria zu einer würdigen Wohnung deines Sohnes durch die Mitwirkung des Heiligen Geistes zubereitet hast.

O Gott, was muß wohl das für eine Zubereitung gewesen sein, als der Heilige Geist selber den Leib und die Seele der allerseligsten Jungfrau Maria also zubereitete, daß sie eine Wohnung wurde, ganz wie geschaffen, nicht allein Gott in sich aufzunehmen, sondern ihm auch die Menschheit mitzuteilen. Es war Maria zwar vom ersten Augenblick ihrer Empfängnis an ganz rein und tugendsam, und sie hatte in dieser Vollkommenheit beständig zugenommen; dessen ungeachtet aber wollte der Heilige Geist die seligste Jungfrau doch noch mehr mit Tugenden schmücken, so zwar, daß dergleichen Heiligkeit, außer in Gott, nicht zu finden war. O Gott, wie rein, wie schön, wie tugendreich wird also damals Maria geworden sein, als ihr der Heilige Geist solche Zierde und Herrlichkeit mitteilte, als nur immer ein bloßes Geschöpf empfangen und in sich begreifen kann. Hier wurden die Worte Davids erfüllt: Der Allerhöchste heiligt seine Wohnung. Ps. 45,5. Und es geschah, wie Gabriel versprochen hatte: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Allerhöchsten wird dich überschatten.

Der Heilige Geist kam nicht allein über sie, sondern auch in sie und erfüllte sie mit seiner Gottheit so gänzlich, daß sie kein Mensch mehr, sondern ein Engel zu sein schien. Ihr Geist war ganz entzückt und wie in Gott umgestaltet, ihr Gedächtnis war mit lauter heiligen Gedanken und himmlischen Vorstellungen erfüllt; ihr Verstand war ganz hell erleuchtet für die Erkenntnis der göttlichen Dinge. Ihr Herz brannte so sehr vor Liebe, daß es zu vergehen schien. Ihr Antlitz glänzte wie ein Stern. Kurz, alles an ihr war himmlisch, und wenn die Kraft des Allerhöchsten sie nicht überschattet hätte, so hätte sie vor Wonne vergehen müssen.

Nun komm, o Seele, und beherzige das größte Wunder, das Gott jemals gewirkt, und wisse, daß er es um unseres Heiles willen vollbracht hat. Der Heilige Geist selber war der kunstreiche Meister dieses Werkes, und mußte die ganze Kunst seiner Allmacht darauf verwenden. Das heiligste Geblüt Mariä, so im Grund ihres Herzens lag, das war der Stoff, woraus dies Meisterwerk Gottes gebildet wurde. Und der Jungfrau hochwürdigster Leib war die Werkstatt, darin dies Wunder von Kunst zu stande kam. O wann du hättest mögen hineinsehen ins edelste Herz Mariä: o, wie bereitwillig war dies Herz, mit all seinen Kräften zu diesem Werke zu helfen, das Gott zur höchsten Ehre und den Menschen zum größten Heile gereichte. Da erfüllte denn der Heilige Geist das Herz Mariä mit besonderem Überfluß aller göttlichen Gnaden und erteilte ihr den höchsten Verstand des unergründlichen Geheimnisses, das er nicht durch den Dienst der Engel, sondern durch seine eigenen Hände wirken wollte. Und alsobald nahm Gott der Heilige Geist die drei alleredelsten Tropfen aus dem Grund ihres Herzens, verwandelte sie in Fleisch und Bein, und schuf daraus ein zartes Körperlein mit allen Gliedmaßen, wie ein vollkommener Mensch sie haben soll. Diesen jungen Leib begabte der Heilige Geist mit dem besten Gemüt und mit den schönsten Gliedmaßen, damit dies Werk ein lieblicher Tempel und ewiger Wohnsitz der Gottheit würde. O was war das für ein Haupt: es sollte ja ewig die höchsten Schätze bergen der Weisheit und Wissenschaft Gottes. Was war das für ein Herz: darin sollten ja ewig die höchsten Flammen der göttlichen Liebe brennen. O was waren dies für edle Glieder, die auf das vollkommenste der Menschen Heil wirken sollten. Welch ein Leib war es, mit dem die allerheiligste Dreifaltigkeit sollte vereinigt werden. O wie zart, wie schön und edel wird dieser Leib gewesen sein, da ja der Heilige Geist die höchste Kunst seiner göttlichen Allmacht an ihm erzeigen und ihn so bilden wollte, daß alle Heiligen in Ewigkeit diesen Leib anzuschauen nie sollten genug ersättigt werden können. Diesem Körper fehlte nichts mehr als die Leidensunfähigkeit und Unsterblichkeit, die ihm billig gebührt hätten, weil er ja mit der Gottheit selber sollte vereinigt werden. Diese aber wollte ihm der Heilige Geist nicht geben, weil dieser Leib sonst für uns nicht hätte leiden und sterben können. Ja damit er nur desto mehr leiden könnte, hat der Herr ihn so weich und zart geschaffen, daß ihm aller Einfluß von Hitze und Kälte, Hunger und Durst und harte Mißhandlung desto schmerzlicher möchte fallen.

Siehst du nun, worauf der Heilige Geist bedacht war, als er den heiligen Leib Christi bildete? Auf dein ewiges Heil und auf die größeren Verdienste, so dir Christus erwerben sollte. Er machte diesen Leib um so zarter, damit er alle Widerwärtigkeiten desto mehr empfinden sollte, und bildete ihn um so schöner, damit du in Ewigkeit desto mehr Freude hättest ihn anzuschauen. Erstaune daher über die unendliche Güte Gottes und danke dem Heiligen Geiste für dieses sein edelstes Werk.

Mit dem zartesten Leibe Christi nun war vom ersten Augenblick an auch die Seele vereinigt, die der Heilige Geist voll Herrlichkeit hiefür erschaffen. Wie edel nämlich diese Seele erschaffen worden, das können weder Engel noch Menschen erfassen, sondern Gott allein weiß und erkennt deren unergründliche Vollkommenheit, wie wir das bei Sirach in der Heiligen Schrift bezeugt finden, wenn er sagt: Wer hat die Weisheit Gottes ergründet, und wem ist sie offenbart worden? Einer ist der Allerhöchste, der allmächtige Schöpfer, der mächtige und sehr furchtbare König. Er erschuf sie durch den Heiligen Geist, er sah sie und zählte und maß sie. Ekkli. 1,7-9. Diese erschaffene Weisheit Gottes, muß man sagen, ist die Seele Christi, deren Vortrefflichkeit niemand als Gott allein kennt. Ja glaube mir, wenn die Seele Christi hätte noch edler sein können als sie in Wirklichkeit ist gemacht worden, so würde der Heilige Geist sie auch edler erschaffen haben: wenn sie einige Vorzüge in höherem Grad hätte können empfangen, so hätte ihr der Heilige Geist sie auch gegeben. Sobald nun diese Seele Christi in solch unergründlicher Vollkommenheit erschaffen war, im nämlichen Augenblick wurde sie mit dem zarten Leibe vereinigt. Auch vereinigte der Heilige Geist in selbigem Augenblick die Person des Sohnes Gottes mit diesem Leibe und dieser Seele, dergestalt, daß dieser Leib ein göttlicher Leib und diese Seele eine göttliche Seele wurde: jedoch waren diese drei nur eine Person, gleichwie dein Leib und deine Seele nur eine einzige Person ausmachen. Dies ist das größte Wunder, das Gott jemals gewirkt hat, da er zwei so unendlich weit voneinander geschiedene Dinge, wie die Menschheit und die Gottheit, also miteinander verband, daß nur eine Person daraus entstand. Überdies verwundern sich in alle Ewigkeit die Engel und die Heiligen, wie der unendliche Gott, den Himmel und Erde nicht fassen können, in einem so kleinen Leibe hat können eingeschlossen werden. Je weniger sie es aber zu begreifen vermögen, desto mehr werden sie sich vor Gott verdemütigen und bekennen, daß er größere Dinge tun kann, als sie begreifen mögen.

Also wurde um des Menschen willen der Unendliche endlich, der Unsterbliche sterblich, der Ewige zeitlich und der des Leidens Unfähige leidensfähig. Und damit dieses geschehen konnte, mußte Gott alle Ordnung verändern, das Höchste erniedrigen, das Größte klein und das Kleinste groß machen, er mußte den Herrn zum Knecht und den Knecht zum Herrn, den Menschen zu Gott, Gott aber zum Menschen machen. Ehre daher dieses hohe Geheimnis und sprich mit Andacht folgendes Gebet.

 


 
Gebet zu Ehren der Menschwerdung Christi

O hochwürdigste Menschheit Jesu Christi, ich wünsche dir Glück zu deinem gnadenvollen Eintritt in die Welt und heiße dich im Namen aller Kreaturen willkommen. Gedenke, du allerglückseligste Menschheit Christi, was für unendliche Ehre und Freude dir damals zu teil geworden, als du über alle Geschöpfe Gottes erhöht und mit der Gottheit in einer Person bist vereinigt worden. O was hast du dabei gedacht, was empfunden an Leib und Seele? Hast du dich wohl selber begreifen können? Und wie hat dein heiliges Herz das unendliche Feuer der göttlichen Liebe zu ertragen vermocht? In tiefster Demut meines Herzens bete ich euch an, du wahre Gottheit, du wahre Menschheit meines Herrn Jesu Christi, und wünsche euch Glück und Heil zu eurer glückseligsten Vereinigung. O mein Heiland, ich opfere dir auf alle Anbetung und Danksagung, wie die deine heilige Menschheit in der ersten Stunde ihrer Vermählung deiner Gottheit erzeigt hat, und in Vereinigung mit ihr opfere ich dir meinen Leib und meine Seele zu deinem ewigen Dienste.  Amen.

 

Sobald die Gottheit mit der Menschheit vereinigt war, da eröffnete der himmlische Vater die innersten Schätze seines göttlichen Herzens und teilte diesem Kindlein so viele Gaben mit, als seine Menschheit nur immer fassen konnte.

Die erste Gnade war die selige Anschauung der göttlichen Wesenheit. Denn im ersten Augenblick seiner Erschaffung hat dieses glückselige Kindlein die Gottheit klarer geschaut und herzlicher geliebt, als alle Heiligen miteinander sie schauen und lieben können. Die andere Gnade war eine unaussprechliche Reinigkeit, wodurch es nicht allein von der Erbsünde, sondern auch von allen wirklichen Sünden so ganz und gar befreit wurde, daß es nie eine Sünde oder einen Irrtum noch irgend eine Unvollkommenheit jemals sollte begehen können. Drittens gab Gott ihm den Überfluß aller Tugenden, und zwar in solchem Grade, daß nie kein Heiliger je so hoch gestiegen ist. Viertens gab er dem Knäblein die Gabe der Weisheit, daß es alle Kreaturen und ihre Kräfte unendlich besser erkennen konnte, als der König Salomo sie erkannt hat. Fünftens gab er ihm Gewalt, alle Wunder zu wirken, so viele, so große und auf welche Weise es nur immer wirken wollte. Sechstens gab der Vater dem Söhnlein die höchste Gewalt, Sünden zu vergeben, Sünder zu bekehren, Sakramente einzusetzen, neue Gebote zu geben und den Menschen alle Gnaden mitzuteilen. Endlich besaß dies Knäblein auch die höchste Herrschergewalt im Himmel und auf Erden, so daß es als ein wahrer König alles möchte regieren, anordnen, belohnen und strafen nach seinem Wohlgefallen.

Als nun das benedeite Kindlein die sieben unschätzbaren Gaben von der mildreichen Hand seines himmlischen Vaters empfangen hatte, da beugte es sich in tiefster Demut vor der Gottheit und betete sie mit solcher Ehrerbietung an, daß kein Mensch noch Engel dergleichen tun noch auch erkennen kann. Es dankte auch auf die edelste Weise der Gottheit, daß sie es so vortrefflich erschaffen und so wunderbar mit ihr in einer Person vereinigt hatte. Es erbot sich, alles zu tun und zu leiden, was ihm die Gottheit von Ewigkeit her zu tun und zu leiden bestimmt hätte. Es faßte auch eine so herzliche Liebe gegen alle Menschen, die ihm wegen seiner Menschennatur seine Brüder und Schwestern geworden waren, daß es ihnen mit allen seinen Kräften zu Hilfe zu kommen bereit war. Es hatte auch so ein herzliches Mitleid mit all denen, die in Kreuz und Leiden waren, daß es ihnen herzlich gerne das Kreuz abgenommen und sich selber auf die kleinen Schultern gelegt hätte. Besonders aber hatte es ein so unaussprechliches Mitleid mit den Armen Seelen in der Vorhölle und im Fegfeuer, daß es herzlich gerne alsbald den Tod zu ihrer Erlösung gelitten hätte. Darum fing das Knäblein schon damals an, Gott den Vater für alle diese, wie auch für alle in Sünde und Elend schmachtenden Menschen so inbrünstig zu bitten, daß es ihm sein väterliches Herz ganz verwundete. Kurz, dieses allerseligste Kindlein fing von Anbeginn seiner Erschaffung an, sich in allen Tugenden zu üben und jeden Augenblick zur Ehre Gottes zu verwenden, worin es auch bis zur letzten Stunde seines Lebens fortfuhr und nicht einen einzigen Augenblick von guten Gedanken und Werken abgelassen hat. Darum ehre andächtig dieses glückselige Kindlein und sprich folgenden Glückwunsch.

 


 
Glückwunsch zur Menschwerdung Gottes

O allerhochwürdigste Menschheit meines Herrn Jesu Christi, ich bete dich an in deiner Mutter Schoß, in tiefster Demut küsse ich deine kleinen Hände und Füße. O glückseligste Menschheit, wie hoch bist du der Gottheit verbunden, daß sie dich mit ihr in einer Person vereinigt und ohne dein Verdienst aus lauter Liebe so hoch begnadigt hat. Ich freue mich mit dir und danke zugleich mit dir der hochheiligen Dreifaltigkeit, daß sie dich mit so unschätzbaren Gaben bereichert hat. Freue dich und frohlocke, denn dir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Freue dich und frohlocke, denn du bist der wahre, glorwürdige Gott, der von Ewigkeit zu Ewigkeit in höchster Majestät und Herrlichkeit alles beherrscht und regiert. Ich nehme dich an als meinen rechtmäßigen Gott und Herrn und unterwerfe mich dir mit Leib und Seele, samt allem was ich bin und habe. So sei denn gegrüßt, du mein Gott und Herr, ich knie demütig dir zu Füßen und bitte inständig um deinen hilfreichen Beistand: komm aus deinem Überfluß meiner äußersten Dürftigkeit zu Hilfe und sprich mich gut bei deinem himmlischen Vater.  Amen.

 

 

(entnommen aus: Das Buch von der Schöpfung bis zum Himmelreich; von Pater Martinus von Kochem, Imprimatur 1911)

 


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