- Gottes enge Pforte -


Stellung und Bedeutung der Hl. Messe in der kath. Kirche



An den Opfern der Juden hatte Gott, der Herr, kein Wohlgefallen mehr. Durch das Blut von Böcken und Stieren konnte er mit der schuldbeladenen Menschheit nicht wahrhaftig versöhnt werden. Darum hat unser göttlicher Erlöser in seiner Vollgewalt als einziger und ewiger Hoherpriester des Neuen Bundes alle anderen Opfer als inhaltsleer, ungenügend und vergänglich aufgehoben und beim letzten Abendmahl das allein der göttlichen Majestät entsprechende, wohlgefällige und ewige Opfer eingesetzt, so dass es nur mehr eine Opfergabe in der Welt gibt, Gott zur Ehre und der Menschheit zum Heil und Frieden, nämlich die Opfergabe des Menschensohnes, der für die Sünden der Welt leidet und stirbt. Einmal wurde dieses ewige denkwürdige Schauspiel in schauerlicher, blutiger Wirklichkeit am Kreuzaltar auf Kalvaria gefeiert; es feiert aber seine unblutige Fortsetzung und beständig sich erneuernde Darstellung im hl. Messopfer auf den Altären der katholischen Kirche, in welchen sich der Speisesaal zu Jerusalem unzähligemal vervielfältigt.
Völker verrauschen, Namen verklingen, alles, was ist und lebt, sinkt in den Abgrund der Vergessenheit; das hl. Messopfer aber bleibt als das immerwährende Denkmal der alles besiegenden, sühnenden und hingebenden Heilandsliebe, als das Gedächtnis seines Todes, mit dem es identisch ist. - Ohne das hl. Messopfer gäbe es in der Kirche kein Priestertum und wäre sie nicht jene Anstalt, die gegründet worden ist, um die Menschheit bis ans Ende der Tage zu heiligen und zu entsündigen. 
 
 
Die Kirche ruht in gewissem Sinne auf dem hl. Messopfer. In ihm hat sie die sichere Bürgschaft, dass fortwährend ihr Bräutigam bei ihr sei, und sie besitzt das Unterpfand, dass sie nicht aufhöre bis ans Ende der Welt. Wie konnte auch der, welcher Tag für Tag auf Tausenden von Altären inmitten seiner Kirche sich voll unendlicher Liebe opfert, zulassen, dass diese seine Kirche als Heilanstalt jemals den finsteren Mächten der Hölle unterliege. Auch sind es nicht leere Worte, wenn das hl. Messopfer das "allerheiligste" Sakrament genannt wird; denn aus diesem fließen all jene Gnaden hervor, welche von der Kirche und in der Kirche in den übrigen Sakramenten und Sakramentalien vermittelt werden.
 
 
Mag es immerhin unmöglich sein, im einzelnen und genau das innere Verhältnis des Opfers zu den Sakramenten und Sakrametalien darzulegen, im allgemeinen und im großen ganzen dürfte unerschütterlich feststehen, dass ersteres und letzteres sich verhalte wie der Quell zu den Bächen und Bächlein, die er speist, wie das pulsierende Herz zu den Adern, durch welche das Lebensblut in alle Glieder des Leibes rinnt.
Das hl. Messopfer ist, so führt der hl. Vater Leo XIII. aus, der Abriss und Inbegriff der ganzen Religion, die wesentliche Form des Gottesdienstes, das wahre Band, das Himmel und Erde verbindet, das Prinzip aller Verherrlichung Gottes. Es ist das immerwährende und allgemeine Opfer, durch welches alle Kinder Gottes dem gemeinsamen Vater ihre Anbetung, ihre Danksagung, ihre Genugtuung und ihre Bitten darbringen. Hier ist treffend und schön der Wahrheit Ausdruck verliehen, dass die Opferfeier der tragende und belebende Mittelpunkt jeder wahren Gottesverehrung ist, dass sie das einizig vollkommene Mittel ist, um den Allerhöchsten wahrhaft und geziemend zu ehren. Sie verschafft dem einen, wahren Gott, dem Herrn, Vater und Schöpfer aller Dinge eine Huldigung und Verehrung, wie Millionen geschaffener Welten sie nicht zu leisten vermöchten. Der Lobpreis und Dank aller Geschöpfe, der irdischen und überirdischen, hat nur geschöpflichen, endlichen Wert. Im hl. Opfer kommt Christus der Herr unserer Schwachheit zu Hilfe, Er, der Gottes Größe vollkommen erkennt, Er, der Gott nicht verschuldet ist wie der Mensch, der Sohn Gottes, der in diesem seinem Opfer- und Gebetsdienst auf dem Altar auch unserem Mitopfern und Anbeten, unserem Danken und Bitten in den Augen Gottes Wert und Wirkung verleiht. So steigt in Vereinigung mit der im hl. Opfer sich immer von neuem vollziehenden Huldigung Christi auch unsere Huldigung gleich lieblich duftendem Weihrauch durch die Wolken zu Gott empor, findet Geltung und Anerkennung.
Die hl. Messe ist auch von der größten Wichtigkeit für das sittliche Leben des Christen. Indem in der hl. Messe der Gottmensch sein gesamtes Erlösungswerk immer von neuem vollzieht, hat der Gläubige Leben und Sterben desselben, seinen Gehorsam bis zum Tod am Kreuz, seine Selbstentäußerung, sein Auferstehen und Verklärtsein stets vor sich. In diesem Opfergehorsam liegt eine eindringliche Mahnung zur Entsagung aus Gehorsam gegen Gott, zur rückhaltslosen Hingabe an ihn, worin die Wurzel aller wahren christlichen Tugend liegt. Die echte christliche Sittlichkeit und Tugendübung ist ja ihrem innersten Wesen nach Opferliebe, ein Sichkreuzigen und Gekreuzigtwerden in Christus. Wodurch könnte der Gläubige mächtiger angetrieben werden, täglich sich selbst zu verleugnen und sein Kreuz auf sich zu nehmen (Matth. 16/24), als durch das hl. Messopfer, in welchem sich immer die Kreuzopfertat, das Sterben Jesu, erneuert. Aus dem hl. Messopfer haben so viele Christen die Anregung und Kraft geschöpft, weit über das Pflichtmäßige hinaus Entsagung zu üben, ihre schwache Natur zu etwas zu befähigen, wozu sie sich sonst nicht imstande fühlten. Dort im Opfer der Messe ist der Glutherd, an welchem die heroische und begeisternde Opferliebe des Gläubigen sich ständig entzündet und nährt. Dort ist auch die Bürgschaft, dass nach einem Leben voll Opfer und Entsagung, voll Verdemütigung und Erniedrigung, eine Auferstehung in Herrlichkeit folgen wird.
Die kirchliche Lehre, dass Christus auch unter einer Gestalt ganz gegenwärtig ist, hat in erster Linie dazu beigetragen, dass der Empfang des Sakraments des Altars ein häufiger wurde, und verursacht so all die erhabenen Folgen mit, die ein oftmaliger Empfang nach sich zieht: nämlich innigste geistige Vereinigung mit dem Gottmenschen, teilhaben an seiner Herrlichkeit, Bewahrung vor schwerem Falle, Lust und Freude zum Guten, Abschwächung der eigenen Leidenschaft und Begierlichkeit. Geistigerweise vereinigt mit dem verklärten Christus wächst im Innern des Christen ein Wollen, Denken und Fühlen mit Christus und seiner Kirche. - Weil Christus schon vor dem Genusse, einzig und allein auf Grund und Kraft der Einsetzungsworte, gegenwärtig ist, entstand jene liebliche und zugleich majestätische Gottesverehrung unserer Kirche, der nichts Ähnliches an die Seite zu stellen ist.
 

Darum beugen wir das Knie, darum beten wir ihn an, darum suchen wir in dunklen wie in heiteren Stunden unseres Lebens das Gotteshaus auf. Dieser Gottesdienst vor dem Allerheiligsten, sei er privat und einfach, sei er öffentlich mit allem Aufwand und Pomp, ist ein mächtiges Mittel innerer Belebung und Erneuerung, eine unversiegbare Quelle frischer Kraft, eine Heimstätte süßester Freuden, die wahre Ruhestätte jeder religiösen Seele.
Nehmen wir das hl. Messopfer als Sühnopfer. Die Kirche lehrt, dass es auch dargebracht werde zur Tilgung von zeitlichen Sündenstrafen, welche Lebende oder Verstorbene noch zu verbüßen hätten. Können wir auch kein bestimmtes Maß für diesen Straferlass angeben, so ist es für uns Armselige, die wir täglich sündigen und zeitliche Sündenstrafen auf uns laden, doch unendlich tröstlich, wenigstens im allgemeinen zu wissen, dass durch reumütige Anwohnung der hl. Messe, sowie durch Darbringenlassen seitens des Priesters sowohl für uns als auch für unsere Verstorbenen Nachlass zeitlicher Sündenstrafen erlangt werden könne. Darum stehen wir voll Trost an den Gräbern unserer Toten, weil wir ihnen den Reichtum des hl. Messopfers zuwenden und ihnen so behilflich sein können, ihre Straf- und Bußzeit abzukürzen. Begrabet meinen Leib, wo ihr wollt, aber gedenket meiner am Altare, kann darum voll Ruhe die Mutter des hl. Augustinus, Monika, auf dem Sterbebett sagen. Ja, dein Grab mag fern der Heimat liegen auf unbekannter Erde, keiner deiner Angehörigen mag je den Weg dazu finden - im Opfer auf dem Altar wird deiner gedacht und werden dir in dieser Darbringung die von Christus erduldeten Leiden, die von ihm geleisteten Genugtuungen zugewendet.
Man mag das hl. Messopfer betrachten wie man will, es gleicht einem Rubin, der bei jeder neuen Betrachtung an Schönheit gewinnt, der immer unermesslicher wird an Wert, immer größer an Erhabenheit. Der Stifter ist eben der Gottessohn, Christus der Herr, der als Opferpriester und Opfergabe zugleich bei der Wandlung das größte Wunder vollbringt. Unerfaßlich tief sind darum die Geheimnisse, unergründlich die Gnaden- und Heilsquellen, überreich die Segnungen, die dem Gläubigen aus diesem geheimnisvollen Opfer zufließen. Bekannt genug, jedoch zu wenig beherzigt, ist jener schöne Ausspruch des Franz von Sales: 
Die hl. Messe ist die Sonne der geistlichen Übungen, das Herz der Andacht, die Seele der Frömmigkeit, die Flamme der göttlichen Liebe, ein unschätzbares Mittel der Gnade. Sie ist die goldene Brücke, welche Himmel und Erde verbindet.
(entnommen aus: Das Hl. Messopfer, von Pfarrer Dr. K. Josef Merk, 1921)



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