- Gottes enge Pforte -


Apostolat im Leben der Kirche




Der missionarische Geist

Wenn wir so das Mysterium der Kirche betrachten, begreifen wir sowohl die Notwendigkeit des missionarischen Geistes als auch seinen genauen Sinn. Es ist der Kirche wesentlich eigen, ein Heilszeichen aufzubauen, das sichtbar alle Teile der Menschheit erreicht, soweit sie uns bekannt ist, um dadurch unsichtbar unbekannte Tiefen zu erreichen. Seit den Tagen des heiligen Paulus strebt sie ohne Unterlaß dieser vollkommenen Katholizität zu, denn sie weiß: wenn die Menschheit in ihrer Gesamtheit in dem Heilsnetz der Sakramente eingefangen ist, wird Gott die geheimnisvolle Bedeutung dieses Zeichens verwirklichen und die Einheit des Heiles vollziehen, das für alle Völker bereitet ist. Durch die Art ihrer Struktur ist die gesamte Kirche ohne Unterlaß am Werke, um die ganze Welt zu erreichen. Es sind nicht nur einige ihrer Glieder, die sich auf dieses Werk der Durchdringung spezialisieren, sondern alle ihre Glieder und alle ihre Werke zielen dahin. Es ist unmöglich, Christ zu sein, ohne gleichzeitig missionarisch zu denken.

Das läßt uns auch genauer die Richtung der missionarischen Arbeit erkennen. Es geht nicht so sehr darum, alle Menschen einzeln zu erreichen, als vielmehr auf dem gesamten Erdkreis und in allen Teilen der Menschheit die sichtbare, hierarchische, sakramentale Struktur der Kirche zu erreichen als das wirksame Zeichen des allgemeinen Heiles. Wie P. Pierre Charles sagte, ist es das Ziel der Mission, "die Kirche einzupflanzen".

 

Der Sinn der Armut
als Loslösung von menschlichen Hilfsmitteln

Das Unternehmen der Kirche ist gigantisch oder, besser gesagt, übermenschlich. Das muß man unterstreichen, damit in der Praxis nicht der übernatürliche Charakter des Wirkens der Kirche abgewertet wird. Dieses Wirken ist Ringen und Kämpfen, ist Eroberung und Gründung eines Reiches. Aber dieses Reich ist nicht irgendeiner politischen Partei gleichzustellen, nicht irgendeiner bürgerlichen Gesellschaft, für die es immer bestürzend ist, weil es sich nicht in ihren Rahmen einfügt. Der apostolisch tätige Christ, der sich einfach in den Dienst einer Partei, einer sozialen Schicht, einer Aktion stellen würde, ließe damit den Sinn seines Auftrages entwerten, und er würde dazu beitragen, daß das Antlitz der Kirche verkannt wird. Die Kirche kann sehr wohl allen Völkern die Güter der Zivilisation vermitteln, sie kann danach trachten, das Elend aller Klassen zu erleichtern, sie kann versuchen, Heilmittel für jede soziale Unordnung beizubringen; die eigentliche Güter aber, die sie zu vermitteln hat, gehen über alle diese menschlichen Vorteile hinaus. Sie bedient sich jedes menschlichen Fortschritts, steht aber nicht in seinem Dienst; sie verschafft sie zusätzlich, ihr Ziel liegt höher. Darum würde der Kämpfer für die Sache Christi kein Apostolat mehr ausüben, wenn er seine Tätigkeit darauf beschränken wollte, eine bessere soziale Ordnung oder zeitliches Wohlergehen zu sichern. Das alles darf nur hinzielen auf die Errichtung der Kirche durch den Glauben an Christus und das sakramentale Leben.

Wenn die Kirche keine neue politische Ordnung einführen und keine irdische Güter beschaffen, sondern das Reich Gottes aufrichten will, in dem man der ewigen Güter teilhaftig wird, so kann sie zur Erreichung dieses übernatürlichen Zieles auch nur übernatürliche Mittel gebrauchen. Sie verwirklicht kein menschliches Projekt mit menschlichen Mitteln. Das Gesetz ihres Lebens ist es, etwas Übermenschliches zu verwirklichen unter Verzicht auf menschliche Mittel. Ihre Armut ist ihre Stärke, denn dadurch wird in ihr die Macht Gottes offenbar. Das soll keineswegs besagen, daß sich die Kirche in ihrer Tätigkeit nicht der Reichtümer und Hilfsquellen dieser Welt oder der Erfindungen der modernen Technik und der Strömungen der Zeit bedienen könnte. Aber im Gegensatz zu einem menschlichen Unternehmen, das auf diese Kräfte zählt, um ein Ziel zu erreichen, rechnet die Kirche nicht darauf. Sie gebraucht sie, als ob sie nicht gebrauchte.

Selbst dann, wenn sie sich dieser Dinge bedient, betrachtet sie die Reichtümer dieser Welt als Armut und alle Kräfte als Ohnmacht gegenüber dem Ziel, das sie erreichen will. Aber diese Armut und Schwäche entmutigen sie nicht, sondern sichern ihr die Hilfe Gottes. Angesichts der ungeheuren Mächte dieser Welt erscheint sie wie entblößt und entwaffnet, und doch erschrickt sie nicht, denn ihr Schild ist unsichtbar, es ist die Kraft Gottes. Darum wird es in der Kirche immer zwei Haltungen geben, die ausgewogen sind: einen umfassenden Gebrauch aller menschlichen Mittel im Dienste des Gottesreiches und eine ständige Loslösung von den menschlichen Hilfsquellen, damit die Transzendenz der Kirche ganz deutlich wird. Jeder wahre Christ, jede echt christliche Familie wird diese beiden Aspekte zu integrieren haben. Je nachdem, ob man berufen ist, die eine oder andere Seite besonders zu bezeugen, wird dadurch die Ausrichtung des geistlichen Lebens gegeben sein. Die Armut gilt für alle; die einen bezeugen sie im rechten Gebrauch der Dinge und die andern in der Entäußerung von den Dingen. Das eine steht jedenfalls fest, daß der Erfolg des Apostolats niemals von einem Wechsel des politischen Regimes oder von irgendeiner menschlichen Stütze abhängt, sondern von Gott allein. Dadurch wird man sich viele Enttäuschungen, Umwege und Kompromisse ersparen.

 

Der Sinn der Demut
als Vertrauen auf die göttliche Hilfe

Der Christ im Apostolat rechnet nicht auf die Hilfe menschlicher Macht in dieser Welt. Er rechnet nicht einmal mit seinen eigenen Möglichkeiten. Gerade das macht den übernatürlichen Charakter seiner Tätigkeit aus. Bei einer menschlichen Tätigkeit hat man einen Plan, der sich entfalten soll, man sucht Mittel, um ihn zu verwirklichen, man wendet Energie auf, um das Ziel zu erreichen. Stütze und Freude der Tätigkeit bestehen in der harmonischen Entfaltung dieses Zieles, dieser Energie und dieser Ruhe. Auf übernatürlicher Ebene ist das alles nicht unwirksam, denn die Gnade unterdrückt ja nicht die Natur, sondern geht über sie hinaus. Wenn wir Christen im Apostolat allen Scharfsinn entfalten und alle Kräfte ans Werk setzen, so ist das nicht wie ein Reichtum, dessen Gott bedürftig wäre, sondern wie eine Armut, deren Gott sich bedient für ein überirdisches Ziel. Die Quelle ihrer Wirksamkeit liegt nicht in uns, sondern in Gott, genauer darin, daß wir, angeregt durch die Gnade, unsere Bedürftikeit Gott aufopfern, damit Gott die Fülle seines Erbarmens über uns ausgieße. Darum liegt in der apostolischen Arbeit ein Mysterium beschlossen, das nicht nur den Augen anderer Menschen, sondern auch den Augen des Christen im Apostolat verborgen ist.

Es ist immer ein Mißverhältnis zwischen der apostolischen Tätigkeit des Christen und seinen Hoffnungen. Die Pläne und Überlegungen gehen über die eigenen Möglichkeiten hinaus. Er rechnet auf Gott. Sein Leben ist ein Planen, das über seine Möglichkeiten hinausgeht. Gerade die Transzendenz seiner wirklichen Berufung und der Aufgabe, die er in dieser Welt zu erfüllen hat, die Transzendenz der ihm bestimmten Tätigkeit, sichert ihm eine Art geistlicher Unabhängigkeit von dem Platz, den er inne hat, und der Tätigkeit, die er ausübt. Er wird nicht geringer durch eine bescheidene Tätigkeit, denn sein Leben kann doch groß sein, und eine große Ausstrahlungkraft kann von kleinen Aufgaben ausgehen. Er bläht sich nicht auf, wenn ihm wichtige Aufgaben übertragen werden, denn wie groß auch sein menschliches Werk sei, es ist doch nur ein Tropfen, gemessen an der Größe des Zieles, das er anstrebt. Sein Herz steht immer über dem, was er tut. Es ist anderswo und gleichzeitig mitten darin. Sein Einfluß wächst nicht so sehr durch größere Unternehmungen als vielmehr durch eine immer tiefere Besinnung auf diesen Wesensmittelpunkt, der immanent und transzendent gegenüber jeder Handlung ist. Alles, was er tut, und alles, was er leidet, opfert er auf als einen Anruf an die Gnade. Das Wachstum der apostolischen Arbeit liegt also nicht in einer immer intensiveren und schnelleren Entfaltung der menschlichen Hilfsmittel, sondern in einer immer vollkommeneren Hingabe und Auslieferung an Gott, in einer Anpassung aller Hilfsquellen an das göttliche Wirken, in welchem das unendliche Kleine unendlich groß wird. In seinem Endziel trachtet alles apostolische Handeln danach, mehr eine Ausstrahlung als eine Tätigkeit zu sein. Dann ist es um so mehr vereinigt mit der Quelle der Gnade, um so mehr gleicht es dem friedevollen und ruhevollen Wirken Gottes; durch die Zeit hindurch ist es dem ewigen Leben zugewandt.

 

Der Sinn des Gehorsams
als Kennzeichen des Glaubens

Das langsame Überwinden der allzu menschlichen Sicherungen unseres Tuns vollzieht sich jedoch nicht ohne unsere Mitwirkung. Wir müssen Gelegenheit haben, diese übernatürliche Sicht durch Taten zu bezeugen, die die Wirksamkeit unseres Tuns Gott zuerkennen und den Vorrang der Hingabe vor allem Tun offenbar machen. Der Gehorsam gibt uns diese Gelegenheit. Die Unterwerfung unter die Hierarchie hat ganz sicher auch den Sinn, unser Handeln zu läutern, da uns weniger an der Durchführung unserer persönlichen Pläne gelegen sein darf als an der vollkommenen Unterordnung unter den Willen Gottes, der durch unsere Vorgesetzten zum Ausdruck gebracht wird. Der apostolisch tätige Christ, der ein echtes Gespür hat für die übernatürliche Dynamik seines Handelns, zieht kleine Aufgaben, die im Gehorsam vollzogen werden, den großen Werken vor, die außerhalb des Gehorsams stehen.

 

Der Sinn des Kreuzes

Welcher Art auch die Berufung ist, die Gott für uns bestimmt, nirgends werden wir der Forderung entgehen, auf natürliche Freude an der Tätigkeit und auf persönliche Pläne und Erfolge zu verzichten. Dem Geheimnis des Kreuzes kann man nicht aus dem Wege gehen. Man wird es keineswegs fliehen, sondern es gerade als das hervorragende Mittel annehmen, um die größten Pläne zu verwirklichen. Hier erfüllt sich das Paradox übernatürlichen Handelns: der Verzicht auf jede menschliche Stütze und auf jeden Einzelerfolg macht offen für die göttliche Kraft, die alles erreicht. Der Sinn des Kreuzes verbindet sich mit dem missionarischen Geist. In der Nacktheit und Unbeweglichkeit, in der sich die Selbsthingabe vollendet, wirkt der Gekreuzigte für das ganze Universum und erhält alle Reichtümer nach dem Maße der Gabe Gottes. Irdischer Stütze beraubt, ruht er in der Kraft Gottes, und darum erreicht seine Ausstrahlungskraft die ganze Welt und findet die tiefste Erfüllung seines missionarischen Verlangens als Frucht einer allumfassenden, wahrhaft katholischen Erlösung: "Wenn ich von der Erde erhöht sein werde, werde ich alles an mich ziehen."(Joh. 12,32)

 

Der Sinn des Wirkens in der Kirche
als Akt des Glaubens an die Treue Gottes

In der apostolischen Arbeit ist eine unaufhörliche Anstrengung zu leisten, damit sie in ihrem wahren Bereich verbleibe. Wir werden bedrängt von einem großen Verlangen und erfahren schmerzlich unsere eigene Ohnmacht und die scheinbare Ohnmacht der Kirche, unser Verlangen zufriedenzustellen. Auf wen können wir uns stützen, wenn jede menschliche Hilfe fehlt? Wer wird den Abgrund überbrücken, der sich auftut zwischen unsern Plänen und ihrer Verwirklichung? Wer gibt unserer Arbeit Schwung und Freude? Gott allein. Wenn wir stärker sind als alle Mächte dieser Welt und der Hölle, die sich gegen uns verbünden, dann nur deshalb, weil unsere Schwäche sich durch den Glauben auf Gott stützt: "Das ist der Sieg, der die Welt überwindet, unser Glaube." (1 Joh. 5,4)

Soll das heißen, daß es überflüssig wäre, etwas zu tun? Ganz im Gegenteil; aber man muß verstehen, daß der übernatürliche Wert der apostolischen Arbeit vor allem eine gelebte Bezeugung des Vertrauens ist. Apostolische Arbeit ist Hoffnung, nicht nur in Worten, sondern auch in Taten. Sie ist unerschütterliche Hoffnung, durch die der Mensch sich wirklich und wahrhaftig mit seinem ganzen Haben und Sein dem Wort Gottes verpflichtet. Wenn man sagen darf: auf die Treue Gottes setzt er sein Leben ein - ein totales Wagnis in einer totalen Sicherheit. Das gefällt Gott, und das wird er schließlich lohnen. Irgendwann einmal wird die Welt merken, daß alle diese Toren Recht hatten.

Gerade weil dieses Vertrauen im Apostolat von höchster Wirksamkeit in dieser Welt ist, gefällt es Gott, es auch zu fordern. Man könnte sagen, daß sein ganzes Wirken in der Kirche und an den Heiligen nur dazu dient, es zu vertiefen. Wenn die menschliche Mittel versagen, wenn das vollendete Werk zusammenzustürzen scheint, sind die Heiligen über alle Mißerfolge und Enttäuschungen hinweg doch der Treue Gottes sicher. Sie genügt ihnen. In die vollkommene Dunkelheit rufen sie ihr unerschütterliches Vertrauen. Man möchte sagen, daß Gott sich darin gefällt, es zu prüfen und herauszufordern, um es zu erproben. Sie willigen sozusagen in dieses göttliche Spiel ein; es ist eine Herausforderung, die sie bestehen. Sie lassen sich nicht verwirren.

Um diesen Preis findet der Christ im Apostolat das Geheimnis des Friedens und der übernatürlichen Sicherheit. Zwischen einer zu harten, weil zu menschlichen Anspannung und einer mutlosen Schlaffheit findet er nur das Gleichgewicht im Vertrauen auf Gott. Wenn er so eine höhere Weise der Wirksamkeit im Apostolat erstrebt, wird er sich ohne Murren den Anordnungen der Vorgesetzten unterwerfen und die Zusammenarbeit mit denen, die im selben Bereich wirken, annehmen, selbst wenn das eine gewisse Gebundenheit bedeutet. Die Opfer werden schließlich gebracht, ohne daß die kraftvolle Ausrichtung auf das ersehnte Ziel abgelenkt würde, denn in richtiger Sicht führen auch sie zum Ziele.

Diese Erkenntnis beleuchtet unsere Zugehörigkeit der Kirche. Auch das Vertrauen zu ihr wird auf die Probe gestellt. Als Sakrament des Heiles, das sie wirkt, verkörpert sie selbst ganz und gar eine überwältigende Haltung des Vertrauens, das seine Erfüllung von Gott erwartet. Unser Glaube und unser Handeln müssen dieses Vertrauen der Kirche bestätigen, das Gott im Laufe der Jahrhunderte zunehmend läutert.

Es hat den Anschein, als ob alle Mächte dieser Welt aufgeboten würden, um das Vertrauen der Kirche zu erproben. Gefestigt geht ihre Hoffnung daraus hervor. Ihr Sieg in der Zeit über jeden einzelnen ihrer Feinde ist nur ein Bild und ein Unterpfand ihres endgültigen Sieges über den Feind des Menschengeschlechtes. Sie stützt sich auf den Getreuen. So wie die Schwierigkeiten, die manchmal den Erfolg unseres Mühens hemmen, uns nicht entmutigen, so können die Verfolgungen, die sich gegen die Kirche richten und sie manchmal schwächen, uns nicht in unserer Zugehörigkeit irremachen. Wir wissen, daß Gott sich dieser Schwäche bedient, daß er aus ihr das Instrument seiner Kraft macht. Es ist gut, wenn uns das heute bewußt wird, da die Kirche von so vielen Seiten angegriffen und bedroht wird. Unsere Zugehörigkeit zur Kirche ist trotz mancher Mißerfolge, die sie erlebt, nicht eine resignierte, sondern eine liebende, gerade wegen der Beleidigungen, die unserer Mutter zugefügt werden, und wegen der Narben, die davon zurückbleiben und sie vielleicht entstellen, aber derentwegen ihre Kinder sie doch erkennen. Wir sind glücklich, in ihr Jesus nachfolgen zu dürfen vom Prätorium nach Kalvaria.

Der Glaube läßt uns vielmehr ahnen, daß gerade die Leiden der Kirche ihren Triumph vorbereiten und beschleunigen. Ist das nicht vorhergesehen? "Jetzt seid ihr traurig, aber ich werde euch wiedersehen, und euer Herz wird sich freuen, und die Freude wird niemand von euch nehmen" (Joh. 16,22). Es gibt ein Äußerstes an Prüfung und Demütigung, wo das Vertrauen sich auf eine so lautere und herzzerreißende Weise bestätigt, daß es zum Herzen des Vaters dringt und ein entscheidendes Eintreten seines Erbarmens bewirkt. Das ist der letzte Schrei Jesu am Kreuze. Es ist der Höhepunkt jedes apostolischen Lebens, wenn sich das Handeln im Leiden vollendet. Das ist auch das Ziel alles Lebens der Kirche.

Ihre Geschichte scheint dem doppelten Phythmus von Entfaltung und Entäußerung zu gehorchen. Beide Bewegungen führen zu ihrem endgültigen Triumph und sind nur scheinbar Gegensätze. Selbst ihr Wachstum formt sie nach dem Maße des Kreuzes, das Gott ihr bestimmt. Wenn sie über die ganze Erde hin ausgebreitet sein wird, wird sie überall gekreuzigt werden, wird sie schließlich die ganze Welt retten.

Letzten Endes sucht Gott nur diese Intensität des Vertrauens, das durch Prüfungen geläutert wird, um schließlich zu zeigen, wie er es belohnen kann. Er scheint viel zu verlangen, aber er weiß, daß das nichts ist, lächerliche Anstrengung von einigen Augenblicken im Hinblick auf die unendlichen Güter und ewigen Freuden, die seine Treue jenen bereitet, die ihm vertrauen.

Davon gibt Gott uns indessen durch die Schöpfung und durch die Geschichte ein Bild. Die ungeheure Fruchtbarkeit der ganzen Natur, die in jedem neuen Frühling überströmt von Reichtümern, ist nur ein Gleichnis für die wunderbare Fruchtbarkeit des Heiligen, der auch das Leben in geheimnisvolle Generationen weiterträgt bis in das Gelobte Land, von dem das erste nur ein Symbol des ewigen Frühlings ist. "Der Gerechte blüht wie eine Palme und vermehrt sich wie die Zeder des Libanon"(Ps. 92,13). Mehr als das schönste Getreide bringt er vierzig-, sechzig-, hundertfältige Frucht, eine unvorstellbare Ernte; und doch ist das Bild noch ungenügend. Diese natürliche Vermehrung ist wenig im Vergleich zu den Verheißungen Gottes. Gott gebraucht den Sand des Meeres und das zahllose Heer der Sterne, er gebraucht in der Geschichte die ganze Nachkommenschaft Abrahams, um seine Großmut denjenigen gegenüber zu offenbaren, die im Glauben alles verlassen haben. "Ich werde deine Nachkommen zahlreich machen wie den Sand des Meeres. Betrachte den Himmel. Zähle die Sterne, wenn du kannst; so wird deine Nachkommenschaft sein" (Mos. 13,16; 15,5; 22,17) Wunderbare Verheißungen, die das Evangelium anwedet auf diejenigen, die alles verlassen haben, um Christus nachzufolgen; es offenbart einfach deren ungeheures Ausmaß. Was die Apostel weitergeben werden, ist nicht nur das leibliche Leben, um für diese Erde eine große Menge von Nachkommen zu sichern, es ist vielmehr das ewige Leben, um die Menge der Auserwählten in den Himmel zu führen. "Ihr werdet die zwölf Stämme Israels richten" (Matth. 19,28). Eine erstaunliche Aussicht, von der die Jurisdiktionsgewalt in der Kirche uns schon ein sakramentales Zeichen gibt, das unsere Erwartung stützt. Aber wenn Gott den letzten und endgültigen Erweis seines Erbarmens geben wird, werden wir sehen, daß er alle Erwartung übertrifft.

 

Der Sinn des Priestertums in der Kirche

Das ist schließlich der letzte Triumph, auf den Gott alles vorbereitet. Er fordert nur deshalb soviel, um sich auf ewig rechtfertigen zu können, wenn er soviel gibt. Nur deshalb hat er die Welt gemacht und die Geschichte der Menschen gelenkt, um das vollkommene Vertrauen seiner Heiligen herauszufordern und alle ihre Wünsche zu erfüllen. Aber er schafft die Heiligen nur deshalb, um durch sie die Welt mit seiner göttlichen Freude zu erfüllen. Doppelte Entfaltung seines Erbarmens. Er nimmt die stellvertretende Hingabe aller durch einen einzelnen an. Hier zeigt sich der priesterliche Charakter des Apostolates, der schon in die Struktur der Kirche eingeschrieben ist. Ein für allemal ist Christus erwählt als der einzige Priester, von dem alles gefordert wird bis zum Tode am Kreuze, weil ihm alles wiedergegeben wird für das ewige Leben.

Auch die Kirche ist - in Christus - priesterlich, sie ist in der Welt ausersehen, um abgesondert, dargebracht, geopfert zu werden, weil Gott sie mit seinen Gütern für alle Menschen überhäufen und ihr gewähren will, durch sie die Reichtümer der Völker für die Ewigkeit zu retten. Auch der im Apostolat stehende Christ sieht, wie sich an ihm das Geheimnis des Priestertums erfüllt. Er sieht dessen wirksames Zeichen in dem durch die Kirche geweihten Priester, von dem Gott sichtbar sein ganzes Leben fordert, damit er Christus sakramental den Menschen schenke. Auch er ist durch die Taufe und Firmung in die priesterliche Tätigkeit der Kirche einbezogen, und er weiß, daß, wenn Gott mehr von ihm verlangt, er ihm mehr geben will, nicht nur für sich selbst, sondern auch für viele andere. Deshalb weiß er, daß die letzte Erfüllung seines Apostolates nicht nur ein Erfolg menschlichen Handelns ist, sondern daß sie der Großmut Gottes entspricht, der sich seiner bedient. Jenseits aller Enttäuschungen, die er in dieser Zeit erfährt, wird sie in der Ewigkeit die Größe seines apostolischen Verlangens erreichen. Gott hat es nur ins Leben gerufen, um es zuletzt zu erfüllen.

Wenn er sich aller dieser Reichtümer bewußt ist, die ihm bestimmt sind, wird seine Zugehörigkeit zur Kirche nicht mehr resigniert, nicht nur liebend, sondern begeistert sein. In der übernatürlichen Atmosphäre des vollkommenen Vertrauens, der vollkommenen Unterordnung unter die Anregungen der Kirche, der Teilnahme an allen ihren Lebensäußerungen, an ihren Leiden und Hoffnungen entfaltet sich der apostolisch gesinnte Mensch. Bei allen Prüfungen tut er seine Arbeit in Kraft und Frieden und mit großer Freude, weil sie von Gott ausgeht, sich Gott zuwendet und sich auf Gott stützt.

 

Wer kann ihn hindern, sein Ziel zu erreichen?
"Wenn Gott für uns ist, wer ist dann gegen uns?" 
(Röm. 8,31)
 

(entnommen aus: Die Sendung der Kirche im zwanzigsten Jahrhundert; von Louis Lochet)

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