- Gottes enge Pforte -


Berufung der Evangelisten und Entstehung ihrer Evangelien




Über das Amt der vier Evangelisten, über ihre Evangelien und wie weit die heiligste Jungfrau hierbei tätig war, ist mir ein besonderes Licht verliehen worden. Die Mutter Jesu kannte alle Geheimnisse des Gesetzes der Gnade sowie von den Evangelien und anderen heiligen Schriften, die zur Gründung und Befestigung der Kirche verfasst werden sollten. In dieser Erkenntnis wurde sie oft bestärkt, besonders aber, als sie am Tage der Himmelfahrt mit ihrem göttlichen Sohne in den Himmel aufstieg. Seit jener Zeit ließ sie keinen Tag vorübergehen, an dem sie nicht, auf die Erde niedergeworfen, zum Herrn flehte, er möge den Aposteln und den heiligen Schriftstellern sein göttliches Licht verleihen und anordnen, ihre Schriften zur geeigneten Zeit abzufassen.
Als die Mutter Jesu wieder in den Himmel erhoben ward und dann mit der ihr übergebenen bildhaften, geistigen Kirche zur Erde hernieder stieg, hatte ihr der Herr geoffenbart, es sei jetzt die Zeit für die Abfassung der heiligen Evangelien gekommen. Als Herrin und Lehrerin der Kirche möge sie also die nötigen Verfügungen treffen. In ihrer Demut und grossen Klugheit hatte sie aber damals den Herrn gebeten, er möge anordnen, dass der heilige Petrus als sein Stellvertreter und oberhaupt der Kirche die Sache in die Hand nehme. Er möge ihm mit seinem göttlichen Lichte beistehen. Der Herr hatte diese Bitten gewährt. Auf dem im sechsten Hauptstück erwähnten Konzil sagte Petrus zu den übrigen Aposteln, es sei jetzt notwendig, die Geheimnisse des Lebens unseres Erlösers Jesus Christus schriftlich aufzuzeichnen, damit alle, die sie lehren, diese auf die nämliche Weise und ohne Abweichung in der Kirche verkünden.
Diesen Plan hatte Petrus der Mutter Jesu mitgeteilt. Und nachdem ihn auch das ganze Konzil gutgeheissen hatte, riefen sie den Heiligen Geist an, damit er zu erkennen gebe, welche von den Aposteln und Jüngern mit der Abfassung des Lebens unseres Heilandes betraut werden sollten. Hierauf kam vom Himmel herab ein Licht über den heiligen Apostel Petrus, und man hörte eine Stimme, die sprach: "Der oberste Bischof, das Haupt der Kirche, soll vier Männer bezeichnen, welche die Werke und die Lehre des Welterlösers niederschreiben!" Der Apostel warf sich zur Erde nieder, und die übrigen folgten seinem Beispiel, um dem Herrn für die erwiesene Gnade zu danken. Dann erhoben sich alle, und Petrus sprach: "Matthäus, unser geliebter Bruder, soll den Anfang machen und sein Evangelium schreiben im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Markus soll der zweite sein und ebenso das Evangelium schreiben im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Lukas soll der dritte sein und schreiben im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Desgleichen soll unser geliebter Bruder Johannes als der vierte und letzte die Geheimnisse unseres Erlösers und Lehrmeisters schreiben im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes." Der Herr bestätigte diese Ernennung durch das oben erwähnte göttliche Licht, das so lange über dem heiligen Petrus verblieb, bis diese Handlung vollzogen war. Die Ernannten aber nahmen insgesamt ihren Auftrag an.


Als Matthäus eines Nachts in einem abgelegenen Gemach des Abendmahlshauses dem Gebete oblag und den Herrn um Erleuchtung für sein Unternehmen anflehte, erschien ihm die heiligste Jungfrau auf einem majestätischen Throne, ohne dass sich die Türe des Gemaches, worin der Apostel betete, geöffnet hätte. Als er die Himmelskönigin erblickte, warf er sich mit wunderbarer Ehrfurcht und heiliger Scheu zur Erde nieder. Maria hieß ihn aufstehen. Er tat es und bat sie um ihren Segen. Unsere liebe Frau sagte dann: "Mein Diener Matthäus! Der Allmächtige sendet mich mit seinem Segen, auf dass du mit seiner Hilfe das heilige Evangelium beginnst. Sein Heiliger Geist wird in dir sein, und ich werde ihn darum mit der ganzen Inbrunst meiner Seele bitten. Es geziemt sich aber, dass du von mir nur etwas berichtest, was gerade notwendig ist, um die Geheimnisse des menschgewordenen Wortes zu offenbaren und seinen heiligen Glauben in der Welt auszubreiten. Ist dieser Glaube einmal fest gegründet, dann werden andere Zeiten kommen, in denen der Allerhöchste den Gläubigen die Geheimnisse und Gnaden, die seine Allmacht an mir gewirkt hat, offenbaren wird." Matthäus versprach, diesem Befehl zu gehorchen. Während Maria über die Anordnung seines Evangeliums um Rat fragte, kam der Heilige Geist in sichtbarer Gestalt auf ihn hernieder. So begann er noch in Gegenwart der heiligsten Jungfrau zu schreiben. Darauf verschwand Maria. Matthäus setzte sein Evangelium fort, das er jedoch erst später in Judäa vollendete. Er schrieb es in hebräischer Sprache, im 42. Jahre des Herrn.
Der Evangelist Markus schrieb sein Evangelium vier Jahre später, also im 46. Jahr nach der Geburt Christi, gleichfalls in hebräischer Sprache und in Palästina. Bevor er zu schreiben begann, bat er seinen Schutzengel, er möge die allerseligste Jungfrau um ihren Beistand bitten, damit sie ihm die göttliche Erleuchtung über das erlange, was er schreiben solle. Die gütigste Mutter entsprach dieser Bitte. Alsbald befahl der Herr den Engeln, Maria in die Gegenwart des Evangelisten zu versetzen, der noch in diesem Gebet verweilte. Sie erschien ihm auf einem überaus schönen, glänzenden Thron. Der Evangelist warf sich vor dem Throne nieder und sprach: "O Mutter des Welterlösers und Herrin der Schöpfung! Ich bin einer solchen Gnade unwürdig, obwohl ich ein Diener deines heiligsten Sohnes und auch dein Diener bin." Die Mutter erwiderte ihm: "Der Allerhöchste, dem du dienst und den du liebst, sendet mich, um dir die Versicherung zu geben, dass er deine Bitten erhört hat. Sein Heiliger Geist wird dich leiten." Dann trug sie ihm auf, nichts von den Geheimnissen zu schreiben, die ihre Person betrafen, wie sie dies auch Matthäus befohlen hatte. Darauf schwebte  der Heilige Geist in sichtbarer Gestalt und mit wunderbarem Licht hernieder und umgab den Evangelisten äusserlich mit seinem Glanze, während er ihn innerlich mit neuem Licht erfüllte. Nun begann Markus, noch in Gegenwart der Himmelskönigin, sein Evangelium. Der heilige Hieronymus berichtet, Markus habe sein kurzes Evangelium zu Rom geschrieben, und zwar auf Bitten der dortigen Gläubigen. Ich bemerke aber, dass dies eine Übersetzung oder Abschrift von dem war, welches er in Palästina geschrieben hatte. Weil die Christen in Rom es nicht besaßen und auch kein anderes zur Hand hatten, schrieb er es nochmals, und zwar in der zu Rom gebräuchlichen lateinischen Sprache.
Zwei Jahre später, also im 48. Jahre nach Christi Geburt und im 63. Lebensjahre der heiligsten Jungfrau, schrieb Lukas sein Evangelium in griechischer Sprache. Als er zum Schreiben anschickte, erschien ihm Maria, wie sie den beiden anderen Evangelisten erschienen war. Er besprach sich mit der Mutter des Herrn und erfuhr, dass er zur Darstellung der Geheimnisse der Menschwerdung und des Lebens ihres heiligsten Sohnes notwendig sei, die Art und Weise sowie den Verlauf der Empfängnis des menschgewordenen Wortes und andere Dinge darzulegen, die sie als die wahre, natürliche Mutter Christi betrafen. Deshalb war auch der heilige Lukas in seinem Bericht über die heiligste Jungfrau weitläufiger als die anderen Evangelisten; jedoch beobachtete auch er über die Geheimnisse und Wunder, welche die jungfräuliche Mutterschaft Mariens betrafen, ebenfalls Zurückhaltung, wie sie selbst es dem Evangelisten aufgetragen hatte. Der Heilige Geist kam auf ihn herab, und in Gegenwart der erhabenen Herrin begann er sein Evangelium zu schreiben. Er schrieb es hauptsächlich nach den von ihr empfangenen Aufschlüssen. Lukas war ein ganz besonderer Verehrer dieser Herrin, und niemals mehr entschwand seinem Geiste das Bild Mariae, seiner liebsten Mutter, wie sie ihm auf einem Throne voll Majestät erschienen war. Sein ganzes Leben lang schwebte dieses Bild vor seinem Geiste. Zur Zeit dieser Erscheinung befand sich Lukas in Achaja. Hier schrieb er auch sein Evangelium.
Zuletzt schrieb der Apostel Johannes sein Evangelium. Es war im 58. Jahr des Herrn. Er schrieb es während seines Aufenthaltes in Kleinasien in griechischer Sprache, und zwar nach dem Hinscheiden und der glorreichen Himmelfahrt der allerseligsten Jungfrau Maria. Es war gegen die Irrtümer und Ketzereien gerichtet, die der Teufel in dieser Zeit auszustreuen begann. Sie zielten hauptsächlich auf die Vernichtung des Glaubens an die Menschwerdung des göttlichen Wortes hin. Weil Luzifer gerade durch dieses Geheimnis gedemütigt und besiegt worden war, richtete er auch so schnell die Angriffe der Ketzereien gegen dasselbe. Aus diesem Grunde schrieb der Evangelist in so erhabener Weise und mit einer Überfülle von Beweisen, um die wirkliche und wahre Gottheit unseres Erlösers Jesus Christus darzutun, so dass er in dieser Hinsicht die anderen Evangelisten überragt.
Die allerseligste Jungfrau Maria war damals schon in der Herrlichkeit des Himmels. Gleichwohl kam sie mit unaussprechlicher Majestät vom Himmel hernieder, begleitet von Tausenden von Engeln aus allen Chören. So erschien sie dem Apostel und sprach: "Mein Sohn Johannes, Diener des Allerhöchsten! Jetzt ist die geeignete Zeit, das Leben und die Geheimnisse meines heiligsten Sohnes zu beschreiben. Du sollst damit der Welt aufs klarste seine Gottheit zeigen, damit alle ihn als den Sohn des ewigen Vaters und als wahren Gott wie als wahren Menschen anerkennen. Für die verborgenen Geheimnisse, die du über meine Person erfahren hast, ist es jetzt noch nicht an der Zeit, sie niederzuschreiben und sie einer Welt zu offenbaren, die so sehr zum Götzendienst neigt. Luzifer könnte sie zum Anlass nehmen, jene zu verwirren, die jetzt den heiligen Glauben an ihren Erlöser und an die allerheiligste Dreieinigkeit annehmen sollen. Der Heilige Geist wird in dir sein, und es ist mein Wunsch, dass du jetzt in meiner Gegenwart zu schreiben beginnst." Der Evangelist bezeigte der Himmelskönigin seine Verehrung und wurde gleich den anderen vom göttlichen Geiste erfüllt. Dann begann er sein Evangelium zu schreiben, wobei er von der gütigsten Mutter mit Gnaden überhäuft wurde. Er bat Maria um ihren Segen und ihre Hilfe. Sie erteilte ihm den Segen und versprach, ihm sein ganzes Leben lang beizustehen. Hierauf kehrte sie wieder zur Rechten ihres heiligsten Sohnes zurück.
In dieser Weise begannen die Evangelisten ihre Aufzeichnungen durch die Vermittlung und Fürsprache der heiligsten Jungfrau, damit die Kirche erkenne, dass sie diese Wohltaten aus der Hand Mariens empfangen habe. Ich habe diesen Bericht über die Evangelisten vorausgeschickt, um den Faden der Geschichte nicht unterbrechen zu müssen.
Wie die heiligste Jungfrau nach dem Apostelkonzil durch die ihr verliehenen abstraktiven Anschauungen der Gottheit auf eine höhere Stufe der Erkenntnis erhoben war, so war auch ihre liebevolle Sorge für die Kirche, die sich auf dem ganzen Erdkreis von Tag zu Tag ausbreitete, seither eine grössere geworden. Besonders wendete sie ihre Sorge allen Aposteln zu. Diese waren ihrem Herzen eingeschrieben, ja sie bildeten gleichsam einen Teil desselben. Nach dem Konzil hatten alle Apostel, ausser Johannes und Jakobus d.J., Jerusalem verlassen. Maria folgte ihnen im Geiste auf ihren Wanderungen nach. Sie war voll Mitleid wegen ihrer Mühsale im apostolischen Amt, aber auch voll tiefster Ehrfurcht vor ihrer Heiligkeit und Würde. Sie waren ja Priester und Apostel ihres heiligsten Sohnes, Mitbegründer der Kirche, Prediger der Lehre Christi, auserwählt von der göttlichen Weisheit, die erhabensten Ämter zur Ehre des Allerhöchsten zu versehen. So war es gewissermaßen notwendig, dass Gott Maria in den hohen Zustand erhob, damit sie so vielen Dingen im ganzen Bereiche der heiligen Kirche ihre Sorgfalt und Aufmerksamkeit angedeihen lassen könnte. Auf einer niedrigeren Stufe hätte sie es nicht vermocht, eine solche Menge von Sorgen in ihrem Herzen zu tragen und dabei Ruhe, Frieden und innere Stille zu bewahren, deren sie sich jetzt erfreute.
Auch ihren Engeln gab Maria aufs neue den Auftrag, für alle Apostel und Jünger Sorge zu tragen und ihnen in ihren Leiden Hilfe und Trost zu bringen. Nichts hinderte sie, zur gleichen Zeit diesen Dienst zu tun, das Angesicht Gottes zu schauen und zu geniessen. Maria gab ihnen den Auftrag, ihr von allen Arbeiten der Apostel Nachricht zu geben und ihr auch zu berichten, wenn sie Kleidung benötigten. Die Sorge dafür wollte die Mutter auf sich nehmen. Alle Apostel sollten, sowohl was die Form als auch die Farbe betrifft, gleich gekleidet sein, und zwar so, wie ihr heiligster Sohn gekleidet war. Sie spann, wob und verfertigte mit Hilfe der Engel die Kleider der Apostel und sandte sie ihnen durch die Engel zu. Was Nahrung, Unterhalt und andere Bedürfnisse betraf, mussten sich die Apostel mit Almosen, Handarbeit und freiwillig gereichten Gaben behelfen.
Oft empfingen die Apostel bei ihren Wanderungen auf Anordnung Mariens Hilfe und Beistand durch die Engel, besonders in den Gefahren und Trübsalen, die sie von den Heiden und Juden und auch von den bösen Geistern zu bestehen hatten. Oft erschienen ihnen die Engel in sichtbarer Gestalt, redeten mit ihnen und spendeten ihnen im Namen Mariae Trost. Zuweilen taten sie dies innerlich, ohne sich zu zeigen. Sie befreiten die Apostel aus Kerkern, machten sie aufmerksam auf Gefahren und Nachstellungen, geleiteten sie auf die rechten Wege, trugen sie von einem Orte an einen andern, wo die Predigt eben notwendig war, und gaben ihnen Ratschläge, was nach den Umständen der Zeit, des Ortes und der Nationalität zu tun sei. Von allem machten dann die Engel ihrer himmlischen Herrin wieder Mitteilung. Es ist ganz unmöglich, die Bemühungen, die Umsicht, die Sorgen dieser gütigen Mutter im einzelnen zu schildern. Es verging kein Tag und keine Nacht, ohne dass sie wunderbare Werke zum Wohle der Apostel und der ganzen Kirche gewirkt hätte. Überdies erteilte sie den Aposteln auch in Briefen heilige Ermahnungen und Lehren. Dadurch wurden sie immer wieder ermutigt, angeeifert und mit Trost und Stärke erfüllt.
Noch wunderbarer aber ist, dass die heiligste Jungfrau den Aposteln zuweilen persönlich erschiene, zumal dann, wenn diese sie um Hilfe anriefen, weil sie in einer grossen Bedrängnis waren. Ich will hier nur Erscheinungen erwähnen, mit denen der heilige Petrus beglückt wurde. Als Oberhaupt der Kirche hatte Petrus den Beistand und Rat Mariae in höherem Mass vonnöten. Ihm sandte sie häufiger als andern ihre Engel. Er hingegen sandte ihr jene Engel zu, die ihm als dem Oberhirten der Kirche zur Seite standen. Er verkehrte auch brieflich häufiger mit der Mutter Gottes als die übrigen Apostel. Nach dem Konzil zu Jerusalem hatte sich Petrus auf den Weg nach Antiochien gemacht, wo er seinen bischöflichen Sitz nahm. Indes entstanden Schwierigkeiten. Er kam dadurch in Not und Bedrängnis. Maria wusste davon, und der Heilige hatte ihre Hilfe sehr nötig. Da erhoben die Engel Maria auf einen Thron und trugen sie an den Aufenthaltsort des heiligen Petrus. Er war eben im Gebet, als ihm Maria erschien. Als er sie in solchem Strahlenglanze erblickte, warf er sich auf die Erde nieder und sprach: "Woher geschieht es mir Sünder, dass die Mutter meines Erlösers und Herrn zu mir kommt?" Maria stieg von ihrem Throne herab, während ihr Glanz allmählich abnahm. Dann warf sie sich auf ihre Knie nieder und bat den obersten Hirten der Kirche um seinen Segen. Maria handelte so bei ihren Erscheinungen nur dem Petrus, nicht aber den übrigen Aposteln gegenüber. Redete sie nicht in einer Erscheinung, sondern im gewöhnlichen, natürlichen Zustande mit den Aposteln, so bat sie diese immer kniend um den Segen.
Nachdem sie dem Statthalter Christi ihre Ehrfurcht bezeigt hatte, redete sie den Apostel in vertraulichem Tone an, worauf sie die schwierigen Angelegenheiten besprachen. Es handelte sich darum, ob schon jetzt einige Feste des Herrn eingeführt werden sollten. Nach dieser Beratung trugen die Engel Maria von Antiochien nach Jerusalem zurück. Als Petrus später nach Rom übergesiedelt war, um nach der Anordnung des göttlichen Heilandes den apostolischen Stuhl dahin zu verlegen, erschien ihm Maria nochmals. Hier beschlossen sie die Feier des Festes der Geburt Christi, ferner des Leidens Christi und der Einsetzung des allerheiligsten Altarsakramentes. Die beiden letzteren Feste sollten an einem Tage, nämlich am Gründonnerstag, in der römischen Kirche gefeiert werden. Das Fronleichnamsfest, wie wir es heute feiern, wurde erst viel später in der Kirche eingeführt. Das ursprüngliche Fest, das am Gründonnerstag gefeiert wird, stammt vom heiligen Petrus, ebenso das Osterfest, die einzelnen Sonntage des Jahres, Christi Himmelfahrt und Pfingsten. Dies alles geschah auf den Rat und die Anordnung der allerseligsten Jungfrau. Später kam Petrus auch nach Spanien, wo er einige vom Apostel Jakobus gegründete Kirchen besuchte. Nachdem er selbst noch einige andere gegründet hatte, kehrte er wieder nach Rom zurück.
Kurz vor dem Hinscheiden der gütigen Mutter entstand in Rom ein Aufruhr gegen die Christen. Petrus und alle Gläubigen befanden sich in grosser Bedrängnis. Darum bat er seinen Schutzengel und die Engel seines Amtes, sie möchten Maria bitten, damit sie durch ihre mächtige Fürsprache bei ihrem heiligsten Sohn ihm in seiner Bedrängnis helfe. Der Sohn Gottes befahl den heiligen Engeln des Apostels, ihn nach Jerusalem zu bringen, wo Maria weilte. Unverzüglich trugen sie den heiligen Petrus in das Zönakulum zu Maria. Diese ausserordentliche Gnade vermehrte das Feuer der Liebe, von dem der Apostel beseelt war. Er warf sich vor der heiligsten Jungfrau zur Erde nieder, weinend vor Freude, da er seinen Herzenswunsch in solcher Weise erfüllt sah. Maria hieß ihn aufstehen. Dann warf sie sich selbst nieder und sprach: "Mein Gebieter, als Stellvertreter Christi, meines allerheiligsten Sohnes, gib deiner Dienerin den Segen!" Dann sagten sie dem Allmächtigen Dank, dass er den Wunsch des Apostels erfüllt und ihm eine solche Gnade gewährt hatte. Die Not, in welcher sich Petrus und die Gläubigen Roms befanden, war Maria wohl bekannt, doch ließ sie sich von Petrus den ganzen Hergang erzählen und hörte ihm aufmerksam zu.
Maria sagte dem Apostel alles, was er wissen musste, um die Kirche in Rom zu beruhigen. Sie sprach zu ihm mit solcher Weisheit, dass er vor Freude und Bewunderung wie ausser sich war. Er sagte der Himmelskönigin für diese ausserordentliche Gnade demütig Dank. Nach dieser Belehrung trugen ihn die Engel wieder nach Rom zurück. Maria warf sich ihrer Gewohnheit gemäß in Kreuzesform zur Erde nieder und flehte zum Herrn, er möge der Verfolgung ein Ende machen. Ihr Gebet wurde erhört. Als Petrus nach Rom zurückkam, fand er die Dinge in besserem Zustand. Die Konsuln gaben bald darauf den Christen Erlaubnis, das Gesetz Christi frei und ungehindert zu beobachten.
 
Lehre der Königin der Engel
Meine teuerste Tochter. Worüber ich Klage führe, ist, dass man die Priester des Allerhöchsten ohne Ehrfurcht, ohne Achtung und ohne Respekt behandelt. Es ist ein Vergehen, das von Tag zu Tag mehr unter den Gläubigen um sich greift. Sage mir, wer sollte es für möglich halten, dass die Priester, die Gesalbten des Herrn, die auserwählt und geweiht sind, die Welt zu heiligen, Jesus Christus vertreten und seinen Leib und sein Blut zu konsekrieren, dass diese Priester die Diener irdisch gesinnter Weiber sind? Wer sollte es für möglich halten, dass ein Priester entblößten Hauptes dasteht, um einem hoffärtigen Weibe seine Ehrfurcht zu bezeigen, einzig weil es reich, er aber arm ist? Ich frage, besitzt denn ein armer Priester weniger Würde als ein reicher? Oder verleihen die Reichtümer eine grössere oder auch nur gleiche Würde, Gewalt und Auszeichnung wie die, welcher mein allerheiligster Sohn seinen Priestern und Dienern verleiht? Die Engel sind weit entfernt, die Reichen wegen ihres Vermögens zu ehren. Sie ehren aber die Priester um ihrer unaussprechlich hohen Würde willen. Wie kann man also in der Kirche ein solches Unrecht dulden, dass die Gesalbten des Herrn beschimpft und verachtet werden, und zwar von den Gläubigen, welche doch wissen und bekennen, dass die Priester die geheiligten Diener Jesu Christi sind?
Es ist leider nicht zu leugnen, dass die Priester selbst nicht wenig schuldbar und tadelnswert sind, wenn sie sich mit Hintansetzung ihrer Würde dem Dienste der Menschen hingeben. Indes mögen die Priester in ihrer Armut einige Entschuldigung finden. Die Reichen aber finden keine solche in ihrer Hoffart, wenn sie arme Priester ihrer Armut wegen anhalten, ihre Diener zu machen, während doch die Priester in Wahrheit Herren sind. Eine solche Handlungsweise flösst den Heiligen Entsetzen ein. In meinen Augen aber ist es höchst missfällig, weil ich gegen die Priester eine grosse Ehrfurcht hatte. Gross war meine Würde als der Mutter des lebendigen Gottes, und doch habe ich mich den Priestern zu Füssen geworfen und gar oft den Boden geküsst, auf dem ihre Füsse gestanden waren. Dies tun zu dürfen, habe ich für ein grosses Glück gehalten. Die Blindheit der Welt hat den Glanz der priesterlichen Würde verdunkelt. Sie hat das Kostbare mit dem Gemeinen verwechselt. Sie hat bewirkt, dass in Gesetzen und in Ungesetzlichkeiten der Priester dem Volke gleichgehalten wird, und dass man sich von Priestern wie von Laien unterschiedslos bedienen lässt. Der Priester, der jetzt am Altar steht und dem Allerhöchsten das furchtbar heilige Opfer seines hochheiligen Leibes und Blutes darbringt, er geht von da weg, um einem Sklaven gleich den Diener und Begleiter von Laien, ja selbst von Frauen zu machen.
Meine Tochter, sühne für eine solche Verschuldung und Verirrung der Kinder der Kirche, soviel in deinen Kräften steht. Ich schaue mit Ehrfurcht und Hochachtung auf die Priester herab, die auf Erden weilen. Du sollst sie immer mit derselben Ehrfurcht betrachten, mit der du sie ansiehst, wenn sie am Altare stehen oder das allerheiligste Sakrament in Händen oder im Herzen tragen. Überdies sollst du die Paramente und die priesterlichen Gewänder in hohen Ehren halten. Diese Ehrfurcht hat mich bewogen, die Tuniken für die Apostel anzufertigen. Die heiligen Evangelien und die übrigen heiligen Schriften sollst du sowohl wegen ihres Inhaltes, als auch wegen der Art und Weise, wie der Allerhöchste die Evangelisten zur Abfassung derselben veranlasste, hoch schätzen. Der Heilige Geist hat seinen Beistand gewährt, damit die heilige Kirche durch die Fülle der Lehre bereichert und beglückt werde. Dem Papste zu Rom musst du den vollkommensten Gehorsam erweisen und ihn mehr als alle anderen Menschen ehren. Wenn du ihn nennen hörst, sollst du deine Ehrfurcht gegen ihn durch Verneigung des Hauptes bezeigen, wie wenn du den Namen meines Sohnes oder den meinigen nennen hörst. Auch ich habe, solange ich auf Erden lebte, dem Namen des heiligen Petrus meine Ehrfurcht bezeigt, so oft ich ihn aussprechen hörte. Alle diese Übungen sind dem Herrn sehr wohlgefällig, und keine ist geringfügig in seinen Augen, wenn sie nur aus Liebe zu ihm verrichtet wird.
 
(Geoffenbart der ehrwürdigen Dienerin Gottes, Maria von Jesus zu Agreda)
 

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