Das wichtigste Gnadenmittel

Ohne Gebet gibt es kein geistliches Leben. Es ist das Gebet das grosse, unbedingte Gnadenmittel. Wir müssen, wenn wir selig werden wollen, beten.
1. Ohne Gnade keine Seligkeit, ohne Gebet, insofern es sich um Erwachsene handelt, keine Gnade. Gebet ist also ebenso notwendig wie die Gnade. Gott hat nun zwar die Sakramente als Gnadenmittel bestellt, aber in mancher Beziehung ist das Gebet selbst wichtiger als die Sakramente. Die Sakramente vermitteln gewisse, bestimmte Gnaden, das Gebet vermag unter Umständen alle Gnaden zu erhalten; die Sakramente stehen uns nicht überall und immer zu Gebote, wohl aber das Gebet. Deshalb sagt man mit Recht: "Wer recht zu beten versteht, versteht auch recht zu leben." Durch das Gebet versieht sich der Mensch mit allem, was zum guten Leben notwendig ist. Wen dem so ist, dann gelten auch folgende inhaltsschweren Sätze: Niemand soll etwas hoffen als durch das Gebet; jedes Vertrauen, das sich nicht auf das Gebet stützt, ist ein eitles Vertrauen; und Gott schuldet uns nichts als auf das Gebet hin, weil er dem Gebet alles versprochen hat.
Gott befiehlt nichts Unmögliches; entweder gibt er dir die Gnade selbst oder wenigstens das Gebet, mit dem du dir die Gnade erlangst.
2. Es kommen an zweiter Stelle die Versuchungen. Auch die vermögen wir natürlicherweise nicht alle zu überwinden. So weit kommt aber die Versuchung nicht, dass wir nicht beten können. Wir sind nur schwach, weil wir nicht beten. Die Heiligen waren siegreich, weil sie beteten. Ohne Gebet wären sie auch unterlegen wie wir. Dieses gilt besonders von den Versuchungen des Fleisches. Sie besonders machen blind gegen alle verhängnisvollen Folgen der Sünde; sie lassen uns alle guten Vorsätze vergessen und löschen die Furcht vor den Strafgerichten in uns aus. Ohne Gebet bleibt da nichts übrig, als zu Grunde zu gehen.
Die schönsten Gebetsweisen
Es fehlt nicht an einer grossen Anzahl von schönen, erhabenen und ehrwürdigen Gebeten; ehrwürdig und erhaben nicht bloß wegen des Inhaltes, sondern auch wegen des Urhebers selbst, der vielfach kein Geringerer ist als Gott und die Kirche. Erinnert sei nur an die Psalmen, das Vaterunser, das Ave Maria, die Allerheiligenlitanei und die gottesdienstlichen Gebete.
1. Die Psalmen sind die ältesten Gebete und von Gott selbst eingegeben. Grossenteils für den alttestamentischen Gottesdienst bestimmt gehören sie durch ihre Beziehung auf den Messias auch unserer Kirche an. Es sind unsere Gebete, und nur durch unsern eucharistischen Tabernakel erreichen sie ihre Bedeutung und Erfüllung.
Grundlage und Gegenstand dieser Singgebete ist Gott und der Mensch und ihre gegenseitige Beziehung durch die Offenbarung und das Gesetz mit all seinen Segnungen, Hoffnungen und Vergeltungen. Wir können nicht oft genug den Psalter zur Hand nehmen und ihm den rechten Ton für unser Zwiegespräch mit Gott ablernen. Da sind wir uns mit der ganzen Menschheit zusammen. Gott selber legt uns das Wort auf die Zunge.
2. Noch viel mehr ist dies der Fall mit dem Vaterunser. Das ist das hohe Privilegium dieses Gebetes, dass hier wirklich die Worte des Sohnes Gottes sind. Durch den wir leben, beten wir auch, können wir hier sagen. Ja er selbst, zu dem wir beten müssen, setzt uns in seiner Güte die Bittschrift auf. Abgesehen davon, ist es in sich das vortrefflichste Gebet. Es ist klar, kurz und vollständig. Der Vollständigkeit nach umfasst es alles, was zu einem Gebet gehört, nämlich die Anrede und die Bitte. Die Anrede "Vater unser" ist wahr, ist für Gott ehrend und uns nützlich, weil sie uns gleich der rechten Beziehung zu Gott als Vater gemahnt, uns in die tröstlichste Stimmung der Ehrfurcht, Liebe und des Vertrauens versetzt und uns an die Zugehörigkeit zum ganzen Menschengeschlechte, als einer grossen Gottesfamilie, erinnert. Die Bitten ebenfalls enthalten alles, worum wir vernünftiger und geziemender Weise bitten können, und zwar in der rechten Ordnung, nach welcher wir bitten müssen.
Mehr können wir uns nicht denken und wünschen. Alles ist da zusammengefasst. So ist das Vaterunser ein wahres Mustergebet, und voll von grossen, hohen und herrlichen Dingen, Gedanken und Anliegen. Unser ganzes Dasein umfasst es, Hohes und Niedriges, Zeitliches und Ewiges. Es ist, wie die heiligen Väter sagen, ein Abriss des Evangeliums und der ganzen Religion. Es belehrt unsern Verstand und gibt unserem Willen die rechte Richtung, und ist der Rahmen all unserer Wünsche, Bitten und Gebete, damit sie uns zum Heile gereichen. Es ist das Vaterunser selbst das Unterpfand der Erhörung, weil wir mit den Worten Christi beten und Christus in uns betet, unser Herr und Hohepriester, der immer Erhörung findet wegen seiner Ehrwürdigkeit als Sohn Gottes. Ja kein anderes Gebet vereinigt uns so mit den Gedanken, Absichten und Gesinnungen des Heilandes, mit seinem Geiste und seinem Verlangen, Gottes Ehre und unser Heil zu fördern. Es ist das Vaterunser der schöne und beredte Ausdruck seiner allumfassenden Liebe zu Gott, zu der Kirche und zu allen Menschen. Alles hat er in ihm zusammengefasst, die Bedürfnisse des Einzelnen, aller Völker und des ganzen Menschengeschlechtes und aller Zeiten.
3. Das Ave Maria ist der süße Anteil, den Maria, Unsere Liebe Frau, die Herrin und Mutter der Christenheit an unsern Gebeten hat. Es ist ein Beweis, dass in unserer Kirche die Mutter nicht fehlt, dass alles durch ihre Hand geht und dass der Christ nicht wirken, leben und sterben will ohne sie.
Auch das Ave Maria ist hohen Ursprungs. Ein Engel hat es im Namen Gottes vom Himmel gebracht als Ehrengruss, wie er nie einem Sterblichgeborenen zuteil geworden, der Heilige Geist hat ihn erweitert durch die begnadete heilige Elisabeth, und die Kirche hat ihn, um ein vollkommenes Gebet aus dem bloßen Engelsgruss zu machen, besiegelt durch die Bitte, die sie hinzufügt. Von dem 16. Jahrhundert an ist es in der gegenwärtigen Fassung in den Gebrauch der Christenheit übergegangen. Fast immer bildet es nach dem Vaterunser den liebenden Schlussakkord der Christen an die Gottesmutter. Es ist der Hauptträger und der beliebteste Ausdruck der Marienverehrung geworden. Man hat es mit Recht den "unendlichen Gruss" genannt, weil es sich unaufhörlich mit dem Rundgang der Sonne auf der Erde erneuert und zum Himmel steigt.
Dem Inhalt und der Gliederung nach besteht das Ave Maria wie jedes andere Gebet aus der Anrede und der Bitte. Die Anrede enthält fünf Lobtitel der Mutter Gottes. Die drei ersten spricht der Engel aus.
4. Es entwickelt sich das Ave Maria durch verschiedene Zusammenstellungen und Erweiterungen zu zwei grossen und wichtigen Gebetsarten, nämlich zum sogenannten Englischen Gruss, zu dem jeden Tag dreimal die Betglocke das Zeichen gibt, und zum Rosenkranz. Beide Andachten sind nichts anderes als eine bestimmte Anreihung des Ave Maria mit kurzen Beisätzen, die dem Sinne und dem Inhalt der Worte eine besondere Beziehung geben auf die Geheimnisse des Lebens, des Leidens und der Verherrlichung Jesu und Mariä.
Wenn wir also tiefe Bedeutung des Ave Maria verstehen und uns angewöhnen, es andächtig zu beten, so ist auch für die Andacht beim Beten, für unsern geistlichen Nutzen und für die Verherrlichung der Mutter Gottes ausreichend gesorgt. Jeder Tag unseres Lebens wird dann wirklich der immer blühende Rosengarten, in dem Unsere Liebe Frau ewigen Festtag feiert.
"Aber die ewigen, langweilenden und geisttötenden Wiederholungen" hört man sagen. Ob sie langweilen und den Geist töten, hängt ganz von uns ab. An und für sich ist das öftere Anschauen eines lieben Bildes und das Wiederholen eines teuern Namens, ja eines schönen Liedes ganz natürlich und nichts weniger als langweilig. Der Vogel wiederholt den ganzen Tag sein stets gleiches Lied, und es wird nie lästig; das Kind sagt dem Vater und der Mutter immer dieselben Namen und Gedanken vor; immer bewegen sie mit Freuden das elterliche Herz, weil sie aus liebendem Kindesherzen kommen. Es kommt also bloß auf den Geist und auf die Liebe an und ob man etwas dabei denkt. Was aber eben diesen Geist und diese Liebe weckt und erhält, das ist die öftere Wiederholung derselben Gedanken und Wahrheiten und das Eingehen auf dieselben.
Darauf kommt alles an, dass wir mit ganzer Seele uns darin versenken. Je älter wir werden, desto mehr müssen wir beten; und je mehr wir beten, desto mehr muss unser Gebet zur Betrachtung werden. Wie Diamanten in Gold gefasst, so sind die Hauptgeheimnisse des Lebens, Leidens und Triumphes Jesu und Mariä im Rosenkranzgebet in je 10 Ave Maria eingeschlossen. Die öftere Wiederholung gibt Zeit, sich diese Bilder vorzustellen, zu betrachten, Anmutungen und Entschlüsse zu erwecken.
Das erste freudenreiche Geheimnis zeigt uns Maria mit dem Verkündigungsengel und dem Heiligen Geiste. Erwäge dabei, wie unaussprechlich heilig Maria war, als sie Christus vom Heiligen Geiste empfing, d.h. wie tief ihr Abscheu gegen die geringste Sünde war; bitte um die Gnade, Leib und Seele rein zu erhalten und Christum, den der Heilige Geist auf dem Altar vergegenwärtigt, oft und würdig zu genießen. Das zweite zeigt Maria bei der Heimsuchung, ihre Sittsamkeit, Eingezogenheit; du sollst auch nur solche Gesellschaft aufsuchen, wo Jesus dabei sein kann und die Sittsamkeit und Wachsamkeit bewahren. Das dritte zeigt Jesus und Maria in Armut und Niedrigkeit, Verstoßung; bitte um Zufriedenheit in geringem Stande, Armut im Geiste. Im vierten opfert Maria voll Andacht ihr Kind im Tempel; du sollst gern, mit Andacht und Ehrfurcht im Tempel erscheinen und opferwillig sein. Das fünfte, das Wiederfinden im Tempel, mahnt, Jesum nicht zu verlieren, und wenn man ihn verloren hat durch die Sünde, ihn alsbald wiederzusuchen im Bußsakrament.
Die schmerzhaften Geheimnisse können lehren:
1. in Geistestrübsal, Trockenheit und Versuchung beharrlich beten;
2. die Sünden der Unkeuschheit meiden;
3. die Hoffart verabscheuen;
4. das tägliche Kreuz geduldig und verdienstlich tragen;
5. am Kreuz des Gehorsams, der Selbstverleugnung ausharren.
Die glorreichen Geheimnisse können ermuntern:
1. entschlossen aufzuerstehen aus dem Grabe der Sünde und in einem neuen Leben zu wandeln;
2. himmlischen Sinn zu üben, das Herz loszureißen von der irdischen Anhänglichkeit;
3. den Einsprechungen der Gnade folgen und sich vom Heiligen Geist innerlich erleuchten und regieren zu lassen;
4. beständig beten um eine gute Sterbestunde;
5. Verdienste zu sammeln so lange es noch Tag ist, und sich anspornen durch Erinnerung an die Krone der Herrlichkeit.
Das kann jeder, und Übung macht auch hierin den Meister. Ein Gebet- und Erbauungsbuch ist der Rosenkranz auch für den Ungelehrten. "Darum ist das Land so öde, weil niemand nachdenkt in seinem Herzen." Wer den Rosenkranz oft und mit Nachdenken betet, in dessen Gesinnung und Leben muss sich allmählich eine Umwandlung vollziehen; er pflegt ja den Umgang mit den heiligsten Personen, spiegelt sich beständig in dem Leben Jesu und Mariä.
Im Anfang des 13. Jahrhunderts war eine schlimme Zeit. Der Geist des Aufruhrs erhob kühn sein Haupt gegen staatliche und kirchliche Ordnung. Der grosse Papst Innozenz III. versammelte die Hirten der Kirche zu einem Konzil in Rom, um zu beraten, wie der böse Geist zu bannen sei. Und was taten sie? Sie forderten die Priester auf zum andächtigen Breviergebete, welches aus der heiligen Schrift und alten Kirchengebeten zu einem herrlichen Ganzen zusammengestellt ist. Die Väter sahen ein, dass die Religion der Welt nur gerettet werden könne, wenn der Priesterstand eifrig bete, täglich und vereint bete. Zur selben Zeit gab der heilige Dominikus auch den Laien ein Brevier, einen Psalter in die Hand, den Rosenkranz, damit Priester und Volk vereint im Gebet den Himmel versöhnten. Dominikus war Missionär im südlichen Frankreich, wo die giftige Ketzerei der Albigenser heimlich um sich gefressen und weite Landstriche zum Abfall gebracht hatte. Der Heilige predigte tauben Ohren. Als er einst, das Herz voll Trauer, in einer Höhle betete um Segen für seine Mühen, da erschien ihm die seligste Jungfrau, begleitet von drei himmlischen Königinnen, deren jede 50 Jungfrauen im Gefolge hatte. Die erste Schar war geschmückt mit weißen, blumengestickten Kleidern; die zweite trug blutrotes Gewand, die dritte glänzte in goldenen Kleidern. Maria sprach zu Dominikus: "Die ersten bedeuten den freudenreichen Rosenkranz, die zweiten den schmerzhaften, die dritten den glorreichen. Geh hin, predige meinen Rosenkranz, und die Lüge wird fliehen, der Glaube siegen." So geschah es. Als Dominikus diese neue Gebetsweise verkündete, strömte das verblendete Volk in die Kirche und viele Tausende schworen den Irrtum ab.
Seitdem hat der Rosenkranz einen Ehrenplatz behauptet unter den Andachten der Kirche und diese hat ihn mit zahlreichen Ablässen empfohlen. Ihre Orden tragen ihn als Abzeichen. Franziskus Xaverius trug ihn um den Hals als Zeichen der Verehrung Mariä und wirkte durch ihn zahlreiche Wunder, auf dass seine Neubekehrten mit grösserer Andacht ihn beten möchten. Franz von Sales betete ihn trotz seiner vielen Geschäfte alle Tage. Der heilige Klemens Hoffbaur nannte ihn seine Bibliothek, sein kräftiges Mittel zur Bekehrung der Sünder, besonders der Sterbenden. Fürsten und Grosse der Erde, Männer, berühmt in den Künsten und Wissenschaften oder in der Politik, beteten ihn mit Vorliebe. So Kaiser Karl V., König Alfons V. von Portugal, Kasimir II. von Polen u.a. Der berühmte Arzt Remacier trug ihn beständig in der Tasche und betete ihn unbemerkt auf seinen Krankengängen; der berühmte Musiker Haydn begeisterte sich damit zu seinen Arbeiten; der grosse Volksführer O'Conell betete ihn im Parlament, wo er stritt für die Freiheit seines Volkes; der unvergessliche Hermann von Mallinckrodt betete ihn noch auf dem Sterbebett. Alle guten Kinder der Kirche haben den Rosenkranz geliebt, und haben ihn desto lieber gewonnen, je länger sie ihn übten, und sind dadurch gewachsen in der Liebe Gottes, im Gebetseifer, im Seeleneifer. Deshalb hat auch Papst Leo XIII. das Rosenkranzgebet wiederholt empfohlen.
Übe es fleissig.
(entnommen aus: Das dreifache Reich Gottes, von Joseph Reiter, Pfarrer,)
Ich möchte gern ein Häuschen bauen
für dich und mich allein;
bei diesem müsste das Vertrauen
der starke Grundstein sein.
Darüber wollt ich eine Mauer
aus echter Treue ziehn,
damit sie noch von fester Dauer,
wenn Reiz und Jugend fliehn.
Als Dach darüber möcht ich breiten
auf Gott die Zuversicht,
damit´s uns nicht in trüben Zeiten
an Kraft und Mut gebricht.
Und dass es nicht der kleinsten Stelle
an Ruh und Frieden fehlt,
so würde sorgsam Tür und Schwelle
aus Eintracht hergestellt.
Der Fenster Gitter wollt ich winden
aus Duft und Frühlingsgrün,
und Freudenrosen mit verbinden,
die selbst im Winter blühn.
Und dass sich noch die Aussicht lichtet,
wenn unser Abend graut,
wär jedes Fenster so gerichtet,
dass es zum Himmel schaut.
So wohnten wir in diesen Räumen
geschützt für jede Zeit,
und ringsum lacht von süßen Träumen
in stiller Seligkeit.
Die Arbeit möcht uns morgens wecken,
der Fleiß von Not befrei´n,
Genügsamkeit das Tischchen decken,
der Frohsinn Speise sein.
Nach Überfluss und Prunk zu streben
gefiel uns beiden nicht,
wir lebten unser trautes Leben
im Häuschen still und schlicht.
Und winkten mir aus gold´ner Weite
auch Ruhm und Schätze zu,
verlacht´ ich sie an deiner Seite,
du liebe Seele, du!