- Gottes enge Pforte -

Der Heilige Geist


Papst Benedikt XVI.: Die Kirche Jesu Christi vom Heiligen Geist entflammt und geeinigt

Die Apostelgeschichte schreibt die Wirkung des Heiligen Geistes am Pfingsttag:

Der Heilige Geist sammelt, eint und öffnet Türen die verschlossen sind, schafft Brücken wo Gräben sind, die Menschen trennen, über Grenzen aller Art führt er die Menschen zusammen.

Er sammelt. Dazu war Jesus gekommen, um die zerstreuten Kinder Gottes, wie er selbst sagt, zu sammeln. Im über die Verwirrungen und Feindseligkeiten der Welt die Einheit zu schaffen. Die Menschen zu der Einheit zu bringen, zu der Gott sie berufen hat. Einen und sammeln ist das Kennzeichen des Heiligen Geistes. Wie das Zerstreuen, das gegeneinander Aufbringen, das Werk des Teufels ist.

Der Heilige Geist eint, und so schafft er das einige Volk Gottes über die Welt hin, seine Kirche als Vorgriff auf die vereinigte Welt.

 

Die Kirche entstand durch die Flamme des Heiligen Geistes.

Die Apostelgeschichte sagt uns auch etwas darüber, wie die Kirche entstanden ist und wie sie zu allen Zeiten sich wieder erneuern kann.

Sie ist nicht entstanden durch Kommissionen, Diskussionen, Beschlüsse, Papiere usw.

Sie ist entstanden durch die Flamme des Heiligen Geistes, die in die Menschen hineingedrungen ist, ihr Herz erfüllt hat, und diese Flamme hat dort gezündet, wo die Menschen betend versammelt waren und mit Petrus, mit den Aposteln, mit Maria, mit der ganzen Familie Jesu - und so selbst Familie Jesu geworden sind. Kirche entsteht da, wo wir uns im Gootesdienst betend der Gegenwart des lebendigen Gottes öffnen, dass er wirken kann und mehr tun kann, als wir zutun vermöchten.

 

Kirche ist einig und apostolisch.

Zur Kirche gehört die Versammlung mit Petrus, mit den Aposteln und um Maria.

Die Kennzeichen der Kirche sind:

die Gemeinschaft mit Petrus und seinen Nachfolgern;

die Gemeinschaft mit den Aposteln und ihren Nachfolgern, den Bischöfen, die über die weite Welt hin das Apostelkollegium fortsetzen. Zur Kirche gehört also die apostolische Form.

Zur Kirche gehört auch das Marianische, die Wärme des Herzens, die der Mutter sich zuwendet, um sich von ihr, immer wieder zu Jesus Christus sich führen zu lassen.

Kirche hat auch einen Inhalt. Im 1.Korintherbrief heißt es:

"Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet". Dieses Wort: Jesus ist der Herr! ist die älteste, konzentrierteste Form des Glaubensbekenntnisses der Kirche.

Aus diesem einen Satz hat sich das ganze Glaubensbekenntnis entwickelt. Das Wort "Herr" ist vom Alten Testament her die Bezeichnung für Gott. Das heißt: Jesus Christus ist selbst Gott. Er ist der Sohn Gottes. Er ist der Herr über uns. Das ist der Glaube der Kirche.

So sagt Paulus, dieses Glaubensbekenntnis haben wir nicht erfunden, das kann man nur empfangen vom Heiligen Geist.

Das bedeutet: die Kirche, und der Glaube der Kirche, wird nicht von uns ausgedacht, sondern ist für Gott ausgedacht für uns. Wir alle sind Mitglaubende mit dem Papst, den Bischöfen, mit den Dienern des Herrn.

 

Kirche ist katholisch.

Die Kirche war von Anfang an katholisch.

Lukas zeigt dies dadurch, dass alle Völker vertreten sind in Jerusalem und dass die Apostel in allen Sprachen gehört werden, in allen Sprachen sprechen. Damit will der Evangelist sagen: Die Kirche war von Anfang an nicht eine kleine Gruppe, die sich in Jerusalem gebildet und langsam ausgebreitet hat, sondern sie ist als katholische, als Kirche von allen Völkern in Erscheinung getreten.

In der Liste derer, die bei der Geistsendung zugegen waren, zählt Lukas 12 Völker auf, ergänzt noch durch ein weiteres Volk: die Römer.

Rom als Reichshauptstadt war zugleich Symbol der Universalität. Kirche ist seither in allen Sprachen und Kulturen zu Hause, sie ist die Weltumspannende aller Orte und Zeiten.

(Papst Benedikt XVI.)

 

 


 

Von den sieben Gaben des Heiligen Geistes, welche die seligste Jungfrau besaß

Nach dem mir verliehenen Lichte dünkt mich, dass die sieben Gaben des Heiligen Geistes etwas zu den Tugenden hinzufügen, auf die sie sich beziehen, und sich gerade dadurch von den letzteren unterscheiden, obwohl beide einen und denselben Gegenstand haben. Man kann zwar jede Wohltat Gottes, auch die natürlichen, eine Gabe oder ein Geschenk Seiner Hand nennen. Doch hier sprechen wir nicht von Gaben in diesem allgemeinen Sinne, wären es auch eingegossene Tugenden und Gaben. Nicht jeder, der eine oder mehrere Tugenden besitzt, erhält auch die Gnade der Gaben im betreffenden Gegenstande, wenigstens erreicht nicht jeder jenen Grad der Tugenden, in dem sie vollkommene Gaben genannt werden, gemäß der Auslegung, welche die heiligen Lehrer den Worten des Isaias geben. Dieser sagt, der Geist des Herrn werde auf Christus, unserem Erlöser, ruhen, und zählt sieben Gnaden auf, die gewöhnlich Gaben des Heiligen Geistes genannt werden: der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Wissenschaft und der Frömmigkeit und der Geist der Furcht des Herrn (Is 11, 2, 3). Diese Gaben waren als ein Ausfluß der göttlichen Wesenheit in der hypostatisch heiligsten, mit der Gottheit persönlich vereinigten Seele Christi wie das Wasser in der Quelle, von der es ausfließt, um sich allen mitzuteilen. Wir alle schöpfen ja Wasser aus den Quellen des Heilandes (Is 12,3), Gnade über Gnade (Jo 1, 16), Gabe über Gabe. In ihm sind alle Schätze der Weisheit und Wissenschaft Gottes verborgen (Kol 2, 3).

 

Die Gaben des Heiligen Geistes entsprechen den Tugenden, auf die sie sich beziehen. Sie verleihen den Geisteskräften eine gewisse besondere Vollkommenheit, damit der Mensch in dem Gebiet der betreffenden Tugenden die vollkommensten und heldenmütigsten Handlungen und Werke zu verrichten vermöge. Diese Vollkommenheit der Gaben besteht in einer besonderen und starken Eingießung und Anregung des Heiligen Geistes, die auf wirksamere Weise die Hindernisse überwindet, den freien Willen bewegt und ihm größere Kraft verleiht, nicht nachlässig, sondern mit großer Vollkommenheit und Tatkraft die Tugend zu üben, auf die die Gabe sich bezieht. Dazu ist der freie Wille nur fähig, wenn er durch eine besondere, kräftige Einwirkung des Heiligen Geistes erleuchtet und stark, lieblich und süß gedrängt wird, dieser Erleuchtung zu folgen und mit Freiheit jene Handlung zu wollen und zu vollbringen, die durch die Kraft des göttlichen Geistes im Willen bewirkt wird, wie der Apostel im Brief an die Römer sagt. Deshalb wird auch diese Anregung ein Antrieb des Heiligen Geistes genannt, weil der Wille, der frei und ohne Zwang wirkt, bei diesen Werken einem mit freiem Willen begabten Werkzeuge sehr ähnlich ist; denn er richtet sich dabei nicht so sehr nach den Regeln der gewöhnlichen Klugheit, wie dies die Tugenden tun, obwohl die Erkenntnis und die Freiheit nicht vermindert sind.

 

Ich will mich durch ein Beispiel verständlich machen. Zwei Dinge sind in den Geisteskräften tätig, um den Willen zu einem Tugendwerke zu bewegen. Das erste ist die dem Willen selbst innewohnende Kraft oder Neigung, die ihn trägt und bewegt, ähnlich wie die Schwere den Stein und wie die Leichtigkeit das Feuer bewegt, dass diese Gegenstände ihrem Mittelpunkte zustreben. Die tugendhaften Fertigkeiten (habitus virtuosi) erhöhen diese Neigung im Willen mehr oder weniger, was in ihrer Weise auch die Laster tun; denn indem sie auf die Liebe wirken, stärken sie den Willen; die Liebe ist ja die Kraft, die mit Wahrung der Freiheit den Willen trägt.

Das zweite, das auf die Bewegung des Willens wirkt, bezieht sich auf den Verstand; es ist nämlich eine Erleuchtung über die Tugenden, wodurch der Wille bewegt und geleitet wird. Für die gewöhnlichen Handlungen genügt die gewöhnliche Klugheit und Überlegung, für erhabenere Akte aber ist auch eine höhere Erleuchtung und Bewegung durch den Heiligen Geist dienlich und notwendig, und diese gehört zu den Gaben. Weil aber die Liebe und Gnade eine übernatürliche Fähigkeit und Fertigkeit (habitus supernaturalis) ist und von Gottes Willen abhängt, ähnlich wie der Strahl von der Sonne ausgeht; darum übt Gott auch einen besonderen Einfluß auf die Liebe aus. Dadurch wird diese bewegt, und sie selbst bewegt die anderen Tugenden und Fertigkeiten des Willens, und zwar in höherem Grade, wenn sie mit den Gaben des Heiligen Geistes wirkt.

 

Demgemäß erkenne ich in den Gaben des Heiligen Geistes für den Verstand eine besondere Erleuchtung, bei der er sich sehr passiv verhält. Fertigkeiten des Willens aber erhalten einen Grad von Vollkommenheit, der über die gewöhnliche Kraft der Tugend hinaus zu sehr heroischen Handlungen enregt. Gibt man einem Steine zu seiner Schwere hin noch einen anderen Antrieb, so bewegt er sich mit größerer Leichtigkeit. So werden auch im Willen, wenn die Vollkommenheit oder der Antrieb des Heiligen Geistes hinzutritt, die Akte der Tugenden ausgezeichneter und vollkommener.

 

Die Gabe der Weisheit verleiht der Seele einen gewissen Geschmack, durch den sie Göttliches und Menschliches ohne Täuschung unterscheidet und jedem seinen Wert beilegt, im Gegensatz zu dem Geschmack, der von der menschlichen Unwissenheit und Torheit herstammt. Diese Gabe gehört zur Tugend der Liebe.

 

Die Gabe des Verstandes gibt Licht, die göttlichen Dinge zu erforschen und zu verstehen, trotz der Schwerfälligkeit und Trägheit unseres Verstandes.

 

Die Gabe der Wissenschaft dringt in das Dunkelste ein und macht vollkommene Lehrmeister; sie ist gegen die Unwissenheit gerichtet. Diese zwei letzten Gaben gehören zur Tugend des Glaubens.

 

Die Gabe des Rates leitet auf dem rechten Weg und hält die menschliche Voreiligkeit zurück. Sie ist gegen die Unklugheit gerichtet und gehört zu der Tugend der Klugheit.

 

Die Gabe der Stärke verbannt die ungeregelte Furcht und stärkt die Schwäche. Sie gehört zur gleichnamigen Tugend.

 

Die Gabe der Frömmigkeit macht das Herz mild und sanft, benimmt ihm die Härte und schützt es vor Gottvergessenheit und Gefühllosigkeit. Sie gehört zur Tugend der Gottesverehrung.

 

Die Gabe der Furcht des Herrn verdemütigt auf liebliche Weise, im Gegensatz zur Hoffart; sie bezieht sich auf die Demut.

 

 

 

 

 

Die heiligste Jungfrau Maria besaß alle Gaben des Heiligen Geistes in vorzüglichem Grade. Als Mutter des ewigen Wortes stand sie in besonderer Beziehung zu ihnen und hatte ein gewisses Recht auf sie, da der Heilige Geist, dem diese Gaben zugeschrieben werden, vom ewigen Wort ausgeht. Maria besaß diese Gaben in so überragendem Maß, als sie, die Mutter Gottes, alle anderen Menschen überragte. Auch wegen ihrer vollkommenen Sündelosigkeit steht Maria mit dem Heiligen Geist in engster Beziehung, während alle übrigen Geschöpfe ihm gar ferne stehen.

Waren nun diese Gaben in Christus unserem Herrn wie in ihrer Quelle, so waren sie in Seiner würdigen Mutter Maria wie in einem Teich oder Meere, um von da aus allen Geschöpfen mitgeteilt zu werden. Aus ihrer überströmenden Fülle fließen dieselben der ganzen Kirche zu. Salomon drückt dies in den Sprichwörtern durch ein anderes Gleichnis aus, indem er sagt, die Weisheit habe sich ein Haus auf sieben Säulen gebaut, darin ihren Tisch zugerichtet, den Wein gemischt, die Kleinen und Unwissenden eingeladen, um sie aus dem Zustande der Kindheit hinauszuführen und sie Klugheit zu lehren (Spr 9, 1-6). Ich will dies nicht länger erklären, da ja jeder Katholik weiß, dass niemand anders als die heiligste Jungfrau Maria diese herrliche Wohnung des Allerhöchsten war, die da auferbaut und gegründet war auf die sieben Gaben des Heiligen Geistes sowohl zu ihrer eigenen Zier und Festigkeit als auch dazu, dass in dieser geistlichen Wohnung das allgemeine Gastmahl für die ganze Kirche zubereitet würde. In Maria wurde nämlich der Tisch zugerichtet, damit wir unwissenden Kinder Adams an Ihm durch die Mitteilung und die Gaben des Heiligen Geistes alle gesättigt würden.

 

Erwirbt man diese Gaben durch Übung der Tugenden und durch Überwindung der entgegengesetzten Laster, dann nimmt die Furcht Gottes die erste Stelle ein. Isaias nennt jedoch die Gabe der Weisheit an erster Stelle; denn Jesus Christus erhielt sie als Lehrer und Haupt, und nicht als Jünger, der sie erst zu erwerben hätte. In derselben Ordnung müssen wir diese Gaben auch bei Seiner heiligsten Mutter betrachten; denn bezüglich der Gaben war sie ihrem heiligsten Sohne mehr ähnlich, als die übrigen Geschöpfe ihr gleichen.

Die Gabe der Weisheit enthält eine liebende Erleuchtung, durch die der Verstand die Wahrheit der Dinge in ihren innersten und höchsten Gründen erkennt und der Wille mit einem Geschmack für die Wahrheit das wahre Gut von dem falschen unterscheidet. Denn der ist wahrhaft weise, der ohne Irrtum das wahre Gut erkennt, um es zu genießen, und es genießt, indem er es erkennt. Dieser Genuß der Weisheit besteht in einer freudigen und innigen Liebesvereinigung mit dem höchsten Gut. Dann folgt der Geschmack und die Freude an dem erschaffenen Guten, d. h. an dem sittlich Guten, das geübt wird durch jene Tugenden, die der Liebe untergeordnet sind. Darum wird derjenige noch nicht weise genannt, der die Wahrheit nur mit dem Verstand erkennt, auch wenn er sich an ihr erfreut. Ebensowenig ist weise,  wer Tugendakte allein wegen dieser Erkenntnis verrichtet, und noch weniger, wer dies aus anderen Gründen tut. Dagegen ist derjenige wahrhaft weise, der das höchste und wahre Gut und in demselben und durch dasselbe alle ihm untergeordneten Wahrheiten ohne Täuschung erkennt und aus Freude an ihm mit innigster, vereinigender Liebe handelt. Diese Erkenntnis wird aber der Weisheit geboten durch die Gabe des Verstandes, die ihr vorhergeht und sie begleitet. Die Gabe des Verstandes besteht in einem tiefen Eindringen sowohl in die göttlichen als in alle jene Wahrheiten, die sich auf die göttlichen beziehen und hinordnen lassen; denn der Geist erforscht, wie der Apostel sagt (1. Kor 2, 10), alles, auch die Tiefen der Gottheit.

 

 

 

Eben dieser Geist wäre nötig, um wenigstens etwas zu begreifen und zu sagen von den Gaben der Weisheit und des Verstandes Mariä. Der gewaltige Strom, den die höchste Güte eine ganze  Ewigkeit hindurch in sich zurückgehalten hatte, erfreute diese Stadt Gottes (Ps 45, 5), indem Er durch ihren und des ewigen Vaters Eingeborenen, der in ihr wohnte, Seine Gewässer mit solcher Gewalt in ihre heiligste Seele ergoß, dass es, menschlich geredet, scheinen konnte, es habe sich das unendliche Meer der Gottheit in diesen Ozean der Weisheit ausgegossen, und zwar schon in dem Augenblick, da sie den Geist der Weisheit rufen konnte. Damit sie Ihn aber rufe, kam Er zu ihr, auf dass sie Weisheit lerne ohne Falsch und sie ohne Neid austeile (Weish 7, 13). Dies hat sie auch getan. Denn durch ihre Weisheit ist der Welt das Licht des ewigen, menschgewordenen Wortes offenbar geworden. Die weiseste Jungfrau verstand die Einrichtung der Welt, die Eigenschaften der Elemente, den Anfang, die Mitte und das Ende der Zeiten und deren Wechsel, den Lauf der Sterne, die Natur der zahmen und die Wut der wilden Tiere, die Gewalt der Winde, die Natur und die Gedanken der Menschen, die Kräfte der Kräuter, Bäume, Früchte und Wurzeln, alles, was verborgen und für Menschengedanken unerreichbar ist, die Geheimnisse und unbekannten Wege des Allerhöchsten (Weish 7, 17-21). Dies alles verstand Maria, unsere Königin, alles dieses kostete sie durch die Gabe der Weisheit, die sie in ihrer tiefsten Quelle getrunken und deren geheime Gedanken in ihr gleichsam zum Ausdruck kamen.

 

Dort nahm sie den "Hauch der Kraft Gottes in sich auf, den reinen Ausfluß seiner Klarheit" (Weish V. 25ff.), der sie unbefleckt machte vor jedem Makel, der die Seele bewahrte und sie zum makellosen Spiegel der Herrlichkeit machte. Dort empfing sie den Geist des Verstandes, den die Weisheit in sich schließt und der da heilig ist, einfach, fein, scharfsinnig, beredt, beweglich, unbefleckt, untrüglich, lieblich, das Gute liebend, frei wirkend, wohltätig, freundlich, gütig, fest und sicher. Alle diese Tugenden schließt die Weisheit in sich, alles erreicht sie, alles begreift sie mit jener reinsten Klarheit und Feinheit, durch die sie überall hindringt (Weish V. 22-24). Alle diese Eigenschaften fanden sich in der heiligsten Jungfrau Maria nächst ihrem göttlichen Sohn auf einzigartige vollkommene Weise. Mit der Weisheit aber kamen zu ihr alle Güter. Bei allen ihren Handlungen gingen diese erhabensten Gaben der Weisheit und des Verstandes vor ihr her (Weish V. 11, 12), damit alle Werke der anderen Tugenden von diesen geleitet und von ihrer unvergleichlichen Weisheit durchdrungen würden.

 

Von den übrigen Gaben wurde einiges gesagt, als von den Tugenden die Rede war, zu weilchen sie gehören. Auf die Gabe des Vestandes folgt  bei Isaias die des Rates. Sie besteht in einer übernatürlichen Erleuchtung, durch die der Heilige Geist das Innere des Menschen über alle gewöhnliche, menschliche Einsicht hinaus erleuchtet, damit er stets das Nützlichste, Geziemendste und Gerechteste wähle, das Gegenteil verwerfe und den Willen nach den Regeln des ewigen, unbefleckten, göttlichen Gesetzes zur Einheit einer einzigen Liebe und zur Gleichförmigkeit mit dem vollkommenen Willen des höchsten Gutes bringe. Der Mensch soll sich nämlich losmachen von den vielen und mannigfachen Zuneigungen und Anhänglichkeiten an äußere, irdische Güter, die das menschliche Herz zurückhalten oder hindern können, auf diesen göttlichen Antrieb und Rat zu hören, ihm zu folgen und Christus dem Herrn, unserem lebendigen Vorbild, gleichförmig zu werden, der nach dem vollkommensten Rate zum ewigen Vater sprach: "Nicht mein, sondern Dein Wille geschehe!" Lk 22, 42).

 

Die Gabe der Stärke ist eine Teilnahme an der göttlichen Kraft, die der Heilige Geist dem geschaffenen Willen verleiht, damit er voll heiligen Mutes sich über alles erhebe, was die menschliche Schwachheit fürchten kann und gewöhnlich fürchtet von den Versuchungen, Schmerzen, Trübsalen und Widerwärtigkeiten. Über all dies soll sich der menschliche Wille mit Hilfe dieser Gabe hinwegsetzen, alles soll er besiegen, um das Schwerste und Erhabenste in der Übung der Tugenden zu erringen und zu bewahren. Er soll sich erheben, aufsteigen und sich erschwingen über alle Tugenden, Gnaden, inneren geistlichen Tröstungen; über alle Offenbarungen, über alle Süßigkeiten der heilige Liebe, so edel und erhaben sie auch sein mögen. All dies soll er hinter sich zurücklassen und mit einer heiligen Gewalt sich nach dem vorgesteckten Ziel ausstrecken (Phil 3, 13), bis er zur innigsten, erhabensten Vereinigung mit dem höchsten Gute gelangt, nach dem er mit den glühendsten Begierden schmachtet. Dann geht in Wahrheit in Erfüllung, was im Buche der Richter gesagt ist, dass vom Starken Süßigkeit ausgehe (Ri 14, 14), wenn er nämlich alles überwunden hat in dem, der ihn stärkt (Phil 4, 13).

Die Gabe der Wissenschaft ist eine Kenntnis, die unfehlbar richtig urteilt über alles, was man hinsichtlich der Tugenden glauben und tun muß. Sie unterscheidet sich von der Gabe des Rates; denn diese wählt, sie aber urteilt. Von ihr kommt das richtige Urteil, vom Rat die kluge Wahl. Auch von der Gabe des Verstandes ist sie verschieden. Diese erkennt die tiefen Wahrheiten, welche den Glauben und die Tugenden betreffen, in sich und gleichsam durch einen einfachen Erkenntnisakt; die Gabe der Wissenschaft aber erkennt die aus jenen Wahrheiten sich ergebenden Folgerungen. Sie regelt die äußeren Tätigkeiten der Seelenkräfte nach der Vollkommenheit der Tugend. So ist die Gabe der Wissenschaft gleichsam die Wurzel und die Mutter der Klugheit.

 

Die Gabe der Frömmigkeit (pietas) ist eine göttliche Kraft oder ein göttlicher Einfluß, durch den der Heilige Geist den Willen des Menschen sanft und weich, gleichsam flüssig macht und ihn zu allem bewegt, was den Dienst Gottes und die Werke der Nächstenliebe betrifft. Infolge dieser Milde und lieblichen Süßigkeit ist unser Wille bereit und unser Gedächtnis aufmerksam, Gott das höchste Gut an jedem Orte, zu jeder Zeit, bei allen Begebnissen zu loben, zu preisen, Ihm Dank und Ehre darzubringen, mit den Geschöpfen aber zartes und liebevolles Mitleiden zu empfinden und sie in ihren Leiden und Nöten nicht im Stiche zu lassen. Der Neid kann diese Gabe der Frömmigkeit nicht aufhalten. Sie kennt weder Haß noch Geiz, weder Lauheit noch Engherzigkeit. Sie gibt dem Herzen eine liebliche und zugleich kräftige Neigung, kraft deren der Mensch mit Freuden zu allen Werken der Gottes- und Nächstenliebe schreitet. Sie macht wohlwollend, nachgiebig, dienstfertig und sorgsam. Deshalb sagt der heilige Apostel Paulus, die Frömmigkeit sei zu allem nützlich und habe die Verheißung des ewigen Lebens (1. Tim 4, 8). Sie ist ein ausgezeichnetes Werkzeug der göttlichen Liebe.

 

An letzter Stelle kommt die Gabe der Gottesfurcht, die so oft in der Heiligen Schrift und von den heiligen Lehrern gepriesen und dringend als Grundlage der christlichen Vollkommenheit und als Anfang der wahren Weisheit (Ps 110, 10; Spr 1, 7; 9, 10; Sir 1, 16) empfohlen wird. Die Gottesfurcht ist es, die zuerst der törichten Anmaßung der Menschen Widerstand leistet und sie mit größter Kraft niederhält und verschwinden macht. Diese wichtige Gabe besteht in einem liebevollen Sich-zurückziehen, in einer sehr edlen Selbstbeschämung und Selbstverdemütigung, durch die die Seele sich in sich selbst und in die Niedrigkeit ihres eigenen Wesens versenkt und sich im Vergleich mit der höchsten Größe und Majestät Gottes betrachtet. Auf diese Weise kommt sie dazu, von sich selbst nicht hoffärtig zu denken, sondern zu fürchten, wie der Apostel lehrt (Röm 11, 20).

Die heilige Furcht hat ihre Grade. Sie wird im Anfang beginnende, sodann kindliche Furcht genannt. Sie beginnt nämlich damit, die Sünde, als den Gegensatz des höchsten Gutes, das sie in Ehrfurcht liebt, zu fliehen. Dann schreitet sie fort zur Erniedrigung und Verachtung ihrer selbst, indem sie ihr eigenes Wesen mit Gottes Majestät, ihre Unwissenheit mit Seiner unendlichen Weisheit, ihre Armut mit Seinem unermeßlichen Reichtum vergleicht. Infolgedessen ganz in Gottes Willen ergeben, verdemütigt und unterwirft sie sich allen Geschöpfen um Gottes willen, handelt mit innigster Liebe zu Ihm und zu ihnen und gelangt so zur Vollkommenheit der Kinder Gottes und zur höchsten geistigen Vereinigung mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geiste.

 

Hat man die Natur und die Eigenschaften der Gaben des Heiligen Geistes erfaßt, so muß man erwägen, dass die erhabene Himmelskönigin alle Gaben des Heiligen Geistes in ganz besonderer, ja einziger Auszeichnung besaß, so dass kein anderer Heiliger fähig wäre, sie in ähnlicher Vollkommenheit zu fassen, und dass es auch nicht gezienend sein könnte, dass ein anderes, weniger heiliges Geschöpf als Maria dieselben in solchem Grad empfange.

Hat man erkannt, worin die heilige Furcht, die Frömmigkeit, die Stärke, die Wissenschaft und der Rat, soweit sie besondere Gaben des Heiligen Geistes sind, bestehen, dann erweitere sich der Verstand der Menschen und die Einsicht der Engel und denke sich das Höchste, das Edelste, das Ausgezeichnetste, das Vollkommenste, das Gottähnlichste. Die Gaben, die Maria besaß, gehen über alles hinaus, was alle Kreaturen insgesamt zu begreifen vermögen. Die niedrigste Stufe derselben ist das Höchste, was ein erschaffener Verstand zu erreichen vermag. Andererseits grenzt die höchste Stufe der Gaben, die die Herrin und Königin der Tugenden besaß, in gewisser Weise an die niedrigste Stufe jener Gnadenfülle, die in Christus und in der Gottheit wohnt.

 

 

 

 

Gebet zum Heiligen Geist

 

Komm, o Geist der Weisheit, und unterrichte mein Herz, damit ich mein letztes Ziel und Ende stets lebhaft vor Augen habe, und mich bei allen meinen Werken von reiner Absicht leiten lasse! Lass mich die irdischen Güter nur in so weit schätzen und suchen, als sie meiner Seele heilsam und zu den Bedürfnissen dieses Lebens notwendig sind. Die himmlischen Güter aber lass mich immer besser erkennen und hochschätzen. Zeige mir auch den Weg, auf welchem ich sie am sichersten erlangen und ewig besitzen möge. Amen.  Vater unser...

 

Komm, o Geist des Verstandes, erleuchte meine Seele, dass ich die Geheimnisse des Heils durch den Glauben recht erkenne, sie mit dankbarer Liebe umfasse, und endlich in Deinem Lichte das ewige Licht erschaue und zu Deiner wie auch des Vaters und des Sohnes vollkommener Erkenntnis gelangen möge. Amen.  Vater unser...

 

Komm, o Geist des Rates, stehe mir bei in allen Geschäften dieses unstäten Lebens; neige mein Herz zum Guten, schrecke es ab vom Bösen und leite mich in allen zweifelhaften Fällen; damit ich auf dem rechten Wege Deiner Gebote das erwünschte Ziel des ewigen Heiles erreiche. Amen.  Vater unser...

 

Komm, o Geist der Stärke, gib meinem Herzen Kraft, halt es aufrecht in jeder Verwirrung und Widerwärtigkeit; verleihe mir Mut und Stärke wider alle boshaften Anfälle meiner Feinde; damit ich nie von ihnen verleitet werde, Dich, o höchstes Gut, treulos zu verlassen. Amen.  Vater unser...

 

Komm, o Geist der Wissenschaft, leite meine Wißbegierde, dass ich nichts zu wissen oder zu kennen trachte, was mir schädlich oder unnütz ist; lass mich die Richtigkeit alles Irdischen recht erkennen; gib mir wahren Eifer, meine Religions- und Standespflichten immer besser kennen zu lernen und auszuüben; belehre mich auch, wie ich dieselben auf eine Dir wohlgefällige Weise erfüllen möge. Amen.  Vater unser...

 

Komm, o Geist der Frömmigkeit, rühre mein Herz zu wahrer Andacht und zu heiliger Liebe gegen Gott, meinen Herrn; damit ich Ihn in allen meinen Andachtsübungen stets suchen und durch wahre Liebe finden möge. Amen.  Vater unser...

 

Komm, o Geist der Furcht Gottes, durchdringe mein Herz mit Deiner heilsamen Furcht; damit ich Dich, meinen Gott und Herrn, allzeit vor Augen habe und mich sorgfältig hüte vor Allem, was den reinsten Augen Deiner göttlichen Majestät mißfallen kann. Amen.  Vater unser...

 

 

Komm, Heiliger Geist

 

Komm, Heil´ger Geist, der Leben schafft,
erfülle uns mit deiner Kraft.
Dein Schöpferwort rief uns zum Sein:
Nun hauch uns Gottes Odem ein.

 

Komm, Tröster, der die Herzen lenkt,
du Beistand, den der Vater schenkt;
aus dir strömt Leben, Licht und Glut,
du gibst uns Schwachen Kraft und Mut.

 

Dich sendet Gottes Allmacht aus
im Feuer und in Sturmes Braus;
du öffnest uns den stummen Mund
und machst der Welt die Wahrheit kund.

 

Entflamme Sinne und Gemüt,
dass Liebe unser Herz durchglüht
und unser schwaches Fleisch und Blut
in deiner Kraft das Gute tut.

 

Die Macht des Bösen banne weit,
schenk deinen Frieden allezeit.
Erhalte uns auf rechter Bahn,
dass Unheil uns nicht schaden kann.

 

Lass gläubig uns den Vater sehn,
sein Ebenbild, den Sohn, verstehn
und wir vertraun, der uns durchdringt
und uns das Leben Gottes bringt.

 

Den Vater auf dem ew´gen Thron
Und seinen auferstandnen Sohn,
dich, Odem Gottes, Heil´ger Geist,
auf ewig Erd´ und Himmel preist.
Amen.

 

 

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