Über den Wert der Zeit
Das erste und vorzüglichste Mittel, das uns der Herr gibt, um die ewige Seligkeit zu erwerben, ist die Zeit. Wahrhaft ein wichtiger und kostbarer Schatz! Ein Augenblick Zeit ist soviel wert, als Gott selbst, weil sich der Mensch in jedem Augenblick durch einen Akt der Reue und der Liebe die göttliche Gnade und die ewige Seligkeit verschaffen kann." (Hl. Bernhard)
Darum ermahnt uns der Prophet: "Gedenke deines Schöpfers ehe die Sonne und das Licht sich verdunkeln."
Sind einmal die Jahre unseres Lebens zu Ende, und stehen wir an der Tür der Ewigkeit, so wird uns, wenn wir auch alle Reichtümer der Erde haben, nicht eine einzige Minute mehr gestattet. Welch ein Antrieb, die wenigen Jahre unseres Lebens gut und heilig zu verwenden, zu arbeiten am Heil unserer Seelen, "bevor jene Nacht kommt, wo niemand mehr wirken kann."
Können noch Tränen die Augen der Heiligen im Himmel befeuchten, wahrlich Tausende unter denselben würden es beweinen, so manch kostbaren Augenblick, wodurch sie sich eine höhere Stufe der Seligkeit hätten verdienen können, verscherzt zu haben. Tausende, Millionen von Stimmen wiederholen in den schauerlichen Tiefen der Hölle: Ach, verlorenes Leben! Ach verlorene Zeit! Ach verlorene Jahre, in denen wir uns hätten heiligen sollen, - nur noch einmal eine Stunde; - ja nur noch einen einzigen Augenblick! - Aber die heißen Seufzer der Verdammten finden keine Erhörung mehr, weil sie die Zeit, so lange sie ihnen geschenkt war, nich benützten.
Welch unbegreifliche Verblendung ist es dennoch von den Menschen, wenn sie die Zeit, auf der ein unendlicher Wert liegt, so leichtsinnig missbrauchen! Siehe hinaus in die Welt! Der eine verschwendet seine Jahre mit Bebauung der Äcker und Wiesen, an denen seine Seele klebt; ein anderer mit wuchern und betrügen, ein dritter mit unnützen Reden, Besuchen, mit Spiel und Unterhaltung, mit Müßiggang und Verschwendung seines Vermögens.
Ach, ihr Toren! Nur zu bald wird euere Zeit zu Ende sein; bedenkt doch, dass einst über jeden Augenblick strenge Rechenschaft gefordert wird, und dass jede Stunde die letzte eures Lebens sein kann. Würden euere Lebensjahre auch über die hunderte steigen, so wäre dies dennoch eine kurze Zeit, um damit den Himmel zu verdienen, da der hl. Augustinus sagt: "Dass eine ewige Buße nicht zu lange dauere, wenn man damit den sicheren Besitz eines Gottes erkaufen könne."
Vergebens werden einst die törichten Kinder der Welt auf dem Totenbett die verlorene Zeit zurückwünschen, werden vergebens seufzen; noch ein Jahr, noch einen Monat, noch einen Tag! Ach, wie viel würden alsdann ein jeder von ihnen für eine Woche, für einen Tag zahlen, um sein Gewissen besser in Ordnung bringen zu können. Erkenne darum, mein Bruder, meine Schwester, die Barmherzigkeit Gottes, die dir noch Zeit gibt, dein Seelenheil in Ordnung zu bringen.
Bist du noch in der Blüte deiner Jahre und flüstert dir eine trügerische Stimme ins Herz, du könntest dich später Gott schenken, so erinnere dich an die drohende Ermahnung der heiligen Schrift: "Suchet den Herrn, der da noch gefunden werden kann." "Denn der Menschensohn wird zu einer Stunde kommen, wo ihr es am wenigsten vermuten werdet? Ihr werdet mich suchen und nicht finden." "Weil ihr euch geweigert, da ich euch gerufen..." "Der Tag des Herrn wird kommen wie ein Dieb in der Nacht."
Erinnere dich an jene törichten Jungfrauen, die bis zur Ankunft des Bräutigams schliefen, und dann vom Himmel ausgeschlossen wurden; erinnere dich an jenen trägen Knecht, den der Herr, da er ihn plötzlich zur Rechenschaft aufforderte, als unnütz erkannte und in die äußerste Finsternis werfen ließ; erinnere dich an jenen Feigenbaum, den der Herr verfluchte, weil er keine Früchte trug, obgleich die Zeit des Einsammelns noch nicht gekommen war. So verflucht er auch denjenigen, den er durch mancherlei innerliche Gnaden und Einsprechungen zu sich ruft, und der ihm widersteht. Trage dich nicht länger mit der Meinung, als tust du nichts Böses, wenn du die Zeit mit Geschäften zubringst, die keinen Wert für die Ewigkeit haben, jene Arbeiter, von denen das Evangelium redet, taten auch nichts Böses, als dass sie die Zeit nicht gut anwandten und der Herr tadelte sie dennoch auf das strengste.
"Jeder Augenblick, der nicht für Gott verwendet wird," sagt der hl. Augustinus, "ist eine für ewig verlorene Zeit." Wie manch kostbare Stunde hast du nicht schon mit eitlen Wünschen, mit der Befriedigung deiner sündhaften Begierden, mit Beleidigung deines Gottes verloren! Schon längst hättest du verdient ins Feuer der Hölle geworfen zu werden, und siehe, dein Gott schenkt dir noch immer die Zeit, dich mit ihm wieder auszusöhnen, deine Seele für die Ewigkeit zu bereichern, an deinem Heil zu wirken. Zögere nicht länger, verschiebe deine Besserung nicht auf morgen; denn vielleicht geht deine Zeit heute Nacht noch zu Ende, und dir wird kein Morgen mehr beschieden.
Der Tod ist gewiss; ist dieser Tod übel, so ist alles übel. Du hast nur einen Richter und von diesem kannst du zu keinem höheren gehen. Nur ein Himmel ist zu erhoffen, wirst du von diesem ausgeschlossen, so ist dir die Hölle gewiss. Du hast nun eine Ewigkeit zu erwarten, ist diese nicht glücklich, so bist du immer unglückselig. Du wirst nun ein Urteil hören; wenn nicht dieses: Kommt her ihr Gebenedeiten!" , notwendig dieses: "Geht weg ihr Verfluchten!" Du hast nur einen Gott, dienst du diesem nicht, so bist du ein Leibeigener des Satans. Du hast nur einen Erlöser, Jesus Christus: Hörst du seinen Ruf nicht, so wird er dich zugrunde gehen lassen.
Eines ist notwendig. (Luk. 10,20). Entweder ewig wohl oder ewig übel. Bemühe dich, damit es dir ewig wohl ergehe, solange du noch Zeit hast.
