Das 2. Vatikanische Konzil tritt zusammen
Das bedeutendste Ereignis der Kirchengeschichte des 20. Jahrhunderts ist das 2. Vatikanische Konzil. Für alle Welt überraschend, hat es Papst Johannes XXIII. am 25. Januar 1959 angekündigt. Zehn Kommissionen und zwei Sekretariate unter einer Zentralkommission berieten mehrere Jahre lang die Themenstellungen des Konzils. Bischöfe und Gelehrte aus aller Welt reichten Vorschläge ein. Bald sah man das gemeinsame Anliegen all der vielen hundert Vorschläge: "Aggiornamento" nannte es Papst Johannes XXIII. Die Kirche soll fähig werden, auch in der Welt des 20. und 21. Jahrhunderts ihre Aufgabe zu erfüllen: Die Menschen zu Christus zu führen und in der einen Herde Christi wieder zu vereinigen. Am Tag der Eröffnung galt das Gebet der ganzen Christenheit diesem Anliegen.
"Das beginnende Konzil hebt in der Kirche an wie ein Tag, der strahlendes Licht verheißt" - die Worte, die Papst Johannes XXIII. zur Eröffnung gebrauchte, bewahrheiteten sich in ganz konkreter Weise. Regenschauer gingen während der ganzen Nacht auf Rom nieder. Und auch der Anmarsch auf Sankt Peter, der morgens um sieben Uhr begann, war noch von Regengrüssen erschwert. Dann aber, buchstäblich im letzten Augenblick, klarte der Himmel auf. Als der Heilige Vater, von allen Seiten beklatscht, die Hauptkirche der Christenheit betrat, strahlte die Sonne über dem Petersplatz.
"Veni, creator spiritus..." Der Papst stimmte den Hymnus an, am Konzilsaltar, der direkt vor der vielverehrten Peters-Statue errichtet ist. Oberhalb der Statue, die heute im päpstlichen Ornat mit der Tiara prangt, lächelt ein Pontifex auf die Szene herab. Es hängt dort das Bild des neunten Pius, des Papstes also, der das erste Vatikanische Konzil 1869/70 einberufen hat.
Johannes XXIII. schreitet, nach allen Seiten segnend, die Stufen des Hauptaltares empor, wo sein Thronsessel steht. Kein Baldachin darüber. Ihn ersetzt heute der Altar-Baldachin des Bernini, der sich hinaufschwingt in die Kuppel und den Blick auf die mannshohen Buchstaben lenkt: "Tu es Petrus" ("Du bist Petrus"). Der Hymnus zum Heiligen Geist, von allen Konzilsteilnehmern gesungen, schwingt über die Lautsprecher hinaus auf den Petersplatz, wo er sich mit dem Glockengeläute vereinigt. Es ist zehn Uhr - die Konzilsfeierlichkeiten sind eröffnet.
Es hat fast eine Stunde gedauert, bis die Konzilsväter, die etwa 2500 Kardinäle, Bischöfe und Äbte, allesamt ihren Platz eingenommen hatten. Die Begleiter der Bischöfe, die Berater, die Diplomaten, die Delegationen von etwa 85 Staaten und die Journalisten waren zu dieser Zeit längst auf ihre Tribünen geschleust. Für die Öffentlichkeit, die nur zu einem geringen Teil in der Basilika Platz finden konnte, bot sich dafür ein einzigartiges Schauspiel auf dem Petersplatz. Nach einer kurzen Anbetung des Allerheiligsten setzte sich die Prozession in Bewegung und ergoß sich über die Scala Regia durch das berühmte Bronzetor auf den Platz. Tausende und aber Tausende standen dicht gedrängt im Rund der Kolonnaden, um wenigstens einen Zipfel der Konzilsfeierlichkeiten zu erfassen. Von allen Kirchen Roms läuteten die Glocken.
Voran marschieren die Mitglieder des päpstlichen Hofes, in Festgewändern und Gala-Uniformen. Der Zug nimmt Richtung auf die Platzmitte und wendet sich dann dem Kirchenportal von Sankt Peter zu. Schier unendlich quillt der Strom aus dem Vatikan heraus, die Konzilsväter heute allesamt in liturgischen Gewändern: in weißen Chormänteln mit weißer Mitra. Man mußte in den päpstlichen Gemächern eine raffinierte Aufstellung austüfteln, um ohne Verzug die richtige Gruppierung zu gewinnen. Wahrscheinlich sind die Konzilsväter heute schon lange vor den Zuschauern auf den Beinen gewesen. Einerseits war die Rangordnung zu berücksichtigen: Zuerst kommen die Äbte, dann die Bischöfe, die Patriarchen, zuletzt die Kardinäle. Es mußte aber auch gewährleistet sein, daß in Sankt Peter kein Gedränge entstand und jeder Teilnehmer seinen Platz auf den beiden Tribünen erreichte, daß also die oben Sitzenden zuerst ankamen.
Während die ersten Äbte und Bischöfe die grün ausgeschlagenen Sitzreihen erklimmen - ein malerisches Spiel der Farben -, haben die letzten das vatikanische Tor noch nicht durchschritten. Das Ende des Zuges bilden die 85 Kardinäle, angetan mit den Gewändern, die ihrer Rangordnung entsprechen: Kardinaldiakone tragen die Dalmatika, Kardinalpriester ein Meßgewand, Kardinalbischöfe weiße Rauchmäntel. Dahinter der Papst auf seinem Tragsessel, nach allen Seiten segnend und grüßend, auch er die weiße Mitra der Bischöfe auf dem Haupt. Man weiß, daß Johannes XXIII. die Sedia gestatoria nicht sehr schätzt - eine Lösung des Problems ist noch nicht gefunden.
Die Lösung des heutigen Tages: In der Vorhalle von Sankt Peter läßt er sich absetzen. Zu Fuß betritt Johannes XXIII. das Gotteshaus, das für ein paar Monate zum großartigsten Parlamentsgebäude umgebaut wurde. Zu Fuß schreitet er zwischen den Sitzreihen der Bischöfe hindurch, vorbei an den Hochtribünen zwischen den Pfeilern, die das Mittelschiff abschließen. Man hat wertvollste Gobelins aus dem Vatikan geholt (Raffael-Schule), um die provisorischen rotseidenen Seitenwände der Aula zu schmücken: Gobelins mit Darstellungen aus dem Leben Jesu und seiner Apostel; im mittleren Bogen links die Ausgießung des Heiligen Geistes, das Pfingstwunder, das die Konzilsväter auch für sich erbitten.
Vor 93 Jahren, als das erste Vatikanische Konzil eröffnet wurde, war die Reihenfolge noch umgekehrt: Voran zog der Papst in Sankt Peter ein, die Bischöfe hinter ihm drein; der Papst wurde getragen, die Bischöfe gingen zu Fuß. Damals war die Konzilsaula in einem Querschiff eingerichtet (für etwa 700 Bischöfe). Diesmal reicht das Längsschiff gerade noch aus, sämtliche Konzilsväter, dazu die 200 Berater sowie die Funktionäre unterzubringen, zusammen annähernd 3000 Teilnehmer.
Man sieht Gesichter aller Hautfarben. Etwa 38 Prozent der Konzilsväter stammen aus Europa, 31 Prozent aus Amerika, 20 Prozent aus Asien und Ozeanien, 10 Prozent aus Afrika, rund ein Drittel der Bischöfe gehört religiösen Orden an. Wahrhaftig, eine Vertretung aus aller Welt.
Ausgesprochene Schwierigkeiten, die der eine oder andere gehabt hätte, um nach Rom zu kommen, sind nicht bekannt geworden. Man hört nichts davon, daß Bischöfe, die teilnehmen wollten, von weltlichen Mächten gehindert wurden. Auch die Vertreter aus der sowjetischen und kommunistischen Welt erschienen, sogar die Bischöfe aus der Sowjetzone Deutschlands. Zurückgeblieben sind lediglich die alten und kranken; ein anderer Teil hat von vornherein verzichtet, um - besonders in kommunistischen Ländern - seine Diözesen nicht völlig führerlos zurückzulassen. Aus Ungarn zum Beispiel sind nur drei Bischöfe erschienen, aus Polen bei weitem nicht alle. Jogoslawien andererseits entsandte ein besonders starkes Aufgebot von 27 Bischöfen. Einzig aus der Volksrepublik China durfte niemand nach Rom.
Dagegen haben sich die Erwartungen hinsichtlich der "Beobachter" nicht erfüllt. Mit großem Bedauern spricht man davon, daß die Orthodoxie - abgesehen von einigen kleineren selbstständigen Kirchen - praktisch nicht vertreten ist. Nach letzten Meldungen aus Moskau sollen nun aber doch zwei Beobachter nach Rom kommen.
Für Johannes XXIII. muß die Abwesenheit der Orthodoxie eine schwere Enttäuschung sein. Die Wiedervereinigung der lateinischen und der griechischen Christenheit gehört zu seinen Jugendträumen. Als Apostolischer Delegat für Griechenland, Bulgarien und die Türkei fand er später in Konstantinopel ausgiebig Gelegenheit, die Orthodoxie kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen. Er hoffe, sagte er damals beim Abschied, zum Ausdruck gebracht zu haben, daß "ich die getrennten Brüder genauso liebe im Herrn". In seiner ersten Radiobotschaft als Papst gebrauchte Johannes XXIII. die Worte: "Mit derselben Liebe umarmen Wir die Ostkirche; Wir öffnen Herz und Arme für alle Getrennten und wünschen heiß ihre Rückkehr ins gemeinsame Vaterhaus." Das erwartete Echo der Ostkirche ist ausgeblieben.
Dagegen haben elf anglikanische, protestantische und altkatholische Kirchen (dazu vier unabhängige orthodoxe Gemeinschaften) die Einladung angenommen und können nun aus nächster Nähe beobachten, welche Anstrengungen die katholische Hierarchie für die Wiedervereinigung unternimmt.
Es kommt dabei nicht allein darauf an, was das Konzil an konkreten Ergebnissen zur Wiedervereinigung oder Annäherung beschließt, mehr als bescheidene Ansätze kann ohnehin niemand erwarten. Es kommt vor allem auf die Begegnung an.
Das vom Papst geschaffene Sekretariat für die Einheit der Christen unter Kardinal Bea hat eine weltweite Verbrüderung in Gang gebracht, die nicht mehr Rückgängig gemacht werden kann. Und wenn jetzt soeben das altkirchliche "Veni, creator spiritus" erklang, so wird es gewiß niemand in Sankt Peter gegeben haben, der nicht den Hymnus einstimmen möchte - die Abgesandten der getrennten Kirchen genauso wie die Konzilsväter. Im Gebet für das Gelingen des Konzils vereinigt sich die ganze Christenheit. Nach dem Eingangshymnus tritt Kardinal Tisserant, der weißbärtige Franzose, an den Konzilsaltar. Der Dekan des Kardinalskollegiums liest die traditionelle Messe zum Heiligen Geist, die nun vor jeder Konzilssitzung gefeiert wird. Auch der Papst tritt an die Stufen zum Eingangsgebet: "Zum Altare Gottes will ich treten." Dann betet Johannes XXIII. das Confiteor, das Sündenbekenntnis, und kehrt zurück auf seinen Thron. Unten, am Eingang der Konzilsaula, nimmt die Messe ihren Fortgang. Die Messe mit der Epistel aus der Apostelgeschichte: "Als die Jünger in Jerusalem hörten, daß Samaria das Evangelium angenommen habe, schickten sie Petrus und Johannes dorthin ...", mit dem Evangelium des Johannes: "In jener Zeit sagte Jesus zu seinen Jüngern: 'Wer mich liebt, hält meine Gebote ...'"
Der Papst tritt erst zum Schluß wieder in Aktion. Mit klarer, heller und fester Stimme erteilt er den Segen. Unbeschreiblich die farbenbrächtige Szene, der Ritus, die Andacht am Altar. Unmittelbar nach der Meßfeier trägt Erzbischof Felici, der Generalsekretär des Konzils, das Evangelienbuch zum Hochaltar; der Papst segnet es. Dann wird es am Konzilsaltar auf einem Sessel niedergelegt, zum Zeichen, daß das Konzil sich unter die Herrschaft des Evangeliums, des Wortes Gottes, stellt. Es ist ein uraltes, prachtvolles Exemplar, der schönste Kodex aus den vatikanischen Sammlungen: mit über 1000 Goldinitialen und 450 Titelminiaturen, Ende des 15. Jahrhunderts in Urbino angefertigt.
Die Kardinäle erheben sich und ziehen einzeln zum Bernini-Altar hinauf, zur Obödienzleistung, ein Akt, der den Gehorsam aller Konzilsteilnehmer gegenüber dem Papst zum Ausdruck bringt; aber kein Akt der Strenge, keine Demonstration der Macht. Johannes XXIII. empfängt seine Kardinäle in freundlichstem Entgegenkommen, und die Kardinäle freuen sich sichtlich, ihm huldigen zu dürfen. Es ist wie eine brüderliche Begrüßungsszene. Am Schluß kommen die Verteter der übrigen Konzilsversammlung, die stellvertretend für die verschiedenen Rangstufen dem Papst Hand, Knie oder Fuß küssen. Wären alle Konzilsväter persönlich zur Obödienz erschienen, hätte man Stunden gebraucht.
"Ich, Johannes, katholischer Bischof ..." Der Papst hat sich erhoben und spricht allein das Glaubensbekenntnis: Credo in unum Deum. Daran anschließend beschwört er die Glaubensartikel, wie sie das Konzil von Trient formuliert hat: die Dogmen, die Sakramente, die früheren Konzilsbeschlüsse, die hauptsächlichen Lehren und so weiter. Er schließt mit weithin schallender Stimme: "Ich, Johannes XXIII. Bischof der römischen Kirche, gelobe und schwöre gemäß der verlesenen Formel. So wahr mir Gott helfe." Erzbischof Felici wiederholt das Glaubensbekenntis im Namen aller Konzilsväter.
Die Feierstunde hat ihren Höhepunkt erreicht. Wieder betet der Papst allein, jetzt ein altes Konzilsgebet: Adsumus - Wir sind hier - Heiliger Geist. Wir sind hier, mit Sünden beladen, aber in Deinem Namen. Komm zu uns und bleibe bei uns! Vereinige unsere Herzen, leite unser Tun und unsere Schritte ...
Immer wieder ist es der Papst, der stellvertretend für die ganze Kirche sich zum Gebet erhebt. Er ist es auch, der die Allerheiligenlitanei unterbricht und die dreifache Sonderanrufung spricht: "Daß Du diese heilige Synode und alle Stände der Kirche segnen, leiten und bewahren wollest!" Mächtig rauscht die Antwort durch die Peterskirche: "Wir bitten Dich, erhöre uns!"
Nach der Litanei wird das lateinische Evangelium gesungen, dann die besonders feierliche griechische Form. Man hat das 28. und das 16. Kapitel von Matthäus ausgewählt - 1869 war die Aussendung der Jünger nach Lukas das Konzilsevangelium. Der Kardinaldiakon beginnt den lateinischen Text: "Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Gehet hin und taufet alle Völker ..."
Im griechischen Teil wird von der Berufung des Petrus durch Christus berichtet: "Ich sage dir, du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwinden ..."
Es ist 12.30 Uhr geworden, als der Papst zu seiner Schlußansprache anhebt: "Heute frohlockt die heilige Mutter Kirche, weil durch das einzigartige Geschenk der göttlichen Vorsehung der so ersehnte Tag angebrochen ist ..." Der Papst spricht über sein Motiv zur Einberufung des Konzils, über seinen hauptsächlichen Sinn und Zweck: die Verteidigung der Wahrheit. Er spricht über die Irrtümer der Zeit, die es zurückzuweisen gelte. Er spricht über die Einheit der Christenheit, über die Einheit der Menschheitsfamilie, die ständig wachsende Masse. In gewissem Sinne sei die christliche Einheit schon jetzt verwirklicht: die Einheit des Gebets nämlich, in dem sich Katholiken und getrennte Brüder vereinigen; schließlich auch die Einheit in der Wertschätzung, die die katholische Kirche in aller Welt genieße.
Die einzigartige Feier schließt mit dem Papstsegen. Das Konzil ist eröffnet. Die erste Generalkongregation findet am Samstag statt.
Kurz nach ein Uhr verläßt Johannes XXIII., wiederum viel gefeiert und stürmisch begrüßt, die Petersbasilika. Über Rom liegt strahlender Sonnenschein.
(Albert Wucher)
(entnommen aus: Kirchengeschichte aus erster Hand - Berichte von Augenzeugen und Zeitgenossen; Die Quellentexte dieses Buches wurden von Josef Pretscher zusammengestellt und eingeleitet; Die kirchliche Druckerlaubnis wurde erteilt Würzburg, 12. 9. 1964 Wittig, Generalvikar)
Konzilstexte
Heilsnotwendigkeit der Kirche
Den katholischen Gläubigen wendet die Heilige Synode besonders ihre Aufmerksamkeit zu. Gestützt auf die Heilige Schrift und die Tradition, lehrt sie, daß diese pilgernde Kirche zum Heile notwendig sei. Christus allein ist Mittler und Weg zum Heil, der in seinem Leib, der Kirche, uns gegenwärtig wird; indem er aber selbst mit ausdrücklichen Worten die Notwendigkeit des Glaubens und der Taufe betont hat (vgl. Mk 16,16; Joh 3,5), hat er zugleich die Notwendigkeit der Kirche, in die die Menschen durch die Taufe wie durch eine Türe eintreten, bekräftigt. Darum könnten jene Menschen nicht gerettet werden, die um die katholische Kirche und ihre von Gott durch Christus gestiftete Heilsnotwendigkeit wissen, in sie aber nicht eintreten oder in ihr nicht ausharren wollten. Jene werden der Gemeinschaft der Kirche voll eingegliedert, die, im Besitze des Geistes Christi, ihre ganze Ordnung und alle in ihr eingerichteten Heilsmittel annehmen und in ihrem sichtbaren Verband mit Christus, der sie durch den Papst und die Bischöfe leitet, verbunden sind, und dies durch die Bande des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Leitung und Gemeinschaft. Nicht gerettet wird aber, wer, obwohl der Kirche eingegliedert, in der Liebe nicht verharrt und im Schoße der Kirche zwar "dem Leibe", aber nicht "dem Herzen" nach verbleibt. Alle Söhne der Kirche sollen aber dessen eingedenk sein, daß ihre ausgezeichnete Stellung nicht den eigenen Verdiensten, sondern der besonderen Gnade Christi zuzuschreiben ist; wenn sie ihr im Denken, Reden und Handeln nicht entsprechen, wird ihnen statt Heil strengeres Gericht zuteil.
LG 14
Himmel oder Hölle
Wir sind also bestrebt, in allem dem Herrn zu gefallen (vgl. 2 Kor 5,9), und ziehen die Waffenrüstung Gottes an, um standhalten zu können gegen die Nachstellungen des Teufels und zu widerstehen am bösen Tage (vgl. Eph 6,11-13). Da wir aber weder Tag noch Stunde wissen, so müssen wir nach der Mahnung des Herrn standhaft wachen, damit wir am Ende unseres einmaligen Erdenlebens (vgl. Hebr 9,27) mit ihm zur Hochzeit einzutreten und den Gesegneten zugezählt zu werden verdienen (vgl. Mt 25,31-46) und nicht wie böse und faule Knechte (vgl. Mt 25,26) ins ewige Feuer weichen müssen (vgl. Mt 25,41), in die Finsternis draußen, wo "Heulen und Zähneknirschen sein wird" (Mt 22,13 und 25,30). Denn bevor wir mit dem verherrlichten Christus herrschen können, werden wir alle erscheinen "vor dem Richterstuhl Christi, damit ein jeder Rechenschaft ablege über das, was er in seinem leiblichen Leben getan hat, Gutes und Böses" (2 Kor 5,10). Am Ende der Welt "werden die, welche Gutes getan haben, hervorgehen zur Auferstehung des Lebens, die aber Böses getan haben, zur Auferstehung des Gerichtes" (Joh 5,29; vgl. Mt 25,46). Wir halten also dafür, daß "die Leiden dieser Zeit nicht zu vergleichen sind mit der künftigen Herrlichkeit, die an uns offenbar werden wird" (Röm 8,18; vgl. 2 Tim 2,11-12), und erwarten tapfer im Glauben "die selige Hoffnung und die Ankunft der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Erlösers Jesus Christus" (Tit 2,13), "der unseren Leib der Niedrigkeit verwandeln wird zur Gleichgestalt mit dem Leibe seiner Herrlichkeit" (Phil 3,21). Er wird kommen, "um verherrlicht zu werden in seinen Heiligen und wunderbar in allen, die geglaubt haben" (2 Thess 1,10).
LG 48
Kirche, katholische
Obgleich nämlich die katholische Kirche mit dem ganzen Reichtum der von Gott geoffenbarten Wahrheit und der Gnadenmittel beschenkt ist, ist es doch Tatsache, daß ihre Glieder nicht mit der entsprechenden Glut daraus leben, so daß das Antlitz der Kirche den von uns getrennten Brüdern und der ganzen Welt nicht recht aufleuchtet und das Wachstum des Reiches Gottes verzögert wird. Deshalb müssen alle Katholiken zur christlichen Vollkommenheit streben und, ihrer jeweiligen Stellung entsprechend, bemüht sein, daß die Kirche, die die Niedrigkeit und das Todesleiden Christi an ihrem Leibe trägt, von Tag zu Tag geläutert und erneuert werde, bis Christus sie sich dereinst glorreich darstellt, ohne Makel und Runzeln.
UR 4
Lehramt der Kirche
Die Aufgabe aber, das geschriebene oder überlieferte Wort Gottes verbindlich zu erklären, ist nur dem lebendigen Lehramt der Kirche anvertraut, dessen Vollmacht ist nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm, indem es nichts lehrt, als was überliefert ist, weil es das Wort Gottes aus göttlichem Auftrag und mit dem Beistand des Heiligen Geistes voll Ehrfurcht hört, heilig bewahrt und treu auslegt und weil es alles, was es als von Gott geoffenbart zu glauben vorlegt, aus diesem einen Schatz des Glaubens schöpft.
Es zeigt sich also, daß die Heilige Überlieferung, die Heilige Schrift und das Lehramt der Kirche gemäß dem weisen Ratschluß Gottes so miteinander verknüpft und einander zugesellt sind, daß keines ohne die anderen besteht und daß alle zusammen, jedes auf seine Art, durch das Tun des einen Heiligen Geistes wirksam dem Heil der Seelen dienen.
DV 10
Ökumene
Die Einheit aller Christen wiederherstellen zu helfen ist eine der Hauptaufgaben des Heiligen Ökumenischen Zweiten Vatikanischen Konzils. Denn Christus der Herr hat eine einige und einzige Kirche gegründet, und doch erheben mehrere christliche Gemeinschaften vor den Menschen Anspruch, das wahre Erbe Jesu Christi darzustellen; sie alle bekennen sich als Jünger des Herrn, aber sie weichen in ihrem Denken voneinander ab und gehen verschiedene Wege, als ob Christus selber geteilt wäre. Eine solche Spaltung widerspricht aber ganz offenbar dem Willen Christi, sie ist ein Ärgernis für die Welt und ein Schaden für die heilige Sache der Verkündigung des Evangeliums vor allen Geschöpfen.
UR 1
Ökumene und Glaubenswahrheiten
Die gesamte Lehre muß klar vorgelegt werden. Nichts ist dem ökumenischen Geist so fern wie jener falsche Irenismus, durch den die Reinheit der katholischen Lehre Schaden leidet und ihr ursprünglicher und sicherer Sinn verdunkelt wird.
Zugleich muß aber der katholische Glaube tiefer und richtiger ausgedrückt werden auf eine Weise und in einer Sprache, die auch von den getrennten Brüdern wirklich verstanden werden kann.
UR 11
Ökumene, unkluger Eifer
Das Heilige Konzil mahnt die Gläubigen, jede Leichtfertigkeit wie auch jeden unklugen Eifer zu meiden, die dem wahren Fortschritt der Einheit nur schaden können, Ihre ökumenische Betätigung muß ganz und echt katholisch sein, das heißt in Treue zur Wahrheit, die wir von den Aposteln und den Vätern empfangen haben, und in Übereinstimmung mit dem Glauben, den die katholische Kirche immer bekannt hat, zugleich aber auch im Streben nach jener Fülle, die sein Leib nach dem Willen des Herrn im Ablauf der Zeit gewinnen soll.
UR 24
Kunst
Zu den vornehmsten Betätigungen der schöpferischen Veranlagung des Menschen zählen mit gutem Recht die schönen Künste, insbesondere die religiöse Kunst und ihre höchste Form, die sakrale Kunst. Vom Wesen her sind sie ausgerichtet auf die unendliche Schönheit Gottes, die in menschlichen Werken irgendwie zum Ausdruck kommen soll, und sie sind um so mehr Gott, seinem Lob und seiner Herrlichkeit geweiht, als ihnen kein anderes Ziel gesetzt ist, als durch ihre Werke den Sinn der Menschen in heiliger Verehrung auf Gott zu wenden. Darum war die lebensspendende Mutter Kirche immer eine Freundin der schönen Künste. Unablässig hat sie deren edlen Dienst gesucht und die Künstler unterwiesen, vor allem damit die Dinge, die zur heiligen Liturgie gehören, wahrhaftig würdig seien, geziemend und schön: Zeichen und Symbol überirdischer Wirklichkeiten. Die Kirche hat mit Recht immer auch eine Art Schiedsrichteramt ausgeübt; sie hat über die Werke der Künstler geurteilt und entschieden, welche dem Glauben, der Frömmigkeit und den ehrfurchtsvoll überlieferten Gesetzen entsprächen und als geeignet für den Dienst im Heiligtum anzusehen seien. Mit besonderem Eifer war die Kirche daraufbedacht, daß das heilige Gerät würdig und schön zur Zierde der Liturgie diente; sie hat dabei die Wandlungen in Material, Form und Schmuck zugelassen, die der Fortschritt der Technik im Laufe der Zeit mit sich gebracht hat.
SC 122
Die Bischöfe mögen darauf hinwirken, daß von den Gotteshäusern und anderen heiligen Orten streng solche Werke von Künstlern ferngehalten werden, die dem Glauben, den Sitten und der christlichen Frömmigkeit widersprechen und die das echt religiöse Empfinden verletzen, sei es, weil die Formen verunstaltet sind oder weil die Werke künstlerisch ungenügend, allzu mittelmäßig oder kitschig sind. Beim Bau von Kirchen ist sorgfältig darauf zu achten, daß sie für die liturgischen Feiern und für die tätige Teilnahme der Gläubigen geeignet sind.
SC 124