Der Triumph des Papsttums im heiligsten Herzen Jesu

Wenn wir die Blätter der Kirchengeschichte am Schluß des 18. Jahrhunderts aufschlagen, so begegnet uns ein Tag, der uns mit großem Schmerz erfüllt - es ist der 29. August 1799, der uns mit tiefer Wehmut beseelt und der für die Päpste aller Zeiten ein Tag der Trauer sein wird. An diesem Tag starb Papst Pius VI. von der Revolution aus Rom vertrieben, als Gefangener in Valence in Frankreich. Es war damals eine schwere Bürde die Tiara zu tragen. Pius VI. sagte nach seiner Wahl zu seinen Kardinälen: "Das Ergebnis Euerer Wahl ist ein Unglück für mich." Und in der Tat war seine Regierung nur eine lange Kette von Kränkungen und Mühseligkeiten; fast alle Fürsten schienen sich das Wort gegeben zu haben, ihn zu plagen und zu bedrängen. Besonderen Schmerz bereitete ihm der Umsturz der staatlichen und kirchlichen Ordnung in Frankreich, von wo aus der kirchenfeindliche Geist über ganz Europa ausging.
Am 21. November 1792 wurde dort das Königtum abgeschafft und die Republik ausgerufen, der dagegen protestierende König wurde als Hochverräter verurteilt und am 21. Januar 1793 enthauptet. Nach dem König fielen der Revolution die Untertanen zum Opfer, die im Verdacht standen, königstreu zu sein. Mit unerhörter Grausamkeit wurden Priester und Adelige, Beamte und Bürger, ja selbst Nonnen, Ehefrauen und Kinder zum Tode geführt und es ward zur Beschleunigung der zahlreichen Hinrichtungen eine eigene Maschine hergestellt, die nach ihrem Erfinder Guillotine hieß. Am 11. November 1793 wurde durch ein Dekret das Christentum für abgeschafft erklärt und selbst die christliche Zeitrechnung beseitigt. Das betörte Volk ergriff die Nachricht hievon mit solchem Eifer, daß es in beispielloser Rohheit viele Denkmäler der Kunst, welche an Gott erinnerten, unnachsichtlich zerstörte. Die Kirche der heiligen Genovefa in Paris wurde ihres religiösen Charakters entkleidet und in eine Ruhmeshalle verwandelt. An Stelle des abgeschafften Christentums wurde die Verehrung der Vernunft eingeführt, als deren Sinnbilder man Dirnen auf die Altäre erhob und dort beräucherte.
Es ist selbstverständlich, daß die Wut der Gottlosen sich nicht auf die Kirche im eigenen Lande beschränkte, sondern vor allem auch auf das Oberhaupt derselben, den römischen Papst erstreckte. Ein großes Heer wurde nach Italien geschickt und der Oberbefehl über dasselbe dem erst 27 jährigen General Napoleon Bonaparte übertragen. Dem Beispiel anderer italienischen Fürsten folgend, wollte auch Pius VI. vor dem gewaltigen Eroberer sich den Frieden im voraus erkaufen. Deshalb versprach er, mehrere Millionen Franken und viele kostbare Gemälde und Schriften aus den päpstlichen Sammlungen nach Frankreich zu schicken. Nichtsdestoweniger drang Napoleon schon im folgenden Jahr 1796 in den Kirchenstaat ein, plünderte den Schatz der Wallfahrtskirche Loreto und verschonte Rom nur gegen Abtretung eines beträchtlichen Teiles des Kirchenstaates. Nachdem inzwischen französische Sendlinge auch das Volk in Rom für die Republik zu begeistern versucht hatten, ließ Napoleon im Jahre 1798 unverhofft die ewige Stadt besetzen und daselbst die römische Republik ausrufen. Der ehrwürdige achtzigjährige Greis Pius VI., der gegen die gottesräuberische Tat Einspruch erhob, wurde gefangen genommen und nach Oberitalien gebracht. Als er zum Ärger seines Kerkermeisters überall die rührendsten Beweise des Mitleides und der Teilnahme erhielt, schleppte man ihn über die Alpen nach Valence, wo er als wahrer Martyrer der Freiheit der Kirche, für Recht und Gerechtigkeit am 29. August 1799 starb. Nachdem Pius in der Verbannung und fern von seiner Hauptstadt die Augen geschlossen hatte, jubelten die Kirchenstürmer, weil es schien, die letzte Stunde habe für die katholische Kirche geschlagen. Es gab keinen Kirchenstaat und keinen Papst mehr und daß kein neuer Papst gewählt werde, dafür war, wie sie glaubten, gesorgt; denn die Kardinäle waren teilweise in alle Welt zerstreut, teils im Kerker. Selbst glaubenstreue Katholiken sahen mit trübem Blicke in die Zukunft. Doch der alte Gott, der seiner Kirche eine ewige Dauer verheißen, lebte noch. Durch ihn aufgerufen, traten selbst Ungläubige, Schismatiker und Häretiker (die Türkei, Rußland und England) auf, um das Erbe der Kirche zu befreien. Unter dem Schutze des letzten römisch-deutschen Kaisers Franz II. versammelten sich aus verschiedenen Ländern 35 Kardinäle zu Venedig und wählten den Papst Pius VII. und es dauerte nicht lange, so konnte der Neugewählte zur unbeschreiblichen Freude der ganzen Christenheit in Rom wieder seinen Einzug halten. - Diese auf der einen Seite so traurigen, auf der andern so tröstlichen Zeitereignisse werfen einen hellen Lichtschein in unsere dunkle Zeit, in welcher das Papsttum auf eine vielleicht weniger grausame, aber nicht weniger empfindliche Weise verfolgt wird.
Wenn Gott der Herr in seiner Allmacht es so gefügt hätte, daß über dem Meer sich immer ein wolkenloser Himmel wölbte, daß die Fläche des Meeres immer spiegelglatt wäre, und wenn dann einmal außergewöhnlicherweise ein schweres Gewitter über dem Meer losbrechen würde, daß die Wogen die Schiffe wie Rußschalen hin- und herwerfen, - so würde wohl auch der beste Steuermann oder der erfahrenste Kapitän den Mut verlieren. Nun ist es aber nicht so. Gefährliche Stürme sind auf der hohen See so häufig, daß es zum Sprichwort geworden ist: Wer beten lernen wollte, der müsse aufs Meer gehen. Daher ist aber auch jeder Schiffer, der viele Jahre lang auf dem großen Ozean herumgefahren ist, die Stürme gewohnt; und wenn er nur ein seetüchtiges Schiff hat, so fürchtet und zagt er nicht, mag der Anprall der Wogen noch so gewaltig sein und der Gischt der Wellen hoch hinaufspritzen. Schon so oft, denkt er sich, schon so oft habe ich das Meer aufgeregt gesehen, und es ist immer wieder ruhig geworden. - So kann auch der Steuermann auf dem sturmgewohnten Schifflein Petri furchtlos an seinem Platz ausharren, wenn es auch ringsum donnert und blitzt und das Schifflein von Wind und Wellen gerüttelt und geschüttelt wird, als sollte es aus den Fugen gehen. Er hat noch mehr Grund zu dieser Ruhe, als irgend ein Befehlshaber hat, daß die Kirche nicht untergehen werde. -
In einem alten Buch steht vorne auf dem Titelblatt ein Bild, das ein Schiff mit Matrosen und Passagieren reichbesetzt vorstellt und auf der aufgepflanzten Fahne die Inschrift trägt: Prosperabitur, d. h.: Es wird gelingen. Eine ähnliche Inschrift hat Gott der Herr selbst gleichsam auf die Segel und auf das Steuerruder des Schiffleins Petri geschrieben, indem er dem ersten Papst, dem heiligen Petrus, versprochen, daß selbst die Pforten der Hölle die Kirche nicht überwältigen werden. Die moderne Revolution mag den Papst scheinbar mundtot machen, indem sie ihn immer mehr aus der Stellung zu verdrängen sucht, die ihm durch menschliche und göttliche Rechte unter den Fürsten der Erde zukommt; aber den Mund, der diese Worte gesagt, wird sie niemals schließen können. Sie kann die St. Peterskuppel zerstören, um diese Worte auszulöschen, die mit ungeheuren Buchstaben rings um ihr Inneres geschrieben stehen, aber die Wahrheit und Kraft kann sie den Worten nicht nehmen.
Bei einer anderen Gelegenheit, am Tage seiner Himmelfahrt, versprach der Heiland den mit Petrus vereinten Aposteln insgesamt: "Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Weltzeit". (Matth. 28,20) Wir können diese Worte so verstehen, daß sie nicht nur besagen, Christus werde der Kirche nahe bleiben mit seinem Schutz und seiner Liebe, sondern auch, er werde bei ihr bleiben mit seinem Geiste, seinen Lebensschicksalen und seinen Leiden. Da haben wir dann den tiefsten Grund, warum der Papst so sehr gehaßt wird in der Welt. Die Leiden des Papstes sind eine Fortsetzung der Leiden Christi. Christus war die menschgewordene Güte Gottes. Trotzdem, ja gerade deshalb wurde er verfolgt. Der Papst ist der Stellvertreter der Liebe des Herzens Jesu und das nie ermüdende Werkzeug desselben: das ist der Grund, weshalb auch er den Feinden Christi ein Gegenstand des Abscheues ist. Zugleich liegt aber darin der Grund der Unbesiegbarkeit des Papsttums. Denn "wir wissen, daß Christus, nachdem er von den Toten auferstanden ist, nicht mehr stirbt und der Tod nicht mehr über ihn herrschen wird". (Röm. 6,9) Daher mitten in allen Leiden die heitere Stirn des Papstes, welche so viele an Pius IX. und an Leo XIII. bewundert haben. Der Papst weiß es eben: der einzelne Nachfolger Petri kann sterben, das Papsttum als solches kann wohl bedrückt, aber nicht erdrückt, bedrängt, aber nicht von der Welt verdrängt werden. Allen aber, welche am Papsttum sich vergreifen, wird es einst gehen - im Diesseits oder im Jenseits - wie Napoleon I. Mit dem Tage nämlich, da Pius VII., der Pius dem VI. auf dem päpstlichen Thron folgte, den Bannstrahl gegen Napoleon schleuderte, kurz vor der Schlacht bei Aspern, sank sein Stern. Geschlagen von Erzherzog Karl, floh er und setzte in einem Kahn über die Donau. Und wie er im Kahne stand, stieß er mit der Spitze des Degens auf den Boden und rief aus: "Tallayrand, Tallayrand (so hieß sein Minister), es ist halt doch wahr gewesen, was du mir warnend gesagt: "Sire, vergreifen Sie sich nicht am Papst!"
Es ist richtig, die Notlage Leos XIII. und Pius X. dauert außerordentlich lang. Schon sind beinahe 40 Jahre vergangen, seit die Horden Garibaldis und Viktor Emanuels in Rom eingezogen. Doch deshalb dürfen wir den Mut nicht sinken lassen. "Gott ist geduldig, weil es ewig ist." (Hl. Aug.) Das heißt: Gott kann warten. Seine Feinde entwischen ihm nicht; und wenn er mit seiner Hilfe zögert, so tut er es nur, um geeigneten Augenblicks seine Macht um so glänzender zu zeigen. Und dann dürfen wir nicht vergessen, daß wir die Zeitereignisse nicht mit dem Maßstab unserer beschränkten Vernunft bemessen dürfen. Um sagen zu können, wer in einer Schlacht siegt und wer unterliegt, darf man nicht mitten im Kampfgewühl stehen, sondern muß sich auf einen Berg oder einen Hügel begeben, wohin der Pulverdampf nicht dringt, und von dem aus sich das ganze Schlachtfeld überschauen läßt. So müßten wir, um entscheiden zu können, wohin im großen Kampf der Zeit sich eigentlich der Sieg neigt, uns auf die Höhe stellen, von der aus Gott, der Herr, die Welt betrachtet. Wenn wir das könnten, würden wir sehen, wie alle scheinbaren Niederlagen der Guten, alle Verluste, die sie erleiden, zu dem einen Ziel hinführen, das Gott erreichen will: zu seiner Verherrlichung und zur Erhöhung seiner heiligen Kirche.
Wenn dem aber auch so ist, so können wir doch die Ankunft dieses Sieges dadurch beschleunigen, daß wir mit vereinten Kräften mit dem Herzen Jesu und zum Herzen Jesu für den baldigen Triumph des Papsttums beten. Wie der stumme Sohn des lydischen Königs Krösus die Stimme wiederfand, als er einen feindlichen Soldaten das Schwert über dem Haupte seines Vaters schwingen sah, so müssen auch wir Katholiken, in den Zeiten der tiefsten Bedrängnisse des Vaters der Christenheit die Stimme erheben zum gemeinsamen, fortwähernden Gebet. Wir beten täglich im "Vater unser": "Dein Reich komme!" Das Gebetsapostolat hat diese Bitte zu seinem Losungswort gemacht und versteht darunter, die Herrschaft des heiligsten Herzens möge sich immer mehr über die Menschen ausdehnen. Christus herrscht aber auf Erden auf eine sichtbare Weise durch seinen Stellvertreter, den Papst. Nur dann wird also das Reich Christi und seines Herzens hienieden an Ausdehnung und Herrlichkeit gewinnen, wenn die Herrschaft des Papstes sich wieder frei und ungehindert entfalten kann.
Mag aber der Papst auch äußerlich ein Gefangener sein, so schlagen dennoch Millionen Herzen für ihn; er ist ein wahrer Fürst der Wahrheit, der Lenker der Herzen, ein König wie keiner der weltlichen Herrscher. Mit warmen Gefühlen nahm der katholische Erdkreis mit Wort und Tat teil an dem goldenen Priesterjubiläum des Papstes Pius X. Und so triumphiert das äußerlich bedrückte Papsttum in den Herzen der treuen Katholiken, es triumphiert als unerschütterlicher Fels, der allein noch in der herrschenden Revolution aller Verhältnisse feststeht. Das Herz Jesu hat allezeit das Papsttum beschützt und gesegnet, und wird es tun bis zum Ende der Zeiten.
(entnommen aus: Das Goldene Herz-Jesu-Buch, von Anton Steeger, Imprimatur 1909)