- Gottes enge Pforte -

Die Fußwaschung


   Nach Anna Katharina Emmerick

   Sie standen nun von der Mahlzeit auf, und während sie ihre Kleider wieder so anlegten und ordneten, wie sie es bei feierlichem Gebete zu tun pflegten, trat der Speisemeister mit zwei Dienern herein, den Osterlammtisch abzuräumen und aus der Mitte der umgebenden Lagerstühle beiseite zu schieben. Als dies geschehen war, trug Jesus ihm auf, Wasser in die Vorhalle bringen zu lassen, und er verliess wieder mit den Dienern den Saal.

   Jesus stand nun mitten unter den Aposteln und sprach eine ziemliche Weile mit Feierlichkeit zu ihnen. Ich habe aber so vieles gehört und gesehen bis jetzt, dass es mir nicht möglich ist, den Inhalt der Lehre des Herrn sicher anzugeben. Ich erinnere mich, dass Er von seinem Reiche, von seinem Hingange zum Vater sprach, und wie Er ihnen vorher noch alles zurücklassen wolle, was Er habe. Dann lehrte Er auch von der Busse, von Erkenntnis und Bekenntnis der Schuld, von der Reue und Reinigung. Ich fühlte aber, dass dieses einen Bezug auf die Fusswaschung hatte, und sah, dass alle ihre Sünden erkannten und bereuten, ausser Judas. Diese Rede war lang und feierlich. Nach ihrer Vollendung sendete Jesus den Johannes und Jakobus den Kleineren des bestellten Wassers halber in die Vorhalle und befahl den Aposteln, die Lagerstühle in einen halben Kreis zu stellen, worauf Er in die Vorhalle ging, seinen Mantel ablegte, sich schürzte und ein Tuch umband, von welchem das längere niederhing.

   Unterdessen gerieten die Apostel in eine Art von Wortwechsel, wer die erste Stelle unter ihnen haben werde; denn da der Herr so bestimmt ausgesprochen hatte, Er würde sie verlassen und sein Reich sei nahe, bestärkte sich von neuem die Meinung in ihnen, Er habe irgend einen geheimen Hinterhalt, einen irdischen Triumph, der im letzten Moment hervorbrechen werde.

   Jesus befahl in der Vorhalle dem Johannes, ein Becken in die Hände zu nehmen, und liess Jakob den Kleineren einen Schlauch voll Wasser vor der Brust tragen, dessen Röhre sich über den Arm gelehnt ergoss, und nachdem Er Wasser aus dem Schlauche in das Becken gegossen hatte, liess Er sich die beiden in den Saal folgen, in dessen Mitte der Speisemeister ein grösseres, leeres Becken gestellt hatte.

   In so demütigem Aufzuge in die Türe des Saales tretend, verwies Jesus den Aposteln ihren Streit mit wenigen Worten, unter anderem sprechend: dass Er selbst der Diener sei; sie sollten sich auf die Stühle setzen, auf dass Er ihnen die Füsse waschen könne. Da setzten sie sich nach derselben Reihe, in der sie zu Tische gelegen, auf die Lehnpolster der Stühle, die im Halbkreise standen, und hatten die entblössten Füsse auf den Sitzpolstern stehen. Jesus ging von einem zum andern und schöpfte ihnen mit der Hand Wasser aus dem von Johannes untergehaltenen Becken über die nacheinander vorgehaltenen Füsse. Dann fasste Er das lange Ende des Tuches, womit Er umgürtet war, in beide Hände und fuhr damit abstreifend und trocknend über die Füsse und nahte dann dem zunächst Sitzenden mit Jakobus. Johannes aber leerte jedesmal das gebrauchte Wasser in das in der Mitte des Saales stehende Gefäss aus und nahte dem Herrn wieder mit dem Becken. Da goss Jesus wieder aus dem Schlauch des Jakobus in das Becken über die Füsse des Apostels und tat wie zuvor.

   Der Herr aber war, wie bei der ganzen Ostermahlzeit, ungemein rührend und freundlich, auch bei diesem demütigen Fusswaschen ganz voll Liebe, und Er tat es nicht wie eine Zeremonie, sondern wie eine heilige Liebeshandlung ganz von Herzen, so dass Er auch seine Liebe dabei aussprach.

   Da Er nun zu Petrus kam, weigerte sich dieser aus Demut und sagte: "Herr, solltest Du mir die Füsse waschen?" Und der Herr sagte: "Was Ich tue, weisst du jetzt nicht, nachher solltest du es erfahren." Und mir war, als spreche Er noch allein zu ihm: "Simon, du hast es verdient, von meinem Vater zu erkennen, wer Ich bin, woher Ich komme und wohin Ich gehe; du allein hast es erkannt und ausgesprochen, und Ich will meine Kirche auf dich bauen und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Es soll auch meine Kraft bei deinen Nachfolgern bleiben bis ans Ende der Welt." Jesus zeigte auf ihn und sagte zu den andern: Petrus solle ihnen in Anordnung und Aussendung seine Stelle vertreten, wenn Er selbst von ihnen gegangen sein werde. Petrus aber sprach: "Nimmermehr sollst Du mir die Füsse waschen." Und der Herr erwiderte: "Wenn Ich dich nicht wasche, so hast du keinen Teil an mir." Da sagte Petrus wieder: "Herr, wasche mir dann nicht nur die Füsse, sondern auch die Hände und das Haupt." Jesus sagte hierauf: "Wer gewaschen ist, der ist ganz rein, und braucht nur die Füsse zu waschen. Ihr seid auch rein, aber nicht alle;" dabei dachte Er an Judas.

   Jesus hatte aber in seiner Lehre von der Fusswaschung als von einem Reinigen von täglichen Sünden gesprochen, weil die Füsse an der Erde ungeschickt wandelnd sich immer wieder verunreinigen. Es war diese Fusswaschung geistlich und eine Art Absolution; Petrus aber nahm es in seinem Eifer als eine grosse Demütigung seines Meisters; er wusste nicht, dass dieser, um ihm zu helfen, sich morgen bis zum schmählichen Tod des Kreuzes aus Liebe demütigen werde.

   Als Jesus dem Judas die Füsse wusch, war Er ungemein rührend und freundlich, drückte sein Angesicht an seine Füsse und sagte leise zu ihm, er möge sich bedenken; schon ein Jahr gehe er mit Verrat und Untreue um! Judas aber schien es nicht bemerken zu wollen und sprach mit Johannes; da ärgerte sich Petrus über ihn und sagte: "Judas! der Meister spricht mit dir." Da sagte Judas zum Herrn etwas Allgemeines, Ausweichendes, wie: "Herr, das sei ferne!"

   Die andern hatten Jesu Rede zu Judas nicht vernommen, denn Er sprach leise, und dann hörten sie nicht zu, auch waren sie mit Anlegung ihrer Sohlen beschäftigt. Judas Verrat aber schmerzte den Herrn bei seinem ganzen Leiden am meisten. Er wusch auch noch die Füsse des Johannes und Jakobus. Zuerst setzte sich Jakobus, und Petrus hielt den Schlauch, dann setzte sich Johannes, und Jakobus hielt das Becken.

   Jesus lehrte nun über die Demütigung und wie der Dienende der Grösste sei, wie sie einander auch die Füsse künftig in Demut waschen sollten und mancherlei in Bezug auf den Streit, wer der Grösste sei, was in den Evangelien steht. Jesus legte nun seine Kleider wieder an, und die Kleider, welche zuerst beim Osterlamm geschürzt gewesen waren, hatten die Apostel jetzt auch wieder weit und lang angelegt.

   

   

   Nach Maria von Agreda
   

   Nach dem Ostermahl stand Jesus auf, um den Aposteln die Füsse zu waschen. Zuvor richtete er ein Gebet zum himmlischen Vater, nicht mündlich, sondern innerlich, indem er sprach: "Mein ewiger Vater, Schöpfer des Weltalls, ich bin das Ebenbild deines Wesens (Hebr 1,3), gezeugt durch dein Erkennen. Ich habe mich deinem heiligen Willen gemäss angeboten, die Welt durch mein Leiden und Sterben zu erlösen. Darum will ich jetzt diese Geheimnisse beginnen, indem ich mich bis zum Staube verdemütige, damit die Hoffart Luzifers durch meine Demut beschämt werde. Um meinen Aposteln und meiner ganzen Kirche, die auf dieses sichere Fundament der Demut gegründet werden soll, ein Beispiel zu hinterlassen, will ich, o Vater, meinen Jüngern die Füsse waschen, selbst dem Judas, der wegen seiner beabsichtigten Missetat der letzte von allen ist. Mit aufrichtiger, tiefer Demut zu seinen Füssen niedergeworfen, will ich ihm meine Freundschaft und sein Heil anbieten. Er ist zwar mein grösster Feind unter den Menschen. Trotzdem will ich ihm meine Barmherzigkeit nicht verweigern, noch auch die Verzeihung seines Verrates, damit wenn er sie nicht annimmt, Himmel und Erde erfahren, dass ich ihm die Arme meiner Milde geöffnet, er aber dieselbe hartnäckig verachtet hat."

   

   So betete Jesus vor der Fusswaschung. Nur seine Liebe und Weisheit konnte eine solche Demut ersinnen, dass er sich bis zu den Füssen des schlechtesten aller Menschen, des Judas, erniedrigte, dass er, das Wort des ewigen Vaters, der Heilige der Heiligen, die wesenhafte Güte, der Herr der Herren, der König der Könige sich vor dem schlechtesten der Menschen niederwarf, um ihn zu retten, falls dieser die unschätzbare Gnade verstehen und annehmen wollte.

   

   Nun erhob sich Jesus mit ruhigem und heiterem Antlitz und befahl seinen Jüngern, sich zu setzen, während er stehen blieb, als wären sie Herren und er ihr Diener. Dann legte er das Oberkleid ab, nahm ein langes Linnentuch und umgürtete sich damit, während er das Ende herabhängen ließ. Dann goß er Wasser in ein Becken, um die Füße der Jünger zu waschen, die mit Verwunderung auf alles achteten, was ihr göttlicher Meister tat.

   

   Nun trat der göttliche Heiland zu Petrus, um ihm die Füße zu waschen. Doch als der feurige Apostel den Herrn, den er als den Sohn des lebendigen Gottes erkannt und bekannt hatte, vor seinen Füßen niedergeworfen sah, da erneuerte er seinen Glauben, erkannte mit tiefer Demut seine eigene Niedrigkeit und sagte voll Bestürzung und Staunen: "Herr! du willst mir die Füße waschen?" Christus antwortete mit unvergleichlicher Sanftmut: "Was ich tue, verstehst du jetzt nicht; du wirst es aber nachher verstehen." Damit wollte der Herr sagen: Gehorche jetzt zuerst meinen Willen und ziehe nicht deinen eigenen vor, wodurch du die Ordnung der Dinge verkehrst und sie voneinander scheidest. Zuerst mußt du deinen Verstand gefangen geben und glauben, daß, was ich tue, recht ist. Wenn du geglaubt und gehorcht hast, wirst du auch die Geheimnisse meiner Handlungen verstehen. Durch die Türe des Gehorsams mußt du zu diesem Verständnisse gelangen. Ohne Gehorsam ist man nicht wahrhaft demütig, sondern vermessen. Ebensowenig darfst du deine Demut über die meinige stellen. Ich habe mich erniedrigt bis zum Tode und habe, um mich so tief zu verdemütigen, Gehorsam geübt. Unter dem Vorwand, dich zu demütigen, bist du ungehorsam und störst die Ordnung; so verlierst du die Demut und den Gehorsam, indem du deinem eigenen vermessenen Urteil folgst.

   

   Doch Petrus verstand die Lehre seines Meisters nicht, denn er hatte die göttliche Wirkung dieser Fußwaschung und Berührung noch nicht erfahren. So antwortete er denn, von seiner unklugen Demut verleitet: "In Ewigkeit wirst du mir die Füße nicht waschen!" Nun erwiderte Jesus mit Strenge: "Wenn ich dich nicht wasche, so hast du keinen Teil an mir!" Durch diese Antwort hat Jesus die Sicherheit des Gehorsams verkündet. Nach menschlichem Urteil scheint Petrus einigermaßen entschuldbar zu sein, daß er sich widersetzte. Allein diese Entschuldigung galt nicht, weil sich der göttliche Meister in dem, was er tat, unmöglich irren konnte. Ist es nicht ganz deutlich und offenbar, daß der Befehlende sich irrt, so muß man blindlings gehorchen und keinen Grund zum Widerstande suchen. Jesus wollte durch dieses Geheimnis den Ungehorsam unserer Stammeltern Adam und Eva wieder gutmachen, durch den die Sünde in die Welt gekommen war (Röm 5,19). Weil nun der Ungehorsam Petri dem ihrigen ähnlich war, bedrohte ihn der Herr mit einer ähnlichen Strafe, daß er nämlich keinen Teil an ihm haben werde, falls er nicht gehorche. Das hieß ihn ausschließen von der Frucht der Erlösung und der Teilnahme an seinem Leibe und Blute, welche er unter den Gestalten des Brotes und Weines reichen wollte.

   

   Durch diese Drohung des Herrn war Petrus so erschüttert, daß er mit tiefer Unterwürfigkeit antwortete: "Herr! Nicht nur die Füße wasche, sondern auch die Hände und das Haupt." Dies bedeutete: Ich biete meine Füße an, um zum Gehorsam zu eilen; meine Hände, um deinen Willen zu vollbringen; mein Haupt, um nicht meinem eigenen Urteile gegen den Gehorsam zu folgen. Der Herr nahm diese Unterwerfung an und sprach: "Ihr seid rein, aber nicht alle. (Es befand sich ja unter ihnen der unreine Judas.) Wer aber rein ist, bedarf nicht mehr, als daß er seine Füße wasche, so ist er ganz rein." So wurde denn Petrus gewaschen, und auch die anderen gehorchten mit größter Rührung. Alle empfingen bei dieser Fußwaschung neues Licht und reiche Gnaden.

   

   Nun kam Jesus zu Judas, um auch ihm die Füße zu waschen. Sein treuloser Verrat hatte die Liebe Jesu nicht auszulöschen vermocht.Er ließ sich dadurch nicht abhalten, dem Judas sogar noch größere Beweise der Liebe zu geben als den übrigen Aposteln. Mit großer Demut warf er sich zu den Füßen Judas nieder, wusch sie, küßte sie und drückte sie ans Herz. Durch kräftige Einsprechungen verlieh er ihm große Gnadenhilfen. Doch der Seelenzustand des Judas war durch und durch schlecht. Seine bösen Gewohnheiten waren äußerst stark, sein Wille war infolge so vieler verbrecherischer Entschlüsse ganz verstockt, sein Verstand und seine Geisteskräfte waren verwirrt und geschwächt. Judas hatte sich vollständig von Gott abgewendet und dem Satan hingegeben. Er trug den Satan in seinem Herzen wie auf einem Throne der Bosheit. So widerstand er allen Gnaden und Einsprechungen Jesu. Dazu kam noch, daß auch die Furcht vor den Schriftgelehrten und Pharisäern ihn bewog, an dem mit ihnen abgeschlossenen Vertrag festzuhalten. Da nun bei der äußeren Gegenwart Christi und bei dem inneren Einwirken der Gnaden das Licht des Verstandes ihn erschüttern wollte, erhob sich in seinem finstern Gewissen ein gewaltiger Sturm. Er wurde mit Verwirrung und Bitterkeit erfüllt, in Zorn entflammt und gegen seinen Meister und Arzt, der ihm das Heilmittel anbot, heftig aufgebracht. So verwandelte Judas die Arznei in tödliches Gift und in die bitterste Galle der Bosheit, die ihn ganz erfüllte und einnahm.

   

   Die Bosheit des Judas widerstand also der Kraft der Berührung jener göttlichen Hände, in die der ewige Vater alle seine Schätze und die Macht niedergelegt hatte, Wunder zu wirken und alle Menschen zu bereichern. Hätte Judas auch keine anderen Gnaden empfangen als die gewöhnlichen, die Jesu heilige Gegenwart und sein Anblick in den Seelen hervorbrachte, so würde die Bosheit dieses unglücklichen Jüngers schon jede Vorstellung übersteigen. Christus war ja auch dem Leibe nach überaus vollkommen und schön. Sein Antlitz freundlich und ernst zugleich, strahlte in milder, lieblicher Schönheit. Die Farbe seines Haares spielte zwischen Gold und Kastanienbraun. Aus seinen Augen leuchtete die höchste Anmut und Majestät. Der Mund, die Nase, alle Teile des Angesichtes waren im vollsten Ebenmaße. In jeder Hinsicht war sein Äußeres so liebenswürdig, daß, wer immer ihn ohne bösen Willen anblickte, mit Ehrfurcht und Liebe zu ihm hingezogen wurde. Zudem erregte sein Anblick innerliche Freude, gab der Seele wunderbare Erleuchtung und rief himmlische Gedanken sowie andere außerordentliche Wirkungen in ihr hervor. Diese so liebenswürdige, so ehrwürdige Person Jesu Christi sah Judas zu seinen Füßen und erhielt von ihr außerordentliche Beweise der Liebe und mehr als gewöhnliche Antriebe der Gnade. Doch seine Verkehrtheit ging so weit, daß nicht mehr imstande war, ihn zu beugen und sein steinhartes Herz zu erweichen. Im Gegenteil, durch die milde Zärtlichkeit des Herrn wurde er aufgebracht. Er wollte ihm nicht einmal ins Angesicht schauen und nicht mehr auf ihn achten. Seitdem er die Gnade Gottes und den Glauben verloren hatte, trug er beständig diesen Haß gegen unsern Herrn und dessen heiligste Mutter in seinem Herzen und blickte ihnen niemals mehr in das Angesicht. Noch größer war in gewisser Weise der Schrecken Luzifers vor der leiblichen Gegenwart Jesu. Dieser Feind wohnte nämlich im Herzen des Judas. Da er nun den Anblick der Demut Jesu nicht ertragen konnte, so hätte er den Judes und den Speisesaal gerne verlassen. Doch Jesus hielt ihn mit seinem allmächtigen Arme zurück, um seinen Stolz aufs tiefste zu beschämen. Erst später wurde der Satan aus dem Speisesaal verjagt und zwar in einem Zustand höchster Wut und qualvoller Besorgnis, Christus möchte wahrer Gott sein.

   

   Als Jesus die Fußwaschung beendigt hatte, legte er sein Oberkleid wieder an, setzte sich inmitten seiner Jünger und hielt an sie jene große Ansprache, die mit den Worten begann: "Wisset ihr, was ich euch getan habe? Ihr nennt mich Meister und Herr, und ihr sprechet recht; denn ich bin es. Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr, einer dem andern, die Füße waschen. Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr tut, wie ich euch getan habe. Denn der Jünger soll nicht größer sein als der Meister, der Knecht nicht größer als sein Herr, noch der Apostel größer als der, welcher ihn gesandt hat. Die Apostel wurden durch diese Rede aufs neue über die Geheimnisse der allerheiligsten Dreieinigkeit und der Menschwerdung erleuchtet und auf das Geheimnis der heiligen Eucharistie vorbereitet. Petrus und Johannes empfingen die meisten Gnaden. Jedem Apostel wurde größeres oder geringeres Licht verliehen, je nach seiner Verfassung und nach Gottes Anordnung. Die Fragen nach dem Verräter stellte Johannes während des Abendmahles, da er gegen die Brust seines Meisters gelehnt war. Petrus wollte in seinem Feuereifer den Schuldigen kennen, um ihn zu strafen oder dessen Verbrechen zu verhindern. Er zeichnete sich stets in der Kundgebung seiner Liebe zu Christus vor allen anderen Aposteln aus. Doch Johnannes teilte es ihm nicht mit, obwohl er durch den Bissen, den der Heiland dem Judas gab, diesen als den Verräter erkannt hatte. Johannes behielt dieses Geheimnis für sich, um die Liebe zu üben, die er in der Schule des göttlichen Meisters gelernt und empfangen hatte.

   

   Als Johannes an der Brust unseres göttlichen Heilandes ruhte, wurden ihm Geheimnisse über die Gottheit und Menschheit Jesu Christi sowie über dessen heiligste Mutter geoffenbart. Bei dieser Gelegenheit übergab Jesus dem Johannes auch die Sorge um seine Mutter; denn am Kreuze sprach er nicht: "Sie wird deine Mutter sein", oder: "Er wird dein Sohn sein", sondern: "Siehe deine Mutter"! Am Kreuze hat also der göttliche Heiland in dieser Hinsicht nichts festgesetzt, sondern nur öffentlich verkündet, was er zuvor schon dem Johannes aufgetragen hatte.

   Für alle Geheimnisse der Fußwaschung und alle Worte des Herrn brachte Maria dem Allerhöchsten ihre Lob- und Preisgesänge dar. Als dann ihr göttlicher Sohn seine Wunderwerke vollbrachte, schaute sie diese nicht wie etwas ihr Unbekanntes, sondern wie jemand, der etwas sich vollziehen sieht, was ihm schon vorher bekannt, ja ins Herz eingeschrieben war. Über alles unterrichtete sie die frommen Frauen. Was diese aber nicht zu fassen vermochten, bewahrte Maria in ihrem Herzen. 


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