Der heilige Erzengel Michael,
der oberste Heerführer im Reich Gottes

In begeisterten Worten verherrlicht unsere heilige Kirche den Erzengel Michael. Sie nennt ihn den glorreichen Fürsten, den Führer der himmlischen Heerscharen, den Bannerträger im Kampf des Heiles; sie rühmt von ihm, dass er durch seinen Starkmut den Sieg errungen, dass seine Verehrung den Völkern Segen bringe, dass sein Gebet zum Himmel führe. In der Überzeugung von seiner Macht und im Vertrauen auf seine Güte hat ihn die Kirche zu ihrem Schutzherrn bei Gott erwählt und feiert alljährlich zweimal ein Fest zu seiner Ehre, am 8. Mai und am 29. September. Auch sonst nennt sie ihn bei ihren Gebeten, empfiehlt ihre Sterbenden seinem Schutze.
Gewiss Gründe genug, dass auch wir einstimmen in das Lob des heiligen Erzengel Michaels.
Einen gewaltigen Kampf schildert uns das 12. Kapitel der geheimen Offenbarung. Es entstand ein großer Kampf im Himmel. Michael und seine Engel kämpften wider den Drachen, und der Drache und sein Anhang kämpften wider sie. Und sie konnten nicht die Oberhand erringen, und ihres Bleibens war nicht länger im Himmel." Das war also der erste Kampf, von dem die Offenbarung meldet; ein Kampf, der im Himmel ausgefochten ward; schrecklich in seinen Folgen für die bösen Engel, glorreich und herrlich für die guten, besonders für ihren Anführer St. Michael.
Es hatte sich Luzifer, der Lichtträger, in seinem Stolze wider Gott empört. "Ich will mich erheben über die Gestirne des Himmels," hatte er in Verblendung und Hochmut gesprochen; "dort will ich meinen Thron aufschlagen; dem Allerhöchsten will ich gleich sein." Es war ihm gelungen, auch andere Engel zur Empörung zu verleiten. Wer soll nun eintreten für die Ehre Gottes? Wer soll die Beleidigung sühnen, die dem Allerhöchsten zugefügt worden? Als Rächer erscheint St. Michael, der große Fürst, der Führer der himmlischen Heerscharen. In heiligem Eifer greift er zum Schwert und schwingt es siegreich gegen die Empörer. Sein Kampfesruf: "Wer ist wie Gott?"
sammelt die guten, treu gebliebenen Engel. Luzifer mit seinem Anhang unterliegt und wird in die Hölle verstoßen; Michael und die guten Engel aber werden für immer in der Gnade Gottes befestigt und mit der ewigen Anschauung Gottes belohnt.
Es ist schwer für uns Menschen, diesen Kampf der guten und bösen Engel uns vorzustellen. Wir sprechen vom flammenden Schwert, das St. Michael geführt, vom Kampfes- und Siegesruf, den er angestimmt, und doch wissen wir, dass es unter bloßen Geistern keine irdischen Waffen, keine menschlichen Schlachtenrufe, kein sichtbares Kampfesgetümmel gibt. Dennoch hat die Heilige Schrift gerade jene Schilderung gegeben und die christliche Kunst hat dieselbe in Tausende von Darstellungen wiederholt, weil es so unserer menschlichen Auffassung entspricht. Aus all dem sollen wir sehen, wie begeistert der heilige Erzengel war für die Ehre Gottes, wie standhaft er dafür gekämpft hat, wie bereitwillig die guten Engel seinem Beispiel gefolgt sind.
Der Kampf im Himmel war beendet; er sollte seine Fortsetzung finden auf Erden. Hatten zuerst nur Engel miteinander gekämpft, so führen jetzt Engel und Menschen als Verbündete den Kampf, die Guten auf der einen Seite, die Bösen auf der andern. Die Führer im Kampf sind die gleichen geblieben, Michael für die Kinder des Lichtes, Luzifer für die Söhne der Finsternis.
Weil die bösen Engel sich aufgelehnt haben wider Gott, darum wollen sie auch die Menschen zum Aufruhr verleiten. Weil sie selbst vom Himmel ausgeschlossen und zur Hölle verdammt sind, darum wollen sie auch die Menschen zur Sünde verführen und in die ewige Verdammnis stürzen. Darum beginnt Luzifer mit seinem Anhang jenen erbitterten Kampf, der seit Jahrtausenden auf unserer Erde geführt wird zwischen gut und bös, der schon bei den ersten Menschen seinen Anhang genommen und erst am jüngsten Tage seinen Abschluss finden wird.
Es ist ein gewaltiger Kampf, der unfehlbar mit der Niederlage des Menschengeschlechtes geendet hätte, wäre nicht ein Höherer, der Sohn Gottes selbst, zu Hilfe gekommen. Satan hatte die ersten Menschen und mit ihnen all ihre Nachkommen in seine Gewalt gebracht; er fühlte sich als den Starken, der sein Haus bewacht und seinen Besitz in Sicherheit glaubt. Da erschien Christus als der Stärkere und befreite die Menschen aus der Gewalt ihres Feindes und gab ihnen Freiheit, Kinder Gottes zu werden und im Kampf gegen die Hölle den Sieg zu erringen. Er stiftete seine Kirche und bestellte in ihr als himmlischen Schutzherrn St. Michael, den Fürsten der Engel. Wie dieser glorreiche Kämpfer einst den Luzifer überwand bei seiner ersten Empörung, so hat er ihn auch seitdem überwunden und wird ihn künftig überwinden bei seinen Angriffen gegen die Kirche.
Durchgehe die Jahrhunderte, erforsche die Geschicke der Kirche Christi, die Vorbereitung, welche den ganzen Alten Bund umfasst; die Gründung der Kirche durch Christus, die Ausbreitung in den Tagen der Apostel, das segensreiche Wirken in allen Zeiten und Ländern bis herab auf unsere Tage: immer finden wir Kämpfe, schwere, furchtbare Kämpfe, die nach menschlichem Ermessen zum Untergang der Kirche führen musste; immer aber folgt auf den Kampf der Sieg, und oft sind es so wunderbare, dem Menschen unbegreifliche Siege, so dass selbst der Unglaube gestehen muss: Hier ist der Finger Gottes. Und stammen die Kämpfe von Satan und allen, die sich dem Himmelsfürsten, und allen, die unter seiner Fahne kämpfen. Im Namen Gottes und mit der Kraft Gottes wacht er über die Kirche.

Welch ein Trost liegt für uns in dem Bewusstsein: Unsere heilige Kirche hat am Erzengel Michael einen mächtigen, siegreichen Beschützer. Gerade jetzt tobt wieder der Kampf gegen die Kirche mit aller Heftigkeit; man wäre fast versucht, das Wort des Propheten Daniel (12,1) zu wiederholen von einer großen Trübsal, "dergleichen noch nicht war, seit die Völker gewesen". Von allen Seiten ruft man zum Kampf, enger als vielleicht jemals schliessen sich die Reihen der Feinde, manche jubeln schon, es sei das Ende der Kirche gekommen. Doch verzagen wir nicht! Noch immer schwingt St. Michael sein Schwert; noch immer stimmt er seinen Kampfesruf an: "Wer ist wie Gott?", noch immer schlägt er siegreich die Schlachten des Herrn. Hat er bis auf unsere Tage den Sieg errungen, so wird er ihn auch diesmal und in alle Zukunft erringen. Erst am jüngsten Tage, wenn das Morgenrot der Ewigkeit emporsteigt, wird man sagen können: Nun legt St. Michael das Schwert aus der Hand; nun hat er seinen letzten, entscheidenden Sieg erfochten. Rufen wir ihn an, besonders an seinem Feste, dass er sein Amt als Schirmherr der Kirche auch in unserer Zeit ausübe! Versprechen wir ihm zugleich, dass wir unter seiner Fahne als gute Christen, als treue Kinder unserer heiligen Kirche kämpfen wollen!
Das ist es ja, was wir in diesem Kampfe fürchten müssen. Der Kirche ist der Sieg verheissen, nicht aber einem jeden von uns. Tausende haben sich schon im Kampf gegen die Hölle schwach bewiesen; ganze Länder und Völker sind vom Glauben abgefallen. Der Mensch hat eben seine Freiheit und kann sie gebrauchen, wie er will: Gott bietet einem jeden seine Hilfe an, um zu kämpfen und zu siegen, aber er zwingt niemand, diese Hilfe anzunehmen. Es besteht also für die Kirche keine Gefahr, dass sie untergehe. Sie dauert fort zu allen Zeiten und findet für die Verluste, die sie erleidet, reichen Ersatz in andern Ländern und Völkern, die sich zu ihr bekehren. Für uns aber besteht die Gefahr, dass wir unserer Pflicht untreu werden, dass wir im Kampf erliegen und sogar vom Glauben abfallen.
Deshalb erinnert uns das Schwert des heiligen Michael an die große, unabweisbare Pflicht des Kampfes. "Du musst kämpfen", ruft er einem jeden von uns zu. "Alle Christen, ja alle Menschen müssen teilnehmen an dem großen Kampf, der zwischen gut und bös geführt wird; niemand darf sich davon ausschließen. Darum folge meiner Fahne, harre aus an meiner Seite! Ich führe dich unfehlbar zum Siege."
Schliessen wir uns diesem himmlischen Führer an! Er ist im Kampf erprobt; unter seiner Fahne werden wir den Sieg erringen. Einst auf dem Sterbebett, wenn unser Auge zu brechen und unsere Hand zu erkalten beginnt, wird man in den kirchlichen Gebeten die Worte sprechen: "Möge St. Michael die scheidende Seele aufnehmen, der die Führerschaft der himmlischen Heerscharen verdiente!" Er wird dann, wenn wir im Leben ihn treu angerufen, sein flammendes Schwert ein letztes Mal zu unserm Schutze schwingen; er wird uns gegen die Angriffe des bösen Feindes verteidigen und unsere Seele vor Gottes Richterstuhl bringen, um ihr auf der Waage der gerechten Vergeltung eine glückselige Ewigkeit zuzuerkennen.
Luzifer hat einst in seinem Stolze die eigene Ehre gesucht und sich wider Gott empört; dafür war nicht länger seines Bleibens im Himmel, er ward hinabgestürzt in den Abgrund der Hölle. St. Michael trat mit flammendem Eifer ein für die Ehre Gottes; dafür ward er befestigt in der glückseligen Anschaung Gottes und mit den höchsten Würden und Auszeichnungen überhäuft. Es folgen so manche Menschen dem Beispiel des demütigen Michael; sie verzehren sich im Eifer für die Ehre Gottes. Es folgen aber leider auch sehr viele dem Beispiel des stolzen Luzifer. Sie wiederholen jenes Wort frevelhafter Selbstüberhebung: "Ich will nicht dienen!" (Jerem. 2,20). Sie wollen kein Gesetz Gottes, keine Gebote der Kirche anerkennen, keinen Vorgesetzten über sich dulden. "Ich weiß selbst", sagen sie, "was ich zu tun habe. Was gehen mich Papst, Bischöfe und Priester an? Was der Staat mit seinen Beamten? Ich füge mich nicht und gebe nicht nach." Und wie ihre Worte, so ihre Taten. O, wie schwer wird einst dieser Stolz niederdrücken - hinab bis zum Abgrund der Hölle!
In Hass und Neid sah einst Luzifer auf das Glück der Menschen im Paradiese. Weil er selbst den Himmel verloren, sollten ihn auch die Menschen nicht besitzen. Darum wird er zum Verführer und stürzt das ganze Menschengeschlecht ins Unglück und arbeitet seitdem unablässig daran fort, die Hölle mit Verdammten anzufüllen. St. Michael aber freute sich, dass Gott den Menschen die Plätze der gefallenen Engel zugedacht hatte; er liebte die Menschen und wollte ihnen helfen und so ward er zum Beschützer des jüdischen Volkes im Alten, zum Schirmherrn der katholischen Kirche im Neuen Bunde, zum Führer der auserwählten Seelen nach dem Tode. - Es ist wahr: St. Michael hat seine Nachahmer gefunden, die in aufrichtiger Liebe zu ihren Mitmenschen Wohltaten spendend durchs Leben gehen. Aber es ist ebenso wahr: Auch Luzifer hat zahlreiche Nachfolger, die in Hass und Neid gegen ihre Mitmenschen ihre Lebenstage verbringen. Wer zählt sie alle, die Beispiele der Feindschaft und Rachgier, die im christlichen Volke vorkommen, die Flüche und Verwünschungen, die man gegen seinesgleichen ausstösst, die Kränkungen und das Unrecht, die man andern zufügt! O, sie werden einst zentnerschwer niederdrücken in der linken Waagschale - hinab in den Abgrund der Hölle!
Luzifer hat sich nicht damit begnügt, allein gegen Gott sich zu empören; er zog Tausende und Millionen von Engeln in seinen Abfall, in sein Unglück hinein. Desgleichen war St. Michael nicht zufrieden, bloß selber seinem Gott treu zu bleiben; er sammelte auch die übrigen Engel um sich und bestärkte sie in der Treue gegen Gott! St. Michaels Beispiel wirkt fort. Es brennen so manche Menschen im heiligen Verlangen, Seelen in den Himmel zu retten. Christliche Eltern sagen: Wir wollen alles tun, dass ja keines unserer Kinder verloren gehe. Fromme Seelsorger kennen keinen andern Stolz, als einst möglichst viele Seelen vor ihren Erlöser hinzubringen. Missionäre opfern für diesen edelsten Stolz alles bis zum letzten Blutstropfen, bis auf den letzten Atemzug. Ja, selbst manch unscheinbare Person, ein armer Dienstbote, ein einfacher Fabrikarbeiter, ein braves Schulkind, hat bisweilen ganz den Eifer und vielleicht auch die Erfolge eines Apostels. Aber neben diesen Aposteln wirken Tausende von Luziferseelen nach dem Beispiele und im Geiste des ersten Luzifer. Gehe hin auf die Plätze und Straßen und Eisenbahnen, in die Fabriken und Kasernen und Theater, in die Schulen und Familien und Werkstätten; zähle sie alle, die als Gehilfen und Handlanger im Dienste des Satans stehen; zähle die traurigen Folgen ihrer Teufelsarbeit; zähle die unglückliche Opfer, die sie ins Verderben gebracht: die Kinder, die in schlechter Umgebung aufwuchsen; die Jünglinge, die immer böse Beispiele vor sich sahen; die Mädchen, an welche die Verführung in tausend Formen und Gestalten herantrat; die Männer, welchen oft alles den Unglauben predigte; die Frauen, denen oft der eigene Ehemann den letzten Trost, die Religion, genommen! Zähle sie, diese Millionen von Verführten, und zähle auch ihre Verführer; die Unkeuschen, die Ungläubigen und Religionsspötter, die Gotteslästerer und Gewohnheitsflucher, die Aufwiegler und Unruhestifter! Zähle sie alle und bedenke das Wort des Herrn vom Ärgernisse, jenes furchtbare Wort. O, wie muss diese Riesenzahl von Sünden einst zentnerschwer niederdrücken in der linken Waagschale - hinab bis in den tiefsten Abgrund der Hölle!
Gewiss, ein ernster Kampf tobt ringsum und streitet in unserer eigenen Brust. Es ist der Streit mit der Sünde, mit der bösen Lust. Es geht ein Schmerz durch das Leben, und ein Tod, ein Sterben durch die Welt; woher dieser Schmerz, woher dieses Sterben? Gäbe es keinen Kampf, so gäbe es keinen Schmerz; gäbe es keine Sünde, gegen die wir streiten, so gäbe es keinen Jammer, kein bitteres Sterben. Kein Mensch hat noch geleugnet, dass Jammer und Elend auf Erden seien, aber begriffen haben es noch nicht alle, woher seine Quelle. Es ist die Sünde, die uns im Kampfe diese Wunden schlägt, und zuletzt den Tod bringt.
Dieser Kampf, dieser Streit, dieses Elend ist eingetreten in diese Welt und in unserer Erde, seitdem im Paradiese zum erstenmal jener gefallene Engel, der Feind Gottes und der Menschen zur neugeschaffenen Kreatur als Versucher hingetreten und sie besiegt hatte. Mit den Waffen der Lüge, mit den Lockungen der Sinnlichkeit, mit Stolz und Hochmut hat er den Sieg gewonnen und mit diesen Waffen streitet er noch heute und bis zur Stunde gegen Gott und gegen das Göttliche in der Welt.
Seitdem der falsche Engel im Paradies gesiegt hat, ist er, wie der Herr ihn bezeichnet, der Fürst dieser Welt; seit jener Stunde sucht er seinen Thron auf Erden zu begründen, den er durch seinen Sturz aus dem Himmel dort verloren hatte. Es ist eine Frage, die Jahrhunderte schon die ernstesten Geister beschäftigt, die allen dunkel geblieben ist, bis das Licht des Christentums die Welt erklärt; woher das Böse, woher das Elend dieser Welt? Wir Christen wissen es aus unserem einfachen Glauben, und jedes Kind kann davon Rechenschaft geben. Frei war auch der Mensch geschaffen, wie der Engel und frei, nicht gezwungen sollte er zu Gott sich wenden. Auch für ihn, wie für die Engel stand eine Stunde der Prüfung offen. Da, in diesem Momente der Prüfung, kam Satan mit seiner Lust, und der Mensch unterlag, fiel unter seine Gewalt, kehrte sich ab von Gott. Er hatte jetzt den Fall der Engel nachgeahmt; doch weil nicht durch eigene, selbstverhängte Schuld, sondern durch fremde Verführung der Mensch im Paradies gefallen, so stürzte er ihn nicht gleich dem Lichtengel in die Tiefe der Finsternis, sondern Gottes ewige, schrenkenlose Barmherzigkeit hielt seinen gänzlichen Fall auf und gab ihm die Möglichkeit der Errettung.
War aber die Welt einmal vom Satan überwunden worden, dann konnte sie nur durch einen zweiten Kampf ihm wiederum abgerungen werden; der Sieger musste besiegt werden und zwar von keinem anderen als vom Menschen; der Sklave musste sich losmachen von seinen Fesseln, um seinen unwürdigen, grausamen Herrn zu fesseln. Der Starke, der hereingebrochen in das Haus, muss gebunden werden durch einen Stärkeren, muss entwaffnet und hinausgeworfen werden in die Finsternis, von wo er hereinkam. So öffnet sich uns eine der erhabensten Betrachtungen des ganzen Christentums als eines Kampfes wider das eingedrungene Böse, als eines endlichen Sieges und einer Überwindung über den Satan und als dessen vollständiger Entwaffnung.
Vom Paradiese an war Feindschaft gesetzt zwischen der Schlange und dem Nachkommen des Weibes, das der Schlange den Kopf zertreten sollte; eine Feindschaft, die nicht durch gegenseitige Waffenruhe, sondern nur durch völlige Überwindung des Widersachers enden durfte. Es wäre nun allerdings recht merkwürdig, die Herrschaft des Satans über die vorchristliche Welt in den Erscheinungen des Heidentums nachzuweisen - wie das Satanische darin in seinen gräulichsten Ausgeburten nur zu sichtbar auftrat; jene wilde Lust, jene Tausende von Menschenopfern, jene Hunderte von Kindern, die in den Armen glühender Statuen verbrannt, jene, welche die Unschuld und Leben und Sittlichkeit preisgaben.
Es klingt freilich den modernen Philosophen und Gelehrten grell in den Ohren, nach Weise der alten Väter der Kirche das Heidentum auch von dieser dämonischen Seite aufzufassen und hinter den schönen, reizenden Gestalten griechischer und römischer Gottheiten übergoldete, glänzenden Laster der Hölle und die Stimme der Tiefe und des Abgrundes zu ahnen. Aber warum sollten wir scheuen es zu sagen? Paulus hat es getan, wenn er spricht: "Was die Heiden opfern, das opfern sie den Dämonen"; und Justin, der Philosoph, und viele seiner Zeitgenossen haben angesichts der ihnen bereiteten Martern, des Eisens und des Feuers den Heiden in das Angesicht gesagt, dass ihr Kultus ein dämonischer, ein satanischer sei, und dass hinter schönen Larven nur die Finsternis und die Nacht der Hölle hause. Diese Männer, die gelehrt und gebildet waren, und das Heidentum selbst sahen und oft lange Jahre selbst davon befangen waren, sie sahen in den Heidentum etwas ganz anderes, als jene zarten, poetischen Ideen, die man in sogenannten mythologischen Lesebüchern und klassischen Liedern unseren christlichen Jünglingen, und, doppelte Schmach! selbst christlichen Jungfrauen in unseren Erziehungsinstituten in die Hände gibt, und in die Köpfe und in die Herzen einpflanzt.
Das Heidentum in der weiten Welt ist sonach der größte Sieg des Teufels über die Kreatur; es war ihm gelungen, was er im Himmel vor seinem Falle angestrebt, dass er seinen Thron neben dem Allerhöchsten und über dem Morgensterne seine Herrlichkeit gründe!
Und nun, wer sollte diesen Fürsten der Welt, diesen finsteren Herrscher herunterstoßen von seinem Throne? Wer die Macht des Heidentums überwältigen? Kein anderer als der, der im Paradiese als der Schlangenzertreter verheißen war. Und er kam, nicht in Glanz und Hoheit, nicht in Heeresmacht, und nicht mit der Gewalt irdischer Macht; sein Reich war nicht von dieser Welt; arm und demütig kam er, so dass er nicht hatte, wo er sein Haupt hinlegte; er brachte keine gelehrten, weisen Männer von den Schulen mit sich, sondern zwölf einfache, arme Fischer. Und dennoch konnte dieser arme, verachtete Menschensohn am Abend seiner irdischen Tage den Aposteln und damit uns allen versprechen: "Fürchtet euch nicht, ich habe die Welt überwunden; nun ist das Gericht und der Fürst der Finsternis wird hinausgestoßen." Dieser so in niedriger Knechtsgestalt Wandelnde zeigte sich dennoch als Erlöser von der Sünde und von der Hölle; Legionen böser Geister, die Gewalt hatten über die Leiber der Menschen, wurden von ihm allenthalben ausgetrieben und er konnte diese Macht, die Besessenen zu befreien, auch seinen Aposteln übertragen. So zeigte er sich als ein Überwinder des Dämons und der Hölle; und wie er die Sünde selber überwunden, so heilte er auch mit erbarmender Liebe die Wunden, die die Sünde der Menschheit geschlagen, heilte die Kranken, erleuchtete die Blinden, machte gehen die Lahmen, predigte das Evangelium den Armen; und er war es, der sagen konnte: "Meinen Frieden gebe ich euch, meinen Frieden lasse ich euch." Und diese Kraft, mit welcher der Erlöser selbst den Satan und seine Werke überwunden, diese Kraft verlieh er auch den Seinen, legte sie nieder in seiner Kirche, von der er gesagt hatte, dass die Porten der Hölle sie nicht überwältigen werden.
Die Waffen aber, mit denen der Erlöser den Fürsten der Welt überwunden hatte, sind gerade die entgegengesetzten, mit denen der Fürst der Finsternis die Herrschaft über die Welt gewonnen.
Lüge war des Satans erste Waffe: Wahrheit, ewige, unwiderlegbare Wahrheit, ja sich selber als Weg, Wahrheit und Leben stellt der Heiland ihm entgegen.
Hochmut war die zweite Waffe, die der Satan angewendet, um die Menschen zu betören: Christus hält ihm Demut, Niedrigkeit und Armut der Erde entgegen.
Sinnlichkeit, Lust des Fleisches war die dritte Waffe, die die Verführung gehandhabt: und der Erlöser kämpft gegen diese Waffe durch die Kreuzigung des Fleisches, durch Leiden, Blut und Martern, durch den Kreuzestod. So hatte er am Kreuze den Satan überwunden und der Schlange den Kopf zertreten.
Welch ein Kampf! Welche Menschenweisheit hätte das ahnen können, dass durch solche Waffen die Macht ihres Feindes gebrochen wurde! Durch Leiden und durch Dulden zu siegen, das schien der Welt eine Torheit; aber was töricht ist vor der Welt, hat Gott auserlesen, um die Weisen zu beschämen und hat durch das Kreuz, das den Heiden eine Torheit und den Juden ein Ärgernis war, die Weisheit dieser Welt überwunden. Nachdem aber mit dem Erlösungstod des Herrn die Macht des Satans über die Welt gebrochen war, so hat er dennoch seinen fruchtlosen Kampf nicht aufgegeben, vielmehr müssen alle gegen ihn streitend sich die Krone erwerben, die der Heiland zuerst für alle erworben hat. Wir müssen wie der Heiland streiten, wir müssen mit ihm streiten, wir müssen mit ihm leiden, um mit ihm verherrlicht zu werden.
Diesen Streit gegen das Böse in der Welt hat die Kirche Gottes auf sich genommen, sie streitet unüberwunden gegen die Pforten der Hölle bis an das Ende der Zeiten, und darum heisst sie die streitende Kirche.
Wer weiß es nicht, dass die Wut des ohnmächtigen Feindes gerade die verzweifelste, gerade die bitterste ist? So war es der Satan, seinen Sturz ahnend, wenn das Christentum je über die Welt sich verbreiten sollte, der das Heidentum zu den blutigsten aller Verfolgungen anregte. Wenn auch die Kaiser oft in den ersten Zeiten keine Verfolgungsedikte gegen die Christen erließen, so stürzte dennoch das Volk, wie von einem geheimen Wahnsinn ergriffen, auf die Christen, um sie zu martern und zu töten. Aber aus dem Blute der Martyrer sproß die neue Saat der Bekenner und im Leiden hat die Kirche immer ihre schönsten Früchte geerntet.
Und als das Heidentum im schnell aufblühenden Leben des Christentums erlosch, da fasste der Widersacher einen neuen Angriffsplan. Mit seinen alten Kunstgriffen, mit seinen Waffen der Lüge, des Hochmuts und der Sinnlichkeit erregte er die Häresien, die Spaltungen, das Schisma in der Kirche, um durch die Leiden, die ihr dabei bereitet würden, sie zu zerstören und zu überwältigen. Das Altertum hat hierüber auch ganz anders geurteilt, als unsere zärtliche neuere Zeit; es hat jeden Abfall von der Kirche zugleich auch als einen Abfall von Gott bezeichnet, und mit den ergreifendsten Worten mahnt der große Bischof Ignatius von Antiochien die Seinen vor dem Abfall von der Kirche zur Häresie, die keine Pflanzung des himmlischen Vaters, sondern des bösen Feindes sei. Ja das sonst ganz innig liebende Gemüt des heiligen Polykarp ist so streng, dass er dem Häretiker Marcion bei dem Begegnen auf der Straße, als dieser ihn ansprach, erwiderte: "Ja, ich kenne dich, du Erstgeborener des Satans!"
So hat der Feind der Kirche zu allen Seiten den Samen des Unkrautes unter den Weizen gestreut, um das Saatfeld des Herrn zu vernichten. Doch nun, ist es ihm aber auch gelungen?
Nein, überall hat ihn die Kirche überwunden! Fürchten wir uns also nicht, wenn auch in unseren Tagen gerade der bitterste Hass über die Kirche sich ausgießt; wenn wir fast kein Blatt, kein Buch zur Hand nehmen können, ohne diesen dämonischen Produkten des Unglaubens, der Frechheit und Gottlosigkeit zu begegnen. Es liegt hierin immerhin etwas merkwürdiges. Der Fürst dieser Welt zählt noch viele seiner Trabanten; einen Anspruch darauf zu erhalten, ist nicht schwer. Du darfst nur über den Glauben witzig spotten, so bist du ein freier, aufgeklärter Mann, ein Weiser - freilich nur nach dem Geiste dieser Welt.
Auf dem Boden der Tagesgeschichte begegnen wir ebenso einem ganz gottesfeindlichen dämonischen Treiben. Wenn man mit dem Verbrechen spielt, wenn der Grund der gesellschaftlichen Ordnung wie auf Vulkanen schwankt und zittert, sagt mir, woher dieses alles? Nicht von Gott, wohl aber von den Mächten, die in der Tiefe hausen!
Doch, wo ist die Rettung?
Nur bei der, welche die Pforten der Hölle nie überwältigten, nur bei der Kirche, wo die Waffen des Herrn liegen. Ihr Opfer ist die Sühne der Welt; die Gebete der Kirche sind die Schutzwehr gegen den Untergang des Einzelnen wie der Staaten; der Geist der Aufopferung und der Liebe ist die ewige Vergeltung für die ungeheuren Frevel, die die Welt begeht. Tilgt die Kirche mit ihren Opfern, Erbauungen und Gebeten aus der Welt, wenn ihr könnt, und ihr werdet in Bälde mit Entsetzen erfahren, was sie in der Welt bedeutet hat!
Sie allein ist es, die den Satan in der Welt niederhält und ihn gänzlich überwindet und zwar mit den Waffen, womit der Herr gesiegt, durch das Festhalten an der Wahrheit, durch Leiden, durch Geduld und durch Liebe. Daher sagt der heilige Ignatius, der im Jahre 186 n. Chr. auf seiner Reise zum Martyrertod nach Rom den Ephesiern schreibt: "Ich weiß es, dass es einige gibt, die falsche Lehren ausstreuen; verstopfet euere Ohren, höret nicht, was sie sagen. Bedenket, dass ihr Steine seid im Tempel des Vaters, hergerichtet zu einem Bauwerk Gottes, in die Höhe gezogen durch das Kreuz Christi. Der Glaube ist Führer, die Liebe ist der Weg, der zu Gott führt. Betet für die anderen ununterbrochen; überweiset sie von der Wahrheit aus eueren Werken. Bei ihrem Zürnen seid ihr stille, bei ihrem Prahlen seid ihr demütig; ihre Lästerungen erwidert mit Gebet; gegen ihre Täuschungen seid fest im Glauben; gegen ihr wildes Treiben seid gelassen und sanft. Ahmet dem Herrn nach, und bleibet in Christo dem Leibe und dem Geiste nach."
Leiden hat die Welt überwunden und Liebe ist stärker als der Tod. Wir wissen es, dass die Kirche und ihr Glaube und ihre Hoffnung und ihre Liebe nie zuschanden werden, und sie siegt über alle ihre Widersacher. Doch nicht nur siegt sie, ihr Balsam heilt auch alle Wunden, die die Sünde geschlagen. Mit edler Liebe hat sie auch für das Elend der Menschheit gesorgt, hat den Balsam ihrer Barmherzigkeit auf die Wunden gegossen, die der Feind der Seele und des Leibes geschlagen hat. Es ist kein Jammer in der Welt, den sie nicht getröstet, kein Schmerz, den sie nicht gelindert. Geistige und leibliche Not haben in ihr Trost und Erbarmung gefunden.
Das ist der Sieg, das die Heiligung der Welt durch die Liebe!
O heiliger Erzengel Michael, beschütze die Kirche Gottes!

(entnommen aus: Das dreifache Reich Gottes)