Der Einzug Jesu in Jerusalem
Das größte aller Werke ist die Menschwerdung Christi und sein Tod. Es ist dies ein Geheimnis, das die menschliche Weisheit nie hätte ersinnen können. Viele, die dem Fleische nach weise sind, haben Schwierigkeiten, an ihr eigenes Glück und Heil zu glauben. Andere glauben daran, aber nicht so, wie es in Wahrheit stattgefunden hat. Die Katholiken endlich wissen, glauben und bekennen dieses Geheimnis gemäß im Lichte, das die heilige Kirche hierüber besitzt. In diesem ausdrücklichen Glauben an die geoffenbarte Geheimnisse bekennen wir auch jene Wahrheiten, die in den geoffenbarten zwar eingeschlossen sind, aber nicht ausdrücklich geoffenbart werden mußten, weil ihre Kenntnis nicht unumgänglich notwendig ist. Die einen derselben bewahrt Gott bis zur gelegenen Zeit auf, die andern bis zum Jüngsten Tage, an dem alle Herzen vor dem gerechten Richter offenbar werden.
Als Gott der Herr mir den Auftrag gab, diese Geschichte zu schreiben, hatte er die Absicht, einzelne dieser unbekannten Geheimnisse zu offenbaren. So habe ich denn auch bereits viele mir mitgeteilte Geheimnisse beschrieben, nd viele andere bleiben noch übrig. Auf diese möchte ich die Frömmigkeit und den Glauben der Katholiken vorbereiten. Wer gläubig ist, wird keine Schwierigkeit finden in der Nebensache, da er die Hauptsache der katholischen Wahrheiten mit göttlichem Glauben bekennt. Auf diese Hauptwahrheiten gründet sich ja alles, was ich geschrieben habe und noch schreiben werde, namentlich über das Leiden unseres Erlösers.
Nach dem Mahle in Bethanien zog sich Jesus in sein Betzimmer zurück. Maria aber begab sich, nachdem sie den verstockten Judas verabschiedet hatte, zu ihrem Sohne und schloß sich seinen Gebeten und Übungen an. Der Herr war im Begriffe, den schwersten Kampf seines ganzen irdischen Lebens zu beginnen, das er nach den Worten Davids (Ps 18,7) vom "äußersten Himmel her" angetreten hatte, um nach Überwindung von Satan, Sünde und Tod wieder dahin zurückzukehren. Als gehorsamer Sohn ging er dem Leiden und dem Kreuze freiwillig entgegen. Zur Erde auf sein Angesicht niedergeworfen, lobte und pries er seinen Vater in inbrünstigem Gebete mit gänzlicher Ergebung und nahm die Schmach seines Leidens, die Schande, die Qualen und den Tod des Kreuzes an zur Ehre seines Vaters und zur Erlösung des ganzen Menschengeschlechtes. Die heiligste Mutter vereinigte kniend ihre Gebete mit den seinigen. Beide vergossen dabei reichlich Tränen.
Da geschah es, dass kurze Zeit vor Mitternacht der ewige Vater in sichtbarer menschlicher Gestalt mit dem Heiligen Geiste erschien, begleitet von einer unabsehbaren Schar Engel, die Zeugen dieses himmlischen Schauspiels sein sollten. Der himmlische Vater nahm das Opfer seines allerheiligsten Sohnes an und gab die Zustimmung, dass die Strenge seiner Gerechtigkeit sich an seinem Sohne vollziehe, damit die Welt Verzeihung erlange. Darauf wandte sich der ewige Vater an die Gottesmutter und sprach: "Maria, unsere Tochter und Braut, es ist mein Wille, dass du deinen Sohn aufs neue mir zum Opfer hingebest. Auch ich gebe ihn hin für die Erlösung der Menschen." Maria erwiderte: "O Herr! Ich bin nur Staub und Asche und unwürdig, dass dein Eingeborener, der Erlöser der Welt, auch mein Eingeborener ist. In Unterwerfung unter deine unaussprechliche Güte opfere ich ihn deinem göttlichen Wohlgefallen auf, und mit ihm opfere ich mich selbst. Ewiger Vater, nimm mich an, damit ich zugleich mit deinem und meinem Sohne leide!" Der ewige Vater nahm ihr Opfer wohlgefällig an. Dann sprach er, den Sohn und die Mutter von der Erde erhebend, also: "Dieses ist die gebenedeite Frucht der Erde, wie mein Wille sie verlangt." Darauf erhöhte er seinen menschgewordenen Sohn auf den Thron seiner Majestät und setzte ihn zu seiner Rechten mit der nämlichen Macht und Hoheit, die ihm selbst eigen war.
Die heiligste Jungfrau blieb zwar an der Stelle, wo sie stand, wurde aber ganz verklärt und mit wunderbarem Jubel und Lichtglanz erfüllt. Da sie ihren Eingeborenen zur Rechten seines ewigen Vaters sitzen sah, sprach er feierlich jene Anfangsworte des 109. Psalmes, in dem David dieses Geheimnis vorhersagt und angedeutet hatte: "Es sprach der Herr zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten" (Ps 109,1). Dann sprach Maria zur Ehre des ewigen Vaters und des menschgewordenen Wortes einen geheimnisvollen Lobgesang. Nachdem sie geendet hatte, setzte der himmlische Vater den Psalm bis zum Ende fort, gleichsam um den ganzen Inhalt dieser tiefen, geheimnisvollen Worte durch seinen unveränderlichen Beschluss zur Ausführung zu bringen. Es wird mir sehr schwer, in beschränkte Worte zu fassen, was ich von diesem Geheimnisse erkannt habe. Doch will ich mit Gottes Hilfe wenigstens einiges darüber sagen, damit dieses verborgene Geheimnis, dieses Wunder des Allmächtigen, und was er dabei der seligsten Jungfrau und den anwesenden himmlischen Geistern zu verstehen gab, wenigstens zum Teile bekannt werde.
Der ewige Vater fuhr fort und sprach: "Bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege." Denn weil du dich nach meinem ewigen Willen erniedrigt hast, so hast du verdient, über alle Geschöpfe erhöht zu werden und in deiner menschlichen Natur zu meiner Rechten ewig zu herrschen und dass ich deine Feinde deiner Herrschaft unterwerfe als der Herrschaft ihres Gottes, der Erlösers der Menschen. So sollen jene, die dich nicht anerkannt und dir nicht gehorcht haben, deine Menschheit erhöht und verherrlicht sehen. Jetzt führe ich dies zwar noch nicht aus; denn der Ratschluss der Erhöhung muß vollzogen werden. Ich will aber, dass jetzt schon mein himmlischer Hof sehe, was einst die bösen Geister und die Menschen schauen werden: dass ich dich zu meiner Rechten erhebe, weil du dich zum schmachvollen Tode des Zreuzes erniedrigt hast. Und wenn ich dich dem Kreuze und der Bosheit deiner Feinde überlasse, so geschieht dies zu meiner Ehre und zu meinem Wohlgefallen, aber auch dazu, damit deine Widersacher einstens zu ihrer größten Schmach dir zu Füßen gelegt werden.
"Das Zepter deiner Macht wird durch den Herrn von Zion ausgehen. Herrsche inmitten deiner Feinde." Ich, der allmächtige Gott, ich, "der ich bin", werde wahrhaft und wirklich das Zepter deiner unüberwindlichen Macht senden und leiten. Nicht erst dann, wenn du über den Tod triumphiert und die Erlösung der Menschen vollendet hast, sollen die Sterblichen dich als ihren Heiland, ihren Führer, ihr Haupt und als den Herrn des Weltalls erkennen, sondern jetzt schon, ehe du den Tod erleidest. Während die Menschen dich noch verachten und auf dein Verderben sinnen, sollst du einen wunderbaren Triumph erringen über den Tod und über ihre Bosheit. Die bösen Geister sollen durch das Zepter deiner Macht überwunden und beschämt werden. Die Propheten und Gerechten im Vorhimmel sollen mit meinen Engeln diese wunderbare Erhöhung schauen, die du verdient hast.
"Bei dir ist die Herrschaft am Tage deiner Macht. Im Glanze der Heiligen habe ich dich aus meiner Fruchtbarkeit gezeugt vor dem Morgensterne." Am Tage deiner Kraft bin ich in dir und mit dir als der Ursprung, aus dem du durch ewige Zeugung von meinem fruchtbaren Verstande schon vor der Bildung des Morgensternes der Gnade hervorgehst in dem herrlichen Glanze, dessen sich die Heiligen erfreuen werden, wenn sie durch unsere Glorie verklärt sind. Auch deiner Menschheit nach ist dein Ursprung bei dir, und du bist gezeugt worden am Tage deiner Kraft. Von dem Augenblicke an, da du das zeitliche Leben erhalten hast im Schoße deiner Mutter, hast du schon die Verdienste besessen, die dich der Ehre und Glorie würdig machen, mit der deine Kraft gekrönt werden soll an diesem Tage und am Tage meiner Ewigkeit.
"Der Herr hat geschworen, und es wird ihn nicht gereuen: Du bist Priester ewiglich nach der Ordnung Melchisedechs." Ich, der Herr, der Allmächtige, habe mit der Festigkeit eines unabänderlichen Eides beschlossen, dass du der Hohepriester des neuen Bundes seiest, und zwar nach der Ordnung Melchisedechs. Denn du wirst der wahre Priester sein, der das Brot und den Wein opfert. Deine Opfergabe wird rein, wohlgefällig und ein Opfer des Lobes für mich sein.
"Der Herr zu deiner Rechten wird Könige zerschmettern am Tage seines Zornes." Ich, der ich ein Gott mit dir bin, ich werde die Macht und Tyrannei zerschmettern, welche "die Fürsten der Finsternis, die Beherrscher der Welt" (Ephes 6,12), d.h. die abtrünnigen Engel und bösen Menschen geübt haben, indem sie dich nicht anbeten, nicht anerkennen und dir nicht als ihrem Gott, Herrn und Haupte dienen wollten. Ich werde sie zerschmettern durch die Werke deiner Menschheit, deren Rechte die mit ihr vereinigte Gottheit ist und in deren Kraft du jene Werke vollbringst. Ich habe diese Züchtigung vollzogen, als Luzifer mit seinem Anhange dich nicht anerkannte. Damals war für diese der Tag meines Zornes. Später wird der Tag des Zornes kommen für die Menschen, die dich nicht angenommen und dein heiliges Gesetz nicht befolgt haben. Sie alle werde ich in meinem gerechten Zorn demütigen und zerschmettern.
"Er wird richten die Völker, große Niederlagen anrichten, zerschmettern die Häupter in vielen Landen." Wenn deine Sache gerechtfertigt sein wird allen Adamskinder gegenüber, die deine Barmherzigkeit nicht benutzen, dann werde ich, der Herr, alle Völker mit Billigkeit und Gerechtigkeit richten. Ich werde die Gerechten und Auserwählten von den Sündern und Verworfenen scheiden und mit ihnen die Lücken ausfüllen, die durch den Sturz der abgefallenen Engel entstanden sind. Dabei werde ich auf Erden das Haupt der Stolzen - und ihre Zahl wird groß sein - zerschmettern wegen ihres verstockten Willens.
"Aus dem Bache am Wege wird er trinken; darum wird er emporheben das Haupt." Der Herr, der Gott der Rache, wird dein Haupt verherrlichen. Er wird sich erheben, um die Erde zu richten und die Stolzen zu züchtigen. Als hätte er den Strom seines Zornes getrunken, wird er seine Pfeile im Blute seiner Feinde tränken (Deuter 32,42), und mit dem Schwerte seiner Rache wird er sie auf eben dem Wege zuschanden machen, auf dem sie zur Seligkeit hätten gelangen sollen. So wird er dein Haupt erheben und es erhöhen über deine Feinde, die deinem Gesetze nicht gehorchten und der Wahrheit deiner Lehre nicht glaubten. Dies ist gerecht, weil du den Strom der Schmach und Schande bis zum Tode des Kreuzes getrunken hast, zur Zeit, als du ihre Erlösung bewirktest.
Solche höchst erhabene Erkenntnisse erhielt die heiligste Jungfrau Maria von den geheimnisvollen Worten dieses Psalmes, die der ewige Vater aussprach. Einige dieser Verse reden zwar in der dritten Person, allein der ewige Vater sprach sie in seinem und seines menschgewordenen Sohnes Namen aus. Diese Geheimnisse umfassen hauptsächlich zwei Punkte: einerseits Drohungen gegen die Sünder, die Ungläubigen und die schlechten Christen, andereseits Verheißungen, die der ewige Vater seinem menschgewordenen Sohne macht. Zum Unterpfande und Vorbilde dieser Erhöhung, die unserem Erlöser nach seiner Himmelfahrt zuteil wurde, die ihm ganz besonders beim Jüngsten Gericht zuteil werden wird, ordnete der ewige Vater an, dass Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem jene Ehre und jenen Beifall erntete, welche die Einwohner der heiligen Stadt ihm am Tage nach dieser geheimnisvollen Vision bezeigte. Nach der Vision brachten Jesus und seine Mutter den übrigen Teil dieser heiligen Nacht in himmlischen Gesprächen zu.
Am folgenden Tage, unserem Palmsonntag, machte sich der Herr mit seinen Jüngern auf den Weg nach Jerusalem. Viele Engel begleiteten und priesen ihn, weil sie ihn so voll Liebe zu den Menschen, so voll Eifer für ihr ewiges Heil sahen. Nachdem sie ungefähr zwei Stunden weit gegangen und nach Bethphage gekommen waren, sandte der Herr zwei Jünger abzu dem nahen Hause eines angesehenen Mannes (Mt 21,1). Mit dessen Zustimmung nahmen sie eine Eselin und deren Füllen, auf dem noch kein Mensch gesessen war. Die Jünger legten ihre Kleider und Mäntel auf die Eselin un das Füllen. Unterwegs nun begrüßten die Jünger und mit ihnen alles Volk den Erlöser als den wahren Messias, den Sohn Davids, als Heiland der Welt und wahren König. Die einen riefen: "Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe! Gebenedeit sei, der da kommt als König im Namen des Herrn!" Andere sagten: "Hosanna dem Sohne Davids! Rette uns, Sohn Davids! Gebenedeit sei das Reich unseres Vaters David, das jetzt gekommen ist!" Einzelne schnitten zum Zeichen des Triumphes und der Freude Palmen- und Baumzweige ab und streuten sie auf den Weg. Auch ihre Kleider breiteten sie auf den Weg, auf dem der neue Siegesheld, Christus unser Herr, einherzog.
Alle diese Zeichen der Verehrung und Bewunderung waren eine Kundgebung der Macht seiner Gottheit, um so mehr, da alles dies geschah, während die Priester und Pharisäer Jesus erwarteten und suchten, um ihm das Leben zu nehmen. Wären jene Menschen nicht innerlich durch seine göttliche Kraft und durch innere Erleuchtung über seine Wunderwerke angetrieben worden, so hätte sich nicht eine solche Menge Menschen, darunter viele Heiden und andere erklärte Feinde, vereinigt, um Jesus als wahren König, Erlöser und Messias zu begrüßen. Sie hätten sich nicht herbeigelassen, einem armen, demütigen und verfolgten Menschen zu huldigen, einem Menschen, der nicht mit Waffengewalt und menschlicher Macht, nicht mit Triumphwagen und stolzen Pferden, nicht mit reichen Schätzen beladen einherzog. Dem äußeren Scheine nach gebrach es dem Heilande an allem. Er ritt auf einer armen Eselin, einem in den Augen der eitlen und prachtliebenden Welt ganz verächtlichen Tiere. Nur das Angesicht Jesu war ernst, ruhig und voll Majestät, entsprechend seiner verborgenen Würde. Darin offenbarte sich die Macht Gottes. Sie bewog die Herzen der Menschen, ihrem Schöpfer und Erlöser zu huldigen.
Nicht nur in Jerusalem zeigte sich diese allgemeine Bewegung, nicht bloß in der Heiligen Stadt wurden die Herzen der Menschen durch göttliches Licht angetrieben, unserem Heilande zu huldigen, sondern der Triumph dehnte sich auf alle vernunftbegabten Geschöpfe aus, damit in Erfüllung ginge, was der ewige Vater seinem eingeborenen Sohn versprochen hatte. Als unser Heiland Jesus Christus in Jerusalem einzog, wurde der heilige Erzengel Michael abgesandt, um die heiligen Väter und Propheten im Vorhimmel von diesem wunderbaren Ereignisse zu benachrichtigen. Zur gleichen Zeit hatten alle Heilige im Vorhimmel eine Vision über den Einzug des Herrn in Jerusalem. Unter Lobpreisung und Anbetung brachten sie von ihrem Aufenthaltsorte aus unserem Herrn Jesus Christus ihre Huldigung dar. Sie bekannten ihn als den wahren Gott und sangen neue Dankeshymnen und Loblieder zu Ehren des wunderbaren Triumphes, den er über Sünde, Tod und Hölle feierte.
Überdies bewegte Gottes Allmacht auch die Herzen vieler Menschen auf Erden. Nicht nur in Palästina, sondern auch in Ägypten und in anderen Ländern wurden jene, die an unsern Herrn glaubten oder ihn kannten, angetrieben, unseren Erlöser im Geiste anzubeten. Sie taten dies mit außerordentlicher Freude ihrer Herzen infolge des ihnen verliehenen göttlichen Lichtes. Über den Ursprung und Zweck dieser inneren Bewegung waren sie freilich nicht im klaren. Damit endlich auch der Triumph über den Tod glorreich sei, nahm der Allerhöchste für jenen Tag dem Tode seine Macht über das Leben der Menschen. An dem Tag starb auf der ganzen Welt kein Mensch, obwohl natürlicherweise viele gestorben wären, wenn Gottes Allmacht dies nicht verhindert hätte, damit der Triumph unseres Herrn in jeder Hinsicht wunderbar wäre.
Diesem Siege über den Tod folgte der Sieg über die Hölle. Im Augenblicke nämlich, als die Menschen anfingen, Jesus Christus als Heiland und König, der im Namen des Herrn komme, anzurufen und zu begrüßen, fühlten die bösen Geister die Macht seiner Rechten, die alle von ihren irdischen Aufenthaltsorten verjagte und in die tiefen Kerker der Hölle schleuderte. So kam es, dass während dieses kurzen Tages kein einziger böser Geist auf Erden weilte. Alle waren mit Wut und Schrecken in den Abgrund gestürzt. Von da an vermuteten sie mit größerer Sicherheit als bisher, dass sich der Messias bereits in der Welt befinde. Unverweilt hielten sie über diese ihre Befürchtung eine Versammlung ab.
Jesus setzte seinen Triumphzug fort bis in die Stadt Jerusalem. Dort angekommen, stieg er von dem Lasttier und lenkte seine würdevollen Schritte zum Tempel, um ihn zu reinigen und zu heiligen. Er stieß die Tische der Geldwechsler um, und voll Eifer für die Ehre des Hauses seines Vaters jagte er jene hinaus, die es zu einem Handelshause und zu einer Räuberhöhle gemacht hatten. Im Augenblicke, als der Triumph beendet war, hob Gott den Gnadeneinfluß, den er den Herzen der Bewohner Jerusalems hatte zukommen lassen, wieder auf. Die Gerechten waren noch gerechter geworden. Viele waren in den Gnadenstand erhoben worden. Andere aber kehrten zu ihren Lastern und schlechten Gewohnheiten zurück, weil sie aus den himmlischen Erleuchtungen und Eingebungen keinen Nutzen zogen. Obwohl so viele den Herrn als den König Jerusalems begrüßt hatten, fand sich doch kein einziger, der ihn in sein Haus aufgenommen und beherbergt hätte.
Der Sohn Gottes lehrte bis zum Abend im Tempel. Um zu zeigen, welche Ehrfurcht diesem heiligen Orte, dem Hause des Gebetes, gebühre, ließ er sich nicht einmal ein Glas Wasser bringen, sondern kehrte ohne jede Erfrischung abends nach Bethanien zurück. An den folgenden Tagen ging er wieder nach Jerusalem, bis zum Beginne seines Leidens (Mt 21,18). Maria weilte in Bethanien. Sie sah in einer Vision, was die Engel im Himmel und die Menschen auf Erden taten und was den bösen Geistern in der Hölle widerfuhr. Sie sah, wie der ewige Vater durch diese Wunder das Versprechen erfüllte, das er seinem menschgewordenen Sohne gegeben hatte, als er ihm die Herrschaft über alle seine Feinde verlieh. U.L. Frau erkannte auch, was unser Heiland während des Einzuges und im Tempel getan hat. Sie hörte jene Stimme des Vaters, die vor den Umstehenden vom Himmel erscholl und sprach: "Ich habe dich verherrlicht und werde dich ferner verherrlichen" (Jo 12,28). Dadurch gab der himmlische Vater zu verstehen, dass er, abgesehen von dem glorreichen Triumpher, den er seinem menschgewordenen Sohne an diesem Tage verliehen hatte, ihn auch nach seinem Tode verherrlichen werde. So verstand es auch die seligste Jungfrau mit unbeschreiblichem Jubel ihres reinsten Herzens.
(Geoffenbart der ehrwürdigen Dienerin Gottes, Maria von Jesus zu Agreda)