- Gottes enge Pforte -

Ein Hauptfeind des Glaubens: Der Indifferentismus

 
(entnommen aus: "Der Weg zum Glück" von Franz Xaver Wetzel, Stadtpfarrer und Dekan, Approbation, Rottenburg, den 27. Juli 1922)
 
Vor dem einfachen Holzkreuze unseres Bildes steht mit ausgebreiteten Armen betend der hl. Gallus: "Herr! mache den Ort zur Ehre deines Namens bewohnbar." Segnend dringen die Strahlen nieder vom Kreuz auf die Brust und das Haupt des Heiligen.
Er hat seine Pilgertasche niedergelegt, um hier an der Steinach dauernd sich niederzulassen. Eine Felshöhle öffnet sich, um den müden Wanderer aufzunehmen. Im Flusse liegt das Fischernetz, das die Bedürfnisse des Leibes befriedigen wird. Der Diakom schlägt noch einen Pfosten in die Erde, um das Kreuz zu befestigen. Im Hintergrund trottet der Bär als Holzträger herbei.
Weite Wege hat der Pilger bereits zurückgelegt. Von seinem Heimatland Irland zog er mit seinem Lehrer Columban nach Gallien. Menschlicher Leidenschaft weichend wollten die Missionare zurückkehren. Allein der Sturm trieb ihr Schiff wieder ans Land, von dem sie abgefahren waren. Dem Rheine aufwärts folgend kamen sie nach Alemanien, verweilten, das Evangelium predigend, am heutigen Züricher- und Bodensee, bis der hl. Gallus, der Apostel Alemaniens, endlich im Urwald an der Steinach den Ort seiner segensreichen Wirksamkeit fand.
Warum hat der Heilige sich allen diesen Mühsalen unterzogen? Hätte er nicht besser getan, in den nordischen Gegenden zu verbleiben, die Heiden Galliens und Alemaniens ruhig ihrem Götzendienst zu überlassen? Ohne Wissen und Willen hätten sie keine Sünde getan und gewiss nach einem entsagungsvollen Leben einen milden Richter gefunden? Das ist die Sprache des Indifferentismus, den wir näher kennen lernen wollen.
"Ich bin müde," sagte eines Tages Voltaire, "immer und immer wieder zu hören, dass zwölf Männer genügt haben, um das Christentum in die Welt einzuführen, aber endlich will ich beweisen, dass ein einziger hinreicht, um es zu zerstören." Und der zu den Schleppträgern Voltaire´s gehörende Philosoph D´Argens schrieb an Friedrich II. von Preußen: "Ich arbeite an einem Buche, das den Zweck hat, für immer den Aberglauben zu vernichten, welchem man den Namen Religion gegeben hat." D´Argens samt seinem Abgott Voltaire sind schon längst zu den Toten gelegt worden; sie sind in der Erde vermodert; aber der "Aberglaube", d.h. die katholische Religion, lebt heute noch, er zählt 320 Millionen Anhänger, er ist ausgebreitet über die ganze Welt, er wird leben bis zum Ende der Tage, denn er hat die göttliche Verheißung für sich: "Siehe, ich bin bei euch, alle Tage, bis an das Ende der Welt."
Allein dessen ungeachtet lässt sich nicht leugnen, dass der Indifferentismus, d.h. die religiöse Gleichgültigkeit, immer mehr zunimmt, dass er immer zahlreichere Anhänger findet, dass er nicht bloß in den höheren Schichten der Gesellschaft, sondern auch unter dem gewöhnlichen Volk immer mehr Boden gewinnt. Aus Berlin wird berichtet, dass von 150 000 Katholiken kaum 15 000 regelmäßig ihre Sonntagspflicht erfüllen. Wo bleiben die übrigen 135 000? Die sind mehr oder weniger dem Indifferentismus verfallen. Der Indifferentismus ist die eigentliche Häresie unseres Zeitalters, die Hauptkrankheit der Gegenwart, das Krebsübel der modernen Gesellschaft. Es tut daher not, von diesem folgenschweren und verhängnisvollen Übel immer mehr und mehr wieder zu sprechen. Wir müssen zunächst den theoretischen und praktischen Indifferentismus unterscheiden.
 
Der theoretische Indifferentismus
Indifferentismus ist ein lateinisches Wort und heißt auf deutsch: Gleichgültigkeit. Der religiöse Indifferentismus bedeutet also: Die Gleichgültigkeit, die Unentschiedenheit, die Grundlosigkeit in Sachen der heiligen Religion. Er liebt es, mit gewissen Phrasen sich breit zu machen, um dadurch Unwissende oder Schwachgläubige in die Irre zu führen. Seine beliebtesten Phrasen sind drei.
 
Erste Phrase:
Es ist gleichgültig, ob man Religion habe oder nicht; recht leben ist die schönste Religion.
Wie oft kann man diesen Satz hören! Er wird verkündet an den Wirtstischen und auf den Eisenbahnen, in den Werkstätten und Fabriksälen; er wird verkündet in liberalen Zeitungen und ungläubigen Zeitschriften. Tausende lassen sich berücken und stimmen mit ein in das Geschrei: "Es ist gleichgültig, ob man Religion habe oder nicht; recht leben ist die schönste Religion." Und doch ist sicherer als das Einmaleins: Ohne Religion ist niemand wahrhaft weise, wahrhaft gut und wahrhaft glücklich.
Ohne Religion ist niemand wahrhaft weise. Religion heißt: Kenntnis Gottes, Verehrung Gottes, Verbindung des Menschen mit Gott. Wollet ihr nun den weise nennen, der nichts weiß von Gott, der nicht weiß, in welchem Verhältnis er zu Gott steht, der nicht weiß, was er zu hoffen und zu fürchten hat? Ist das nicht der grösste Tor? Erniedrigt sich ein solcher Mensch nicht bis zum unvernünftigen Tiere, das am Boden kriecht und im Staube sich wälzt? Ach ja, man mag sie weise nennen, und sie mögen sich selbst für Gelehrte halten, jene Herren, die den Lauf der Gestirne beobachten und den ungeheuren Erdball messen, dabei aber auf den Schöpfer der Erde vergessen und den Herrn und Lenker der Gestirne nicht zu kennen scheinen. Sie sind Toren, törichter als die alten Heiden, die doch ihre Götter verehrten und ihnen marmorne Tempel erbauten. Man mag sie weise nennen, und sie selbst mögen sich für Gelehrte halten, jene Herren, die ohne viel Mühe die halb erloschenen Züge der vergilbten Pergamente vergangener Jahrhunderte zu entziffern vermögen oder durch ihre Entdeckungen die Welt in Entzücken versetzen, dabei aber die Schrift der ewigen Wahrheit nicht kennen und von einem unendlichen Wesen und einer unsterblichen Seele, wie sie sagen, noch nichts entdeckt haben. Sie sind Toren, törichter als die Heiden, welche ganze Bücher über das Dasein Gottes und die Unsterblichkeit der Seele geschrieben haben. Man mag sie weise nennen, und sie selbst mögen sich für Gelehrte halten, jene Herren, die verschiedene europäische Sprachen schreiben und sprechen, dabei aber die Sprache Gottes, das Beten, längst verlernt haben. Sie sind Toren, törichter als die Heiden, die in ihren besseren Tagen sogar ihr Morgen-, und Abend- und Tischgebet hatten. Darum heißt es beim Propheten Isaias (29,4): "Vernichten will ich die Weisheit der Weisen, spricht der Herr, und zu Schanden machen die Klugheit der Klugen." Wahrhaft weise ist nur derjenige, der Gott kennt und den er gesandt hat, Jesum Christum. "Diese Gotteserkenntnis", sagt der weise Salomon, "erquicket die Seelen und macht die Kleinen weise; sie ist wünschenswerter als Gold und viel Edelgestein, sie ist süßer als Honig und Honigseim" (Ps. 18). Wer diese Weisheit nicht hat, der ist ein Tor, er mag sonst wissen, was er will. Ohne Religion ist niemand wahrhaft weise.
Ohne Religion ist niemand wahrhaft gut. Recht leben, sagt man, ist die schönste Religion. Aber kann man denn recht leben ohne Religion? Nehmet die Religion nur für 10 Tage aus der menschlichen Gesellschaft hinweg, was wird geschehen? Dann wird jeder tun, was ihm gefällt; jeder wird seine Leidenschaften zu befriedigen suchen; jeder wird seine Kraft anwenden, den Schwachen zu unterdrücken, seine List, den Einfältigen zu betrügen, seine Beredsamkeit, den Leichtgläubigen zu verführen, seine Macht, überall Furcht und Schrecken, Mord und Brand zu verbreiten. Ohne Religion, sagt der hl. Augustin, wird die Welt zu einer Räuberhöhle oder Mördergrube. Schauet doch nach Frankreich. Dort hat man Ende des 18. Jahrhunderts den Glauben an Gott verboten und eine feile Dirne zur Anbetung auf dem Altar gestellt. Was war die Folge? Die Sünde und das Laster nahmen derart überhand, dass die Staatsleiter nichts Eiligeres zu tun hatten, als zu verkünden, das Volk möchte doch wieder an Gott und die Unsterblichkeit der Seele glauben. In unseren Tagen hat man in demselben Frankreich die Ordensleute aus den Schulen herausgeworfen, den Religionsunterricht im Lehrplan gestrichen, die Kruzifixe von den Wänden der Schulzimmer weggerissen und den Namen "Gott" aus allen Schulbüchern ausgemerzt. Was war die Folge? Die Folge war, dass unter der französischen Jugend die Schlechtigkeit in entsetzlicher Weise überhandnahm, so dass in einem einzigen Jahr, im Jahr 1887, nahezu 27 000 Kinder unter 16 Jahren wegen aller möglichen Vergehen von den öffentlichen Gerichten verurteilt und bestraft werden mussten, und 443 Selbstmorde von Kindern vorkamen. Das ist eine Jugend, ein Volk ohne Religion!
Welcher Leser erinnert sich nicht an das scheußliche Verbrechen, an den entsetzlichen Raubmord, der an Neujahr 1892 in Goßau (Kanton St. Gallen) verübt worden? Wisst ihr, was der Verbrecher, ein 20jähriger Junge aus Baden, im Verhör bekannte? "Aufs Beten und Kirchengehen habe ich nie viel gehalten." Darum ist dieser junge Mensch auch so schrecklich weit gekommen.
Ja, wer keine Religion hat, der ist zu allem fähig. "Das niederträchtigste und aller Laster fähige Herz wohnt im Ungläubigen," hat selbst Voltaire gesagt. Denn was soll er fürchten? Einen Gott gibt es für ihn nicht, eine Hölle gibt es nicht, mit dem Tode ist alles aus. Also warum tugendhaft sein, warum keusch sein, warum ehrlich und nüchtern sein?
Der Mensch muss Religion haben, wenn er gut, rechtschaffen sein, wenn er recht leben will. Recht leben ist schön und notwendig sogar, aber recht leben ohne Religion ist eine Unmöglichkeit, ist eine leere Phrase, mit der man sein verborgenes Lasterleben zudecken und entschuldigen will. "Ich habe früher geglaubt," bekennt Rousseau, "dass man auch ohne Religion ein rechtschaffener Mann sein könne; aber ich bin von diesem Irrtum zurückgekommen." Und mit derselben Offenheit gesteht Goethe: "Selbstlose Charaktere, die man hochachten kann, habe ich nur da gefunden, wo ich festgegründetes religiöses Leben fand." Ohne Religion ist niemand wahrhaft gut.
Ohne Religion ist niemand wahrhaft glücklich. "Wie kommt es," fragte man eines Tages einen Ungläubigen, der seit Jahren der katholischen Kirche den Rücken gekehrt, "wie kommt es, dass Sie Ihren Sohn einem Jesuitenkolleg anvertrauen; da wird er ja zu einem Frömmler erzogen?" "Ich wünschte," erwiderte der Ungläubige, "dass mein Sohn glücklicher und zufriedener werde, als ich es bin."
"Ist Christus Traum, dann ist das Leben
Ein Gang durch Wüsten in der Nacht,
Wo Niemand, Antwort uns zu geben,
Als eine Horde Bestien wacht.
 
Geh hin, du Armer, frag nach Troste
Bei Kunst und Weisheit überall,
Trink Wein, geh in den Wald und koste
Die Rose und die Nachtigall.
 
Sie haben nichts für deine Klagen,
Kein Strahl versöhnt die schwarze Kluft,
Sie haben nichts für dein Verzagen,
Und schaudernd sinkst du in die Gruft.
 
Das ist das Leben und Verscheiden,
Wenn Christus nicht auf Erden kam,
Und auf dem Kreuze Schreck und Leiden
Dem Leben und dem Tode nahm."
 
So singt verzweifelnd Nikolaus Lenau, nachdem er auf der Universität zu Wien den frommen Glauben seiner Kindheit verloren. Er wurde unglücklich, und immer unglücklicher, bis er - er war gerade auf Besuch in Stuttgart - am 29. September 1844 unheilbarem Wahnsinn anheimfiel und nach sechs jammervollen Jahren (1850) in einer Privat-Irrenanstalt zu Oberdöbling (bei Wien) starb. Ohne Religion ist niemand wahrhaftig glücklich. Wie Mancher, der in frevlem Übermut den Glauben über Bord geworfen, ist nach langem Irren wieder ins Vaterhaus zurückgekehrt und hat am Herzen Gottes wieder Glück und Ruhe gefunden! Erst vor wenigen Jahren starben in Paris drei Männer, Emil de Girardin, Littré und Gracin de Tassy, berühmt als Schriftsteller und Sprachforscher, aber ebenso bekannt als erbitterte Feinde der Religion. Sie waren berühmt, aber nicht glücklich, und sie erlangten den Frieden des Herzens nicht eher wieder, als bis sie zu den Füßen eines Priesters ihre Verirrungen bekannten und damit den Glauben der Kindheit wieder fanden. Darum war das letzte Wort, das sie stammelten: "Ohne Religion ist Niemand wahrhaft glücklich, wahrhaft weise und gut."
 
Zweite Phrase:
Ich halte mich an meiner Vernunft, die sagt mir schon, was zu tun ist.
Zu Anfang des 19. Jahrhunderts verkündete der Philosoph Fichte dreist von seinem Lehrstuhl herab: "Meine Herren, in fünf Jahren gibt es keine christliche Religion mehr; denn die Vernunft ist unsere Religion." Fichte ist schon lange den Weg aller Sterblichen gegangen, er starb 1814. Aber die christliche Religion, die Kirche Jesu Christi, steht heute noch ungebrochen da, durch alle Zeiten wiederholend, dass der Mensch nicht durch die Vernunft, sondern durch die göttliche Offenbarung den Weg zum Himmel finde.
"Studiere nur und raste nie,
Du kommst nicht weit mit deinen Schlüssen;
Das ist das End der Philosophie,
Zu wissen, dass wir  g l a u b e n  müssen."
 
Die menschliche Vernunft ist ein kostbares Geschenk des allgütigen Gottes, wir müssen recht innig dafür danken; sie ist uns gegeben, um das Dasein und die Wahrheit der göttlichen Offenbarung zu erkennen. Aber diese Vernunft ist doch auch wieder sehr beschränkt, und auf die wichtigsten Fragen weiß sie keine bestimmte Antwort zu geben. Woher bist du? Warum bist du da? Wohin gehst du? Das sind Lebensfragen und müssen beantwortet werden. Aber die Vernunft gibt darauf keine Antwort.
Dein Gewissen klagt dich an, dass du schon mehr als einmal gesündigt hast. Wird dir Gott verzeihen? Wenn ja, wird Er dir ohne Bedingnis oder unter einer Bedingnis und unter welcher Bedingnis verzeihen? Das ist eine Lebensfrage und muss beantwortet werden. Aber die Vernunft gibt darauf keine Antwort.
Woher und warum gibt es so viele Übel auf der Welt? Warum können die Gottlosen so oft in Reichtum und Ehren, in Wohllüsten und Vergnügen schwelgen, während der Fromme arm ist und verachtet und in Schmerzen dahinschmachtet? Auch dies sind Lebensfragen und müssen beantwortet werden. Aber die Vernunft gibt darauf keine Antwort.
Warum soll der Mensch dem Menschen untertänig sein, ihm Steuern und Abgaben zahlen, ja Gut und Blut für ihn opfern? Das ist eine Lebensfrage und muss beantwortet werden. Aber die Vernunft gibt darauf keine Antwort.
Was wird nach dem Tode mit mir geschehen? Werde ich glücklich oder unglücklich sein? Erhalte ich auf diese Frage keine bestimmte, untrügliche Antwort, so bin ich schon hienieden mein Leben lang unglücklich.
Das sind einige der wichtigsten Fragen, die jeder denkende Mensch stellen muss; das sind Lebensfragen, auf die wir Antwort, ganz bestimmte und klare Antwort haben müssen. Aber auf all diese Fragen hat die menschliche Vernunft, hat die ganze Weltweisheit seit dem sechstausendjährigen Bestande der Menschheit niemals eine gewisse und zweifellose Antwort geben können. Überblicken wir die Jahrtausende der Völkergeschichte, was erscheint uns hier? Halbvergessene, bis zur Unkenntbarkeit entsellte Traditionen vom Ursprung des Menschengeschlechtes, von seiner Bestimmung und ersten Geschichte; Goldkörner, aber in einem Berge von Irrtümern; Spuren von Wahrheit, aber vergraben unter tausendjährigem Schutte. "Das ist die Marotte des Selbstdenkens," hat Hegel, ein deutscher Gelehrter, einmal gesagt, "dass immer Einer etwas Abgeschmackteres vorbringt, als der Andere."
Also ist es nicht die Vernunft, die uns Aufschluss gibt über die höchsten Fragen des Lebens; "es war vielmehr notwendig," sagt der hl. Thomas von Aquin, "dass der Mensch von Gott selbst belehrt wurde, auch in Bezug auf das, was er an und für sich mit seiner natürlichen Vernunft ergründen kann, weil die wahre Erkenntnis Gottes auf dem Wege der rein vernünftigen Forschung nur Wenigen, nur nach langer Zeit und mit Beimischung vieler Irrtümer dem Menschen zuteil wird, während doch vom Besitz dieser Wahrheit das ganze Heil der Menschheit abhängt, welches nur in Gott ist;" es war notwendig jene Offenbarung, welche die unwiderleglichsten Beweise als eine göttliche dartun: Ein Buch, das seit 4000 Jahren von den Völkern der Erde für eine heilige Schrift gehalten und als ein göttliches Lehr-, Gesetz- und Prophetenbuch geglaubt und so ein Völkerbuch geworden ist, wie kein anderes in der Welt; Prophetien, die bestimmt voraus verkündet und unleugbar erfüllt worden; Tatsachen, welche nur die Allmacht vollbringen kann und die zur Bestätigung der Offenbarung vor aller Welt gewirkt worden; der ganze Christus, vom Eintritte in die Welt bis zu seinem Austritt in glorreichen Wundern strahlend; Millionen von Blutzeugen; die plötzliche Ausbreitung der Kirche Christi über die ganze Erde, ungeachtet aller natürlichen Hindernisse; die ununterbrochene Dauer der Kirche durch zwei Jahrtausende, trotz unausgesetzter Verfolgungen und Anfeindungen; die himmlische Erhabenheit der Lehre; die wunderbare Umwandlung der Menschheit; die unleugbaren Wunder der Apostel und so vieler Heiligen. - alles das bildet eine erdrückende Welt von Beweisen für die Göttlichkeit der christlichen Religion, für die Wahrheit der göttlichen Offenbarung, so dass wir mit Richard von St. Viktor sprechen können: "Wenn wir uns getäuscht haben, indem wir glaubten, so hast du selbst uns getäuscht, o Gott."
So ist einzig die von Christus geoffenbarte Religion die rettende Arche, welche uns sicher durch die tobenden Gewässer der Zeit hinüberführt in die glückselige Ewigkeit, während die menschliche Vernunft auf die höchsten und wichtigsten Fragen des Lebens keine bestimmte Antwort weiß und den Menschen von einem Irrtum in den anderen fallen lässt, bis er haltlos untergeht in dem Meer des Zweifels und des Unglaubens.
 
Dritte Phrase
Ob Katholik oder nicht, das ist einerlei; man kann in jeder Religion selig werden!
Christus der Herr hat das Christentum gegründet, eine Kirche gestiftet. Das ist eine weltgeschichtliche Tatsache, die kein Vernünftiger leugnet. Die Kirche besteht ihrem Wesen nach aus göttlichen Wahrheiten, aus göttlichen Gesetzen, aus göttlichen Gnadenmitteln und einem göttlichen Opfer; sie besteht aus einer gottgesetzten Hierarchie: aus dem Papste, als dem Oberhaupt der ganzen Kirche, aus den Bischöfen und Priestern. Wo findet ihr nun dieses alles? Wo findet ihr die ganze und reine Lehre Jesu Christi, wo findet ihr alle von Christus gegebenen Gesetze, wo findet ihr die sieben heiligen Sakramente, wo findet ihr das hochheilige Opfer der Messe? Wo findet ihr die von Christus gesetzte Hierarchie, wo den Papst, die Bischöfe und Priester? Nirgends anders, als in der katholischen Kirche. Also ist die katholische Kirche - und sie allein - die Kirche Jesu Christi, die wahre Kirche und folglich auch die alleinseligmachende Kirche. Also ist es nicht einerlei, ob Katholik oder nicht, so wenig als es einerlei ist, ob einer 100 000 Mark Vermögen besitzt oder bloß 1000 Mark; so wenig als es einerlei ist, ob man ein vollendetes, stattliches Haus bewohne, ruhend auf einen Felsen, oder eine schwache Bretterhütte, auf Sand gebaut. Es gibt nur einen Christus, der gesagt hat: "Wer nicht für mich ist, der ist wider mich; es gibt nur eine Kirche, von welcher der hl. Cyprian, der grosse Kirchenvater gesprochen: "Wer die Kirche nicht zur Mutter hat, der kann Gott nicht zum Vater haben;" es gibt nur eine Wahrheit; wer sie verlässt, wandelt im Irrtum. Es ist aber nicht einerlei, ob man im Lichte der Wahrheit wandle, oder im Finstern tappe; es ist nicht einerlei, ob man Gott zum Vater habe oder nicht; es ist nicht einerlei, ob man für oder gegen Christus sei. Haltlos und unvernünftig ist daher der Satz: "Ob Katholik oder nicht, das ist einerlei, man kann in jeder Religion selig werden."
Man kann nur in einer Kirche, in der Christuskirche selig werden, sei es, dass man in dieser Kirche geboren und erzogen, als treues Glied derselben lebt und stirbt, oder dass man, weil unverschuldet im Irrtum lebend und eines gottgefälligen Lebens sich befleißend, wenigstens zur Seele der katholischen Kirche gehört, d.h. an den Gnadenleben der Kirche Anteil hat und so als verborgenes Glied der Christuskirche gerettet wird.
"Welcher Religion gehören Sie an?" fragte der Kaufmann A. einen Professor. "Ich bin Indifferentist," erwiderte der Herr Professor. "Was soll das heißen?" "Das heißt: Ich bin ein Freisinniger, der, wie der grosse Friedrich II., jeden nach seiner Fasson selig werden lässt." "Aber das ist doch nicht richtig," sagte der Kaufmann, "gerade die Indifferentisten sind die allerintolerantesten Leute von der Welt, die grössten Fanatiker, die keinen Katholiken in Ruhe lassen können." - "Ja", meinte darauf der Professor, "das ist schon begreiflich, denn die Katholiken sind eben unsere grössten Feinde."  
 
Der praktische Indifferentismus
Wie die Theorie, so die Praxis, wie die Grundsätze, so das Leben. Darum sehen wir, wie der verheerende Strom des theoretischen Indifferentismus in immer steigender Höhe und Breite in das Leben selbst sich ergiesst und alles mit den Trümmern seiner Zerstörung bedeckt: mit frevelhaften Verbrechen gegen Gott, gegen die Religion, gegen die Kirche und eben dadurch mit immer drohender sich auftürmenden Ruinen im Volksleben, im Gemeindeleben, im Leben des einzelnen Menschen. Das nun ist der praktische Indifferentismus: eine leichenartige Unempfindlichkeit, eine todeskalte Gleichgültigkeit des Geistes bei einem durch und durch sündhaften Leben.
Das Leben des religiös Gleichgültigen richtet sich vorzüglich nach folgenden vier Sätzen.
 
Erster Lebensgrundsatz:
Ich sündige gegen Gott, so viel ich will; er straft mich nicht.
Was mag sich wohl Gott, das unendliche Wesen, um das Tun und Lassen eines Menschen kümmern, der heute blüht und morgen verwelkt, wie die Blume des Feldes, und dessen Leben für Gott von gar keinem Einfluss sein kann? So spricht der Indifferentist.
"Täuschet euch nicht, Gott lässt seiner nicht spotten." Denn Gott kann gegen das Wahre und Falsche, gegen das Recht und Unrecht, gegen das Gute und Böse, gegen das Ja und Nein nicht gleichgültig sein und so sich selber verleugnen, sondern die ewige Wahrheit muss jede Lüge und jeden Irrtum, die ewige Gerechtigkeit muss jedes Unrecht, die ewige Heiligkeit muss jedes Böse, die ewige Vollkommenheit muss jeden Widerspruch notwendig ewig hassen und je nach der Schuld auch bestrafen, wenn nicht der Barmherzigkeit Gottes wahre Buße entgegenkommt. So wahr also Gott die unendliche Wahrheit, Gerechtigkeit, Heiligkeit und Vollkommenheit ist, ebenso wahr muss und wird jeder nicht rechtmässig gesühnte Frevel gegen Gott bestraft werden. Das sagt uns nicht nur der Glaube, sondern auch die Vernunft. Dies sagt uns auch die Geschichte.
 
Judas hat gegen Gott gefrevelt und Christus, seinen Herrn und Meister, verraten. Er überlebte nicht die Wirkung seiner Tat: er erhängte sich selbst und stürzte in den Abgrund. Und Judas war ein Apostel.
 
Pilatus hat gegen Gott gefrevelt und aus feiger Menschenfurcht Christus zum Tode verurteilt. Er starb im Elend als Selbstmörder. Und Pilatus war ein hoher Staatsbeamter.
 
Herodes hat gegen Gott gefrevelt und dem Jesuskind nach dem Leben gestrebt. Er ist bei lebendigem Leibe ein Fraß der Würmer geworden. 
 
Herodes Antipas hat gegen Gott gefrevelt und Christus im Leiden mit seinem Kriegsheer verspottet. Er verlor Thron und Herrschaft und starb in der Verbannung als Selbstmörder. Und beide Herodes waren Könige.
 
Jerusalem hat gegen Gott gefrevelt und Christus aus seiner Mitte hinausgestoßen. Es wurde vom Feinde geschleift, so dass kein Stein auf dem anderen blieb. Und Jerusalem war die Lieblingsstadt Gottes.
 
Das jüdische Volk hatte Jahrhunderte lang gegen Gott alle möglichen Frevel begangen und zum Vollmaße den Gottesmord gefügt unter dem entsetzlichen Schrei: "Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!" Jetzt ist es unter alle Völker der Erde zerstreut, ohne Vaterland, ohne Königtum, ohne Tempel, und jedes einzelne Glied der immerwährende Beweis, wie Gott die Frevel gegen seine Majestät selbst an einem ganzen Volke straft.
 
Zweiter Lebensgrundsatz:
Ich sündige gegen die Religion, so viel ich will; das sind keine Sünden.
"Täuschet euch nicht, Gott lässt seiner nicht spotten." Der Herr hat die Wahrheiten seiner Religion, die Gesetze der Religion, die Heilsmittel der Religion, mit einem Wort, der Herr hat den einen, vollen und werktätigen Glauben als das einzige und notwendige Mittel, die Seligkeit zu erlangen, geoffenbart und an die Festhaltung des Glaubens, an die Beobachtung seiner Gesetze und den wirklichen Gebrauch seiner Gnadenmittel die Erlösung, die Rechtfertigung und das ewige Heil geknüpft, mit den Worten: "Wer nicht glaubt, der wird verdammt werden"; "wer nicht glaubt, der ist schon gerichtet." (Mk. 16,16; Joh. 3,18). So wenig also Gott gleichgültig sein kann gegen das ewige Heil oder Verderbens des Menschen, ebenso wenig kann er gleichgültig zusehen, ob der Mensch das einzige Mittel des Heiles, die Religion, achtet oder verachtet, gebraucht oder nicht gebraucht; sonst hätte ja Gott durch seine Offenbarung ein völlig unnützes und zweckloses Werk gestiftet, was sich mit seiner Weisheit und Heiligkeit unmöglich verträgt. So wahr also Gott die Religion als das einzige und daher unumgänglich notwendige Hilfsmittel geoffenbart hat, ebenso wahr muss und wird jeder nicht rechtmäßig gesühnte Frevel gegen die Religion notwendig gestraft werden. Das sagen uns Glauben und Vernunft. Das sagt uns aber auch die Geschichte.
 
Saul, der König von Israel, hat sich in das Opfer eingemischt, und er verlor deshalb für sich und sein ganzes Geschlecht Krone und Reich.
 
Balthassar, der König von Babylon, schwelgte aus den heiligen Gefäßen des Tempels, und noch in derselben Nacht wurde Babylon von den Medern und Persern überfallen und erobert, und der König ermordet.
 
Voltaire sprühte von Hass gegen die Religion, in Wort und Schrift suchte er sie zu vernichten. "Ecrasez I´infame!" "Vernichtet die Ruchlose" d.i. die katholische Kirche, - das war ein ständiger Schlachtruf in den Briefen seiner Genossen. Und Voltaire starb in schrecklicher Verzweiflung, eines gräßlichen Todes.
 
Gambetta, der französische Volkstribun, kämpfte zeitlebens gegen die Religion, denn "die Religion", pflegte er zu sagen, "das ist unser Feind." Und als Gambetta starb, - es war am Neujahrsmorgen 1882 -, da schrie er wie verzweifelt: "Ich spüre jetzt auch die Hölle in meinem Leibe." "Quel sort affreux!" "Welch schreckliches Los!" Das waren seine letzten Worte.
 
Dritter Lebensgrundsatz:
Ich sündige gegen die Kirche, so viel ich will; ihre Gebote sind doch nur Menschensatzungen.
"Täuschet euch nicht, Gott lässt seiner nicht spotten." Jesus Christus hat den ganzen Schatz seines Erlösungswerkes für alle Menschen aller Orte und Zeiten in der hl. Kirche niedergelgt, und darum auch ihr seine Autorität, seine Vollgewalt, seine Sendung übertragen und vor der ganzen Welt erklärt: "Wer euch höret, der hört mich; wer euch verachtet, der verachtet mich," und "Wenn Jemand die Kirche nicht hört, so sei er dir wie ein Heide und öffentlicher Sünder." Also ist´s nicht Menschensatzung, was die Kirche befiehlt, sondern Gottessatzung, denn die Kirche befiehlt im Namen und Auftrag Gottes.
Zudem sind alle Kirchengebote nur gegeben, um uns zur Beobachtung der göttlichen Gebote anzuleiten und unsern Willen zur Haltung derselben anzuregen. Nehmet die zwei Kirchengebote, die am öftesten und frevelhaftesten übertreten werden: das Gebot der Sonntagsheiligung und des Fastens. Im dritten Gebot Gottes wird befohlen, den Tag des Herrn heilig zu halten. Wenn nun die Kirche, mit göttlicher Machtvollkommenheit ausgerüstet, die Erklärung gibt: Um dieses Gebot wenigstens in der Hauptsache zu erfüllen, müsset ihr an Sonn- und Feiertagen von knechtlicher Arbeit abstehen und der heiligen Messe mit Andacht beiwohnen, - ist dann das Menschensatzung oder nicht vielmehr die mit göttlicher Vollmacht gegebene Erklärung eines Gottesgebotes selbst?
Gott der Herr hat ferner gesagt: "Wenn ihr nicht Buße tut, so werdet ihr alle zu Grunde gehen" (Luk. 13,3). Denn wir sind alle geborene und persönliche Sünder. Also ohne Buße kein Heil. Wer sagt uns aber, was für eine Buße und wie viel Buße wir tun müssen, um dieses Gebot auch nur dem Wesen nach zu erfüllen? Das sagt uns wiederum die vom hl. Geiste geleitete Kirche, indem sie im dritten Kirchengebote befiehlt: "Du sollst die gebotenen Fasttage halten!" Ist das nun Menschensatzung oder nicht vielmehr die mit göttlicher Vollmacht gegebene Erklärung eines Gottesgebot selbst? Und so verhält es sich mit den übrigen Geboten der Kirche; sie alle beruhen auf göttlichen Grundlagen, und wer sie verletzt, hat Gott zum Richter und Vergelter. Und wie züchtigt Gott die Frevler gegen seine heilige Kirche? Das sagt uns die Geschichte.
 
Das römische Weltreich hat mit seinen Kriegsheeren, mit seinen Wissenschaften und Künsten, mit seiner ganzen Macht drei Jahrhunderte lang gegen die Kirche gefrevelt, sie blutig geschlagen, mit Kerker und Banden, mit Verbannung und Tod sie verfolgt. Aber diese eiserne Weltherrschaft ist in Trümmer zerfallen, und auf diesen Trümmern strahlt heute noch die katholische Kirche in unvergleichlicher Herrlichkeit.
 
Asien, das blühende, das mächtige, so lange es der Kirche gehorchte, hat sich wider die Kirche erhoben, und ist jetzt mit Finsternis und Aberglauben geschlagen.
 
Afrika, das herrliche, das ruhmvolle, so lange es der Kirche gehorchte, hat sich wider die Kirche erhoben, und ist ein Land der Räuber und Sklaven geworden.
 
Deutschland, hat vor drei Jahrhunderten, wo es so mächtig und glorreich, die erste Macht der christlichen Welt war, gegen die Kirche sich aufgelehnt und blutet seither an innern und äusseren Wunden, die nicht mehr vernarben, bis es wieder zur Mutterkirche zurückkehrt. "Der konfessionelle Hader reißt immer von neuem die Wunde auf, welche uns die Kirchentrennung geschlagen, und von dieser datiert all` unser Unglück," schreibt der protestantische Geschichtschreiber Böhmer.
 
Vor hundert Jahren hat Frankreich sich an der Kirche vergriffen. Eine ganz Europa erschütternde Strafe ist auf dem Fuße gefolgt; sein Welteroberer, vor dem Kaiser und Könige gezittert, ist auf der einsamen Felseninsel St. Helena in der Verbannung gestorben, und das Land gleicht heute noch einem Vulkan, der immer neue Verheerungen auswirft.
 
In neuerer Zeit haben die Völker Europas viel gegen die Kirche gefrevelt, ihre Rechte verletzt, ihre Freiheit gefesselt, ihre Gesetze mit Füßen getreten, sie selbst, ihr Priestertum, ihr Heiligtum und ihre Kinder beschimpft und verfolgt. Und die Folge? Es brach eine Revolution herein, die ganz Europa in Schrecken setzte; alle Staatsgebäude schienen aus den Fugen zu gehen, und alle Throne wankten, so dass Fürsten und Völker wieder eiligst Hilfe suchten bei der Kirche.
 
Und warum ist gegenwärtig beinahe in allen Ländern kein Glück, kein Segen, keine Ruhe, kein Vertrauen? Warum ist alles in Auflösung begriffen und kracht es auf allen Gebieten des Völkerlebens? Warum erhebt die Partei des Umsturzes und der Anarchie immer drohender ihr kühnes Haupt? Weil die Kirche Jesu Christi verfolgt, geknechtet, gebunden, in ihrer Wirksamkeit gehemmt ist.
Die Franzosen haben ein Sprichwort: "Qui mange du Pape, en meurt"; "Wer vom Papste ißt, der stirbt daran." Wir könnten mit ebenso viel Recht sagen: "Wer von der Kirche ißt, d.h. wer sich an der Kirche vergreift, wer die Kirche verfolgt, wer gegen die Gesetze und Vorschriften sich auflehnt, der stirbt daran, der wird von Gott bestraft."
 
Vierter Lebensgrundsatz:
Überhaupt ist, was man Sünde nennt, höchstens eine Kleinigkeit, eine natürliche Schwachheit; der Mensch hat ja keinen Freien Willen.
Einem Derwisch legte ein Mann folgende drei Fragen vor:  1. Warum sagt man, Gott sei allgegenwärtig; ich sehe ihn nicht; zeige mir ihn, wo er ist.  2. Warum wird der Mensch für seine Sünden bestraft? Er hat keinen freien Willen, denn er kann ja nichts gegen den Willen Gottes tun.  3. Wie kann Gott den Satan mit höllischem Feuer strafen, da er selbst aus dem Feuer gebildet ist; Feuer kann doch dem Feuer nicht wehe tun. Der Derwisch nahm einen Erdklumpen und warf ihn dem Mann mit Gewalt an den Kopf. Der Frager, durch diese unverhoffte Antwort überrascht, führte Klage beim Kadi. Dieser ließ den Derwisch kommen und fragte ihn: "Warum werfst du dem Mann einen Erdklumpen an seinen Kopf, statt ihm eine Antwort zu geben?" Der Derwisch erwiderte: "Das war eben meine Antwort, und zwar die beste, die ich ihm geben konnte. Der Mann sagt, er empfinde jetzt Kopfschmerzen. Ich sehe diesen Kopfschmerz nicht, er soll mir ihn zeigen, dann will ich ihm Gott zeigen. Er ist zu dir gekommen, um mich zu verklagen, was hat er dazu für ein Recht? Ich habe ja nach seinen eigenen Worten keinen freien Willen, und er hat kein Recht zu verlangen, dass ich gestraft werde, da Gott mich veranlasste, dass ich den Erdklumpen an seinen Kopf warf. Wie kann Erde Erde verletzen? Der Mann ist ja aus Erde gemacht. Erde kann Erde nicht wehe tun, wenn Feuer dem Feuer nicht wehe tun kann." Verdient der Indifferentist eine andere Antwort, als sie ihm hier in dieser köstlichen Form arabischen Humors gegeben wird?
Oder versteht man unter natürlicher Schwachheit jene Sünden, die "unter Christen nicht einmal sollten genannt werden"?
Quan hat eine solche Sünde begangen, und Gott strafte ihn bei der Tat selbst mit dem Tode. 
David hat eine solche Sünde begangen, und Todfälle, Blutschande, Brudermord und Empörung des Sohnes gegen den Vater verwüsteten dessen Haus und Familie.
Sodoma und Gomorrha haben solche Sünden begangen, und ein totes Schwefelmeer bedeckt bis zur Stunde die Stelle, wo die beiden Städte gestanden, und ringsumher ist kein Baum, kein Grün, kein flatternder Vogel zu sehen. 
Zur Zeit Noe´s haben die Menschen solche Sünden begangen, und die Sündflut vertilgte das ganze damals lebende Menschengeschlecht bis auf acht Seelen. Ob die Sünde des Fleisches wohl nur eine natürliche Schwachheit, eine Kleinigkeit sei? -
Das ist das Elend unserer Tage, dass der Indifferentismus mit seinen leeren Phrasen und verderblichen Lebensgrundsätzen wie ein Gletscher von den Höhen immer mehr hinabwächst in die Täler, in die Niederungen des Volkes. So war es früher nicht. Da hatte das Volk strahlende und erwärmende Bilder heiliger Liebe und frommen Glaubens vor Augen. Da sah es einen König Ludwig von Frankreich täglich in seinem Palast eine Anzahl Armer nicht blos speisen, sondern bei der Mahlzeit bedienen; da sah es eine Isabella von Portugal die Aussätzigen waschen und reinigen und kleiden, eine Elisabeth von Thüringen die Kranken im Spital verpflegen; da sah es Königstöchter und Königswitwen herabsteigen von ihren goldenen Stühlen und in die strengen Orden der hl. Clara, der hl. Theresia eintreten, deren Mitglieder armseliger leben als die Allerärmsten; da sah es Gelehrte und Staatsmänner und Feldherrn den Rosenkranz beten und am Altar dienen.
"Aber ach," singt klagend der Schweizer Dichter Gall Morel,
"Aber ach, die frommen Alten,
Die mit unverrücktem Sinn
Eisenfest an Gott gehalten,
Sind verschwunden, sind dahin."
 
Ein neues Geschlecht ist erstanden, es rekrutiert sich vor allem aus den sogenannten Gebildeten, den Hohen und Vornehmen, und ihre Religion heißt: Indifferentismus. Sei auf der Hut, katholisches Volk; wie den Vogel an den Federn, so erkennst du die Indifferentisten an ihren hohlen Phrasen und verderblichen Lebensgrundsätzen. 

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