- Gottes enge Pforte -

   Das Heilswirken der Kirche

   

   

   Der Katholik steht nicht nur in Gemeinschaft mit Gott und Christus, sondern auch mit den Vorstehern der Kirche; denn Christus stellt bei seinem Heilswirken die Vorsteher der Kirche in seinen Dienst. Er hat in der Kirche das Lehr-, Priester- und Hirtenamt geschaffen, bei denen er selbst durch seinen Heiligen Geist unsichtbar bleibt bis zum Ende der Welt. Das Wirken des Heiligen Geistes ist in den einzelnen Ämtern der Kirche verschieden.

   

   1. Am meisten tritt die Persönlichkeit des menschlichen Amtsträgers zurück bei der Verwaltung des priesterlichen Amtes. Wenn der Priester das heilige Meßopfer feiert und die heiligen Sakramente spendet, so ist er nur Werkzeug in der Hand Gottes; denn sowohl das heilige Opfer als auch die heiligen Sakramente sind Handlungen Christi (§37). Das geht so weit, daß auch ein sündiger Priester diese priesterlichen Handlungen gültig vollziehen kann. Im Ketzertaufstreite und im Kampfe mit den Donatisten wurde diese Wahrheit immer wieder aufs neue betont. Die Irrlehrer verlangten einen makellosen Spender als heilsnotwendig; denn der Priester sei doch Mittler zwischen Gott und den Menschen. Sowenig ein schlechter Baum gute Früchte zu bringen vermöge, sowenig könne ein schlechter Priester einem Sünder den Heiligen Geist mitteilen. Jede sakramentale Handlung eines schlechten Priesters sei deshalb null und nichtig. Demgegenüber lehrt die Kirche, daß der Priester nicht seine eignen Gnadenschätze ausspendet, sondern daß Christus durch die Hand des Priesters seine Gnaden dem Empfänger mitteilt. Christus selbst tauft, heiligt und reinigt die Seele. Sein Geist schenkt der Seele das göttliche Leben, wenn der Priester das von Christus eingesetzte heilige und sakramentale Zeichen vollzieht. Freilich ist es nicht der Wille Christi, daß Sünder die heiligen Sakramente spenden. Christus will gute Hirten, die auch durch ihr eigenes gutes Beispiel die Seelen zu Gott hinführen. Aber auch die schlechten Hirten führen ihre Schäflein auf gute Weide. Die Heilige Schrift und die heiligen Sakramente sind diese gute Weide. Wie eine Speise sich nicht wandelt, ob sie nun in einem goldenen, silbernen oder irdenen Gefäß gereicht wird, so ändert sich Gottes Gnade nicht, wenn schlechte Priester sie uns reichen.

   

   Ganz anders liegen die Dinge, wenn die Vorsteher der Kirche für uns beten oder uns die Sakramente spenden (§36,4); denn hier sind sie nicht ausschließlich Werkzeuge Christi, sondern treten als selbständige Persönlichkeiten fürbittend vor Gott. In diesen Fällen hängt der Erfolg wesentlich ab von der frommen Gesinnung und der Heiligkeit des betenden und segnenden Priesters.

   

   2. Auch das Lehramt der Kirche steht unter dem wirksamen Beistand des Heiligen Geistes. Soweit es sich darum handelt, endgültige und letzte Entscheidungen über die Kirchenlehre zu geben, die alle im Gewissen zu rückhaltloser Zustimmung binden, ist das Lehramt unfehlbar durch den Beistand des Heiligen Geistes. Anders verhält es sich bei der gewöhnlichen Verkündigung in Predigt und Christenlehre. Hier ist ein Irrtum möglich, weil der Kirche für solche Fälle nicht der unfehlbare Beistand des Heiligen Geistes verheißen wurde. Soll aber die in Sünde verstrickte Seele die Wahrheit erkennen und zu Gott zurückkehren, dann bedarf sie der Erleuchtung durch den Geist Christi. Christus ist der einzige Lehrer, der innerlich zu der Seele sprechen kann. Wo diese Erleuchtung fehlt, da dringt die Botschaft des Evangeliums nur an das äußere Ohr, ohne die Seele zu ergreifen; denn der Prediger ist nur ein Hilfsmittel, das die Kirche uns bietet. Alle menschliche Erziehung reicht nur bis an die Seele heran, sie dringt aber nicht in das Innere des Herzens ein. "Was mich anlangt, so habe ich zu allen geredet, aber jene, die der Geist Gottes innerlich nicht belehrt, gehen unbekehrt nach Hause."

   Zu dem einen wahren und göttlichen Lehrer stehen alle Menschen in gleichem Verhältnis. Hier schwindet jeder Unterschied zwischen Lehrern und Schülern, wie er in der sichtbaren Kirche gut und notwendig ist. Alle werden zu Schülern des einen Lehrers, wie es ja auch keinen Unterschied zwischen Hirt und Herde gibt, sondern alle die Schafe des einen guten Hirten sind. Freilich gibt der innere Lehrer keine inhaltlich neuen Offenbarungen, sondern er bewirkt das tiefe Verständnis der schon gegebenen göttlichen Offenbarung, die mit dem Tode der Apostel abgeschlossen ist. Er gibt auch Lust und Liebe zur Wahrheit. Den Begnadeten zwingt nicht nur die Furcht vor der Strafe wie einen Sklaven unter das Gesetz Christi, sondern der Eifer der Liebe.

   

   3. Die kirchlichen Amtsträger erfüllen ihre Aufgabe durch die Verwaltung von Wort und Sakrament. Als solche heißen sie Diener Christi, weil sie nicht ihr Eigentum verwalten, sondern Christi Wahrheit und Gnade. Sie haben aber auch das christliche Volk zu überwachen, damit es nach den Forderungen des Evangeliums lebe; als solche heißen sie Aufseher oder Bischöfe. Daß ihnen die Regierung der Kirche übertragen wurde, haben wir schon gesehen (§33).

   

   Das Gebiet der Kirchenzucht umfaßt das ganze äußere kirchliche Leben, selbst jene Teile, die schon in ihren Grundzügen durch göttliche Anordnung festliegen. Kirchliche Gesetze ergänzen die göttlichen Vorschriften bei der Spendung der Sakramente. Sie regeln die Gottesverehrung, auch den einzigen von Christus eingerichteten Gottesdienst, die Feier der heiligen Messe. Sie ordnen die Praxis der Lehrverkündigung in Predigt und Christenlehre. Die Kirche gibt auch Vorschriften über das religiös-sittliche Leben, die über das göttliche Gesetz hinausgehen. Sie schafft allgemeine Kirchengebote, Ehegesetze, Ordensrecht, kirchliches Verwaltungs- und Vermögensrecht.

   

   Daß der Geist der Wahrheit in irgendeiner Weise bei der Regierung der Kirche ist, dürfte sich von selbst verstehen, da die Kirche doch eine Stiftung Christi ist, ja, der vom Heiligen Geiste durchwaltete Leib Christi. Aber auf allen diesen Gebieten tritt die Wirksamkeit des Heiligen Geistes sehr zurück hinter der eigenen Klugheit und dem Verantwortungsgefühl der kirchlichen Leiter. Nur so viel ist sicher, daß überall da, wo die Kirche allgemeine Gesetze erläßt, welche die Leitung der Gläubigen betreffen, als das wenigste angenommen werden muß, daß keines dieser Gesetze mit dem Glauben und den guten Sitten in Widerspruch steht. Sie dienen dem Aufbau des Leibes Christi, aber nicht der Zerstörung. Sobald es sich aber um die Zweckmäßigkeit einzelner Gesetze handelt, müssen wir vorsichtiger urteilen. Es kann sein, daß solche Gesetze infolge des Beharrungsvermögens länger am Leben bleiben, als gut ist, oder daß sie schon von Anfang an wenig wirksam waren. Deshalb hebt ein Konzil oder der Papst auf, was andere vorher angeordnet haben. Die Bischöfe haben die Pflicht, vorstellig zu werden, wenn allgemeine Gesetze in einzelnen Gegenden ungünstig wirken. Aber auch bei der Ausführung der Gesetze werden Fehler gemacht: "Das Urteil Gottes stützt sich auf die Wahrheit, die nicht trügt und nicht betrogen werden kann, das Urteil der Kirche aber stützt sich zuweilen auf eine bloße Meinung, die oft trügt oder betrogen wird.

   

   Die Väter und die Theologen haben stets gelehrt, daß die kirchliche Gesetzgebung heilsam, der Gehorsam gegen die heilige Pflicht, der Ungehorsam aber sündhaft sei. Hochmütige Kritik und unfromme und unvernünftige Reden gegen die kirchliche Regierung sind ein Zeichen unkatholischer oder gar häretischer Gesinnung. Die Kirche hat zu den verschiedensten Zeiten ihre Erziehungspraxis gegen Angriffe in Schutz genommen und die Gegner sogar mit dem Ausschluß aus der Kirche bestraft. So erklärte das Konzil von Konstanz als häretisch oder der Irrlehre verdächtig jene, welche die Kommunion nur unter einer einer Gestalt für unerlaubt halten (D. 668). Die Kirche schließt jene aus, die lehren, daß die von ihr angeordneten Zeremonien bei der Spendung der Sakramente verachtungswert seien und deshalb ohne Grund ausgelassen oder nach Belieben geändert werden könnten (D. 856). Wer sagt, die bei der Messe gebrauchten Gewänder und äußeren Zeremonien seien mehr Anreiz auf Unfrömmigkeit als Übung in der Frömmigkeit, der ist ausgeschlossen (D. 954). Wer das leise Hersagen des Kanons verurteilt oder behauptet, die heilige Messe dürfe nur in der Muttersprache gelesen werden oder dem Weine dürfe kein Wasser beigemischt werden, ist ausgeschlossen (D. 956). Das Verlangen, alle Altäre aus der Kirche zu schaffen außer dem einen Hochaltar, wird als verwegen verworfen (D. 1531), ebenso die Meinung, man dürfe keine Reliquien und Blumen auf den Altar stellen (D. 1533). Die allgemeine Behauptung, daß die Kirche eine nutzlose, drückende, mit der christlichen Freiheit unverträgliche, ja gefährliche und schädliche, zum Aberglauben oder zum Materialismus führende kirchliche Ordnung einführen könne, ist falsch, verwegen, Ärgernis erregend, verderblich, unfromm, eine Beleidigung der Kirche und des sie regierenden Heiligen Geistes, mindestens aber eine irrige (D. 1578).

   

   Da die Kirche nur den allgemeinen Auftrag erhalten hat, die Menschen zur treuen Befolgung des Evangeliums zu erziehen, so ist es dem Eifer der Vorgesetzten überlassen, zur Erziehung der Menschen Anordnungen zu treffen. Diese müssen aber vielfach im Laufe der Zeit durch andere und bessere ersetzt werden. Reformen sind stets notwendig, aber sie dürfen nicht darin bestehen, daß man die Kirche und ihre Einrichtungen dem jeweiligen Zeitgeist gleichförmig macht, sondern sie müssen umgekehrt darauf gerichtet sein, die falschen Zeitirrtümer zu überwinden durch Christi Geist. "Bequemet euch nicht dem Zeitgeiste an, sondern wandelt euch um durch Erneuerung eures Denkens, um ein Gefühl dafür zu erlangen, was Gottes Willen ist!"  (Röm. 12,2).

   

   4. Das gleiche gilt für das gottesdienstliche Leben der Kirche. Es ist ohne weiteres klar, daß die Gebete der Kirche bei der heiligen Messe und der Spendung der Sakramente sowie das Stundengebet der Kirche von großer Weihe sind. Es ist auch richtig, daß die liturgischen Bücher nichts enthalten dürfen, was gegen den christlichen Glauben und die christliche Sitte verstößt, aber daraus folgt nicht, daß alles, was in ihnen steht, zum unfehlbaren Glaubensgut gehört. Die Liturgie spricht oft nur fromme Meinungen aus und macht sie zum Gegenstand einer kirchlichen Feier. Es ist falsch, zu sagen, daß man am Glauben Schiffbruch leidet, wenn man z. B. die Tatsache nicht zugeben wollte, daß Maria im Tempel dargestellt worden sei; denn das Fest, das die Kirche eingeführt hat, erhebt diese fromme Meinung nicht zum Glaubenssatz; sonst müßte man auch die Muttergotteserscheinungen von Lourdes, die Übertragung des heiligen Hauses nach Loreto und andere fromme Meinungen, die zum Gegenstand eines Festes erhoben wurden, als göttlichen Glauben bezeichnen. Bei der Einführung von Festen und der Begründung neuer Andachtsformen ist das Hirtenamt der Kirche nicht der drängende und treibende Teil, sondern das gläubige Volk. Die Kirche prüft deshalb im allgemeinen nur die Frage, ob die Andacht dogmatisch richtig ist und sich eignet, Segen zu stiften. Auch über Wunder, Erscheinungen von Heiligen, über die Echtheit von Reliquien, Privatoffenbarungen und ähnliche Dinge kann die Kirche keine unfehlbaren Entscheidungen geben, da die unfehlbare Lehrgewalt der Kirche sich nicht auf Einzelheiten erstreckt, sondern auf Glaubens- und Sittenlehren und auf solche Tatsachen, die so eng mit der Offenbarung zusammenhängen, daß die Offenbarung fallen müßte, wenn man die Tatsache leugnete.

   

   (entnommen aus: Die Lehre der Kirche, von Prof. Dr. Johannes Peter Junglas, Imprimatur 1936) 

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