
Dieser war der Sohn eines vornehmen Offiziers in Portugal und hieß zuerst Ferdinand. Die Welt und ihr Glanz zog ihn nicht an, deshalb wollte er sich dem geistlichen Stand widmen. Zuerst lebte er bei den Augustinern in Lissabon, seiner Vaterstadt; daselbst bekam er aber so vielen Besuch von Freunden, daß er in ein Kloster von Coimbra, 30 Stunden weiter hinweg, versetzt werden wollte. Hier wendete er nun seine Zeit an, die geistlichen Wissenschaften gründlich zu studieren, und zugleich auch durch Gebet und frommen Übungen seine Seele zu heiligen. Schon hatte er acht Jahre in dieser Abgeschiedenheit vom Weltverkehr gelebt und seine Seele immer tiefer in Gott Wurzel gefaßt, als die Reliquien von einigen Franziskanern, welche in Marokko den christlichen Glauben gepredigt und deshalb gemartert worden waren, nach Coimbra gebracht wurden. Während der Weltmensch gerade durch solches Schicksal anderer abgeschreckt wird, so erweckte der Anblick dieser Gebeine bei Antonius das heftige Verlangen, auch für Christus sein Blut zu vergießen. Dieses war aber nicht ein Verlangen, das wie ein Strohfeuer groß aufflammt und alsbald wieder erlöscht, sondern Antonius faßte von nun ernstlich den Gedanken, in den Franziskanerorden überzutreten, weil dieser ihm eher Gelegenheit gab, als Missionär zu den Ungläubigen gesandt zu werden; es ist nämlich nach den kirchlichen Gesetzen erlaubt, von einem leichteren Orden in einen strengeren überzutreten. Diese Angelegenheit kam dadurch zur Ausführung, daß Franziskanerbrüder nach Coimbra und auch in das Augustinerkloster kamen, um daselbst almosen zu sammeln; diese munterten den jungen Antonius auf, sein Vorhaben auszuführen. Als er nun wirklich in den Orden aufgenommen war, erlangte er durch seine Bitten von den Obern, daß er nach Afrika reisen durfte, um dort den Ungläubigen das Evangelium zu verkünden und, wie er hoffte, als Martyrer für Christus zu sterben. Allein Antonius wurde durch eine langwierige Krankheit genötigt, Afrika wieder zu verlassen. Als er nach Europa zurückkam, traf es sich gerade, daß der Ordensstifter, der hl. Franziskus, ein sogen. Generalkapitel hielt, wo die Vorsteher aller Franziskanerklöster zur Beratung zusammenkamen. Antonius bot sich denselben zur Verwendung an; allein war er sorgfältig seine großen Kenntnisse aus Demut verbarg und zugleich noch kränklich war, hielt ihn fast jeder für unbrauchbar und wollte ihn nicht in das Kloster aufnehmen. Endlich erbarmte sich ein Guardian des unscheinbaren Mannes und versetzte ihn in ein kleines Kloster bei Bologna. Hier führte nun Antonius ein stilles, strenges Leben und scheint sich nicht mehr für tauglich und würdig gehalten zu haben, weiter in der Welt etwas für Gottes Reich zu wirken.
Für jeden Menschen macht Gott selbst den Lebensplan, und dieser ist oft ganz anders, als welchen sich der Mensch selber macht. Hatte Antonius früher als Glaubensbote unter den Feinden des Christentums wirken und sterben wollen, so hatte Gott nicht gewollt; und wollte Antonius jetzt der Welt unbekannt in der Abgeschiedenheit leben und enden, so wollte Gott wieder nicht. - Einmal wurden mehrere Franziskaner nach Forli gesandt, um dort die Priesterweihe zu erhalten; Antonius war auch dabei, desgleichen noch Brüder von andern Orden. Da begehrte der Bischof, es solle einer von ihnen eine erbauliche Anrede an die Versammlung halten; allein jeder entschuldigte sich damit, daß er nicht vorbereitet sei. Zuletzt wurde auch Antonius zum Predigen aufgefordert; dieser erklärte jedoch in seiner Bescheidenheit, er sei mehr geübt, das Küchengeschirr abzuspülen, als das Wort Gottes zu verkünden. Da der Bischof durch Gottes Fügung auf seinem Verlangen bestand, stieg Antonius auf den üblichen Platz und fing an, zuerst ganz einfach oder, wenn man es so nennen will, einfältig zu reden. Aber im Verlauf der Rede ergriff ihn mehr und mehr das Feuer des Heiligen Geistes; und er verbreitete sich mit ganz wunderbarer Erleuchtung und Tiefe über die Geheimnisse Gottes, so daß alle erstaunten und selbst gestanden, so hätten sie kaum je einmal in ihrem Leben predigen hören. Die Brüder verehrten von nun an den hl. Antonius nicht nur wegen seiner göttlichen Weisheit, sondern auch wegen seiner großen Demut, welche jene so lange verborgen hielt.
Der hl. Franziskus erfuhr solches und befahl als Stifter und General des Ordens, daß Antonius von nun zum Lehren und Predigen verwendet werden müsse. In diesem Amt zeichnete Antonius sich nun so aus, daß er zu seiner Zeit für den berühmtesten Prediger der Christenheit gilt. Mit unerhörter Furchtlosigkeit sagte er auch den höchsten Personen die Wahrheit; aber in seiner Strenge war auch wieder Anmut, so daß seine Predigten Furcht und Liebe zugleich einflößten. Er zog umher in Städte und Dörfer und predigte mit überirdischer Weisheit überall, wie es für die verschiedenen Zustände der Leute am zweckmäßigsten war. Selbst der Papst nannte den heiligen Mann die Arche des Bundes und wollte damit sagen, daß in ihm wahrhaft himmlische Gaben und Güter hinterlegt seien. Der Zulauf zu seinen Predigten war so groß, daß aus allgemeiner Begierde, ihn zu hören, die Werkstätten und Kramläden, die Gerichtssäle und öffentlichen Plätze leer standen, wenn Antonius predigte, und daß zuweilen über 30 000 Personen auf einmal ihm zuhörten; er predigte gemeiniglich im Freien, da auch die größten Kirchen für die Zahl der Zuhörer zu klein waren. Seine Worte drangen wie tausendfältige Pfeile in das Herz der Zuhörer; Tränen, Seufzer, Verfluchung der Sünden waren die nächste Wirkung, aber die viel größere bestand darin, daß Neid, Haß, Wucher, Unkeuschheit in den Landschaften, wo Antonius predigte, verschwanden und dafür die entgegengesetzten Tugenden aufblühten - wie im Frühjahr die Sonne nicht nur Schnee und Eis hinwegschmelzt, sondern auch aus der Erde Gras und Blumen lockt. Ich will einige Beispiele der Wirksamkeit des großen Predigers anführen: Einst kam eine Schar von 22 Banditen, welche viel Unheil mit Rauben und Morden verübten, in die Kirche; sie wollten aus Neugierde auch einmal den Prediger hören, von welchem so viel gesprochen wurde. Da machte nun die Predigt des hl. Antonius eine solche Wirkung auf diese verwilderten Menschen, daß sie als bußfertige Sünder aus der Kirche gingen, die vorher als Mörder hineingegangen waren. Sie baten den hl. Antonius, sie Beicht zu hören, legten dieselbe mit großer Reumütigkeit ab, nahmen die Ermahnungen und Bußen, die er ihnen auflegte, willig an und führten von nun an ein christliches Leben.
Wie sich aber Antonius auch nicht scheute, mit den schrecklichsten Wahrheiten die Zuhörer zu erschüttern, zeigt eine andere Erzählung. Es kam dazumal schon der schlechte Brauch vor, daß bei Leichenreden mancher leichtfertige Prediger Tugenden von dem Verstorbenen rühmte, die er nie besessen, und so denselben gleichsam heilig sprach. Nun wurde auch einmal der hl. Antonius ersucht, eine Predigt zu halten bei der Leiche eines sehr reichen Mannes, dessen Habsucht und Geiz aber wohlbekannt war. Antonius lehnte den Antrag nicht ab, sondern hielt eine Predigt über die Bibelstelle: "Wo dein Schatz ist, da ist dein Herz" - und zeigte die große Torheit, wenn man nur immer mehr Geld zusammenraffe und darüber seine unsterbliche Seele verloren gehen lasse. "Damit ihr aber sehet," sagte er, "wohin die Habsucht den Menschen bringt, so wisset, daß dieser Tote in dem höllischen Feuer begraben ist, sein Herz aber findet ihr in seinem Geldkasten." Da sollen dann mehrere Zuhörer in das Haus des Verstorbenen gegangen sein; man habe den Kasten geöffnet und hier mitten unter dem Geld ein Herz gefunden, das noch rauchte und zuckte.
Zur Zeit als Antonius in Italien umherzog, das Wort Gottes zu verkünden, herrschte in Oberitalien ein furchtbarer Tyrann, Namens Ezzelin. In den Städten, welche er erobert hatte, übte er 15 Jahre lang unerhörte Grausamkeit aus; so z. B. hatte er in Padua an einem einzigen Tag 12 000 Menschen ums Leben bringen lassen, weil die Stadt sein Joch hatte abschütteln wollen. In einer alten Schrift wird er deshalb ein wildes Tier, ein blutdürstiger Tiger genannt. Antonius hörte auch von dem Jammer des Volkes, wie es von diesem Wüterich mißhandelt wurde und wie niemand sich getraute, demselben zu widerstehen. Da zeigte Antonius, daß der Geist des guten Hirten in ihm wohne, welcher auch das Leben für die Schafe daransetzt. Er reiste nach Verona, wo Ezzelin seine Residenz hatte, und begehrte, vor den Fürsten gelassen zu werden, er habe mit ihm zu reden. Ezzelin saß auf seinen Thron, umstanden von seinen Wächtern, die geübt und bereit waren, auf den Wink des fürchterlichen Herrschers augenblicklich jeden zu morden. Auf ihn konnte man die Worte des Dichters anwenden: "Was er sinnt, ist Schrecken, und was er blickt, ist Wut, und was er spricht, ist Geißel, und was er schreibt, ist Blut."
Da trat der arme Mönch vor ihm hin, als hätte er die höchste Gewalt und als wäre der auf dem Thron ein verurteilter armer Sünder, an Händen und Füßen gebunden. Antonius hielt ihm vor das viele unschuldige Blut, das er vergossen, die Gottlosigkeiten und allen Raub, den er geübt, und wie die Rache des Himmels bald über ihn kommen müsse usw. Die Soldaten erwarteten nur den Wink, um den kühnen Mönch in Stücke zu hauen, wie sie es wegen viel unbedeutendern Dingen sonst tun mußten - der furchtbare Tyrann wurde bleich, fing an zu zittern, stieg vom Thron herab, fiel dem hl. Antonius vor die Füße, legte als Bußzeichen seinen Gürtel um den Hals, bekannte unter Tränen seine schwere Schuld und beschwor den Heiligen, ihm bei Gott Verzeihung zu erflehen.
Um nicht für den heutigen Tag zu großen Raum in der Legende hinwegzunehmen, übergehe ich viele andere Taten und Erzählungen aus dem Leben des hl. Antonius. Seine letzte Zeit lebte und wirkte er in Padua; er starb aber schon in dem frühen Alter von 36 Jahren. Bei seinem Tod liefen die Kinder durch die Stadt und riefen wie durch göttliche Eingebung: "Der Heilige ist gestorben, der Heilige ist gestorben!" - und in dem fernen Lissabon, der Vaterstadt des hl. Antonius, sollen alle Glocken von selbst geläutet haben. 30 Jahre nach seinem Tod wurde eine prachtvolle Kirche zu Ehren des hl. Antonius von der Stadt Padua gebaut. Als nun das Grab des hl. Antonius geöffnet wurde, um seine Gebeine als verehrungswürdige Reliquien in dem neuen Dom beizusetzen, so fand sich, daß der ganze Leib wie bei anderen längst Begrabenen in Verwesung übergegangen, hingegen die Zunge so frisch und rot geblieben war wie bei einem lebendigen, gesunden Menschen. Der hl. Bonaventura, welcher als Ordensgeneral der Franziskaner zugegen war, nahm diese Zunge in die Hand, küßte sie ehrerbietig und sprach: "O preiswürdige Zunge, die du immer Gott gepriesen und andere preisen gelehrt hast, nun zeigt sich offenbar durch deine Unverweslichkeit, wie angenehm dein Dienst vor Gott war!" Diese Zunge wird jetzt noch in einem kostbaren Reliquienkästchen in der Kirche des hl. Antonius zu Padua gezeigt und verehrt, in ähnlicher Weise, wie die Zunge des hl. Johannes von Nepomuk zu Prag aufbewahrt wird. Die Zungen beider Heiligen wurden durch das Wunder der Unverweslichkeit verherrlicht, diese wegen des Schweigens, jene wegen des Redens. Gott hat auch hier gezeigt, wie wichtig das kleine Glied der Zunge in seinen Augen ist, freilich wie im Guten, so auch im Bösen - aber die Menschen beachten dieses zu wenig. Denk dir selbst, es wäre alles, was du dein ganzes Leben lang und an jedem Tag geredet hast, in ein Buch aufgeschrieben, so daß nicht ein einziges Wort ausgelassen wäre - und du müßtest das Buch ganz durchlesen. Da sähest du dann recht deutlich den ganzen Charakter deiner Seele aufgezeichnet und würdest dich vielleicht entsetzen, wie eitel, wie leer, wie falsch, wie feindselig, wie unrein, wie habsüchtig deine Seele ist. Denn wovon das Herz voll ist, davon der Mund überläuft. Ein solches Buch, worin alle deine Reden aufgeschrieben werden, gibt es aber, und du bekommst es zu lesen beim Gericht; dieses Buch ist nämlich das ewige Gedächtnis Gottes, und eine Abschrift davon wirst du jenseits in deinem Gewissen finden.
Nimm guten Rat an; erforsche eine Zeit lang täglich dein Gewissen bloß darüber, was deine Zunge heute gesprochen hat. Du wirst dann sehen, wie vieles, vieles noch schlimm an dir ist, und wie wenig der gute Geist in dir regiert. Und gib dir Mühe, hierin solche Ordnung und Zucht einzuführen, daß deine Zunge dir nicht ein Schlüssel zur Hölle, sondern zum Himmel wird.
(entnommen aus: Legende, von Alban Stolz, Imprimatur 1924)


