- Gottes enge Pforte -

Die Heiligen Evangelisten und ihre Lebensbilder

von Pfarrer Paul Mons - Franken
Imprimatur, Würzburg, den 15. November 1954
Bischöfliches Ordinariat: gez. Dr. Fuchs, Generalvikar
 
MATTHÄUS
Matthäus - Gottesgabe = Theodor bedeutet sein Name - heisst bei Markus und Lukas auch "Levi". Levi - Matthäus! Er selbst nennt sich in seinem Evangelium nur Matthäus. Vielleicht weil ihm dieser Name sinnvoller erschien, vielleicht weil "Levi heute noch nach Geld und Geschäft riecht" (Hophan). Denn als Zöllner hatte Matthäus nur Geldgeschäfte zu machen und meistens waren es keine sauberen Geschäfte. Ob der Vater Alphäus (Mk. 2,14: "Levi, Sohn des Alphäus"), der uns übrigens nicht weiter bekannt und nicht mit dem Vater des Jakobus d.J. gleichzusetzen ist, schon im Dienst des Landesherrn bzw. seines Steuerpächters stand, kann aus keiner Andeutung erschlossen werden. Der Apostel tritt unvermittelt ins Geschehen ein.
 
An der Zollbank
Das Zoll- und Steuersystem war anders als heute. Die Landesherren, hier in Karphanaum: Herodes Antipas, verpachteten das geschätzte Steuereinkommen an einen Mann, der sich meist in gehobener Stellung befand (bei der Römern im Ritterstand). Dieser bestellte sich Haupt- und Unterpächter, die dann an der Zollstelle und Steuereinnahmestelle das Geld eintrieben. So wird Zachäus aus der Grenz- und Zollstadt Jericho (Lk. 19,1ff) Oberzöllner genannt und als reich bezeichnet. Er stand im Dienste Roms. Dass ein solches Pachtsystem natürlich jedmögliche Unredlichkeit, ja Schwindel und Erpressung begünstigte, liegt auf der Hand. Der Staat erstrebte hohe Summen, die Pächter suchten den Pachtpreis zu drücken (sie mussten zudem für ihre Summe Kaution stellen), von den Untertanen aber wurde von beiden Parteien herausgepresst, was das Zeug hielt. Einziehende Unterorgane holten erst recht zu ihrem Vorteil heraus, was irgend möglich war. Bei dem heute noch im Orient üblichen Geschäftsgebaren, das ohne Rücksicht auf Redlichkeit nur den eigenen Vorteil im Auge hat, kann man sich die Verkommenheit einer solchen Wirtschaftsweise vorstellen.
Die Zöllner standen in schlimmen Ruf, einmal wegen ihres Berufes an sich und des damit verknüpften Betruges, zum anderen wegen der Zusammenarbeit mit der Staats- und Fremdherrschaft. Will an sich keiner Steuer zahlen, so zahlt er erst recht einem Ausländer ungern. Besonders die nationalen Gefühle, vor allem der Pharisäer und der Freischärler, sträubten sich gegen diese Art Kollaborateure, diesen Mitläufern mit den Fremden. Die Unmoral des Einzuges tat das ihre dazu. So wundert es nicht, dass der Zöllner mit den Räubern, Mördern, Dirnen und öffentlichen Sündern gleichgesetzt wird. Das Gewerbe galt auch nach jüdischem Recht als ehrlos und hatte den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge. Der Verkehr mit Zöllnern erregte darum bei allen gutgesinnten nationaldenkenden Israeliten grosses Ärgernis. ("Seht den Schlemmer und Trinker, den Freund der Zöllner und Sünder!" Lk. 7,34).
Die Berufung eines Zöllners zum Apostel musste darum geradezu als verboten gelten, zumal der Messias ja auch und sogar vor allem als politischer Befreier erwartet wurde. Wir begreifen hierin die Grosszügigkeit und Sicherheit Jesu. Wiewohl es ein ganz schweres Wagnis am Menschen und auch an der Idee bedeutete, schenkte er Matthäus sein Vertrauen.
Der Mann an der Zollbank musste gewürfelt sein. Er musste nicht nur zählen und rechnen, sondern auch lesen und schreiben können, er hatte Tabellen zu führen, Tarife zu veranschlagen, abzuschätzen und genauestens zu bestimmen. Wenn er sich verrechnete, blieb er dabei hängen. Wenn er nicht aufpasste, hieben ihn die Schmuggler übers Ohr. Die Preise von Öl, Lebensmitteln, Perlen und Luxuswaren und ihre Tarife schwirrten in seinem Kopf und dabei spuckte jeder auf ihn. Der Betrüger schmeichelte, der Herr drohte ihm. Oft waren die Unterbeamten ohnehin freigelassene Sklaven. Was nütze der Wohlstand, wenn man ihn so erwerben musste und so dafür angesehen war!
Levi - Matthäus muss sich auf seinen Beruf verstanden haben. Denn nach Lk. 5,29 lud er den Herrn "zu einem Gastmahl ein, bei dem nebst den Jüngern (Mt. 9,11) eine grössere Menge Zöllner und andere Leute mit ihm zu Tische saßen". Auf der anderen Seite muss er sich aber von Leuten seiner Art sehr unterschieden haben, denn kaum einer von ihnen hätte es fertig gebracht, auf den bloßen Anruf Jesu hin: "Folge mir!" aufzustehen, alles zu verlassen (was lag darin für ein Entschluss!) und Jesus zu folgen, wie uns die ersten drei Evangelisten einstimmig von ihm berichten. Freilich muss man sich denken, dass Matthäus schon öfter Jesus "in seiner Stadt" gesehen hatte, Blicke mit ihm getauscht, Reden mit angehört und vielleicht auch Wunder erlebt hatte. Die Heilung des Gelähmten wird ja unmittelbar vorher erzählt. Immerhin: Der Schritt des Zöllners Matthäus Jesus zu folgen, ist eine Tat von Gewicht wie wenige im Evangelium. Wie unmöglich kam dem reichen Jüngling ein solcher Auszug aus seiner Welt vor! Wie muss es Matthäus eigenartig vorgekommen sein von solchen "unvollkommenen Jüngern" zu berichten (Mt. 19,16). "Keiner, der seine Hand an den Pflug legt und zurückschaut, ist brauchbar für das Reich Gottes." (Lk. 9,62). Dass der ehemalige Zöllner nicht so handelte, macht seine Grösse aus.
 
Persönlichkeit
Es wird uns nicht mitgeteilt und es ist aus keiner Stelle zu ersehen, ob auch Matthäus wie der Grossteil seiner Zunftgenossen seine Hände mit Wucher und Betrug beschmutzt hatte. Vielleicht war er herzensfroh, endlich von diesem Geldgeschäft erlöst und nicht gezwungen zu sein, sich erneut mit ihm abgeben zu müssen, was ja Judas Iskariot seinerseits gerne tat. Man könnte nicht mit Unrecht die Meinung vertreten, dass er, obwohl Fachmann auf dem Gebiet, es abgelehnt hatte, in der Begletung des Herrn den Schatzmeister zu spielen. Denn Matthäus war ein frommer Mann. Das zeigt seine Schriftkenntnis. Überall kann er in seinem Evangelium das alte Testament zitieren und den Eintritt der Verheißungen mit den entsprechenden alttestamentlichen Zitaten belegen. "Es erfüllte sich das Wort des Propheten..." lesen wir immer wieder bei ihm. Als er darum in Jesus die Zeit erfüllt sah, folgte ihm dieser der Erlösung harrende Israelit mit spontaner Freude. Er veranstaltete sogar ein grosses Fest zum Abschied von seiner alten Welt. Dass dieses Gelage zusammen mit "vielen Zöllnern und Sündern" (Mk. 2,15) den strengen und argwöhnischen Pharisäern zum Ärgernis wurde, lag auf der Hand. Aber der Menschensohn ist ja nicht als Herr gekommen, sondern "als Arzt für die Kranken" (Mt. 9,12). - O, auch er, der Zöllner, ist durch ihn gesund geworden!
 
Das Evangelium nach Matthäus
Matthäus hat der Überlieferung und allgemeinen Annahme nach als erster sein Evangelium geschrieben. Eine alte Quelle nennt bereits das erste Jahr der Regierung des Kaisers Claudius = 42 n. Chr. als Zeit der Abfassung. Meinerz nimmt das Jahr 55 an, jedenfalls kam es noch vor der Zerstörung Jerusalems (70 n. Chr.) zustande.
Das Matthäusevangelium ist uns in der griechischen Sprache überliefert, war aber ursprünglich aramäisch. Das hat seinen guten Grund in der Persönlichkeit des Apostels. Er ist treuer, frommer Israelit und schreibt für seine Volks- und Glaubensgenossen und zwar sowohl für jene, die bekehrt waren, wie für die anderen, die im alten Testament stecken blieben. Schon das erste Hauptstück, der Stammbaum Jesu Christi vom Stammvater Abraham beginnend, offenbart diese Tendenz. Es entsprach übrigens ganz jüdischer Sitte damaliger Zeit, Ahnennachweise zu führen. Juden und Judenchristen sollten sich überzeugen, dass Jesus der verheißene Messias ist und seinem Volke das Heil bringt.
Daher gibt Matthäus viele alttestamentliche Hinweise, so bei der Geburt (Mt. 1,23 - Js. 7,14), so beim Besuch der drei Weisen, die Prophezeiung über Bethlehem (Mich. 5,2, übrigens berichtet Matthäus als einziger diesen "Staatsbesuch". Seht welche Ehre für unser Volk!), so beim Einzug in Jerusalem (21, 4: "Sagt der Tochter Zion: Dein König kommt..." Zach. 9,9), so, wenn er (12,18) auf den Gottesknecht hinweist, wie ihn Isaias (42,1-4) verheißen hat. Mit den ihm eigenen Berichten von der Flucht nach Ägypten und dem Kindermord hat er seinem Volk gleich zu Beginn den Spiegel hingehalten, wie es mit seinem grössten Sohn umgegangen ist, dass sie ihn "ehren mit den Lippen" (15,8 - Js. 29,13), dass "sie sehen und doch nicht sehen" (13,14 - Js. 6,9), so dass es am Ende zu der bitteren Klage des Herrn kommen muss: "Jerusalem Jerusalem...! Du steinigst die zu dir gesandt werden! Wie oft wollte ich deine Kinder sammeln wie eine Henne ihre Kücken unter ihre Flügel sammelt, Ihr aber habt nicht gewollt." (Mt. 23,37f).
Die herrlichen Stücke der Seligpreisung, die der Evangelist so treu im Gedächtnis behielt, um den Unterschied zur neuen Sittlichkeit aufzuweisen (Mt. 5), die vielen Wunder und Gleichnisse (z.B. von den Jungfrauen 25,1ff, von den Schätzen und der Perle 13,44ff, vom unbarmherzigen Knecht 18,23, von den Arbeitern im Weinberg 20,1ff - alles Eigengut des Matthäus!) lassen sein Volk nicht zur Besinnung kommen, den von den Propheten verheißenen und durch Wunder erwiesenen Erlöser anzuerkennen. Dabei rechnet er in einer geradezu jüdischen Schärfe mit den Pharisäern und Schriftgelehrten ab, denn sie sind "Blindenführer, sie geben wohl den Zehnt von Minze, Dill und Kümmel", lassen aber die wichtigsten Forderungen des Gesetzes ausser acht: nämlich das Recht, die Barmherzigkeit und die Treue. Sie seihen Mücken und verschlucken Kamele! Das Ende ist schlimm: "Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!" (27,25). Diese Sprache lädt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig, ein Zeichen, für die persönliche Entschiedenheit des Evangelisten!
 
Der Zöllner in seinem Evangelium
Kein Mensch kann seine Art vollkommen verleugnen, die gottgewollte Individualität dringt überall durch. So hier: Der Zöllner, der zählt, rechnet und versteuert.
Beispiele: Er fragt nach der Tempelsteuer: "Bezahlt Euer Meister die Doppeldrachme(!)?", 17,24. Der unbarmherzige Knecht (18,23: "Bezahle, was du schuldig bist!"). Die Arbeiter im Weinberge (20,1f... "...aber auch sie erhielten je einen Denar...darf ich mit meinem Eigentum nicht machen, was ich will?"). Das Gleichnis von den Talenten (25,14ff... "er hielt Abrechnung (!) mit ihnen...recht so, du guter und getreuer Knecht! Du bist über weniges getreu gewesen...") - hier überall verrät sich mit aller Deutlichkeit der Berichterstatter der Zollbank, der Dinge und Verhältnisse seines früheren Berufes besonders beobachtet und Beziehungen zu ihnen festhält. Matthäus redet an zwölf Stellen vom Geld, der Liebesjünger Johannes nur an zwei, zehn verschiedene Geldsorten kennt er, die anderen Synoptiker nur fünf bzw. sechs.
Doch darf man über dieser Charaktermosaik nicht das Grosse des ganzen Werkes übersehen. Das Matthäusevangelium bleibt das erste grosse Werk der christlichen Zeit, geschrieben für Juden und Judenchristen, dass sie alle "gerechtfertigt nachhause gehen möchten" (Lk. 18,10ff Pharisäer und Zöllner). Renan, der kirchenfeindliche Kritiker, nannte es "das grösste Buch der Weltgeschichte". Allein wegen der Petrusstelle, Mt 16,18, auf der der Riesendom der Weltkirche fusst, könnte man es mit Recht so bezeichnen. H.Schell bezeichnet es als Evangelium der religiös sittlichen Tatkraft.
 
Weiteres Schicksal
Mit dem Ende seines Evangeliums ist für uns auch der Bericht über den Evangelisten zu Ende. Die Apokryphen wissen auch nichts Glaubwürtiges wiederzugeben. Sie verlaufen sich in einer Vielfalt von sich widersprechenden Berichten. Nach einer längeren Wirksamkeit in den heimatlichen Gebieten soll Matthäus nach Äthiopien (Abessinien) gegangen sein, auch Parthien (Persien) wird genannt, wo er mit Andreas "bei den Menschenfressern" viel Gutes und Wunderbares gewirkt haben soll. Das römische Brevier gibt folgendes an: "Bald nach der Niederschrift seines Evangeliums ging er nach Äthiopien, verkündete dort das Evangelium und bekräftigte seine Predigt durch viele Wunder. Er erweckte auch die Tochter des Königs vom Tode. Vor allem durch dieses Wunder führte er deren Vater, den König und seine Gemahlin mit dem ganzen Lande zum christlichen Glauben. Nach dem Tode des Königs ließ jedoch sein Nachfolger Hirtakus Matthäus, als er eben am Altar die heiligen Geheimnisse feierte, töten. Er wollte nämlich Iphigenia, die Tochter des Königs zur Ehe nehmen. Doch diese hatte auf Veranlassung des Apostels Gott dem Herrn Jungfräulichkeit gelobt, sie blieb auch unerschütterlich bei ihrem heiligen Entschluss. So errang also Matthäus am 21. September zu seinem Apostelamt noch die Krone des Martyriums. Sein Leib wurde nach Salerno in Italien übertragen und später vom Papst Gregor VII. in der zu seiner Ehre erbauten Kirche beigesetzt. Dort wird er unter grossem Zulauf des Volkes fromm verehrt".
 
MARKUS
"...Es war aber der heilige Markus von folgender Gestalt: Eine gestreckte Nase, zusammengewachsene Augenbrauen, schöne Augen, kahles Vorderhaupt, weizenfarbige Haut, dichter Bart, ergrautes Haar. Er war gewandt, ging gerade, stand im mittleren Alter, lebte enthaltsam und war von göttlicher Anmut." So schließen die Markus-Akten den Bericht über sein Leben und Martyrium.
 
Markus vor der Geistsendung
So deutlich wie diese apokryphe Quelle kann uns das Neue Testament Markus nicht schildern. Nach Kol. 4,10f zu schließen, war er jüdischer Abstammung. Man nimmt nach frühen Überlieferungen die Cyrenaika mit ihren fünf Städten als seine Heimat an. Im Evangelium selbst wird er nicht namentlich erwähnt. Ob Markus Jesus noch gesehen hat, lässt sich mit Bestimmtheit nicht behaupten. Alte Überlieferungen verlegen den Abendmahlsaal in das Haus der Mutter des Evangelisten, nämlich zu "Maria, der Mutter des Johannes mit dem Beinamen Markus." Nach AG 12,12 begab sich auch Petrus nach seiner Befreiung dorthin. Demnach, so folgert man weiter, könnte der Wasserträger, dem die beiden Apostel zur Bereitung des Osterlammes folgen sollen (Mk. 14,14), der junge Markus gewesen sein. Man kann sich weiter ausmalen, wie der Jüngling die Vorgänge im Hause beobachtete und miterlebte: das Ostermahl, den Weggang des Verräters, die Fußwaschung, die Einsetzung des Heiligsten Altarsakramentes, die Abschiedsreden und schließlich den Auszug zum Ölberg. Er wäre dann Jesus und den Aposteln nachgeschlichen, hätte die Gefangennahme erlebt und wäre dann als der Jüngling anzusehen, der bei der Flucht der Jünger den verfolgenden Häschern entging, indem er ihnen sein Linnengewand, das er auf dem bloßen Leibe trug, überließ und so entkam. Mk. 14,50ff. (Vor Scham hat er in seinem Evangelium wohl die Tatsache, nicht aber seinen Namen angegeben).
Man kann sich in Fortführung dieser These denn auch das Erscheinen des Auferstandenen zu Ostern und die Herabkunft des Heiligen Geistes an Pfingsten in demselben Hause vorstellen und Markus dabei als stillen Teilnehmer gewissermaßen "hinter den Gardinen" denken. Dass Petrus aus dem Gefängnis kommend, sich dorthin wandte (AG 12,12), spricht dafür ("Dort waren viele zum Gebet versammelt"). Jedenfalls wird sein Haus (Markus war also wohl begütert und hatte wohl auch Schulen besucht!) der erste Versammlungsort der Christen Jerusalems. Später hat man über diesem "Heiligen Sion", der "Mutter aller Kirchen" und der "Kirche der Apostel" ein grosses Gotteshaus erbaut und das benachbarte Haus des Apostels Johannes, wo Maria entschlafen war, darin mit einbezogen.
 
Markus bei Paulus
Der einmal "stummelfingrig" genannte Markus soll sich die Finger abgehauen haben, um sich dem Levitendienst im Tempel zu entziehen. Das würde zu ihm passen, insofern er ein Vetter des Barnabas war (Kol. 4,10), der auch als Levit diente und ihn auch deswegen dem Paulus vorgeschlagen haben mag, ihn auf die erste Missionsreise (nach 45) mitzunehmen: AG 12,25 und AG 13,5 (als Gehilfen hatten sie Johannes-Markus bei sich). In Perge in Pamphylien trennte er sich jedoch schon wieder von ihnen und kehrte nach Jerusalem zurück, AG 13,13. Die Beschwerden der Reise und die Schwierigkeiten der Mission (als "Gehilfe" war er als Taufender am Werk mitbeteiligt und hatte auch ebenso Spott und Verfolgung mitzutragen) mögen den jungen Mann dazu bewogen haben, wieder zur Mutter heimzukehren. Aus Verärgerung darüber nahm ihn später Paulus, entgegen dem Vorschlag des Barnabas, überhaupt nicht mehr mit, ja "es kam zu einer Meinungsverschiedenheit, so dass sie sich voneinander trennten. Barnabas fuhr mit Markus nach Cypern (etwa 49)" AG 15,39. Sicherlich hat diese harte Maßnahme des Völkerapostels dem jungen Markus gut getan. Denn später nennt ihn dieser in seinen Briefen sogar vor Lukas als "Mitarbeiter" Philm. V. 24. "Nehmt ihn freundlich auf, wenn er zu euch kommt! Kol. 4,10. "Ich kann seine Dienste gut gebrauchen." 2. Tim. 4,11. Markus war also in der 1. und 2. römischen Gefangenschaft, während der diese Briefe geschrieben wurde, bei Paulus in Rom. Zwischen hinein war er wohl in Kolossä (Kol. 4,10: "Seinetwegen habt ihr schon Weisung erhalten, nehmt ihn freundlich auf!) und in Alexandrien.
 
Markus bei Petrus
Laut 1. Petr. 5,13 stand Markus auch mit Petrus in guter Beziehung während seines römischen Aufenthaltes (Babylon-Rom). "Es grüsst euch Markus, mein Sohn" lässt an eine Freundschaft denken, wenn nicht sogar an eine Verwandtschaft auf Grund der Taufe durch Petrus. In der Gewandtheit und Lebendigkeit des Naturells waren der junge Schüler und der ältere Apostel gewiss gleichen Schlages. Papias (gest. 130) nennt Markus den Dolmetsch des Petrus. Da er auch berichtet, dass Markus, dessen Predigt in seinem Evangelium aufgezeichnet hat, bezieht man das Wort weniger auf Verdolmetschung der Predigt, als auf die Niederschrift des Petrusevangeliums. "Markus, Dolmetsch des Petrus, schrieb sorgfältig alles auf, was er im Gedächtnis behalten, jedoch die Sprüche und Taten des Herrn nicht der Reihe nach. Denn er hatte den Herrn weder gehört noch begleitet, später vielmehr, wie gesagt, den Petrus gehört, der seine Lehrvorträge nach den Bedürfnissen einrichtete, aber nicht eine förmliche Zusammenstellung der Herrngespräche liefern wollte." (Papias in der Kirchengeschichte des Eusebius).
Das Ziel seiner Darstellung ist, Jesus als den wundermächtigen Gottessohn auszuweisen, um die Heidenchristen im Glauben zu stärken. (Mk. 15,39: "Wahrhaftig, dieser war Gottessohn!"). Petrus soll das fertige Buch ausdrücklich gut geheißen und zum Gebrauch beim Gottesdienst bestimmt haben. Markus vermeidet es, die auszeichnungen des ersten Papstes hervorzuheben, berichtet aber um so treuer von seinen schwachen Seiten, ein sicheres Zeichen für die Echtheit des Berichtes. (Mk. 14,66ff; 8,32ff, Zurechtweisung des Petrus: "Satan!"). Seine Niederschrift lehnt sich an die des Matthäus an, sie ist die kürzeste unter den Synoptikern, sein Stil ist kurz und markant, er gleicht auch hierin dem Meister Petrus.
 
Mission und Tod
Nach dem Tod der Apostelfürsten (etwa 67) verließ Markus Rom und wirkte in der Mission, der Überlieferung nach in Ägypten und in seiner Heimat, der Cyrenaika. Er soll dort als 1. Bischof von Alexandrien gewirkt haben und gemartert worden sein. Es wird erzählt: Beim Eintritt in die Stadt riß ihm sein Schuhriemen. Der Schuster, bei dem er ihn wieder zusammennähen ließ, stach sich dabei in den Finger, Markus heilte ihn. Daraufhin wurde er gläubig. Der Heilige soll am Serapisfest, nachdem er viele Hellenen, die nur Homers Ilias und Odysee gekannt hatten, zu Christus geführt hatte, beim heiligen Opfer überrascht worden und gefangen abgeführt worden sein. Die Heiden legten ihm einen Strick um den Hals und schleiften ihn fort. "Sein Fleisch fiel in Fetzen zur Erde und sein Blut rötete die Steine". Im Kerker erschien ihm ein Engel und Christus, der Herr. Am Morgen wurde er dann von der wütenden Menge zu Tode geschleift und seine Leiche verbrannt.
Unter den Evangelisten hat Markus den Löwen als Symbol, weil er seine Schrift mit dem Auftreten des Johannes in der Wüste, der Heimat des Löwen, beginnt. Venedig verehrt ihn als seinen Patron, Sekretäre und Notare als ihren Schutzheiligen. An seinem Fest (25. April) findet heute noch ein Bittgang statt, weil er als "Wetterherr" gilt und sein Tag im Mittelalter als Wettertag betrachtet wurde.
 
LUKAS
Das römische Brevier berichtet von Lukas: "Lukas war Arzt aus Antiochien. Wie seine Schriften beweisen, war er mit der Sprache sehr vertraut. Er war ein Schüler des Apostels Paulus und dessen Begleiter auf seinen Reisen. Er schrieb ein Evangelium. Von ihm sagt Paulus: "Wir haben auch mit ihm den Bruder gesandt, dessen Lob bei der Verkündigung des Evangeliums in allen Gemeinden verbreitet ist." Im Brief an die Kolosser (2,13) schreibt er: Es grüßt euch Lukas, der Arzt, der vielgeliebte. Im Brief an Timotheus: "Lukas ist allein bei mir" (4,11). Er schrieb auch ein anderes ausgezeichnetes Buch, das den Titel trägt: Gechichte der Apostel. Sie reicht bis zum zweijährigen Aufenthalt in Rom, also bis zum 4. Jahr der Regierung des Nero. Daraus ersehen wir, dass dieses Buch in Rom verfasst wurde. Sein Evangelium schrieb er nach den Berichten, die er gehört, die Apostelgeschichte aber nach dem, was er selbst gesehen hatte. Er lebte 84 Jahre und war ehelos. Er ruht zu Konstantinopel. Dorthin wurden im 20. Jahr der Regierung Konstantin seine Gebeine zugleich mit den Reliquien des Apostels Andreas aus Achaja übertragen."
 
Seine Herkunft
Nach einer Schrift aus dem 2. Jahrhundert war Lukas ein Syrier aus Antiochien. Sein Evangelium und die Apostelgeschichte geben uns keine Auskunft darüber, die Legende nimmt in ihn den anderen Jünger an, der am Ostermorgen mit Kleophas nach Emmaus ging. Jedoch nach seinen eigenen Angaben zählte er selbst nicht unter die "ursprünglichen Augenzeugen und Diener des Wortes" (Lk 1,1-4). Dass er Heidenchrist gewesen, also nicht über den Weg des Judentums zum Christentum kam, lässt sich aus dem Kolosserbrief feststellen, wenn man 4,11 mit 4,10f vergleicht. Demnach gehörte Lukas nicht zu jenen Mitarbeitern des Paulus, die "aus der Beschneidung kamen", also kam er aus dem Heidentum. Kol. 4,14 nennt seinen Beruf: "Es grüsst euch Lukas, der geliebte Arzt." Ort und Umstände seiner Bekehrung hat der bescheidene Akademiker verschwiegen. Man möchte fast annehmen, dass Lukas, wenn schon aus Antiochien stammend, mit Paulus und Barnabas dort zusammen war, nachdem "sie sich ein volles Jahr in der Gemeinde aufhielten und eine grosse Menge unterrichteten." AG 11,26.
 
Der Begleiter des Weltapostels
Antiochien in Syrien, im Altertum einer der grössten Hauptstädte und Umschlagplätze der alten Welt, hat auch frühzeitig seine Bedeutung als erste Christengemeinde nach Jerusalem. Als Grossstädter und Akademiker beherrschte Lukas die damalige Weltsprache, das Griechische, die sog. "Koinè", wie sie sich seit Alexander herausgebildet hatte und die gegebene Voraussetzung für die Verbreitung der christlichen Botschaft in aller Welt darstellte. Seine Schriften zeigen einen klaren, geschliffenen Stil. Paulus hat mit sicherer Hand diesen Mann von Wissen und Bildung an sich gezogen.
Der erste "Wir-Bericht" des Lukas in der Apostelgeschichte setzt ein (AG 16,10-18), nachdem Paulus in einem Gesicht gebeten wird, nach Europa überzusetzen. "Nachdieser Erscheinung suchten w i r  nach Mazedonien zu fahren. W i r  schlossen nämlich daraus..." Man sieht auch, dass der Schreiber Lukas in der Sache mitreden darf. Das war auf der 2. Missionsreise des Paulus im Jahre 51. Sie reisten zusammen von Troas hinüber nach Philippi, wo Lukas wahrscheinlich eine längere Zeit verbieb. Die Missionare wohnten bei der frommen Purpurhändlerin Lydia, der Arzt Lukas half wohl manchem Kranken, beobachtete die Heilung der besessenen Sklavin und behandelte die Wunden seiner Gefährten, die sie von den verabreichten Schlägen davongetragen hatten. Nach der wunderbaren Befreiung "zogen sie dann allein weiter" (16,40).
Erst 7 Jahre später, als Paulus auf seiner dritten Reise von Ephesus und Korinth kommend in Philippi vorbeikam, schloß sich Lukas ihm wieder an. Denn "diese (Begleiter) reisten voraus und warteten auf u n s  in Troas" (AG 20,5). Zweiter "Wir-Bericht!" Über Milet, wo er den ergreifenden Abschied der Gemeinde von ihrem Apostel miterlebte, geht es nach Jerusalem, " wo u n s  die Brüder mit Freuden aufnahmen. Paulus ging mit u n s  zu Jakobus, bei dem sich alle Ältesten einfanden..."(AG 21,17ff).
Es folgen zwei Jahre in Jerusalem, während derer Paulus gefangen gehalten wurde. Man nimmt mit Recht an, dass Lukas in diesen Jahren Zeit und Muse fand, sein vielleicht schon skizziertes Evangelienbuch zu schreiben. Das heilige Land, Jerusalem, die dortigen Augenzeugen, wohl auch das bereits vorliegende Matthäusevangelium mögen ihn nicht nur angeregt, sondern auch den Stoff geboten haben und dazu die Möglichkeit, das vorgefundene Material kritisch zu sichten und zu verarbeiten.
Bei der Überfahrt nach Italien erscheint Lukas an der Seite des gefangenen Apostels. Dritter "Wir-Bericht" (AG 27,1f). "Als u n s e r e  Abfahrt festgesetzt war... w i r  bestiegen ein adramythisches Schiff (= aus Mysien am Bosporus)... "Auf der schwierigen Überfahrt, beim Schiffbruch und auf Malta mag er seines Amtes als Helfer und Tröster gewaltet haben. In Rom verharrt er bei Paulus, vielleicht hat er in dieser Zeit die Abfassung der Apostelgeschichte vorgenommen. Nach Spanien hat er den Weltapostel wohl nicht begleitet, vielleicht wurde er von ihm auch noch einmal nach Griechenland geschickt, um die dortigen Gemeinden zu besuchen. Der Überlieferung nach soll Lukas ja sein Evangelium in Achaja geschrieben haben. Auf jeden Fall ist der treue Begleiter wieder bei seinen Meister in Rom während seines 2. römischen Aufenthaltes. In dem kurz vor seiner Hinrichtung verfassten 2. Timotheusbrief vermerkt Paulus: "Nur Lukas ist noch bei mir". (4,11). Der Satz klingt schwermütig und spricht für die Treue des Evangelisten. Die Legende lässt den heiligen Arzt auch bei seiner Hinrichtung dabei sein. Treue bis in den Tod!
 
Persönlichkeit
Wie der Graphologe aus der Schrift den Charakter des Schreibers deutet, so findet ihn der Phililoge in der Art und Weise des Dargestellten und der Wortwahl des Textes. Wenn bei Matthäus der Zöllner, so blickt beim Evangelium des Lukas, der Arzt durch die Zeilen. - Lukas war ein gewissenhafter Diagnostiker. Für seine ärztliche Feststellung ist Fieber nicht bloß Fieber, sondern genau "das hohe Fieber" (im Unterschied zum "kleinen Fieber Lk. 4,38, vergleiche Mk. 1,30 dazu!) Der Aussazukranke befindet sich nach ihm bereits in einem fortgeschrittenen Stadium seines Zustandes, denn "er war ganz von Aussatz bedeckt" Lk. 5,12, bei Mk. 1,40 "kam nur ein Aussätziger zu ihm". Lk. 13,10ff: "Da war eine Frau, die schon 18 Jahre einen Geist des Siechtums hatte. Sie war ganz verkrümmt und konnte sich gar nicht mehr aufrichten. "Wie muss es den Arzt berühren, dass sie von Jesus hört: 'Frau, du bist von deinem Siechtum erlöst'?! Wie erst, dass sie sich während der Handauflegung aufrichtet und Gott zu preisen beginnt! Neben seinem ärztlichen Interesse (über 400 medizinische Fachausdrücke finden sich in seinen Schriften!) lässt sich aus all dem auch die Gewissenhaftigkeit des Beobachters feststellen.
Der arme Lazarus (Lk. 16,19ff NB! Wieder ein Kranker, dem die Hunde gar die Geschwüre lecken!), der von den Toten erweckte Jüngling von Naim (Lk. 7,11) der arme Zöllner (Lk. 18,9ff), der verlorene Sohn (Lk. 15,11ff) sind Sondergut unseres Evangelisten. Wer wollte in diesen Gestalten nicht die tiefe Hinneigung zum verlorenen Leben und dessen Rettung sehen können und darin eben die tiefe Hilfsbereitschaft und das hohe Berufsethos des Arztes Lukas erkennen können?
Nimmt man die Kindheitsgeschichte und die Marienstücke hinzu, die er wiederum allein berichtet, so vertieft sich dieser Eindruck noch entscheidend. Lukas bereichert das Jesusbild um wundervolle Farb- und Werttöne. Man hat ihn wegen der Zeichnung des Marienslebens (Verkündigung, Besuch bei Elisabeth, Magnificat usw.) den Marienmaler genannt, die Legende macht ihn sogar zum wirklichen Maler. Die ihm zugeschriebenen Bilder sind aber alle späteren, nämlich byzantinischen Ursprungs.
Wie es dem Begleiter des Heidenapostels zukommt, zeichnet er die Frohbotschaft besonders für die Heiden auf, weniger wie Matthäus für die Judenchristen, obwohl Lukas sich auch als ein Kenner jüdischer Art ausweisen kann. Er schreibt seinen von Augenzeugen abgehörten Bericht (siehe Prolog!) für den römischen Beamten Theophilus (wahrscheinlich in Rom selbst), "damit er sich von der Zuverlässigkeit der Lehren und seines Unterrichtes überzeugen kann." Von der meist chronologischen Ordnung des Stoffes ist er nur wenig abgegangen zugunsten einer systematischen Darstellung. Das Christusbild des Lukas ist geprägt von der Barmherzigkeit. "Gott wird in der Liebe erlebt... die erbarmende Liebe wird als das Grundgesetz des Gottesreiches verkündigt."
Die "Taten der Apostel" (kurz "Apostelgeschichte" genannt), wiederum für Theophilus geschrieben, gruppieren sich um die Säulenapostel (Petrus, Johannes, Jakobus) und den Weltapostel Paulus. Jerusalem, Antiochien, Ephesus, Korinth, Athen, Rom, kurzum die Zentren verschiedenster Art und Richtung der damaligen Welt bieten die Schauplätze des Geschehens, das uns die Idee vom Fortleben des Erlösers und des Erlösungswerkes vor Augen führen will. (Siehe dazu die einzelnen Apostel!)
 
Tod und Verehrung
Über das Lebensende des Evangelisten schweigen sie die zuverlässigen Quellen aus. Schön ist es, wenn die Legende über seinem Grab Brötchen bzw. Pastillen regnen lässt, um so die Hilfsbereitschaft des heiligen Arztes noch im Tode dazulegen. 56/57 ließ Konstantin II. seine Gebeine aus Theben (in Griechenland) nach Konstantinopel überführen und in der Apostelkirche zugleich mit den Andreasreliquien beisetzen. Sein Fest wird am 18. Oktober gefeiert.
Die Kunst stellt Lukas als Evangelist mit dem Buch und seinem Symbol, dem Stier (wegen des Opfers im Tempel im 1. Kapitel) dar. Dafür wurde der milde Heilige zum Patron der Schlächter ausersehen. Als angeblicher Maler haben ihn sich die Malerzünfte erkoren. Mit vollem Recht aber verehren ihn die Ärzte (St. Lukasgilden) als einen ihrer Grössten.
 
JOHANNES
Johannes war, wie sein Name bedeutet, ein Geschenk Gottes, sogar nach Christus, eines der grössten, das der Menschheit gegeben war. Denn der Adler des Geistes (dieses Symbol kennzeichnet treffend die Höhe seines Geistes) hat die Tiefen der göttlichen Geheimnisse und die Gipfel menschlicher Erkenntnisse im kühnen und begnadeten Anflug durchmessen. Unsagbares gesehen und in niegebrauchten Bildern niedergeschrieben. Was er aussagt, gehört zum Wesentlichsten, was je eine menschliche Feder vermitteln durfte. Die ersten Verse seines Evangeliums finden nur im Schöpfungsbericht, dem Anfang des Alten Testamentes, ihresgleichen. Der Adler hat seine Worte aus dem Himmel empfangen.
 
Heimat und Persönlichkeit
Johannes stammt mit seinem Bruder Jakobus d. Ä. und dem Brüderpaar Petrus und Andreas aus Bethsaida. Seine Eltern waren der Fischer Zebedäus und die fromme Salome, die den Herrn begleitete und ihm mit ihrem Vermögen diente. Johannes - ein Fischer! Ein Mann der Arbeit, einer der sich auf sein Handwerk versteht, der mit den Tücken des Sees ringt, sich in die Riemen legen muss, die erbeuteten Fische auszählt, sie verarbeitet, auf dem Markt in Karphanaum verkauft - passt das zu unserem Johannesbild? Der herkömmliche Johannes macht sich die Hände nicht schmutzig. Der steht melancholisch versunken da, träumt von Freundschaft und wüsste sich im Praktischen nur schlecht zu bewegen. Eine süßsaure Papierfigur!
Wer denkt bei dem Namen an einen Feuergeist? An einen leidenschaftlicher Jungmann, den Ehrgeiz und Zorn die Adern schwellen lassen? Und er war das doch, jung, zornig, ehrgeizig! Wir müssen korrigieren. "Donnersohn" nennt ihn Jesus, weil er Feuer vom Himmel auf das ungastliche Dorf der Samariter herabrufen will (Lk. 9,54). "Und der Menschensohn wusste, was im Menschen war" (Jo. 2,25). Feuer vom Himmel! Heiliger Zorn entflammte ihn. Stimmt das zum "süßen Johannes" des herkömmlichen Kunstbildes? Mk. 9,38f verwehrt er einem Exorzisten im Namen Jesu die Geister zu bannen, "weil er nicht mit uns Dir nachfolgt." Jesus muss den streitbaren Jünger entgegentreten: "Wehrt es ihm nicht! Wer nicht gegen euch ist, ist für euch." Toleranz war diesem Eiferer nicht in die Wiege gelegt. Man muss das feststellen gegenüber jenem Johannes, der überlieferungsgemäss nur von Liebe reden kann. Das ist erst der reife Mann. Der junge Apostel ist aus einem anderem Holz geschnitzt. Seine hitzige Anlage muss erst ausgeglichen werden, bis er soweit kommt. Die Predigt von der Liebe ist sein Anliegen geworden, weil er sie persönlich oft verletzt hat und die Möglichkeit in Lieblosigkeit auszugleiten oder in Gehässigkeiten abzusinken an sich und anderen zu oft und zu schmerzlich erfahren hatte.
Dieser Belehrung durch Jesus geht bezeichneterweise der Streit der Jünger voraus, "wer von ihnen der Grösste sei" (Lk. 9,46). Und Johannes war auch unter diesen Streitenden, er muss betreten schweigen, als Jesus ihm nach ihrem Gespräch fragt. (Mk. 9,34). Man muss hier noch einmal auf die Bitte der Mutter hinweisen (Mt. 20,21): Lass diese meine beiden Söhne in Deinem Reich den Einen zu Deiner Rechten, den Andern zu Deiner Linken sitzen!" Ehrgeiz, Rangstreit, sogar Neid gegen Petrus, den kurz zuvor (Mt. 16,18) die grosse Verheißung gegeben worden war, spricht aus dieser Zumutung, welche die Brüder nach Mk. 10,35 sogar selbst vorbringen. Also trifft sie auch dieser Schatten.
Es passt zu diesem Naturell des Apostels, wenn Irenäus überliefert, noch der betagte Johannes von Ephesus habe das öffentliche Bad verlassen, sobald der Irrlehrer Cerinth, der die Gottheit Christi leugnete, eintrat. Wie schwer mag dieser Johannes mit sich gerungen haben, bis er, wie die Legende berichtet, in der Gebrechlichkeit seines Alters kein anderes und besseres Wort zu sprechen wusste als sein "Kindlein, liebet einander!" Da war jene Härte seines Charakters endlich ausgewogen. Aber vergessen wir nicht: das ist das echte Bild des Jüngers, "den Jesus liebte" (Jo. 13,24). Grösse wächst aus Abgründen. - Und einen solchen Menschen nahm Jesus zum Freund. Das besagt mehr als ein ganzes Buch über die Heiligkeit. -
 
Im Abendmahlsaal
Petrus und Johannes werden von Jesus geschickt, das Ostermahl zu bereiten (Lk. 22,7ff). Die Ersten der Apostel sind dazu ausersehen. Es folgt die heilige Stunde mit der Einsetzung des Sakramentes der Liebe und danach - kaum zu glauben! - folgt "der Rangstreit der Jünger". Ob Johannes auch hier beteiligt war...?
Er liegt dem Meister zunächst (man lag ja zu Tisch, stützte sich auf die Linke und aß mit der Rechten), nämlich mit dem Rücken zu Jesus und damit "an der Brust Jesu". Jo. 13,24: "Einer von seinen Jüngern, der, den Jesus lieb hatte, ruhte an der Brust Jesu." Wunderbares Bild: Der Freund am Herzen des Meisters! - Nach der beunruhigenden Feststallung des Herrn, dass einer von ihnen ihn verraten würde, winkt ihm darum der Vorsteher Petrus zu, dass er den Meister heimlich frade, wen er damit meine. "Er lehnte sich an die Brust Jesu und fragte: "Herr, wer ist es?" Vertraulichkeit im Apostelkreis! Leonardo da Vinci hat diesen Moment wunderbar festgehalten. Die Augen des Lieblingsjüngers mögen erstarrt sein, als Jesus, ihm zum Zeichen, Judas den Bissen reichte. "Der ging sofort hinaus. Es war Nacht." (Jo. 13,30).
Was besagt dieser letzte Satz nicht alles! Kein Dichter der Welt hat in drei Worten soviel Inhalt gebracht, bringen können...
Wir wollen über die folgenden Szenen kein Wort verlieren, die Abschiedsworte sind zu tief, das hohepriesterliche Gebet zu göttlich, als dass wir es zu kommentieren wagten. Finde jeder einmal die stille Stunde, um darin einzudringen!
Wer begreift, dass die drei Jünger, die schon zur Verklärung mit dabei sein durften, in der Todesangst Jesu am Ölberg schlafen können (Mt. 26,36-46)? Der Herr bleibt gütig und verzeiht: "Der Geist ist wohl willig, aber das Fleisch ist schwach. Denn ihre Augen waren übermüdet." Mit diesem letzten Vers entschuldigt Matthäus. Nach der Gefangennahme "ließen ihn die Jünger im Stich und flohen." (Mt. 26,56). Auch der Freund Johannes.
Erst nachdem Jesus von Annas weg zu Kaiphas geschickt war, erscheint der Freund des Meisters wieder. Er hat sich gefunden und ist bei ihm. Petrus folgt ebenso Jesus. Johannes fürchtet sich nicht mehr: "Er ging mit Jesus in den Hof des Hohenpriesters hinein. Petrus blieb draußen vor der Tür. Jener Jünger war mit dem Hohenpriester bekannt. Er ging hinaus, sprach mit der Türhüterin und holte Petrus herein" (Jo. 18,15). Man nimmt weiterhin an, dass "jener andere Jünger" Johannes war. Es entspricht seiner Treue. 
 
Auf Golgatha
Johannes führt Maria, die schmerzgebeugte Mutter, hinter dem Herrn her, den Kreuzweg hinauf. Er kann das Kreuz Jesu nicht mittragen helfen, er muss die Mutter stützen. Er ist gezwungen, die qualvollen Szenen der Entkleidung, der Annagelung, des Verlosens des Leibrocks (nur er erzählt davon!), die Verspottung der Anwesenden mit anzusehen und anzuhören, er steht bei der Mutter unter dem Kreuz zusammen mit den anderen Frauen u. zw. nicht sehr weit abseits, denn "Jesus sieht seine Mutter und den Jünger, den er liebte, dastehen und sagte zur Mutter: Frau, siehe deinen Sohn!" (Jo. 19,26). Der Freund soll der Mutter des Erlösers den Sohn ersetzen. Ein grosses Vertrauen, eine grosse Aufgabe und Verantwortung! "Von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich in sein Haus." Bei Johannes in Jerusalem (wir erfahren hier auch, dass er Hausbesitzer war!) ist Maria aufgehoben, Johannes wird ihr der Sohn sein, Maria ihm die Mutter.
"Petrus und der andere Jünger, den Jesus liebte", erfahren zuerst durch Maria Magdalena, die in der Frühe vom Grabe kommt, von der Auferstehung. "Da machten sich Petrus und der andere Jünger auf und gingen zum Grabe. Beide liefen miteinander. Der andere Jünger lief schneller als Petrus und kam zuerst am Grabe an. Er beugte sich vor und sah die Linnentücher daliegen, ging aber nicht hinein und sah die Linnentücher, sowie das Schweißtuch daliegen...Es lag für sich gefaltet an anderen Stelle...Jetzt ging auch der andere Jünger, der zuerst am Grabe angekommen war, hinein..." Merkwürdig für uns, dass auch der Lieblingsjünger, so wenig wie die anderen, "die Schrift noch nicht verstanden hatte" (V. 9) und den Augenschein brauchte, die Feststellung, dass die Leiche nicht gestohlen war (Diebe hätten alles nicht so peinlich geordnet hinterlassen!), um an Jesu Auferstehung glauben zu können. Doch ist Johannes wohl hier in diesem Moment als Erster zum Glauben durchgestoßen u. zw. ohne eine Erscheinung des Herrn. "Johannes ist der Erste im Erkennen, weil er der Erste in der Liebe war." (Hophan). So auch bei der herrlichen Szene am See Tiberias, wo Petrus zusammen mit den Anderen am Fischen war und am Ufer der Herr erschien. Johannes erkennt ihn zuerst: Da sagte der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: "Es ist der Herr." (Jo. 21,7).
 
Der Evangelist
Die Stunde der Berufung am Jordan, jene mittägliche Begegnung, hier mehrfach erwähnt, hat den "Donnersohn" dem Messias gewonnen. Er weiß es noch im Alter genau: "Es war um die zehnte Stunde." (Jo. 1,39). Mit der gleichen Treue und Ursprünglichkeit erinnert sich der Evangelist jedes Wort Jesu und jeder seiner Wunder, jeder Begegnung. Der Messias, der Gottessohn, wird die Mitte seiner Gedanken, seiner Worte, seines Tuns. Und Jesus ist mit dem Vater eins, er ist das Leben, das Licht, die Wahrheit (Jo. 8,12). "Das aber ist das ewige Leben, dass sie Dich erkennen und den Du gesandt, Jesus Christus" (Jo. 17,4). Das sind die Zentralbegriffe seiner frohen Botschaft. Wer ihn so erkennt, ist von der Finsternis hinüber gegangen in das Licht und verbleibt darin, wenn er sittlich handelnd lebt und liebt. Er besitzt die Wahrheit, wenn er Christus im Glauben folgt. -
Johannes machte mit dem Wunder zu Kana (2,1-11) den Anfang der Wunder Jesu. Er zählt uns nur wenige mehr auf, weil die anderen Evangelisten schon vorher geschrieben haben und es nur zu ergänzen braucht (und in welch feiner Weise tut er es mit seinen wenigen Berichten!), aber auch darum, weil er mit dem Hochzeitswunder für Jesus gewonnen wurde ("und seine Jünger glaubten an ihn" 2,11). Johannes sucht in seinem Evangelium die Reichgottes-Idee der Synopoker zu ergänzen und zu vertiefen, nicht, dass ihm diese Idee nebensächlich wäre, aber die Tiefen des Geheimnisses Christi und der in ihm sich offenbarenden Dreifaltigkeit werden durch seine sog. johanneischen Stellen aufgehellt und ausgelotet, soweit es sein Geist fasste und die Gnade es ihm eingab.
Leider hat die menschliche Finsternis das Licht der Welt nicht angenommen (vergl. den Prolog seines Evangeliums!). Diesen Kampf des Lichtes mit der Finsternis, den man einen tragischen nennen könnte, wenn es keinen Ostermorgen gegeben hätte, darzustellen, machen viele Stücke seines Berichtes aus. Es bedarf der Wiedergeburt, dass der Mensch es begreife (s. das Nikodemusgespräch Joh. 3!). Der gute Hirte gibt sein Fleisch als Leben der Welt (Jo. 6) und opfert sich für seine Schafe (Jo. 10). Die Abschiedsrede Jesu (Jo. 14-18) zeigen uns dieses einzigartige Jesusbild und den Trost der Nachfolge in der Liebe (Jo. 17,26: "damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen sei und ich in ihnen!"). Die kurzen drei Briefe des Apostels sind der späte Nachhall dieser Gnade seines Lebens. "Was von Anfang an war, was wir gehört und mit eigenen Augen gesehen, was wir geschaut und mit unseren Händen betastet haben: ich meine das Wort des Lebens, das verkündigen wir euch. - Das Leben ist sichtbar erschienen, wir haben es gesehen..." (1. Joh. 1ff).
Johannes führt uns wie ein anderer Thomas auf seine Art hin zum Herrn, dass auch wir Nichtsehenden glauben können. Freilich er selbst ist über diese Begnadung hinaus noch erhoben worden, zu schauen und "zu bezeugen, was Gott geredet und was Jesus Christus geoffenbart hat..." (Ak 1,2). Der Seher auf Patmos hat in die tiefsten Geheimnisse Gottes und der Zukunft der Welt hineinblicken dürfen, wie es noch kein Auge je sah...Das Ende der Welt, die Vernichtung der Finsternis, das neue Jerusalem, "wo es nichts Verfluchtes mehr gibt und keine Nacht mehr, weil Gott der Herr allen leuchtet" (Ak 22,5). Er erweckt in uns die Sehnsucht, dass wir am Ende mit dem Seher bitten: "Komm, Herr Jesus!" (Ak 22,20).
 
Nach der Himmelfahrt
Der "Säulenapostel" (Gal. 2,9) blieb zuletzt noch in Jerusalem, wo er sein Haus hatte, in das er die Mutter Maria aufgenommen, er ist mit Petrus zusammen bei der Heilung des Lahmgeborenen und nachher mit ihm vor dem Hohenrat (AG. 3 und 4), mit ihm wird er auch nach Sanaria gesandt, um zu firmen (AG. 8,14) und nimmt am Apostelkonzil teil (42 n. Chr). Wenn er Jerusalem verlassen hat, können wir nicht sagen, sicher aber ist, dass er in Kleinasien wirkte und von Ephesus aus als "Hoherpriester" und geistliches Oberhaupt die umliegenden Gemeinden geführt hat. Unter der Verfolgung des Domitian (Ak. 1,9) lebte er als Verbannter auf der Insel Patmos, wo er die geheime Offenbarung schrieb. Unter Kaiser Nerva (96-98 n. Chr.) durfte er nach Ephesus zurückkehren, dort schrieb er hochbetagt sein Evangelium und seine Briefe. Zu Beginn der Regierung des Trajan starb der greise Apostel daselbst (i. J. 100/101?).
Viele Legenden haben sich um das Leben dieses "Ältesten" gerankt, so sein Martyrium im siedenden Öl, das ihm nichts anhaben konnte, der Versuch, ihn zu vergiften, was aber nicht gelang, weil beim Segnen des Giftbechers eine Schlange aus dem Kelch schlüpfte, das bewusste Einsteigen in sein Grab, die über dem Verstorbenen sich bewegende, noch mit ihm atmende Erde und schließlich sogar die leibliche Aufnahme des "jungfräulichen Apostels" in den Himmel, weil man später in seinem Grab nur Staub, "Manna", fand.
Johannes wird dargestellt als Evangelist mit dem Adler (wegen des Höhenfluges seiner Gedanken), als Apostel mit Buch und Kelch, aus dem die Schlange entweicht, als Prophet und Seher, wie er auf der Insel die Apokalypse schreibt. An seinem Fest (27. Dezember) segnet der Priester den Johanneswein und reicht ihn den Gläubigen mit dem sinnigen Wort: "Trinket die Minne des hl. Johannes!" 
 
 

Nach oben