- Gottes enge Pforte -

Das Gotteshaus

 
 
Eine Stätte heil´ger Freuden
steht das neue Gotteshaus,
und die frommen Glocken läuten
in die Lande weit hinaus.
 
Eine Gottesburg gegründet,
voller Anmut steht sie da,
wie ein Licht, das angezündet
für die Pilger fern und nah.
 
Willst du Licht auf deinen Wegen,
willst du Trost für deinen Schmerz,
willst du Kraft auf harten Stegen,
nahe nur, du Christenherz!
 
Er, dein Hirt, ist ja zugegen,
und eröffnet ist sein Herz;
hier ist Liebe, Gnade, Segen,
hier ist Wonne selbst der Schmerz.
 
Heil´ges Haus, sei uns gegrüßet,
Gottes Haus im Erdental,
das uns Not und Tod versüßest,
sei gegrüßt viel tausendmal!
 
Alles in der Kirche führt uns zu Gott
Die Worte Jesu an Zachäus: "Heute ist diesem Hause Heil wiederfahren" (Luk. 19,9) lassen sich auf unsere Kirchen und uns, die wir uns in denselben befinden, mit allem Rechte anwenden. Hier hat Gott, der gütige Allvater, seinen Gnadenthron aufgeschlagen, und alles, was wir in der Kirche sehen, ist geeignet, uns zu Gott zu führen, unsere Herzen zu himmlischen Begierden zu erheben. Schauen wir uns einmal ein katholisches Gotteshaus von innen und außen etwas an!
 
Schon von weitem sichtbar ragt der Kirchturm aus dem Häusergewirr hervor. Wie ein gewaltiger Zeigefinger deutet er empor zum Himmel. Aufwärts die Herzen! lautet seine eindringliche Mahnung. Nie sollen wir vergessen, dass wir nicht für diese schnöde Welt geschaffen sind, dass wir hier Fremdlinge und Verbannte sind, dass dort droben über den Sternen unsere wahre ewige Heimat ist. Das von irdischen Sorgen gequälte Christenherz atmet erleichtert beim Anblick des Turmkreuzes auf, das uns hinweist auf das Leiden und Sterben des Weltheilandes und zum Siegeszeichen geworden ist. In diesem Zeichen siegten die Millionen von Martyrern, Bekennern und Jungfrauen. In diesem Zeichen wirst auch du siegen! So ruft das Kreuz allen müden Wanderern durch das irdische Tränental zu. Also harre aus, schreite tapfer weiter, das ewige Ziel ist nahe und der Lohn für deine Anstrengungen wird nicht ausbleiben.
 
Nähert man sich der Kirche, so fällt einem der Friedhof auf, der Gottesacker, der häufig in der Nähe derselben oder um dieselbe herum angelegt ist. Im Schatten des Gotteshauses, in dem sie getauft wurden und so oft geweilt, so viel Trost und Hilfe gefunden haben, ruhen unsere Verwandten und Bekannten, da sollen auch wir einmal unser letztes Ruheplätzchen finden. Welch ein schöner Gedanke und wie traurig ist es, dass in Städten der Friedhof möglichst weit weg von den Lebenden verlegt wird oder dass gar die Leichen der lieben Toten wie die Lumpen verdächtiger Bettler verbrannt werden! Der Friedhof erinnert uns gerade rechtzeitig vor dem Eintritt in die Kirche an die Vergänglichkeit aller Erdengröße und an die Pflicht, der Verstorbenen im Gebet besonders beim hl. Messopfer zu gedenken.
 
Im Turm hängen die Glocken und mahnen mit ihrer ehernen Stimme die Gläubigen, zum Gottesdienst rechtzeitig zu erscheinen. Sie sind eigens für ihren erhabenen Beruf geweiht. Sie klingen bald freudig, bald ernst warnend, bald traurig, je nachdem sie zu einem Zwecke geläutet werden. Die Turmuhr erinnert uns mit jedem Schlag an die unendlich kostbare Zeit. Vergiss nicht, wie bald vielleicht auch du schon im Friedhof ein einsames, dunkles Quartier erhälst. Während die Sonnenuhr im hellen Übermut lockt: Die trüben Stunden zeig ich nicht, warnt die Turmuhr: Omnes vulnerant, ultima necat (Alle Stunden verwunden, die letzte tötet!) Welcher Stimme willst du folgen?
 
Am Eingang in die Kirche steht ein Gefäss mit Weihwasser (vielleicht hast du, so nebenbei bemerkt, daheim im Weihwasserkrügchen gar keinen Tropfen. Schau gleich nach, wie es in diesem Punkte in deinem Zimmer steht!). Das geweihte Wasser erinnert dich an die Herzensreinheit, die du in das Gotteshaus mitbringen musst, wenn dein Gebet Gott angenehm sein und von ihm erhört werden soll. Der göttliche Lehrmeister schärft uns selbst diese Pflicht ein: "Wenn du deine Gabe zum Altar bringst und dich daselbst erinnerst, dass dein Bruder etwas wider dich habe, so lass deine Gabe allda vor dem Altare und gehe zuvor hin und versöhne dich mit deinem Bruder, und dann komme und opfere deine Gabe" (Matth. 5,23.24)! Vergiss diesen schönen Zweck des Weihwassergefässes am Kircheneingang nie!
 
Im Gotteshause erblickst du Betstühle und in denselben andächtige Christen. Knie dich auch hinein, ohne lange zu schauen, wer dein Nachbar sein wird. Vor Gott sind wir arme Bettler, alle ohne Ausnahme. Sei nicht zu stolz, neben ein armes, altes Weiblein hinzuknien, ist es ja leicht möglich, dass es in Gottes Augen mehr gilt als du mit deinem vollen Geldbeutel und eitlem Gepränge. Ich sage: Knie nieder und nicht: Setze dich nieder! Sonst hätte man Sitzbänke oder gepolsterte Grossvaterstühle in die Kirche gestellt, wie sie im Theater stehen. Die Kirche ist kein Theater und noch weniger ein Kino. Benimm dich also anständig darin, wie es sich für einen katholischen Christen geziemt. Unter diesen Betern findest du unschuldige Kinder, sorgengequälte Erwachsene, fromme Gläubige und schuldbeladene Sünder. Abgesehen vom guten Beispiel, das diese Beterschar gibt, denke an das Wort des Herrn: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. Alle, die hier knien, vertrauen auf das Wort Gottes: "Ihr werdet zu mir beten, und ich werde euch erhören" (Jer. 29,12).
 
Irgendwo in einer Ecke steht der Taufschein. Welch eine stumme Predigt für dich! Wie hast du die Versprechungen gehalten, die der Pate statt deiner bei der Taufe gemacht hat? Glaubst du noch unerschütterlich an die drei göttlichen Personen, an alles, was du als Katholik glauben musst? Oder hat dein Glaube in den Stürmen des Lebens Schiffbruch erlitten, bist ein Taufscheinkatholik geworden, der sich um die Gebote Gottes und der Kirche nicht mehr kümmert? Schämst du dich etwa gar deines christlichen Namens und meinst auf die Religion kommt es nicht an, wenn man nur äusserlich als Ehrenmann dasteht mit gewichsten Stiefeln und eleganter Bügelfalte? Widersagst du dem bösen Feinde und seinen verderblichen Einflüsterungen oder leihst du ihnen nur allzu oft und gerne Gehör?
 
Sollte es in diesem Belange fehlen, so schau dir dort den Beichtstuhl an. Das ist die rechte Apotheke für derlei Seelenkrankheiten. Gar oft bist du schon bangen Herzens im Beichtstuhl gekniet und hast von Christi Stellvertreter das tröstende Wort vernommen: "Deine Sünden sind dir vergeben!" Aber immer vernahmst du auch die ernste Mahnung: "Sündige fortan nicht mehr!" Fliehe die Gefahr, meide die Gelegenheit, wache und bete! Hast du diese Ratschläge in den Wind geschlagen, bist du deinen Vorsätzen untreu geworden, so ist der Beichtstuhl dein Ankläger vor Gott, der Zeuge deines schmählichen Undanks.
 
Gehst du noch an Sonn- und Feiertagen zum Pfarrgottesdienst, zu dem auch die Predigt gehört oder begnügst du dich mit einem sogenannten "Jägermesslein", dem du mit knapper Not beiwohnst? Heute hat der Katholik eine gründliche Unterweisung in den Glaubenswahrheiten dringend notwendig, da die religiösen Gefahren immer mehr zunehmen. Und sollte der Prediger hie und da dein schlummerndes Gewissen etwas unsanft aufrütteln, eine besonders wunde Stelle deines Herzens berühren, das schadet nichts. Im Gegenteil wirst du die Klugheit des Arztes loben, der endlich einmal den Sitz der Krankheit entdeckt und sie geheilt hat, statt an gesunden Teilen des Körpers mit allerlei Salben und Pflästerchen herumzupfuschen.
 
In der Kirche sehen wir Statuen und Bilder der Heiligen. Sie sind das Gebet- und Betrachtungsbuch für jene, die nicht lesen wollen oder können. Diese hl. Männer und Frauen, deren Abbildungen du da siehst, sind dir auf dem Weg zum Himmel vorausgegangen. Sie haben gleiche oder ähnliche Lebensschicksale durchgemacht wie du. Es fehlt dir also jede vernünftige Ausrede, du wissest den Weg nicht, er sei dir zu weit und beschwerlich. Wenn der Himmel schon einmal Gewalt kostet und die lieben Heiligen diese Gewalt anwandten, um ihr ewiges Ziel zu erreichen, so wende in Gottes Namen die gleichen Mittel zum gleichen Zweck an und bilde dir nicht ein, die Erde sei ein gewaltiger Ballsaal oder ein erstklssiges Varieté- Unternehmen. Das ist sie nicht, nein, mein lieber Freund, täusche dich nicht!
 
Ein wichtiger Bestandteil des Gotteshauses ist der Sängerchor mit der Orgel. vielleicht bist du musikalisch taub und meinst daher, die Orgel und die Sänger seien für dich höchst überflüssig und stören dich nur in deiner Andacht. Von den Hirten, die zur Krippe nach Bethlehem kamen, heisst es, sie lobten und priesen auf dem Heimweg Gott aus vollem Herzen. Meinst du, diese einfältigen Leute haben ihre Singbüchlein aus der Tasche gezogen und der Herr Schulmeister ist vorausmarschiert und hat einen grossmächtigen Taktstock geschwungen? Dann täuschest du dich. Man kann Gott auch ohne Notenkenntnis, ja ohne die Lippen zu bewegen, loben und preisen und zwar besser als die meisten Primadonnen und Heldentenöre in großstädtischen Kirchen, die für ihre Leistungen mit Geld und Ehre entlohnt werden. Sei also beruhigt, der Herr versteht dein kindliches Stammeln und hat Wohlgefallen daran, wie sich die Mutter über das erste Lallen ihres Kindes freut.
 
Ganz vorne erhebt sich der wichtigste Bestandteil ieder ordentlichen, katholischen Kirche: Der Hochaltar mit dem ewigen Lichte davor. Hier im Tabernakel hat Gott seinen Gnadenthron aufgeschlagen, vom Altar aus ruft er allen zu: "Kommt zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, und ich will euch erquicken! Mit viel mehr Recht als die Israeliten im alten Bunde können wir sagen: Es gibt kein Volk, das seinen Gott so nahe hat, wie wir. Auf dem Altar opfert sich noch täglich der Erlöser für die Menschheit durch die Hände des Priesters seinem himmlischen Vater auf und bringt ihm so das einzig Gott würdige Lob-, Dank-, Bitt- und Versöhnungsopfer dar. Eine Kirche ohne "Allerheiligstes" ist für den Katholiken ein verlassenes Haus, aus dem der Herr und Besitzer weggezogen ist. Erst die Gegenwart Christi im allerheiligsten Altarsakrament macht ihm die Kirche zum Hause Gottes, zu einem wahrhaft heiligen Ort. Wie der fromme Patriarch Jakob ruft er aus: "Wahrhaftig, der Herr ist an diesem Ort. - Hier ist nichts anderes als Gottes Haus und die Pforte des Himmels" (1. Mose 28,16 ff.). Gott wohnt in der Kirche unter uns wie der Freund unter Freunden, wie der Arzt unter den Kranken, wie der Vater unter den Kindern. Er ist hier jederzeit bei Tag und Nacht. Daran erinnert uns das ewige Licht, das vor dem Altar brennt. Die Kommunionbank ladet die Gläubigen ein, oft und würdig hinzuzutreten zum Tisch des Herrn.
 
Kurz fasst der grosse hl. Kirchenvater Bernard das Gesagte über die Würde und Heiligkeit des Gotteshauses in die Worte zusammen: "Wer wird Anstand nehmen, das Gotteshaus heilig zu nennen, wenn er bedenkt, was darin vorgeht? Das Gebet der Gläubigen und die Opfer ihres Herzens steigen da zu Gott empor, das Evangelium wird da verkündet, die hl. Sakramente werden da ausgespendet und Jesus Christus ist da persönlich zugegen." 
(entnommen aus: "Des Christen Glaubensleben", von P. Nivard Neurauter S.O.Cist., 1925)

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