- Gottes enge Pforte -

Von Gott und vom Gottesdienst

 
Die wichtigste Frage im Menschenleben lautet:
Wozu sind wir auf Erden?
 
Du magst klagen, und magst in gedrückten Stunden dein Dasein bejammern; die Frage bleibt bestehen und stellt sich dir immer wieder in den Weg. Weil sie so wichtig ist, steht sie auch an der Spitze unseres Katechismus. Wohl hast du ihn schon lange nicht mehr hergenommen. Er war dir ein lästiges Schulbuch, das du mit deinem Austritt aus der Schule weggelegt hast. Dort findest du jedoch die Antwort in den schönen Worten:
Wir sind auf Erden, um Gott zu dienen und dadurch selig zu werden. Unser Leben ist also Gottesdienst.
 
Vor nicht gar langer Zeit redete ich mit einem Mann über die Menschen, und er meinte, ein großer Teil wisse gar nicht, wozu er lebe. Sie haben recht, sagte ich, es fehlt ihnen der Geist - Geist haben sie genug, fiel er ein, den Geist des Wuchers und des Neides und der Habsucht und wie sie alle heißen - ich meine jenen Geist - ja, ich verstehe wohl, unterbrach er wieder, den Geist, der lebendig macht. Ja gewiß, ihnen mangelt der Geist, der lebendig macht, der Gottesgeist, der himmlische Geist, der alles schafft, der das Angesicht der Erde erneuert. (Psalm 103.) Es ist furchtbar, sagen zu müssen, daß viele, viele Menschen nicht wissen, wozu sie leben, daß sie den Geist nicht haben, der lebt und lebendig macht. Und diese Menschen trifft man nicht bloß in den Hütten der Armen; sie wohnen auch in Palästen - und fast hat es den Anschein, als ob Wohlhaben, Reichtum, Ansehen, Einfluß, Wissen, Weltkenntnis und Welterfahrung den Dienst Gottes überflüssig mache, als ob in demselben Maße, in welchem diese Dinge da sind und zunehmen, die Pflicht Gott zu dienen, fehle, schwinde.
 
Wir sind auf Erden, um Gott zu dienen. Diese Tatsache setzt voraus, daß ein Gott ist; - Ist er, dann müssen wir ihm dienen - und sie stellt die andere Frage: Wie diene ich meinem Gott?
 
I.
Ich will die hl. Schrift nicht ausholen, um Zeugnis für das Dasein Gottes zu gewinnen. Auf hundert Blättern tut sie es kund. Vernimm nur die eine Stelle aus dem 1. Korintherbrief 8, 1 ff. Wir wissen, daß ein Götze in der Welt nichts ist, und daß kein anderer Gott ist als der eine; denn wenn es auch sogenannte Götter gibt, sei´s im Himmel, sei´s auf Erden, wie ja (nach der Heidenmeinung) viele Götter und viele Herren sind, so haben wir doch nur einen Gott, aus dem das All ist und für den wir sind, und einen Herrn, Jesus Christus, durch den das All ist und wir durch ihn.
 
Ich will mich an die Vernunft wenden und mit dem Maß der Verstandeskraft beweisen, daß ein Gott ist. Merke! Jedes Ding, soweit unser Denken und unsere Wahrnehmung dringen kann, hat eine Ursache, es existiert, weil ein anderes ist. Es existiert auf Grund und in Kraft dieses andern. Und wie jedes Einzelding, so existiert auch die Welt, welche die Summe aller Einzeldinge darstellt, nur auf Grund einer Ursache. Es muß nun Etwas geben, das der Voraussetzung eines andern bedarf, das unabhängig dasteht, das nicht verursacht wird, das seinen Grund vielmehr in und durch sich selber hat und Grund alles Seienden ist. Dieses unabhängige Etwas, diese unverursachte Ursache, dieser Urgrund alles dessen, was ist, nennen wir Gott. - Höre noch einmal! Jedes Ding (Wesen), soweit unser Denken und unsere Wahrnehmung dringen kann, wie auch die Welt, die Summe aller Wesen, hat Teil an einer wunderbaren Gesetzmäßigkeit und Ordnung, so daß nichts zufällig oder beliebig vor sich geht, sondern nach vorgeschriebenem Gesetze. Diese Gesetzmäßigkeit und Regelmäßigkeit trägt das Ding nicht in sich selbst, es kann sie nicht aus sich selbst hervorbringen, bewirken, ändern. Es muß vielmehr Etwas dasein, das Ordnung und Gesetz gegeben hat, ein Gesetzgeber als Seiender, ein überweltlicher Ordner. Dieses Etwas, diesen Gesetzgeber und Ordner nennen wir wiederum Gott. - Höre und merke ein drittesmal! Alles, was ist, jedes Wesen hat einen Zweck, ist auf ein Ziel hingerichtet. Schauen wir aufmerksam z.B. nur in den Bau der Natur, so stellt sich dieser Zweck unabweisbar vor unsere Augen. Diese Zweckmäßigkeit und Zielstrebigkeit aller Wesen kann nun nicht im Wesen selbst liegen und in ihre innere Form hineingebettet sein, sondern sie muß vorgezeichnet, sie muß in all ihren Möglichkeiten vorhergewußt sein. Dieses Etwas nun, das Sinn in alle Wesen gebracht, das die Zweckbestimmung aller Wesen festgelegt hat, nennen wir wiederum Gott.
 
Aus der Verursachung, Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit aller Wesen vermögen wir so mit unserem Verstand zu beweisen, daß ein Gott ist, ein Gott, der bewirkt, der unterscheidet und denkt, der ordnet und leitet. Es ist ein unabhängiger und freier Gott, von höchster sittlicher Kraft und höchstem Selbstbewußtsein, m. a. W., ein persönlicher Geist, hoch erhaben über des Menschen Geist.
 
Es ist das größte Gut der Menschheit, zu wissen, daß ein Gott ist. Wissen, daß über ihm nichts ist, das ihn beeinflussen könnte, unter ihm alles ist, das ihm unterworfen ist, das gibt dem Leben erst Inhalt, das weckt uns auf aus tatenloser Ruhe zu gläubigem Dienste, zu kraftvoller Betätigung all unserer Fähigkeiten für ihn, den einen, hin zu ihm, dem Beherrscher der Welt. Jetzt erst hat unser Leben Wert, dessen es ohne Gott völlig entbehrt. Ein armes Geschöpf wäre der Mensch ohne Gott, aus Staub, um zu verstauben. Es ist ein Gott. Dieser Wahrheit kann der Mensch nicht entraten. Wärest du weltflüchtig oder würdest du dich einmauern und abschließen, dieser dein Gott stände vor die. Nur Torheit kann sprechen: er ist nicht, und nur ein verdorbenes Herz sein Dasein leugnen. Wir bekennen mit der Schrift: Frage die Tiere und sie lehren dich und die Vögel des Himmels und sie geben dir Kunde, rede mit der Erde und sie antwortet dir, und die Fische des Meeres erzählen dir. Wer weiß nicht, daß alles dies die Hand des Herrn gemacht hat, in dessen Gewalt die Seele jedes Lebewesens und der Geist alles menschlichen Fleisches ist. (Hiob 5, 7 f.)
 
II.
In erster Linie ist der Mensch berufen, Gott zu dienen. Über diesen Dienst drückt die hl. Schrift sich aus mit den Worten: Du mußt Gott im Geiste und in der Wahrheit dienen. Wann ist unser Gottesdienst Geist und Wahrheit? Die Worte sind nicht allzuschwer zu begreifen. Ein solcher Gottesdienst besteht darin, daß unser Wille in allen Dingen mit dem Willen Gottes übereinstimme. Damit ist unserem ganzen inneren Leben die Form gegeben. Gott will nur das Gute, Edle, Schöne und Rechte und so auch der Mensch, der Gott in rechter Weise dient. Der kann kein Diener Gottes sein, dessen Wille verschlungen ist in den Neigungen, Strebungen zum Bösen, Sündhaften, Verwerflichen. Sich dem Laster hingeben, der Lust frönen, der Leidenschaft nachhängen ist kein Gottesdienst, das ist gottlos, gottvergessen. Die Sünde ist Unwahrheit, Selbstbetrug, Täuschung. Fühlt der Mensch nicht bittere Ernüchterung, ein eisigkaltes Schauern, nachdem er die Sünde gewollt und genossen hat? Der Dienst im Geiste und in der Wahrheit äußert sich anders. Er erhebt das Herz in die Regionen der reinsten Freude. Er löst innere Befriedigung und unbeugsame Ruhe und Sicherheit des Gewissens aus. Wenn du dich prüfest, ob du auf dem Weg des wahren Gottesdienstes bist, so magst du vielleicht erkennen, daß dein Wille noch weit entfernt ist von dem, was Gott will, daß er noch tief umlagert ist vom Irdischen und den Flügelschlag zu dem, was über dem Irdischen ist, noch kaum begonnen hat.
 
Der Dienst Gottes ist Geist und Wahrheit ist aber nicht etwas im Menschen Verborgenes. Er ist nicht ein Dienst in bloßen Gedanken, so daß der Nebenmensch nichts davon weiß und zu wissen braucht. Nein! Er äußert sich notgedrungen auch nach außen.
 
Seinem Gott, der ist, gehört der Mensch mit Leib und Seele an, weshalb dieser, dein Leib, sich auch mitbeteiligen muß an dem Gott schuldigen Dienst im Geist und Wahrheit. So sehr stehen Leib und Seele in Wechselwirkung, daß das, was immer deine Seele bewegt, naturnotwendig sich in deinem leiblichen Leben wiederspiegelt. Die Tätigkeiten der Seele entbehren der Vollkommenheit, wenn sie nicht aus sich herausdringen, und andererseits wirkt das, was nach außen hin geschieht, anregend, belebend und stärkend zurück auf die Seele. Darum muß der Gottesdienst auch äußerlich zum Ausdruck kommen. Der Mensch muß Zeichen seines Gottesdienstes sehen lassen. Nicht umsonst fordert der Herr selbst, daß wir unsere Werke vor den Menschen tun, um von ihnen gesehen zu werden.
 
Der Gottesdienst ist also zweifach, ein innerer und ein äußerer, ein innerer, der in der Verbindung, Vereinigung des Innern, des Herzens, der Seele mit Gott besteht; ein äußerer, der augenfällig ist, in die Erscheinung der Umwelt tritt und von dieser gesehen wird. Man ist gerne geneigt, unter Gottesdienst mehr diese äußere Seite zu verstehen und in erster Linie das Gebet, die Beteiligung an den kirchlichen Feiern und Festen, an der Sakramentsspendung zu meinen. Allein das wäre falsch. Das Innere und das Äußere gehört zusammen. Der Herr tadelt durch den Propheten sein Volk, wenn er sagt: Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit von mir. Eine wundervolle Harmonie des inneren und äußeren Menschen ist der echte Gottesdienst - der Gottesdienst in Geist und Wahrheit.
 
Als der Heiland in jener denkwürdigen Stunde am Jakobsbrunnen die Worte sprach: Die wahren Anbeter werden den Vater in Geist und Wahrheit anbeten, da schwebte ihm in ganz besonderer Weise jener Gottesdienst vor, welcher der Mittelpunkt des Neuen Bundes sein werde, das eucharistische Opfer, das hl. Meßopfer. Dieses Opfer werde ein Gottesdienst in Geist und Wahrheit sein, viel vollkommener als der Gottesdienst der Juden oder derjenige der Samariter. Ihre Gottesverehrung war noch sehr unvollkommen. Im wesentlichen vollzog sie sich in äußeren Übungen, Zermonien, Reinigungen und Opfer von Fleisch und Blut, in einem Aufwand von Pomp und Glanz, der sich namentlich zur Zeit der Feste aufs Höchste steigerte, als die gesamte Judenschaft in der Hauptstadt zusammengeströmt war. Das neue Opfer trägt wohl auch ein Festgepräge, die Kirche hat ihm im Laufe der Zeit eine Form gegeben, die alles menschliche Können in ihren Dienst gestellt hat, allein diese äußere, prunkhafte Form hüllt einen Opfergegenstand ein, der über alles erhaben, etwas Unendliches, in sich Lebendiges, Göttliches ist. Das ist der Gottesdienst in Geist und Wahrheit.
 
Das Judentum hat diesen geheimnisvollen Dienst Gott nicht darbringen können, aber doch hätte es seinem Gottesdienst mehr Geist und Wahrheit geben können durch größere Hingabe des Innern zugleich mit dem äußeren Opfer.
 
Dem Neuen Bunde ist nun zuteil geworden, im Opferdienst den eucharistischen Gottesdienst in Geist und Wahrheit zu üben. Dem Neuen Bunde gehören darum die wahren Anbeter Gottes an. Zu solcher Anbetung sind sie befähigt durch die Aufnahme in das Gottesreich auf Erden und durch die höhere Gotteserkenntnis, die ihnen da geworden ist. Uns allen, die wir Christen sind, obliegt es darum als strenge Pflicht, diesen Gottesdienst, dieses Wunderwerk des Opfers zum Brennpunkt des Lebens zu machen. Und wie in der herrlich gestalteten Opferfeier sich Wesenhaftes und Zeremonielles in glänzender Harmonie vereinigt, so müssen wir zur Opferfeier die Harmonie unseres Geistes und Körpers mitbringen. Mit dem Geiste müssen wir uns in die Opfertat Christi versetzen und mit dem Leibe und seinen Gliedern dieser inneren Tätigkeit den vollendeten Abschluß geben. Aufs höchste schwingt sich dieser Dienst empor im Empfang der hl. Kommunion. Hier ist in der leiblichen Aufnahme der gesegneten Speise die völlige Hingabe des Menschengeistes an Gott verwirklicht. So wird der Gottesdienst in Geist und Wahrheit gefeiert in Geist und Wahrheit.
 
Nicht das Wandern in Gottes Natur und das Bewundern der Schöpfung, nicht innere Anerkennung Gottes, eine Verehrung in inneren Tätigkeiten des Menschen ist Gottesdienst in Geist und Wahrheit, wie er von Gott gefordert wird, sondern die Beteiligung am Opfer, der Besuch des Meßopfers, das Mitopfern, Mitfeiern und Sichvereinigen in der hl. Kommunion. Die Opferstätte ist der Altar der katholischen Kirchen.
( entnommen aus: Das Hl. Messopfer, von Pfarrer Dr. K. Josef Merk, 1921)

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